Archiv für den Monat: Februar 2014

DIE DEMOKRATIE HAT GERADE MAL KEINE SAISON (2) – … und die Wiederkehr der Sklaverei?

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 16.Febr.2014,
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

 

Letzte Änderung: So, 16.2.2014, 12:43h

In mittlerweile sehr vielen Artikeln (unter anderem in den vorausgehenden Artikeln DIE DEMOKRATIE HAT GERADE MAL KEINE SAISON und WAS WILL UNS MOROZOV SAGEN? Zu seiner Replik auf Martin Schulz, der am 6.2.2014 zum Kampf aufruft) bin ich dem Phänomen nachgegangen, dass gewählte Regierungen die ihnen anvertraute Macht in einer Weise nutzen, die aus demokratischer Sicht mindestens grenzwertig ist oder – wie es der Fall zu sein scheint – deutlich überschreiten, d.h. faktisch so benutzen, dass dies einer Ent-Demokratisierung gleich kommt. Weitere Beispiele liefert leider auch die EU-Politik.

AUSVERKAUF DER EU AN DEN PARLAMENTEN VORBEI?

… GENMAIS

Leider, muss man sagen, sind wir in der EU fast schon daran gewöhnt, dass starke Lobbygruppen an den nationalen Parlamenten vorbei die EU-Kommission in ihrem Sinne beeinflussen, so dass einige wenige große Firmen für bestimmte Maßnahmen die Kontrolle über die gesamte EU gewinnen. Am Beispiel der Gen-Mais Abstimmung kann man aktuell eine Neuauflage dieses Schauspiels beobachten. Während die SPD sowie die CSU und der Vertreter Deutschlands beim Ministertreffen in Brüssel eigentlich gegen die Genehmigung von Gen-Mais waren (sowie alle Oppositionsparteien und die Mehrheit der deutschen Wähler), musste der deutsche Vertreter sich dennoch der Stimme enthalten (was im Kontext einer Zustimmung gleichkam), weil die von der Kanzlerin geführte CDU nicht dagegen sein wollte (siehe: EU-Entscheidung: Europas Lavieren bringt Genmais in die EU (Süddeutsche Zeitung online, 1. Februar 2014 11:12)). Bekannt ist, dass es nur einige wenige große multinationale Konzerne sind, die für diese Genehmigung kämpfen.

… TRANSNATIONALES FREIHANDELSABKOMMEN

Verglichen mit den Verhandlungen zum ‚Transatlantischen Freihandelsabkommen‘ Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP), das seit etwa Mitte 2013 unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen der US-Regierung und 12 weiteren Ländern (parallel zu Verhandlungen mit pazifischen Ländern) verhandelt wird, ist das Gen-Mais-Abkommen eher ‚geringfügig‘. Kanzlerin Merkel spricht sich bislang eindeutig für dieses transnationale Abkommen aus (Warum eigentlich?). Dagegen wird es von Teilen der Politik, Journalisten, Verbraucherschutz- und Umweltschutzorganisationen sowie Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in vielen Teilen (sofern sie bekannt wurden) und in der Art des Vorgehens massiv kritisiert. Kernpunkt ist, dass die Verhandlungen zwar unter Beteiligung von Industrievertretern aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Beteiligung der nationalen Parlamente (auch unter Ausschluss des US-amerikanischen Kongresses und des EU-Parlaments) verhandelt werden, und dies heißt faktisch ohne demokratische Kontrolle.

In der Deutung der zu erwartenden positiven wirtschaftlichen Effekte gehen die Deutungen auseinander, aber der erfassbare Konsens geht eher in die Richtung, dass die wirtschaftlichen Effekte für die Bevölkerung der Teilnehmerstaaten als sehr gering, geradezu gegen Null, eingeschätzt werden, hingegen begleitet von zahlreichen gravierenden Nachteilen. So würden durch das Abkommen (siehe Wikipedia-DE) Umwelt- und Gesundheitsstandards untergraben und Arbeitnehmerrechte aufgeweicht. Die angestrebte ‚Harmonisierung von Standards‘ orientiere sich laut Kritikern an den Interessen der Konzerne und Finanz-Investoren, weil Harmonisierung bedeuten würde, dass tendenziell der jeweils niedrigste bzw. wirtschaftsfreundlichste Standard aller Einzelstaaten als Basis für die verbindliche Norm des Vertrags dienen würde.

Würden Staaten später gegen die Vertragsregelungen verstoßen, könnten ‚gigantische Entschädigungen für Unternehmen‘ fällig werden. Darüber würden sogenannte Schiedsgerichte entscheiden, die keiner nationalen Gesetzgebung und Kontrolle unterworfen wären. Unternehmen könnten so etwa das staatliche Verbot bzw. die Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Lebensmittel oder die Gasförderung mittels Fracking verhindern, oder Entschädigungszahlungen für den Ausstieg aus der Kernenergie erzwingen. Die Vorteile, die das Abkommen den Unternehmen bieten würde, wären zudem bindend, dauerhaft und praktisch nicht mehr veränderbar – weil jede einzelne Bestimmung nur mit Zustimmung sämtlicher Unterzeichnerstaaten geändert werden könne, sobald der Vertrag (in dr aktuellen form) in Kraft treten würde.

Aus diesen Gründen (mehr Details bitte an den angegebenen Stellen selbst nachlesen) wurde das Abkommen von all den genannten Gruppierungen als ‚undemokratisch‘, als ‚unvereinbar mit demokratischen Prinzipien‘ und als ‚Unterwerfung der Teilnehmerstaaten unter Konzerninteressen‘ charakterisiert (siehe z.B. auch Freihandelsabkommen TTIP : Mit demokratischen Prinzipien nicht vereinbar (GEO.de, Marianne Henkel, Sprecherin des Arbeitskreises Internationale Umweltpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), im Interview mit Peter Carstens))

WÄHREND MUTTI NOCH LÄCHELT KÄMPFEN DIE DEMOKRATISCHEN KRÄFTE DER USA

Während die deutsche Regierung – allen voran die Bundeskanzlerin, die sich in der Rolle der lächelnden ‚Mutti der Nation‘ zu gefallen scheint – den Eindruck erweckt, dass für sie das mit dem transatlantischen Freihandelsabkommen doch eine tolle Sache sei (trotz der allseits aufflammenden Kritik), muss man wissen, dass dieses Abkommen auch in den USA heftig umstritten ist, da auch dort die Verhandlungen bislang am Kongress vorbei geführt werden und die Regierung alles versucht, vom Kongress einen Blankoscheck für das weitere Vorgehen zu bekommen (vgl. For controversial trade pact, fire from the left, the right and WikiLeaks (WP, By Howard Schneider, Published: November 14 ), How Congress might have already tied Obama’s hands in trade negotiations (WP, By Lydia DePillis, Updated: July 17, 2013 at 12:13 pm), Congress is considering whether to allow Obama to finish two massive trade deals (WP, By Lydia DePillis, Updated: January 9 at 4:57 pm)).

