Archiv für den Monat: Januar 2007

Subjektives contra Dokumentiertes Wissen?

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 22.Januar 2007
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

  1. Im Beitrag vom 21.Januar 2007 habe ich den Begriff des ‚Dokumentierten Wissens‘ eingeführt. Das dokumentierte Wissen stellt einen gewissen Gegenpol zum ‚Subjektiven Wissen‘ dar. Was hat man sich unter diesen beiden Begriffen jeweils vorzustellen?
  2. Der Redekontext zu den Begriffen ‚dokumentiertes Wissen‘ und ’subjektives Wissen‘ setzt voraus, dass es Gesprächsteilnehmer gibt, die von sich sagen können, dass sie ‚erleben‘ können, dass sie ‚Wissen‘ ‚um sich selbst‘ und ‚von der Welt mit ihnen‘ haben.
  3. Wenn jemand von sich sagen kann, dass er ‚erlebt‘ und dass er Wissen ‚von sich selbst‘ und von ‚der Welt mit ihm‘ hat, dann gestehen wir ihm ’subjektives Wissen‘ zu. ‚In sich selbst‘ verspürt er unterschiedliche ‚Zustände‘, hat er ‚Erlebnisse‘, weiss er um ‚Phänomene‘, hat ‚Vorstellungen‘, hat ‚Gefühle‘, hat ‚Ideen‘, kann diese ‚unterscheiden‘, kann diesen Phänomenen unterschiedlichste ‚Eigenschaften‘ zuschreiben, kann zwischen diesen Eigenschaften und Phänomenen unterschiedlichste ‚Beziehungen‘ erkennen. Insgesamt sind alle diese Phänomene ’seine‘ Phänomene, Teil ’seines‘ Erlebens, Denkens, Wollens.
  4. ‚Dokumentiertes Wissen‘ war zu irgendeinem früheren Zeitpunkt einmal subjektives Wissen, das durch einen ‚kommunikativen Akt‘ in dokumentiertes Wissen transformiert worden ist.
  5. Subjektives Wissen ist das Wissen, das ein ‚Ich‘ von etwas hat. Man nennt diese Form des Wissens auch ‚Bewusstsein‘ (Sein im Wissen eines Ich). In diesem Sinne ist Bewusstsein ‚monadisch‘, es kennt nur’sich selbst‘ und ‚das Andere‘ nur in der Form des ‚Für sich seins‘, d.h. nur in der Weise, wie das Andere im Bewusstsein dem Ich ‚erscheint‘ als ‚Etwas‘, nicht das Andere, wie es ‚An sich‘ ist oder gar ‚im Anderen für sich‘ ist.
  6. Die Rede vom ‚Dokumentierten Wissen‘ setzt strenggenommen den Standpunkt eines ‚Dritten‘ voraus, der das ‚Entstehen‘ von dokumentiertem Wissen im ‚intersubjektiven Raum‘ ‚beobachten‘ und feststellen‘ kann. Wenn ein Kommunizierender –normalerweise eine menschliche Person– durch kommunikative Akte ‚interne Zustände‘ in ‚externe Zustände‘ überführt, die ‚Wissen repräsentieren‘, dann entsteht ‚Dokumentiertes Wissen‘.
  7. Den Standpunkt eines ‚Dritten‘ gibt es aus Sicht eines Bewusstseins aber nur als ‚Fiktion‘, denn ein Bewusstein ist monadisch; es kann nicht wirklich aus sich heraustreten. Ein Bewusstsein B1 kann nur durch kommunikative Akte ein ‚Anderes‘ A so setzen, dass unter bestimmten Bedingungen ein ‚anderes Bewusstsein‘ B2 das von Bewusstsein B1 gesetzte andere A auch als ein Anderes A erkennt, das von Bewusstsein B1 gesetzt wurde. Je nach Umständen ist der Bezug des Anderen A zum hervorbringenden Bewusstsein B1, das in dem anderen Bewusstsein B2 ‚erkannt‘ wird, für das Bewusstsein B2 nicht mehr erkennbar, d.h. das andere Bewusstsein B2 erkennt nur A, nicht das Andere als von B1 gesetzt, also nicht B1(A).

Es hat dann 34 Monate gedauert, bis es in diesem Blog dann weiter ging …. HIER.

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Warum überhaupt schreiben?

