Archiv für den Tag: 16. März 2013

FLIEGENDE GEDANKEN – BEHARRENDE REALITÄT – NEUE ETHIK

1. Betrachten wir unser Denken, dann können unsere Gedanken uns erscheinen wie ‚fliegende Tänzer‘, die zu einer wilden, neuen Musik dahinfliegen, scheinbar schwerelos, für die es nur bedingt Raum und Zeit gibt.
2. Die ungeheure emergente Wucht des Biologischen, das die tote Oberfläche des Planeten Erde im Laufe der Zeit (ca. 3.8 Milliarden Jahre) in ein Faszinosum Billionenfach miteinander verwobener Energie-, Informations-, Zeichen-, Handlungs- und vieler anderer Prozesse verwandelt hat, hat sich in der Existenz von ‚Gedankenräumen‘ ein Medium geschaffen, das nicht nur das biologische Geschehen selbst in seinen Grundfesten erschüttern kann und schon längst direkt betrifft, sondern der materielle Träger dieses In-Materie-Sich-Ereignenden-Lebens, die Erde, wird zunehmend Gestaltungsgegenstand dieser Gedankenräume.
3. Real existierende Gedankenräume, individuell Milliardenfach, ‚vereinigt‘ kaum fassbar, ‚beschleunigen‘ die strukturelle Erweiterung des Biologischen in zuvor ungeahnter Weise. Brauchte es zuvor für eine strukturelle Veränderung sowohl der Körper wie auch der Umwelten Generationen, können heute Gedanken in Sekunden — und technologisch unterstützt — gar in Bruchteilen von Sekunden neue Strukturen vorwegnehmen, deren Komplexität nach oben prinzipiell keine Grenzen kennen.
4. Wir sind lebende Zeugen eines Evolutionssprungs ungeahnten Ausmaßes.
5. Diese ‚Explosion möglichen Lebens‘ in Gestalt real existierender Gedankenräume ist allerdings, wie jeder an sich selber überprüfen kann, tatsächlich noch nicht von dieser Schwerelosigkeit, die die ‚Gedanken an sich‘ zu haben scheinen. Welche Gedankenräume auch immer wir uns anschauen, sie treten nicht ‚losgelöst‘ auf, sondern — bislang — ausschließlich ‚eingebettet‘ in energetische Prozesse, die an Molekülkomplexe gebunden sind, die wir Körper nennen. Und diese Körper haben als Molekülkomplex physikalische Dimensionen wie Volumen, Gewicht, Energieverbrauch, usw. Ferner werden diese Gedanken realisiert mittels wechselnder Ladungszustände, deren Aufrechterhaltung und deren Veränderungen minimale ‚Prozesszeiten‘ benötigen. Wir können noch nicht — zumindest nicht mit dem aktuellen konkreten Körper — beliebig ’schnell‘ oder beliebig ‚viel‘.
6. Durch diese Beschränkungen durch die aktuellen Körper sind die Gedanken, die wir tatsächlich denken können, nur ein winziger Bruchteil all der Gedanken, die möglich wären. Ganz ohne Gedanken wären wir vollständig ‚blind‘ und es gäbe auch überhaupt kein Leben. Mit den paar Gedanken, die wir zur Zeit denken können, blinzeln wir beständig mit den Augen, da wir etwas ’sehen‘, aber wir sehen eigentlich nicht viel sehr klar.
7. Dazu kommt — das wissen wir alle — , dass wir zur gleichen Zeit nur sehr wenige Gedanken aktiv bewältigen können, dass wir ‚komplexere‘ Konzepte mühsam durch vorausgehende ‚einfachere‘ Konzepte ‚vorbereiten müssen; komplexere Konzepte setzen einfachere unumgänglich voraus, andernfalls gäbe es keine komplexere Konzepte. Dann sind da all die unterschiedlichen ’steuernden‘ Faktoren, jene, die dafür verantwortlich, was wir denken wollen, ob wir überhaupt denken wollen, was wir für ‚wichtig‘ empfinden, was als ‚unwichtig‘, usw. Wer in seinem Leben in einer Situation gelebt hat, die nie die Möglichkeit gewährte, jene Gedanken kennen zu lernen, die man braucht, um das Geschehen des Lebens auf der Erde zu verstehen, der wird es einfach nicht sehen und deshalb wird sein Weltbild ganz anders aussehen als das eines Menschen, der dies konnte. Zwei verschiedene Weltbilder A und B in der gleichen Welt. Unsere Gehirne kennen die Welt nicht; sie versuchen sie für uns zu ‚errechnen‘. Wenn wir ihnen den falschen ‚Input‘ geben, dann laufen die Gehirne zwangsläufig in die Irre.
8. In diesen Tagen bot sich das mediale Superspektakel der Wahl eines neuen Papstes und dessen erstes Auftreten. Wenn man nach einem Beispiel sucht für den Unterschied zwischen der Freiheit der Gedanken und der Beharrung der Realität dann sicher dieses Geschehen in der katholischen Kirche.
9. In Teilen von Europa (und zum Glück auch in Teilen der übrigen Welt) gibt es Gedankenwelten, in denen jenseits von traditionell-religiösen Mustern das Leben der Menschen auf dieser Erde neu gedacht werden kann, Gedanken, für die viele Jahrhunderte unter größten Mühen gekämpft werden musste. In großen Teilen der übrigen Welt sind diese Gedanken bei den Menschen unbekannt. Aus diesen Sichten wirken die europäischen Gedanken befremdlich, unverständlich, Verrat am alten, unnötig, usw.