Unterstellt man mal, dass die CDU letztlich nur tut, was ‚Mutti‘ will, dann verdichten sich in den vielen Ereignissen die Hinweise, dass unsere ‚Mutti‘ auch vergleichbar wird mit den berühmten ‚Paten‘ in den Filmen über die organisierte Kriminalität: nach außen treten diese Paten kaum in Erscheinung, sagen öffentlich nur belanglose Dinge, sind aber intern und hinter den Kulissen extrem vernetzt mit allem was nach Macht und Geld riecht. War ein ‚Tarnkappenverhalten‘ unter DDR-Verhältnissen vielleicht noch überlebensnotwendig, in einer Demokratie ist die ‚Neutralisierung der Öffentlichkeit‘ ein Frontalangriff auf die Demokratie. Die Unterstützung von Großindustrie und multinationalen Konzernen an den Parlamenten vorbei gegen die Interessen der Bürger ist letztlich Machtmissbrauch und zutiefst antidemokratisch. Dass eine Partei wie die CDU sich einen solchen antidemokratischen, letztlich gegen die Bevölkerung gerichtete Politik gefallen lässt, spricht nicht gerade für sie. Das ‚D‘ für ‚demokratisch‘ im Akronym ‚CDU‘ wirkt stark zerschlissen.

(Anmerkung: Es ist irgendwie schwer nachvollziehbar, warum die Einbeziehung der gewählten Parlamente bei so wichtigen Abkommen wie z.B. dem transatlantischen Freihandelsabkommen nicht selbstverständlich ist. Ist es denn nicht die primäre Aufgabe einer demokratisch gewählten Regierung die Interessen eines ganzen Landes zu vertreten statt nur einige wenige rein kapitalinteressierte Interessengruppen, die in vielen konkreten Belangen eindeutig den Interessen der Bevölkerung zuwiderlaufen? Leben wir denn tatsächlich schon in einer multinationalen organisierten Kriminalität mit den Regierungschefs als ‚Super-Paten‘? Wenn nicht, warum verhalten sich die Regierungschefs dann so, als ob sie ‚Super-Paten‘ sind? Warum kooperieren die Parlamente nicht direkt miteinander, wenn schon ihre Regierungen sie ins politische Abseits stellen? Die Beziehungen zwischen den USA und Europa sind lebenswichtig, nicht nur für einige wenige Konzernspitzen…)

EIN REPUBLIKANISCH-DEMOKRATISCHES AUFBEGEHREN IN DEN USA?

Während also in Deutschland eine CDU dabei ist, mit ‚Mutti‘ die Demokratie durch Missachtung zu erodieren (und die SPD den Eindruck erweckt, dass sie, von Machtgier geblendet, sich der Strategie der Macht von Mutti bis hin zur Selbstverleugnung anzupassen scheint) gibt es in den USA eine ganze Vielzahl von Bewegungen, die versuchen, sich gegen die schleichende Ent-Demokratisierung zu wehren. Neben dem schon erwähnten Kampf des Kongresses um Einbeziehung in die Verhandlungen zu transatlantischen Freihandelsabkommen gibt es mittlerweile eine offizielle Anklage gegen Obama und seine Regierung durch den republikanischen Senator Rand Paul (Kentucky) (siehe Rand Paul files suit against Obama, NSA Wednesday (Washington Post online, By Jaime Fuller, Updated: February 12 at 11:23 am). Senator Rand Paul zusammen mit Matt Kibbe, dem Präsidenten der konservativen Bewegung FreedomWorks, erheben Anklage gegen Präsident Obama und anderen Regierungsmitgliedern wegen des Sammelns von Telefondaten durch die NSA. Für sie ist es eine Verletzung des vierten Zusatzes zur US-amerikanischen Verfassung (was in diesem Blog schon sehr früh so gesehen wurde (nicht der technische Vorgang der Überwachung ist entscheidend, sondern die politische Deutung dieses Vorgehens!)). Publikumswirksam erinnert Paul die US-Bürger an die Frühzeit der USA, an die Herrschaft der Briten, die die Privatheit der Kolonisten eben nicht geachtet haben (was übrigens auf der Webplattform von tomdispatch.com schon seit Jahren so analysiert wurde). Und Paul vergleicht die heutige Praxis der NSA mit dem damaligen Verhalten der verhassten britischen Regierung.

Paul Milband, ein journalistischer Lobbyist für die Demokraten und gegen die Republikaner, versucht durch schreibende Betriebsamkeit zwar das Vorgehen von Paul zu diskreditieren (siehe z.B. Rand Paul and Ken Cuccinelli accused of stealing NSA lawsuit (By Dana Milbank, WP, February 12) und E-mails back claim that Sen. Rand Paul ‘stole’ NSA lawsuit (By Dana Milbank, Updated: February 13 at 6:00 pm) doch, wie diverse Lesermeinungen es auch zum Ausdruck bringen, wirken diese schreibenden Aktionen eher wie ein ‚Ablenkungsmanöver‘ von dem grundsätzlichen Problem einer staatlich betriebenen Ent-Demokratisierung.

Zu dem sehr negativen Bild, das der US-amerikanischen Regierungsbetrieb seit langem in vielen Bereichen abgibt, passen leider auch solche aktuellen Meldungen wie der – so scheint es – extreme Missbrauch von öffentlichen Steuergeldern durch die US-Geheimdienste (siehe: U.S. intelligence agencies can’t justify why they use so many contractors (WP, By Brian Fung, Updated: February 14 at 3:24 pm ) oder die handwerklich unprofessionelle, vetternwirtschaftliche Art der Ernennung der großen Mehrheit von US-amerikanischen Botschaftern (siehe: Obama ambassador nominees prompt an uproar with bungled answers, lack of ties (WP, By Juliet Eilperin, Published: February 14).

DIE WIEDERKEHR DER SKLAVEREI IM DIGITALEN?

Und noch etwas muss man in diesem Zusammenhang erwähnen (ein längerer Beitrag wäre notwendig). So wie das Verhalten der NSA — ermöglicht durch die neuen Computer- und Internettechnologien — in ihren Auswirkungen bisherige demokratische Grundwerte erodiert oder gar — nach Einschätzung vieler — gerade zu aufhebt, so kann man im Vorgehen von Firmen wie Google, Facebook, Apple, Samsung und alle jenen, die Kundenbeziehungen über das Internet realisieren, feststellen, dass sie nicht nur den vierten Zusatz zur US-amerikanischen Verfassung massiv aushebeln (die nächste mögliche Attacke von Senator Paul (oder anderen)), sondern dass sie faktisch durch ihre Praxis alle ihre Kunden quasi zu ‚Leibeigenen‘ erklären, zu ‚digitalen Sklaven‘! Egal was jemand heute machen will (Kommunizieren, Suchen, Finanztransaktionen, …), man muss nicht nur extrem viele Daten von sich preisgeben, sondern zugleich gerät man in juristische Abhängigkeiten, die so meistens nicht gewollt sind, und einer Art Totalübergabe gleich kommt. Gegenüber diesen Firmen ist jemand außerhalb der USA nahezu ohne jedes Recht, dazu werden alle seine Aktivitäten protokolliert. Vergleicht man damit die Definiton von Sklaverei, dann hat ein heutiger Bürger im digitalen Bereich fast sogar weniger Rechte als ein ‚klassischer‘ Sklave. Wir sind faktisch schon längst ‚digitale Sklaven‘ und Google erscheint hier als jene Firma, die mit der größten Zielstrebigkeit das als global und frei visionierte Internet in in ein vergiftetes Minenfeld von hochverschachtelten privatisierten Diensten verwandelt, in dem jeder Quadratmeter durchkommerzialisert ist, verbunden mit einer völligen Aufhebung persönlicher und demokratischer Rechte.

