Archiv für den Tag: 26. November 2012

KURZNOTIZ 26.Nov.2012

ERSTEINTRAG. 26.Nov.2012

LETZTE ÄNDERUNG: 27.Nov.2012 (Als Zusatz)

 

  1. In dem Münchenvortrag wurde der Rahmen angedeutet, innerhalb dessen sich sowohl das Verhältnis Mensch und Computer einordnen lässt wie überhaupt Computer – Mensch – biologische Evolution. Fast alle Detailfragen blieben offen; dazu fehlte rein äußerlich einfach die Zeit.
  2. Für die Fragen nach dem Warum, Wozu, Wie, Wohin etc. gibt es bislang aber kaum überzeugende Antworten, eigentlich keine einzige; zumindest kenne ich keine.
  3. In der Literatur wird bei der Frage nach der Rolle und Bedeutung des Menschen fast immer auf seine äußerlichen Unterschiede zu den anderen biologischen Arten abgehoben, es wird — im Lichte des stark vereinfachten Evolutionsmodells — nach Faktoren in der Umwelt der homo sapiens sapiens Vorläufer gesucht, die ihn zum aufrechten Gang, zum Sprechen usw. ‚gebracht‘ haben. Dabei wird die ‚eigentliche Logik der Evolution‘, wie sie sich im Gesamtrahmen manifestiert, weitgehend ausgeklammert. Entsprechend wenig überzeugend sind die Antwortversuche.
  4. Bei mir verstärkt sich die Vermutung, dass die zentralen ‚Umbrüche‘ jene sind, in denen (i) Energie zu Materie ‚kondensiert‘, (ii) aufgrund von noch vorhandener freier Energie sich Atome zu komplexeren Verbindungen (Molekülen) zusammenfügen können, (iii) es zur — bis heute nicht ganz aufgeklärten — Entstehung der Dichotomie von Genotyp und Phänotyp kommen konnte; ein Vorgang, der mehrere kleinere Revolutionen zugleich beinhaltet, u.a. die Ausbildung von ‚reinen informationshaltigen Strukturen‘ (RNA, DNA); (iv) die Ausbildung von ‚hierarchischen Informationsstrukturen‘ im Genotyp (siehe u.a. Duve (Besprechung noch im Gang); mathematische Begründung bei Holland (Besprechung kommt noch)); (v) mit der weiteren Entwicklung des Phänotyps mit immer komplexeren Strukturen u.a. die Ausbildung von Gehirnen, die die Geschwindigkeit von Lernprozessen um den Faktor 10^7 beschleunigten (unter Beibehaltung der hierarchischen Informationsstrukturen!)!; (vi) ein Abfallprodukt dieser phänotypischen Komplexitätsbildung ist die symbolische Kommunikation. Diese ermöglicht eine neuartige Echtzeitkoordinierung der Informationsverarbeitung der individuellen Gehirne. Dies ermöglicht noch komplexere Informationsbildungen, die über aktuelle Zeitpunkte hinweg Eigenschaftsmengen der messbaren Welt abbilden lassen; (vii) ein weiteres Abfallprodukt ist die Replikation von gehirnbasierten Intelligenzleistungen durch technologiebasierten Intelligenzleistungen (salopp: ‚Computerbasierte Informationstechnologien‘). Dies steigert weiter die Komplexität, den Umfang und die Geschwindigkeit von Informationsstrukturen.
  5. Insgesamt lässt sich eine mehr als exponentielle Beschleunigung in dem Umfang der Komplexität wie auch in der Geschwindigkeit von Lernprozessen beobachten. Innerhalb der letzten ca. 60 Jahre ist ein Mehrfaches von dem passiert, was in den vorausgehenden 13 Milliarden Jahren passiert ist.