10. So hat z.B. in weiten Teilen Europas die Frau eine Stellung gewinnen können, die ihren Fähigkeiten und ihrer Würde besser gerecht werden — so sagen wir — als in vielen anderen kulturellen Mustern, z.B. auch besser als in der offiziellen katholischen Kirche. Dies ist ein Punkt von vielen. Diese ‚Ungleichzeitigkeit‘ von Gedanken ist ein Hinweis darauf, dass die Welt der Gedanken als Teil einer ‚Kultur‘ seine Zeit benötigt, und durch das heute fast schon erzwungene ‚Miteinander von Verschiedenem‘, diese ‚Ungleichzeitigkeit‘, zu einem Problem werden kann. ‚Auf Kommando‘ lassen sich ungleichzeitige Gedankenräume nicht verändern. Die Verknüpfung von Gedanken mit konkreten Körpern und deren Einbettung in reale Lebensabläufe impliziert, dass die Veränderungen der Gedanken meistens auch reale Lebensabläufe ändern würde. Hier aber fühlen sich Menschen persönlich betroffen, real bedroht, real in Frage gestellt, usw. ‚Gedanken‘ sind eben nicht ‚reine‘ Gedanken, sondern ‚Repräsentanten‘ einer ‚realen‘ wie auch einer ‚möglichen‘ Welt. Wir Menschen hängen — fast schon fanatisch — am Realen (Vieles, was in diesem Zusammenhang über ‚Integration‘ gesagt wird, wirkt bezogen auf die reale Ungleichzeitigkeit und die hier notwendigen Maßnahmen erschreckend naiv, aber es ist ja auch nicht ganz leicht, in einer solchen komplexen Situation einen Weg zu finden, der allen ‚gerecht‘ wird, wenn doch ‚Gerechtigkeit‘ an den jeweiligen verschiedenen (!) Gedankenräumen festgemacht wird).
11. So wenig ein einzelner in der heutigen Situation vielleicht weiß oder überhaupt wissen kann, was genau als nächstes zu tun ist, so wahrscheinlich scheint es zu sein, dass die ‚Gesamtbewegung‘ der Evolution nur eine Richtung zu kennen scheint: Fortführung und Intensivierung von mehr Gedankenräumen durch immer stärkere Integration der individuellen Gedankenräume in einen großen Raum. Dazu gehört die Technologie als Teil (!) der biologischen Evolution wie auch die schrittweise Veränderung der gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen. Es geht nicht um die ‚Auslöschung‘ des Individuums, sondern um die zunehmende Integration der einzelnen Individuen in eine Form eines ‚vernetzten‘ Superorganismus, der als Ganzer um so besser ist, als jedes Mitglied ‚optimal‘ ist.
12. Mit diesem Superorganismus sind nicht die totalitären Muster der Vergangenheit gemeint, in denen einzelne Starke ganz Völker unterjocht haben, sondern selbstorganisierende Systeme in denen jeder seine kreativen Potentiale maximal nutzt, aber in einer Kultur des wechselseitigen voneinander Lernens. Da keiner das künftige Wissen schon hat sondern alle gemeinsam auf der Suche sind ist jeder einzelne maximal wichtig. Es kann immer nur ein einzelner sein, der etwas Neues entdeckt, und es kann nur der Superorganismus sein, der es entsprechend umsetzt zum Wohl für alle.
13. In dem kommenden biologischen Superorganismus gibt es keine einzelnen mehr, die alles entscheiden, aber es gibt auch keine einzelnen mehr, die einfach im ‚Nichts‘ dahinvegetieren können.
14. Dafür braucht es eine weit entwickeltere Ethik und Spiritualität, als wir zur Zeit haben. Solange Menschen denken, sie brauchen z.B. einen bestimmten Papst, um selber religiös leben zu können, so lange sind wir noch sehr weit weg von der neuen Kultur der sich wechselseitig helfenden Menschen. Es bleibt mir unbegreiflich, warum Menschen Jahre, Jahrzehnte darüber lamentieren, warum ein paar alte Männer in der vatikanischen Kurie oder überhaupt in einer Kirche gewisse Dinge nicht erlauben, wo sie es doch einfach tun könnten. Wozu brauchen sie diese alten Männer? Wer einem Jesus nachfolgen will kann dies überall und immer tun; dazu muss er niemanden fragen. Wer Gott in allem erkennen will, kann dies tun, niemand kann ihn daran hindern. Solange wir in ‚Stellvertreterkategorien‘ denken sind wir verloren. Jeder einzelne Mensch ist selbst ein potentieller Heiliger, er muss sich dies nur zugestehen. Niemand kann ihn letztlich daran hindern, das Richtige zu tun, wenn er will. Meine Geburt war unfreiwillig, meinen Tod kann ich frei wählen, und das Leben bis dahin auch, mitsamt den realen Umständen, auf die ich keinen Einfluss habe. Solange wir auf ein Wunder durch andere warten verpassen wir unser eigenes Wunder, und das ist das, worüber sich vielleicht andere freuen würden, dass wir ein Wunder für die sind….
15. Die Welt ist nicht einfach, aber voller Geheimnisse.

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