Für die meisten unsichtbar hat Google seit langem damit begonnen, das ehemals quelloffene Handy-Betriebssystem ‚android‘ schrittweise so umzubauen, dass immer mehr ‚freie‘ Teile dieser Software durch google-spezifische Teile ersetzt worden sind. Damit sind alle Kunden und auch Firmen in direkte Abhängigkeit von Google geraten. Die schöne neue Welt des Internets versinkt mehr und mehr – um ein Bild zu gebrauchen – ‚im stinkenden Morast von digitalen Sklavenhaltern‘, die jedes Zipfelchen Lebensäußerungen zu ihrem totalen Eigentum erklären. Das kann und wird auf Dauer nicht funktionieren. Die große Firma der Zukunft wird ziemlich sicher eine Anti-Google-Firma sein. Die Frage ist nur, wie viele Jahre wird es brauchen? Evolutionsbiologisch ist das Erfolgskonzept von Google und Co heute schon tot. Die individuelle Gier einzelner Macher reicht gewöhnlich nicht aus, um epocheprägend zu sein. Die Verdienste von Google und Co liegen gleichwohl darin, dass Sie uns die Aufgen dafür öffnen, wie diese anderen Firmen der Zukunft aussehen werden.

Einen Überblick über alle Beiträge dieses Blogs nach Titeln findet sich HIER.

WAS WILL UNS MOROZOV SAGEN? Zu seiner Replik auf Martin Schulz, der am 6.2.2014 zum Kampf aufruft.

DER AUFRUF VON SCHULZ: AN ALLE

In meinem Blogeintrag vom 8.Februar 2014 mit dem Titel ‚Die Demokratie hat mal grade keine Saison‘ hatte ich u.a. auch den Artikel von Martin Schulz, dem Präsidenten des Europäischen Parlamentes, zitiert, da er jenseits der Technologieentwicklung und in Gestalt der vielen Übergrifflichkeiten mittels dieser Technologien eine ernsthafte Bedrohung erkennt, eine Bedrohung der Grundwerte und damit einhergehend eine Bedrohung unserer demokratischen Lebensformen. Wörtlich schreibt er im letzten Abschnitt seines Beitrages in der FAZ vom 6.2.2014 (S.25) „Wie am Ende des 19.Jahrhunderts, wird eine Bewegung gebraucht, die die Unverletzlichkeit der menschlichen Würde ins Zentrum ihrer Überlegungen stell und die nicht zulässt, dass der Mensch zum bloßen Objekt reagiert. Diese Bewegung muss ein liberales, ein demokratisches und ein soziales Staatsverständnis haben.“ Diese Formulierung zielen nicht auf eine bestimmte politische Partei, sondern auf ALLE Menschen, die sich den grundlegenden Werten des Menschen und demokratischer Lebensformen verpflichtet fühlen. Hier dürfen sich US-amerikanische Demokraten und Republikaner genauso angesprochen fühlen wie in Deutschland eine CDU/ CSU, die FDP, Bündnis 90/die Grünen, die Linke, die Gewerkschaften, aber auch alle bekannten religiösen Vereinigungen, sofern ihnen der wirklich Mensch wichtig ist (bislang hört man von religiösen Vertretern erstaunlich wenig zur Entmenschlichung des Menschen durch die moderne Technik und Demokratieentartung).

MOROZOVS VERWIRRENDE KLASSIFIZIERUNG ALS ‚LINKS‘

Liest man den Beitrag von Morozov (bzw. Morozov privat) (was nicht leicht ist, da er viele ad-hoc Begrifflichkeiten kreiert, mit diesen wie mit artistischen Bällen spielt, es aber in der Regel vermeidet, diese Kreationen mit realen Personen oder allgemein Gegebenheiten dieser Welt in Verbindung zu bringen), dann wird der Aufruf von Schulz, der sich an ALLE richtet, kanalisiert und umgelenkt auf eine imaginäre ‚Linke Bewegung‘. Für US-Amerikaner ist ‚Links‘ eher etwas Negatives, und ‚Links‘ in Verbindung mit ‚EU‘ kommt nicht gut an (man erinnere sich nur an an die abgehörten Äußerungen von Victoria Nuland, verantwortliche Diplomatin für Europa und Asien, deren Geringschätzung gegenüber Europa kaum noch zu überbieten sind (vgl. FAZ 8.2.2014, S.5 und S.8)). Was tut Morozov hier? Warum schiebt er den Präsidenten des Europäischen Parlamentes in eine Ecke, wo er weder hingehört noch sich selber hinstellen würde?

PESSIMISTEN, RADIKALE AGNOSTIZISTEN, ASSYMETRIE DER MACHT

Eine Analyse der heutigen gesellschaftlichen Wirklichkeit wird – wie immer man sie auch angehen will – sehr schnell sehr komplex. Dieses Problem hat auch Morozov zu lösen. Er wählt einen klassisch-philosophischen individualistischen Ansatz: Die ‚Optimisten‘ und ‚Pessimisten‘, deren Verhalten letztlich unabhängig vom Problem beschreibbar ist (man kann es auch tautologisch nennen), und die ’naiven‘ und die ‚radikalen Agnostizisten‘ (eine Spezies die eigentlich so vage ist, dass keiner wissen kann, was damit wirklich gemeint ist). Für Morozov ist aber klar (eine Begründung liefert er nicht), dass die naiven Agnostizisten jene sind, für die eine positive oder negative Nutzung der Technologie gleich wahrscheinlich ist. Das ‚Naive‘ an dieser Haltung scheint Morozov in der Nichtberücksichtigung der Asymmetrie der Interessen und der Macht zu sehen: zwar ist alles möglich, aber die Mächtigen haben eher die Chancen, die Dinge in ihrem Sinne zu gestalten als die Nicht-Mächtigen. Glücklicherweise gibt es für Morozov aber auch die ‚kritischen Agnostizisten‘, zu denen er den Präsidenten des Europäischen Parlaments und die ‚Linke‘ rechnet. Diese haben die Asymmetrie der Macht immer schon erkannt, haben dazu Konzepte entwickelt, und haben es auch immer wieder geschafft, diese Konzepte real umzusetzen, um so die Asymmetrie abzumildern. Er ruft dann gegen Ende seines Beitrags die Linke auf, ihre kritische agnostische Kompetenz in der aktuellen Situation so einzusetzen, dass auch in Zukunft die neue Technologie für die Kommunikation eben dieser Linke verfügbar ist.

WAS IST DAS ERKENNTNISINTERESSE VON MOROZOV?