  6. Von daher ist kaum verwunderlich, wenn die offiziellen ‚Weltbilder‘ (’selbst gemachten Bilder von der Welt’…) geradezu dramatisch hinter der Realität hinterher hinken. Noch immer dienen die Bilder der großen Weltreligionen der Mehrheit der Menschen als Orientierungshilfen, obgleich sie mit dem Gang des Lebens auf dieser unseren Erde so gut wie nichts gemeinsam haben. Was immer man mit dem viel bemühten Begriff ‚Gott‘, ‚Deus‘, ‚Theos‘, ‚Alah‘, ‚Jahwe‘, ‚Elohim‘ usw. meinen mag, alles spricht dafür, dass dieser Gott ganz, ganz anders ist, als wir uns dies gerne vorstellen. Es würde mich nicht überraschen, wenn wir irgendwann feststellen würden, dass das mit ‚Gott‘ Gemeinte ‚in jedem Lebewesen‘ von Anfang an und unauflöslich ‚lebt‘. Es wirkt auch merkwürdig, wenn Menschen sich anmaßen, als Menschen über ‚Gott‘ zu reden; noch merkwürdiger wirkt es, wenn bestimmte Religionsgemeinschaften das mit ‚Gott‘ Gemeinte ausschließlich ‚für sich‘ reklamieren‘, als ob der ‚behauptete Schöpfer von allem‘ sich irgendwo in diesem gigantischen Prozess dann plötzlich eine kleine Schar von Menschlein auserwählt, um damit seine eigene gigantische Schöpfung ins Unrecht zu setzen (und da jede Gemeinschaft das für sich beansprucht, haben wir also diesen Gott gleich in mehrfacher Ausfertigung; dies klingt alles ‚allzu menschlich‘ und nicht wirklich ‚göttlich‘). Solche Gedanken erscheinen mir irgendwie lächerlich (und es ist ja auch auffällig, dass über die Begründung von solchen merkwürdigen Anschauungen niemand ernst nachdenkt; Denkverbote sind aber immer die schlechtesten Empfehlungen auf dem Weg zur Wahrheit).
  7. Im europäischen Bereich der Welt (die anderen kenne ich zu wenig) kann man dem Wettlauf mit der Wahrheit eine gewisse Dramatik nicht absprechen: während sich in der griechischen Philosophie im umfassenden Erkenntnisstreben noch irgendwie alles vereinte — wenngleich verständlicherweise die heute mögliche Präzision noch fehlte — kam es im Gefolge des Christentums (und damit implizit auch des Judentums) (und des Islams?) zu einer ‚Ideologisierung‘ im Umgang mit der Wahrheit. Nur unter größten Schwierigkeiten und Schmerzen konnten sich dann nach mehr als ca. 1500 Jahren die ‚Naturerkenntnis‘ aus dieser Umklammerung befreien und in Gestalt von lebensfördernder ‚Technik‘ und ‚Medizin‘ eine gewisse gesellschaftliche Anerkennung erringen. Auf der ‚Strecke‘ geblieben ist der Gesamtzusammenhang der Wahrheit. Die ‚philosophische Restgruppe‘ firmierte dann zwar weiterhin offiziell unter ‚Philosophie‘, ‚Theologie‘, später ideologisch etwas weichgespülter unter ‚Geisteswissenschaften‘, aber durch die selbstgewählte Aussperrung von experimentell begründeter Wahrheit und mathematischer Sprache umkreisten diese Wissenschaften die ‚menschlichen und gesellschaftlichen Phänomene‘ mit gepflegten Wortereignissen, bei denen nur die Eingeweihten ahnen konnten, was gemeint sein konnte. Erst seit Ende des 19.Jahrhunderts, Anfang des 20.Jahrhunderts kann man Versuche identifizieren, einzelne Bereiche des geisteswissenschaftlichen Bereiches zu ‚verwissenschaftlichen‘ (Paradebeispiel Psychologie, in der aber bis heute alle Schattierungen von wissenschaftlich bis quasi ‚freigeistig‘ vertreten sind).
  8. Es wäre verfehlt, hier mit ‚moralischen‘ Kategorien zu operieren. War — und ist! — es doch auch die natürliche Komplexität der Phänomene selbst, die sich einem schnellen Zugriff experimentalwissenschaftlichen Denkens entzog. Erst durch die gewaltigen Fortschritte der letzten 100 Jahre erscheint es möglich, die zuvor gedanklich schwer durchdringlichen Phänomene des Lebens, des Handelns, der Kultur, der Ästhetik usw. einem experimentell-analytischen Denken zugänglich zu machen.
