Was bislang als empirisch motivierte Hypothese daher kam kann zum Beginn einer philosophischen Reflexion werden. Wie es schon Descartes in seinen „meditationes de prima philosophia“ (1641/42) vorexerziert hat und dann von Husserl in seinem Werk weitergeführt wurde, sind wir offensichtlich in der Lage, nicht nur im Erleben ein ‚Etwas‘ zu erleben, eine Sache, einen Gegenstand, ein Objekt, sondern wir können uns auch der Tatsache des Erlebens selbst bewusst sein.
In praktischen Zusammenhängen kommt es vor allem darauf an, was ich wahrnehme, und nur indirekt darauf, dass ich wahrnehme, in der philosophischen Reflexion beginnt man sich dagegen zu fragen, unter welchen Bedingungen ich das erkenne, was ich erkenne, und was daraus dann an weiteren allgemeingültigen Erkenntnissen folgt.
Es ist genau diese Fähigkeit des Wissens-um etwas, die ein Denken des Denkens ermöglicht. Diese Einsicht, dass es nicht die Tasse auf dem Tisch ist, sondern die Tatsache meines Wahrnehmens, Erlebens dieser Tasse, dass ich dies wissen kann, diese Einsicht führte Husserl in seinen Werken –hier besonders die Logischen Untersuchungen (1901) und die Cartesianischen Meditationen (1929)– zur Einführung des Begriffs der Epoché, der bewussten Ausklammerung des Außenweltbezuges bestimmter Phänomene. In der Epoché wird die gewohnte Unterstellung eines Außenweltbezuges eingeklammert/ aufgehoben, um damit den Blick von diesen speziellen, von Husserl auch ‚kontingent‘ genannten, Phänomenen weg hin zu den Phänomenen überhaupt zu lenken, hin zum Wissen um das Faktum von Gegebensein schlechthin, hin zur allgemeinen intentionalen Struktur des Bewusstseins, in dem allgemeines ‚Wissen-um‘ mit jeweils vorkommenden Erscheinungen, Phänomenen korreliert.
Eine Konsequenz des Perspektivwechsels von den Aussenweltgegebenheiten hin zu den Phänomenen als Bewusstseinstatsachen ist, dass die Sinn und Seinsgeltung ab jetzt primär in diesen Raum des ‚Wissens um Etwas‘ verlagert wird (CM2,9). Die Existenz eines Objektes in der Außenwelt wird zu einer abgeleiteten Existenz aus Sicht des Bewusstseins. Dennoch ist für Husserl dieser Raum des Wissens-um nicht unveränderlich, sondern er stellt sich dar als ein ‚beständiger Fluss‘ von Gegebenem (vgl. CM2, 14). Durch diese kontinuierliche Veränderung gibt es ein ‚Aktuelles‘ und ein ‚Vorher‘.
Das allgemeine abstrakte ‚Wissen-um‘ nennt Husserl das ‚transzendnetale ego‚. Es ist keine Sache, keine Substanz, kein greifbares Etwas sondern dieser allgemeine ungegenständliche Raum des Wissens ‚um etwas‘, in dem dieses jeweils ‚gewusste Etwas‘ den aktuellen Bezug in einer Wissensbeziehung bildet, die als solche stetig ist, bleibt, unveränderlich erscheint, allgemeingültig, der Grund für alles Wissbare, darin Bedingung für ‚etwas wissen‘ überhaupt, ein Transzendentales.
Mathematisch kann man das abstrakte ‚Wissen um‘ als eine Abbildung rekonstruieren; eine Abbildung von ‚aktuell Gegebenem‘ zu einem davon unterschiedenen neuem ‚aktuell Gegebenen‘. In einer solchen formalen Rekonstruktion kann man zulassen, dass die ‚Vermittlung zwischen ‚Aktuellem‘ und ’neuem Aktuellem‘ basiert auf der Fähigkeit des Erinnerns von Vorausgehendem durch das, was wir gewöhnlich ‚Gedächtnis‘ nennen.
Anmerkung: ein Begriff der bei Husserl nicht vorkommt, dafür spricht er auf unterschiedliche Weise von einer ‚Genesis‘, die allerdings Gedächtnis als transzendentale Bedingung voraussetzt.
Ferner erlaubt es solch eine formale Rekonstruktion, weitere Faktoren anzunehmen, die innerhalb solch einer Abbildung wirksam werden, z.B. die unterschiedlichen Aktivitäten des Denkens, die sich in den statthabenden Veränderungen niederschlagen.
Zu den Details dieser Dynamik der Phänomene innerhalb des allgemeinen Wissens gleich mehr. Zuvor aber noch ein anderer ganz wichtiger Aspekt, jener des ‚explizierenden Wissens‘.