Es ist interessant, zu hören, dass Morozov der Linke das sagt, was sie seit mehr als 100 Jahren selbst sehr genau weiß. Dass er den allgemeinen Aufruf des Präsidenten des Europäischen Parlaments in die ‚linke Ecke‘ stellt statt ihn zu nehmen, wie er gemeint ist, nämlich als ein Aufruf an uns alle, ist irritierend. Auffällig ist auch, dass Morozov zwar die ‚Asymmetrie der Interessen und der Macht‘ zitiert, es aber tunlichst unterlässt, diesen abstrakten Begriff am Beispiel der US-amerikanischen Gesellschaft zu verorten und zu verdeutlichen. Seit mindestens 8 Monaten diskutiert die halbe Welt die Erosion von grundlegenden Menschenrechten und der Demokratie selbst, hervorgerufen durch das Verhalten US-amerikanischer Dienste und Regierungsstellen (aber eben nicht nur durch diese, sondern, wie wir annehmen müssen, von fast allen Regierungen dieser Welt). Seit Monaten wird uns klar, dass es hier nicht mehr nur um akademische Diskussionen geht,sondern um die Grundlagen unserer Demokratie, allen voran den Grundlagen der US-amerikanischen Demokratie, und Morozov erwähnt diese sehr realen Asymmetrien der Macht mit keiner Silbe. Sehr befremdlich. Was ist sein Erkenntnisinteresse?

Einen Überblick über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

KURZMEMO 4.PHILOSOPHIE-WERKSTATT 8.Februar 2014

Rückblick zur 4. Philosophiewerkstatt vom 8.Februar 2014.

Trotz garstigem Wetter fand sich wieder ein lebhafter Kreis von Mitdenkern zusammen.

ERINNERN

Da sich mitlerweile schon viel Stoff aus den vorausgehenden Treffen angesammelt hatte, gingen wir dazu über, im gemeinsamen Gespräch die Punkte heraus zu filtern, die den einzelnen für diesen Abend wichtig erschienen. Neben vielen bunten Aspekten war es dann im Kern das Thema ‚Denken und Fühlen‘, was weiter vorangetrieben werden sollte.

WEITERDENKEN

Experimenteller Rahmen, offen für Philosophie, Psychologie und Neurowissenschaften
Experimenteller Rahmen, offen für Philosophie, Psychologie und Neurowissenschaften

Anhand eines Schaubildes wurde die aktuelle Betrachtungsweise geklärt und das berühmte Experiment von Tolman (1948) anhand einer computerbasierten Nachsimulation erläutert.

Tolman_Labyrinth1
Tolman_Labyrinth1

Umgebungsorientierung wird auch ohne direkte Bedürfnisse gelernt – Annahme eines Basistriebs ‚Neugierde‘, ‚Spieltrieb‘, ‚Kreativität‘

Triebfreies Umgebungslernen widerspricht den einfachen S-R-Verkettungsthesen von Watson und anderen Verhaltenstheoretikern

Bedürfnisse verleihen bestimmten Unterschiedsmengen in der Wahrnehmung eine spezielle Bedeutung (eingebaute Fitnesswerte)

Aktuelle Bedürfnisse fokussieren das Handeln auf Umgebungsausschnitte (partielle ‚Blindheit‘)

Eine Veränderung des Ortes, an dem sich Futter findet, kann von rein deterministischen Systemen nicht bewältigt werden (phi: I x IS —> O). Nicht-reaktive Systeme im Sinne von ‚adaptiven‘ Systemen können die Aufgabe bewältigen (phi: I x IS —>IS x O).

Aufgrund der Erkenntnisse der Evolutionsbiologie wissen wir, dass die logische Abhängigkeit wie folgt ist: die primäre Vorgabe ist die ‚Welt, wie sie ist‘; in Interaktion mit der Welt haben sich unterschiedliche Systeme herausgebildet, die auf die Besonderheiten dieser Welt reagieren können. Die ‚Bedürfnisstruktur‘ von Lebewesen ist in dieser Perspektive eine Art ‚Echo‘ auf das, was sie vorfinden; biologische Systeme sind von daher ‚komplementär‘ zu einer sich kontinuierlich verändernden Welt.

Hier ergeben sich viele interessante Denkansätze.

Es scheint, dass die ‚Bedürfnisse‘ (Emotionen) logisch dem Denken vorgeordnet sind; die Bedürfnisse brauchen zwar das Denken, um ‚effizient‘ zu sein, aber ohne die Bedürfnisse taumelt das Denken in einem ‚wertfreien‘ Raum von Unterschieden.

Das führt zur Frage, welche ‚Bedürfnisse‘ (Emotionen, Gefühle, Stimmungen, …) letztendlich ‚wichtig‘ sind? Auf welchen größeren Zusammenhang dies alles verweist? Ob wir schon über alle Gefühle verfügen, die zum Übereben in diesem Kosmos wichtig sind? Ob es Gefühle gibt, die sich ‚überlebt‘ haben oder die gar ’schädlich‘ sind? Usw.

PHILOSOPHISCHES MUSIKEXPERIMENT

Es gab dann zum ersten Mal ein philosophisches Musikexperiment, das zu angeregten Gesprächen führte.

DIE DEMOKRATIE HAT GERADE MAL KEINE SAISON

1) Jede Woche denke ich, dass es jetzt mal genug ist mit diesem Demokratiethema; ich komme gar nicht mehr dazu, über meine ‚eigentlichen‘ philosophischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Themen zu schreiben, aber dann stelle ich fest, es gibt in Deutschland immer noch Zeitungen, die macht-kritische Artikel drucken, und dies geht nur, weil es immer noch Menschen gibt, die die Fähigkeit besitzen und den Mut haben, macht-kritische (und in diesen Fällen demokratie-freundliche) Artikel zu schreiben. Während wir weltweit viel zu viele Länder kennen, in denen es nur diktaturähnliche Verhältnisse gibt, keine Rechtsstaatlichkeit, keine Meinungsfreiheit, eine streng zensierte Presse und mittlerweile immer mehr auch ein streng zensiertes Internet, erscheint es fast irreal, dass man in einem Land lebt und in einem Länderverbund, in dem dies – zumindest äußerlich, formal – noch zu funktionieren scheint.

IN DEN USA …

2) Wenn die Fakten und Überlegungen aus dem vorausgehenden Blogeintrag stimmen (und dieser ist ja nur einer von vielen dieser Art in diesem Blog), dann dann ist die Demokratie in den USA mittlerweile ‚von innen‘ außer Kraft gesetzt. Formal gibt es noch eine Demokratie, aber faktisch haben Teile des Regierungsapparates (zu denen u.a. die verschiedenen geheimen Dienste gehören) die Maschinerie der Macht soweit zurecht getrimmt, dass eine tatsächliche demokratische Kontrolle zwar formal noch gegeben ist, aber nicht mehr real. Die noch immer mächtigste Machtmaschinerie unser aktuellen Welt agiert damit ‚von innen heraus‘, bar jeglicher Kontrolle, ohne Bindung an irgendwelche Gesetze. Und, wie wir aus den wenigen bekannten Fakten wissen, spielen Menschenleben hier keine Rolle. In diesem Spiel kann jeder von jetzt auf gleich zum ‚Feind‘ erklärt werden und niemand wird dagegen etwas tun. Aufgrund der umfassenden Geheimhaltung, die von den Akteuren selbst nach Belieben praktiziert werden kann, werden die offiziellen demokratischen (Feigenblatt-)Institutionen in der Regel gar nicht wissen, was die Dienste so tun. Aber auch die Dienste selbst wissen – nach Aussagen von Kontrolleuren der US-Geheimdienste – nicht einmal, was die verschiedenen Unterabteilungen oder vernetzten Kooperateure so alles treiben, einmal weil sie viel zu groß und zu vernetzt sind, zum anderen, weil sie sich untereinander auch durch ‚Geheimhaltung‘ abzublocken versuchen. Das Ganze erscheint wie ein Todesstern, der wild durch alle Gesellschaften rast, und völlig außer Kontrolle ist.