  9. Nachdem nun aber klar wird, dass diese ‚Undurchdringlichkeit‘ keine absolute, sondern nur eine relative ist, wenn nun aber klar wird, dass die geisteswissenschaftlichen Phänomene genauso einer experimentell-analytischen Denkweise zugänglich sein können wie alle anderen Phänomene auch, dann müssen wir uns auch dieser gedanklichen Herausforderung stellen. Philosophie kann sich nicht in Philosophiegeschichte erschöpfen, Theologie nicht in ideologisch festgezurrten Gemeinplätzen, Kulturwissenschaft darf nicht weiterhin einfach ’seinsvergessen‘ nur mit den Oberflächenphänomenen effekthascherisch spielen. Die kulturellen Phänomene gründen in Phänotypen, denen eine konkrete materielle Logik zugrunde liegt, hinter der eine milliardenschwere Zeitwucht steht, die ganz offensichtlich nicht ganz beliebig zu sein scheint. Wie können wir ‚wie die Mücken‘ um das ‚Licht der Alltagsphänomene‘ ‚tanzen‘ während eine gigantische kosmische Maschinerie ein Schauspiel inszeniert, in dem 1000 Jahre wie eine Mikrosekunde wirken?
  10. Sich realisierende Erkenntnis, die Wahrheit akzeptiert, verliert mehrfach ihre Unschuld. Wahrheitsbezogene Erkenntnis ist nicht beliebig. Sie ‚lebt‘ in einer ‚Relation‘ zwischen dem ‚Erkennendem‘ und jenem, das sich dem Erkennenden ‚aufzwingt‘ (das altbekannte ‚Andere‘ der existentialistischen Philosophie und das Widerständige der experimentellen Forscher (… und auch jenes ‚Gegenüber‘ des Mystikers, das er nicht manipulieren kann, sondern das sich ihm gegenüber ‚verhält’…), eben als das ‚wirklich Andere‘, wenngleich wir wissen, dass wir das ‚Andere‘ immer nur im Modus unserer körperlichen Zustände erleben können (kein Gehirn kann das ‚Außen‘ zum Körper ‚direkt‘ erkennen). Und es ist auch klar, dass nicht jeder von vornherein quasi ‚von selbst‘ ‚voll wahrheitsfähig‘ ist. So, wie die Kinder einige Jahre benötigen, um überhaupt geordnet sprechen zu können, so müssen wir alle viele Jahre damit zubringen, den alltäglichen Strom der Phänomene zu sortieren und in Zusammenhänge setzen. Die Geschichte nur des formalen Denkens (Logik, Mathematik) alleine zeigt schon, wie schwer sich die Menschen in allen Jahrhunderten damit getan haben, geschweige denn die vielen anderen Denkformen. Ein ‚philosophierender Forscher‘ wird zum ‚Partner‘ in einem Prozess, der als solcher ‚auf ihn zukommt in einer Eigenständigkeit‘, die allerdings nicht vollständig ‚absolut‘ ist. Hier liegt ein Paradox verborgen: je mehr der Forscher sein ‚Gegenüber‘ kennt, um so mehr kann er es ‚verändern‘, und damit sich selbst, da er selbst Teil dieses Gegenstandes ist! D.h. wir beziehen unsere Wahrheit aus der ‚Vorgabe‘, aber in dem Maße wir diese Vorgabe ‚verstehen‘, können wir sie verändern!! Weitergedacht könnten wir prinzipiell das ganze Universum verändern, wenn wir im Verstehen weiter voranschreiten. Damit würde das biologische Leben immer mehr die Form dessen annehmen, was traditionellerweise ‚Gott‘ genannt wird. Würde das Biologische damit ‚wie Gott‘ oder würde ‚Gott‘, der klassischerweise ‚in allem wohnt‘ damit nur auf besondere Weise ’sichtbar‘? Das Biologische als ‚Ausstülpung‘ (manche mögen lieber ‚Emergenz‘) des universalen Geistes? Das sind noch ziemlich hilflose Überlegungen. Die ‚volle Wahrheit‘ wird vermutlich um Dimensionen interessanter und spannender sein. Aber es wird höchste Zeit, dass wir uns von den alten Bildern befreien. Sie erzählen von einer Welt, die es so gar nicht gibt.

 

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