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 20.Januar 2007
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

  1. Zu den Begriffen ‚Wissen‘, ‚Intelligenz‘, ‚intelligentes Leben‘ mit weiteren Konnotationen wie z.B. ‚Geist‘, ‚Vernunft‘ usw., gibt es –je nachdem, wie weit man die Suchkriterien fasst–, hunderte, tausende, oder gar zehntausende von Artikeln und Büchern. Man kann sich die Frage stellen, warum dann selber noch ein paar Zeilen schreiben; ist nicht schon genug geschrieben?
  2. Wenn man das verfügbare dokumentierte Wissen rein abstrakt betrachtet, als ‚kulturelle Manifestation‘, losgelöst von einzelnen Menschen, von einzelnen Gehirnen, dann könnte man möglicherweise sagen: Ja, es ist schon alles geschrieben, ‚wir brauchen nichts mehr‘; wir wissen schon alles.
  3. Aus der Sicht des einzelnen Menschen, des einzelnen Gehirns, nützt die Tatsache, dass schon viele hunderte, tausende oder mehr Artikel und Bücher existieren, nicht unbedingt etwas. Der einzelne Mensch findet sich primär in seinem eigenen Erleben vor, in seiner sprachlich ‚kodifizierten‘ Welt, in seinen Deutungsmustern, und die Masse des schon geschriebenen –oder andersartig dokumentierten– Wissens nützt ihm nur dann etwas, wenn er zwischen seinem individuellen Erleben und Verstehen und dem ‚dokumentierten‘ Wissen eine ‚aktive Beziehung‘ herstellen kann.
  4. Unter einer ‚aktiven Beziehung‘ ist mehr zu verstehen als nur das ‚einfache Lesen‘ eines Textes, das dazu führt, dass man Ausschnitte aus einem Text ‚zitieren‘ kann. Eine aktive Beziehung liegt vor, wenn man sowohl vom gelesenen Text wie auch von seinem eigenen Erleben und Verstehen ‚explizite Modelle‘ konstruieren kann, die explizit miteinander in Beziehung gesetzt werden können.
  5. Strenggenommen muss jeder Mensch auf diese Weise das schon verfügbare Wissen mit seinem ‚individuellen‘ Wissen aktiv vernetzen. Andernfalls ist das schon dokumentierte Wissen ‚kulturell unverdaut‘ und damit ’nicht rezipiert‘, d.h. aus Sicht des einzelnen ist das dokumentierte Wissen für den ‚Prozess seines Lebens‘ nicht existent und damit nicht wirksam.
  6. Betrachtet man die Menge des täglich neu hinzukommenden ‚dokumentierten Wissens‘, dann ist klar, dass aus Sicht eines einzelnen Menschen von einer ‚aktiven Aneignung‘ all dieses dokumentierten Wissens nicht die Rede sein kann. Für einen einzelnen Menschen ist es –bei den heutigen Möglichkeiten– völlig ausgeschlossen, sich das dokumentierte Wissen auch nur ansatzweise aktiv anzueignen.
  7. Es gibt also dokumentiertes Wissen in der Population der Menschen und zugleich –aus Sicht des einzelnen Menschen– gibt es dies nicht (Das ‚Kognitive Paradox‘).
  8. Wenn man bedenkt, dass die Zeit, die ein einzelner Mensch zur aktiven Aneignung von Wissen zur Verfügung hat, ‚endlich‘ ist (soundsoviel Jahre seines Lebens, soundsoviel Stunden pro Tag, nicht unbedingt täglich), dann ergibt sich daraus eine klare ‚Obergrenze‘ an ‚Wissensmengen‘, die ein einzelner Mensch sich aneignen kann. Gemessen an der gesamten verfügbaren Menge ist diese ‚inviduelle Obergrenze‘ verschwindend gering und mit dem Fortschreiten der Produktion von dokumentiertem Wissen wird dieser individuelle Anteil am Ganzen immer kleiner; Tedenz gegen Null.
  9. Angesichts dieses Szenarios stellen sich mindestens zwei Fragen: (i) Wie organisiert die Population der Menschen ihr dokumentiertes Wissen so, dass es nutzbar bleibt für die ganze Population und für einzelne?, (ii) Welches Wissen soll sich ein einzelner Mensch im Laufe seines Lebens aneignen, wenn es letztlich nur ein verschwindender Bruchteil des Ganzen sein kann?
  10. Für die aktive Aneignung von Wissen seitens eines einzelnen Menschen stellt der Prozess des Schreibens –eventuell ergänzt durch Diagramme, Audio etc.– eines der wichtigsten Mittel dar, durch die sich ein einzelnen Gehirn mit seinem Bewusstein so verhält, dass es sein Erleben und Verstehen mittels Schreiben ‚organisiert‘. M.a.W. was auch immer ein einzelner Mensch sich an Wissen ‚aneignen‘ will, sein Bewusstsein mit dem Gehirn muss sich ‚aktiv‘ verhalten, und das ist neben allerlei praktischen Tätigkeiten vor allem das ‚Schreiben‘.
  11. Die Menge des schon vorhandenen Wissens ist also nicht nur kein Argument gegen das Schreiben eines einzelnen, das Schreiben des einzelnen ist vielmehr umso wichtiger, je mehr Wissen es gibt. Nur aktiv konstruierte Beziehungen zwischen vorhandenem (dokumentiertem) Wissen und individuellem Erleben und Wissen sind nutzbar
  12. Audio-Datei des Textes. Aufgenommen 28.Dez.2010. Noch sehr experimentell.
Soundtrack without voice
Soundtrack with voice

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