… ES GIBT KEINE GRENZEN

3) Constanze Kurz, die nicht nur wegen ihrer Kolumne in der FAZ zu einem wichtigen Sprachrohr gegen die voranschreitende Aufweichung und Zerstörung der Demokratie durch das unmäßige und demokratisch unkontrollierten Ausspäh- und Überwachungsaktivitäten der Geheimdienste geworden ist, hat in der FAZ vom 7.2.2014 (S.38) wieder einmal darauf hingewiesen, dass die Geheimdienste eben nicht ’nur Terroristen‘ attackieren, sondern (schon viele Jahre) auch jene, die sie kritisieren. Server für die Kommunikation von Kritikern werden durch gezielte Störmaßnahmen lahmgelegt. Parallel agieren geheimdienstnahe Politiker ungeniert in der Öffentlichkeit mit Verleumdungskampagnen zu solchen Personen, die sich öffentlich kritisch äußern. Dies zeigt, dass der ‚inneren Kompass‘ des unkontrollierten Todessterns schon lange seine demokratische Eichung verloren hat (wenn er sie jemals hatte). Aber hat denn überhaupt noch jemand eine ‚demokratische Eichung‘?

PARLAMENTARISCHE KONTROLLE IN DEUTSCHLAND?

4) Wolfgang-Dragi Willi Nešković, Politiker, ehemaliger Bundesrichter, zwischen 2005 und 2012 (mit Unterbrechung) Mitglied des parlamentarischen Kontrollgremiums, das die Arbeit der Exekutive überwachen soll (und damit indirekt die verschiedenen Geheimdienste), analysiert in einem Artikel in der FAZ vom 5.2. (S.28) die Situation der demokratischen Kontrolle der deutschen Geheimdienste. Sein Kernthese lautet, dass eine umfassende und effiziente Kontrolle der Dienste in Deutschland nicht existiere. Hätte er Recht, dann wäre die Situation in Deutschland nicht besser als in den USA, nur sind die deutschen Dienste im Vergleich zu den US-amerikanischen unvergleichlich viel kleiner und in ihren technischen Möglichkeiten eingeschränkter. Doch was besagt dies, wenn diese Dienste (wie man aus den bekannt gewordenen Details schließen muss), intim kooperieren? Interessant in seinem Beitrag ist der Hinweis (für Kenner trivial, für einen ’normalen‘ Bürger aber aufschlussreich), dass das parlamentarische Kontrollgremium ja die Dienste nicht direkt kontrolliert, sondern nur das Kontrollgremium der Regierung. Dies ist eine Konstruktion, die nicht nur faktisch viele Fragen aufwirft. In seiner Analyse ist aktuell eine seriöse demokratische Kontrolle der Aktivitäten der Dienste durch die gewählten Parlamentarier nahezu unmöglich.

KEIN KLARES BILD BEI DEN DEUTSCHEN POLITIKERN

5) Dieser beunruhigende Befund von Nešković – so er denn stimmt (davon gehe ich momentan aus) – wirkt umso beunruhigender, wenn man sieht, mit welcher Laxheit die wichtigen deutschen Politiker und zuständigen Behörden mit dem Thema umgehen: Verharmlosungen, Wegreden, explizit Leugnen, medienwirksame Aufregung ohne tatsächliche Maßnahmen, Inaktivität im Amt, Schlechtreden der Kritiker, usw. Von den Störgeräuschen, die kürzlich Mißfelder und De Maizière in Richtung der US-Partner ausgesandt haben, ist bislang nicht klar, wie ernsthaft diese gemeint sind. Man wird sehen.

AUFRUF DES PRÄSIDENTDEN DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

6) Kein geringerer als Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, beschreibt in der FAZ vom 5.2.2014 (S.25), unter dem Titel ‚Warum wir jetzt kämpfen müssen‘, die Situation einer neuartigen schleichenden Entdemokratisierung aller freiheitlich-demokratische Grundordnungen. Auf der einen Seite beobachten wir die immer umfassendere ‚Digitalisierung‘ jedes einzelnen Menschen durch die Verlagerung der realen Existenz in die digitalen Netze (privat, beruflich, wirtschaftlich, politisch, …), auf der anderen Seite die ungehemmte und unkontrollierte Sammelwut diverser Geheimdienste. Er spricht von einem zunehmend ‚paranoiden Staatsverständnis‘, was sich breit macht, und wagt die Prognose, dass es wahrscheinlicher ist, dass wir eine Verschlechterung der Demokratien erleben werden als eine Verbesserung. Eine neue soziale Bewegung erscheint unausweichlich, um dem allseits zu konstatierendem Werte- und Politikverfall ein neues, den Zeiten angemessenes Werte und Politikverständnis entgegen zu setzen.

JENSEITS DER GRENZEN: VON MENSCH ZU MENSCH

7) Wenn ich an einer deutschen Universität unterrichte, die offiziell Studierende aus ungefähr 100 verschiedene Nationen umfasst (die genauen Zahlen schwanken jedes Semester), und ich in den englischsprachigen Studiengängen mit studentischen Projektgruppen konfrontiert bin, in denen einige wenige aus Deutschland kommen, alle anderen aus Marokko, Bangladesch, Indien, Türkei, Russland, China, Pakistan, Äthiopien, Iran, um nur einige zu nennen, und diese Studierenden wie selbstverständlich miteinander leben und arbeiten, dann sieht man, dass wir alle unter gleichen Rahmenbedingungen gut miteinander auskommen können. In der Realität werden aber politisch-soziale-wirtschaftliche-rechtliche-kulturelle Mauern eingezogen, die von kleineren Machtgruppen kontrolliert werden, die – so hat man den Eindruck – eher weniger die Interessen der Bevölkerung im Auge haben, dafür aber umso mehr ihre eigenen.

WIR SIND WEG UND HINDERNIS ZUGLEICH

8) Die Vision einer neuen, gemeinsamen Welt, so irreal sie angesichts der vielen nationalen Egoismen und des vielfachen Machtmissbrauchs auf den ersten Blick erscheinen mag, ist grundsätzlich möglich, weil wir Menschen sie leben könnten. Aber dazu müssten wir all jene Denkgewohnheiten ablegen, die allzu schnell andere verteufeln, zu Feinden erklären, Misstrauen sähen bevor überhaupt Vertrauen entstehen konnte, usw. Letztlich sind wir selbst sowohl der Weg wie das größte Hindernis. Der Weg in eine bessere Zukunft kann nur über und durch den Menschen selbst führen; wenn wir uns ‚verbessern‘, dann gibt es mehr menschliche Zukunft. Wo fängt Zukunft an, wenn jeder dem anderen den schwarzen Peter zuschiebt: Wir können nicht anders, weil ‚die anderen‘ doch so böse sind.

Einen Überblick über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER

(US-amerikanische) MANDARINE DER MACHT? – Philosophische Betrachtungen dazu

VERTRETER DER MACHT

(1) In den politischen und journalistischen Auf- und Abwirbeln der letzten Monate, ausgelöst durch die Informationen von Edward Snowden, treten vermehrt US-Amerikaner in deutschen Talkshows auf, und zwar solche, die eine Affinität zur ‚politischen Macht‘ der US-Administration auszeichnet. In einer Talkshow mit Maybrit Illner am 30.01.2014 um 22:15h mit dem Thema „Geheimer Krieg um unsere Daten – sind die USA noch unsere Freunde?“, war es Fred(erick) Kempe gewesen, aktueller Präsident und Chief Executive Officer (CEO) des Atlantic Council. In einer früheren Talkshow mit Günther Jauch zur Ausstrahlung des ersten Fernsehinterviews mit Edward Snowden, trat als Gast John Kornblum auf. Mit seinen fast 40 Jahren im Dienst der US-amerikanischen Politik, immer in sehr wichtigen Rollen, davon die meiste Zeit in Europa, vor allem auch als Botschafter in Deutschland, ist er vielleicht der US-Amerikaner mit der zur Zeit größten politischen Erfahrung und dem größten Wissen über die US-amerikanische Politik in Europa und speziell auch Deutschland. Erwähnen sollte man hier auch Michael V.Hayden, der u.a. sowohl Direktor der NSA als auch der CIA war und der in einem Interview mit Maybrit Illner eingeblendet wurde.

IM AUFTRETEN VERBLÜFFEND ÄHNLICH

(2) So verschieden alle drei Persönlichkeiten sind, wo verblüffend ähnlich waren ihre Statements. Würde man einen Krimi im Fernsehen sehen und Kommissare auf der Suche nach dem Schuldigen begleiten, wären Zeugen, die nahezu identische Aussagen machen, als verdächtig einzustufen. Eine allzu große Übereinstimmung unterschiedlicher Person zu ein und derselben Sache gilt als ’nicht zufällig‘, d.h. man unterstellt automatisch eine Art von ‚Absprache‘. In den modernen Wissenschaften ist dies übrigens ähnlich. Wenn Astrophysiker feststellen, dass die Lichtstrahlen von beobachtbaren Himmelskörpern leicht verschoben sind gegenüber ihrem ‚theoretisch zu erwartenden Werten‘, dann beginnen sie eine ‚verborgene Ursache‘ anzunehmen, z.B. ein ’schwarzes Loch‘, das mit seiner ungeheuerlichen Gravitationskraft eine Abweichung im ’normalen Verhalten‘ der Lichtstrahlen bewirkt. Die Psychologen tun das gleiche. Wenn sie das Verhalten von Menschen beobachten und sie können ‚messen‘, wie ein Mensch die Batterie der Testaufgaben schneller und mit weniger Fehlern löst als der ‚Durchschnitt‘, dann unterstellen sie etwas , was sie ‚Intelligenz‘ nennen, und sagen, dieser Betreffende habe ‚mehr Intelligenz‘.

(3) Ein Punkt der sofort auffällt, ist die völlige Abwesenheit von Selbstkritik; Selbstkritik nicht bezogen auf ihre eigene Person sondern bezogen auf die politischen Institutionen, die sie vertreten. Wenn man sieht, was in den letzten mindestens 10 Jahren (und natürlich auch schon davor) an belegten Fakten über das Verhalten US-amerikanischer Regierungsinstitutionen oder von diesen beauftragten Firmen enthüllt worden ist, Fakten, die ganze Völker, Länder, Regionen, oder sogar uns alle betreffen, dann wirkt das kategorische Ausklammern dieser Dinge bzw. die aktive Ausschließung, schon von Fragen oder Vermutungen zu diesen Thema, zunächst einmal auffällig und dann – angesichts der ungeheuren Erfahrung und hohen Intelligenz der Personen – befremdlich, irritierend, beunruhigend.

(4) Diese Irritationen sind von Gewicht, weil die Personen, die durch ihre implizite kategorische Verweigerungshaltung gegenüber einer allen bekannten Realität zugleich um Vertrauen werben. Speziell Kornblum und Kempe betonen mehrfach, wie wichtig die transatlantische Beziehung zwischen den USA und Europa, speziell auch mit Deutschland, sei, und unterstreichen dabei persönliche biographische Details, die ihre Verbundenheit mit Deutschland ausdrücken. Doch gerade durch diese Beteuerungen und Werbung um Vertrauen wird die implizite Leugnung von vielen Realitäten umso bizarrer; wenn jemand um Vertrauen wirbt und sich gleichzeitig weigert, jene Fakten ernst zu nehmen, die den Gesprächspartner beunruhigen, dann hat dies eigentlich einen gegenteiligen Effekt, das Misstrauen wird größer.

FAKTEN WEG-REDEN

(5) Geradezu hervorstechend war die kategorische Einstufung von allen Dreien zu Edward Snowden als Verräter, als nicht glaubwürdig. Bedenkt man, dass mittlerweile selbst in den USA verschiedene Vereinigungen, verschiedene Zeitungen, der Kongress, einzelne Richter, ehemalige Mitglieder diverser Kontrollausschüsse, Firmenmitglieder usw. zumindest Teile von Snowdens Enthüllungen bestätigt haben, dazu Regierungen anderer Staaten (neben vielen vorausgehenden Blogeinträgen in diesem Blog siehe z.B. auch Zeitleiste beim Heise Verlag zum NSA-Abhörskandal), dann wirkt diese fast wortgleiche radikale Ablehnung und Vorverurteilung von Snowden zusätzlich beunruhigend. Da wirbt jemand um Vertrauen und während er dieses tut, zerstört er wesentliche Elemente, auf denen mögliches Vertrauen aufbaut. Festzuhalten ist, dass in der Runde mit Maybrit Illner ein aktiver Politiker, nämlich
Philipp Mißfeler (auch private Homepage (Mißfelder, private Homepage), der vielfach eher ‚konservativ‘ auftritt und eher ‚US-Amerika freundlich‘ ist (er ist auch seit Juni 2013 im Vorstand des Vereins Atlantik Brücke (siehe auch: www.atlantik-bruecke.org)), live in der Talkshow Fred Kempe bzgl. der Einschätzung von Snowden widersprach. Während Kempe (wie Kornblum und Hayden) Snowden jegliche Ernsthaftigkeit und Seriosität rundweg absprachen, sagte Mißfelder klar und deutlich in der Sendung, dass alles (!), was bislang von Snowden bekannt gemacht worden ist, als tatsächlich zutreffend erwiesen worden ist. Das hat bislang noch kein deutscher Politiker (erst recht keiner von denen, die Kraft Amtes dafür eigentlich zuständig wären) in dieser Klarheit öffentlich gesagt. Er ging sogar noch einen Schritt weiter und meinte, dass sich die US-Regierung in der Ausspähaffäre ‚bewegen müsse‘.

NIBELUNGENTREUE?

(6) Wenn also drei so hoch profilierte Personen aus dem US-amerikanischen Machtnetzwerk in einer Sache Aussagen machen, die von vielen anderen ernst zu nehmenden und profilierten Personen und Institutionen ‚anders‘ eingeschätzt werden, dann liegt es nahe, zu vermuten, dass alle drei aufgrund ihrer vielfachen Verbundenheit mit dem Machtnetzwerk zunächst mal die Position ‚der Macht‘ vertreten entgegen allen Fakten. In der deutschen Geschichte gibt es das Wort von der Nibelungentreue, das Festhalten an einer Position ‚rein aus Treue‘ unter Aufgabe der Dimension der ‚Wahrheit‘ und möglicher übergreifender ‚Werte‘.

MANDARINE – CHINESICHE BEAMTE

(7) China gilt in der Geschichte als eine Region großer Kultur. Und in der Tat, schaut man sich an, wie große chinesische Dynastien über viele Jahrhunderte ihr Riesenreich von innen her organisiert haben, dann kann man selbst von heute aus in Staunen und Bewunderung geraten. Kernstück war immer ein ausgeklügeltes System von Ausbildung und Organisation. Der zentrale Akteur darin waren die Beamten, in der westlichen Überlieferung als Mandarine bezeichnet. Der ‚chinesische Beamte‘ deckte dabei eine riesige Bandbreite an Fähigkeiten und Tätigkeiten ab. Hervorstechend ist ein ausgeklügeltes System von gestufter Ausbildung mit sehr differenzierten, regelmäßigen und effektiven Überprüfungen. In der chinesischen Verwaltungen konnten und wurden Beamte bei schlechten Leistungen und Fehlverhalten auch degradiert oder gar ganz entlassen; umgekehrt wurden sie auch belohnt und befördert. Auch Personen adliger Herkunft mussten sich im Normalfall diesen Prüfungen ebenfalls unterwerfen. Allen war klar, dass – in heutiger Sprache – Beziehungen alleine oder ein Parteibuch für die Effizienz der Verwaltung und des Staates unnütz und gefährlich sind. Dies alles war eingebettet und getränkt durch eine ‚Ethik‘, in der die Treue zur Gesellschaft, zum Staat, zum Kaiser zentral war. Historisch belegte Fälle zeigen, dass diese Treue durch ihre Koppelung an Kompetenz aber auch dazu führen konnte, dass hohe und höchste Beamte die Regierung sachlich kritisierten, was dann in manchen Fällen mit der Enthauptungen eben der Kritiker endete. Hätten die Mandarine die Wahrheit hinten angestellt und sich rein auf die Erhaltung Macht beschränkt (in diesem Sinne dann ’nur‘ ‚Mandarine der Macht‘), hätten Sie vielleicht individuell länger gelebt. Wäre damit der Lauf der Geschichte ‚besser‘ gewesen?

(8) Wieweit heutige Staaten (einschließlich China selbst) diese hohen Standards der ‚Qualitätssicherung‘ weiterhin praktizieren sei hier mal dahingestellt, im Falle von demokratischen Gesellschaften (wie die USA, wie Deutschland, wie Europa …) müsste das klassische chinesische Modell der Kompetenz (= Wahrheit und Werte) und Treue ergänzt werden um jene Aspekte, die sich aus dem Konzept einer Demokratie ergeben. Während in China der oberste Herrscher ein Machtmonopol besaß, das vom Prinzip her unangreifbar war, verstehen sich Demokratien als solche Gesellschaften, in denen das Machtmonopol von der gesamten Gesellschaft – natürlich mit bestimmten Spielregeln – kontrolliert werden soll. Demokratie endet dort, wo sich die demokratisch gewählten Institutionen von der Kontrolle faktisch abgekoppelt haben. Wann dies der Fall ist, ist von Fall zu Fall zu klären, da die Handlungsmöglichkeiten in einer Demokratie vielfältig sind; zudem sind die aktuellen Demokratien in der Regel sehr jung; es gibt noch nicht viele historische Erfahrungen. Einzig die USA haben bisher der Welt schon einige Lehrstücke von Machtmissbrauch und dann auch – glücklicherweise – deren Aufdeckung gezeigt. Darin waren und sind sie ein Vorbild für alle. Doch das Ringen um die Erhaltung des Machtgleichgewichts ist ein kontinuierlicher Prozess; es gibt keinen Endpunkt; eine demokratische Gesellschaft muss immer wieder neu ‚zu ihrem Recht finden‘; muss immer wieder neu aktuelle Entwicklungen kritisch beleuchten und ‚öffentlich diskutieren‘! In einer Demokratie muss daher permanent die ‚Treue‘ zum Staat begleitend werden von einem ‚funktionierenden öffentlichen Diskurs‘, in dem es letztlich keine Tabus (‚Geheimhaltung‘!) geben kann. Eine Demokratie mit Tabus ist keine Demokratie mehr.

FALSCHE TREUE KANN VERFEHLUNGEN DECKEN

(9) Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Entwicklung in demokratischen Ländern (mit den USA als Vorreiter!), die darin besteht, immer mehr Bereiche des Regierungshandelns von der Öffentlichkeit abzukoppeln (durch Geheimhaltung, durch unkontrollierte Ausschüsse, durch Übertragung von staatlichen Aufgaben an private Dienstleister, durch politische Kontrolle der Justiz, durch Zensur, durch Verweigerung von Interviews, durch Verweigerung von fundierten öffentlichen Stellungnahmen, usw.) tendenziell gefährlich und kann, als schleichender ‚Umsturz von innen‘ eine Demokratie schrittweise in eine ‚Hülle‘ verwandeln, die faktisch von einem Machtmonopol betrieben wird, auf das niemand mehr einen effektiven Zugriff hat. Wenn man alle ideologischen Scheuklappen beiseite legt, dann muss man sagen, dass sich in den USA die Indizien häufen, die genau solch eine Entwicklung andeuten (aber nicht nur dort). Wenn in einer solchen Situation die Menschen, die dem Netzwerk der Macht nahe stehen, sich wie ‚Mandarine der reinen Macht‘ verhalten, indem sie bedingungslose Treue zeigen bei Ausklammerung des Aspekts der ‚Wahrheit‘ im Stile einer Demokratie, also durch Ausklammerung von bedingungsloser Öffentlichkeit und Aufklärung, dann ist der Abstand zu den bekannten Diktaturen und totalitären Regimen der Vergangenheit auf einen mikroskopisch kleinen Wert zusammengeschrumpft. Ein Machtnetzwerk, das alles tun kann ohne jegliche demokratische Kontrolle, ohne Bezug zur Wahrheit (schließt Öffentlichkeit ein) ist keine Demokratie mehr.

KEINE DEMOKRATIE OHNE WERTE

(10) Jetzt könnte man die Frage aufwerfen, ob die Zeit für Demokratien vielleicht vorbei ist; vielleicht wollen die Menschen gar keine Demokratien mehr. Vielleicht war dies ja nur so eine vorübergehende Mode und heute wollen diejenigen, die machtaffin sind lieber einen totalitären Staat, und diejenigen, denen alles zu kompliziert ist, die wollen ihr Brot-und-Spiele Dasein (mit ‚Dschungelcamp‘ am Abend, oder ‚Deutschland sucht den Superstar‘ oder ‚Wetten dass‘ oder das nächste Supermodel oder oder….) mit einem bekömmlichen Auskommen; die paar Intellektuellen, denen dies alles keinen Spaß macht, die grämen sich halt berufsmäßig, weil sie nichts Besseres können, als überall Haare in der Suppe zu suchen. Dies ist eine Frage der ‚Lebensentwürfe‘, der ‚gemeinsam geteilten Werte‘. Wo kommen diese Werte her? Wer propagiert in Deutschland (oder in den USA) aktiv Werte? Welche Werte? Das Wort ‚Wert‘ wirkt als solches eher sehr abstrakt, kühl, leer, nichtssagend. Dennoch, sobald wir konkret handeln, fällen wir implizit Entscheidungen. Wenn wir A tun, dann findet alles andere außerhalb von A nicht statt. Und wenn sehr viele A tun, finden überwiegend alles andere außer A nicht statt. Wenn sehr viele z.B. Dschungelcamp schauen und alles andere nicht tun, dann können Vertreter der Macht Dinge tun, die mit Demokratie nichts zu tun haben und keiner wird es merken?

(11) Eine Wertedebatte im Umfeld des Projektes ‚Demokratie’hätte sehr viele Aspekte. Ranga Yogeshwar (siehe auch die private Webseite von Ranga Yogeshwar) griff einen heraus, der sehr konkret ist, der alle Menschen dieser Erde betrifft, auch uns Deutsche. Es ist der Aspekt, der in vielen vorausgehenden Blogeinträgen dieses Blogs auch immer schon herausgestellt worden ist, nämlich die vollständige Rechtlosigkeit der US- und Nicht-US-Bürger aus Sicht des US-amerikanischen politischen Systems. Dies ist eigentlich an sich schon ein bizarrer Tatbestand, da die US-amerikanische Verfassung auf die Rechte aller Menschen abhebt ohne die Menschen jenseits der Landesgrenzen als Menschen anzuerkennen; dies wird aber umso bizarrer, wenn das US-amerikanische System um Vertrauen in Deutschland wirbt, zugleich aber keinem einzigen deutschen Bürger auch nur minimale Rechte vor einem US-amerikanischen Recht zugesteht. Das ist in etwa so, als ob ein ‚Menschenfresser‘ sein Opfer bitten würde, ihn doch zu lieben. Ein Vertreter der Mandarine der Macht antwortete zu dieser Feststellung Yogeshwars nur mit einem Schweigen.

(12) In diesem Zusammenhang machte Egon Bahr in der Runde mit Maybrit Illner auf einen anderen Umstand aufmerksam, der in den letzten sechs Monaten zwar immer wieder aufschien, aber in seinen politischen Verschränkungen bislang in der Öffentlichkeit noch nie so klar ausgesprochen wurde. Dass die amerikanischen Geheimdienste (vor allem die NSA) alle die Überwachungstätigkeiten, die ihnen selbst in den USA verboten sind, durch den kooperierenden englischen Geheimdienst GCHQ (Government Communications Headquarters, deutsch: Regierungskommunikationshauptquartier) (siehe auch http://www.gchq.gov.uk/Pages/homepage.aspx) ausführen lassen und umgekehrt, das ist langsam bekannt. Dass aber die britische Regierung innerhalb der EU ihre Sonderrolle möglicherweise dazu benutzt, die US-amerikanischen Interessen einzubringen, das ist in dieser Konkretheit neu. Bahr ging sogar soweit, zu unterstellen, dass die Briten ihre Sonderrolle benutzen, um europäische Maßnahmen zum Schutz gegen die Übergriffe US-amerikanischer Dienste und Firmen abzublocken.

EINE HANDELT

(13) Die deutsche Politik fällt bei all diesen Vorgängen bisher durch Schweigen auf, durch Inkompetenz, oder gar durch ‚Verniedlichung‘, die die Grenze zur Verantwortungsverweigerung bzw. Amtsmissbrauch möglicherweise schon längst überschritten hat. Dass die Bundeskanzlerin als Meisterin des ‚Nichtssagens im Sagen‘ in ihrer inhaltslosen Regierungserklärung den Bedarf an Klärung in dieser Sache überhaupt erwähnt hat, ist für ihre Verhältnisse möglicherweise viel, aber gemessen an der Schwere des Sachverhalts so etwas von Nichtssagend, dass auch hier eine Abgrenzung gegenüber einer Amtsverweigerung nicht leicht zu erklären ist.

(14) Vor diesem Hintergrund hebt sich Constanze Kurz, u.a. Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC) geradezu wie ein Leuchtfeuer ab. Hochkompetent und engagiert hat sie eine Strafanzeige gegen die Bundesregierung vorbereitet (Unterstützt durch viele andere), in der namentlich Mitglieder der Bundesregierung und Chefs deutscher Geheimdienste wegen heimlicher Agententätigkeit und Beihilfe zur umfassenden Netzspionage der NSA angezeigt werden. Parallel hat sie (u.a. zusammen mit der Internationale Liga für Menschenrechte eine weitere Klage gegen den britischen Geheimdienst GCHQ beim europäischen Gerichtshof eingeleitet. Diese Klage hat in Straßburg sofort Priorität erhalten und die britische Regierung wird darin aufgefordert, die Überwachung aller Kommunikation zu rechtfertigen. Diese Klage vor dem europäischen Gerichtshof gewinnt ihre besondere Brisanz dadurch, dass drei Bürgerrechtsgruppen zuerst in Großbritannien versucht hatten, gerichtlich gegen die Überwachung vorzugehen. Doch die britische Regierung habe erklärt, britische Gerichte würden diesen Fall nicht bearbeiten. Zuständig sei stattdessen die parlamentarische Geheimdienstkontrolle. Doch weil diese Teil des Überwachungssystems sei und ihre Entscheidungen nicht gerichtlich anfechtbar ist, habe man sich stattdessen an Straßburg gewandt.

(15) Dieses Beispiel zeigt, dass die demokratische Kontrolle der Dienste nicht nur in den USA faktisch außer Kraft gesetzt worden ist, sondern dass dies auch schon in Großbritannien der Fall ist. Normale Bürger sind diesen System völlig schutzlos ausgeliefert.

DIE GESCHICHTE IST NICHT ZU ENDE

(16) Die Geschichte ist hier nicht zu Ende. Das Phänomen der ‚Macht‘, das sich in all diesen Verhaltensweisen und Ereignissen auswirkt, ist damit nicht einmal ansatzweise beschrieben. Das Fortbestehen der demokratischen Gesellschaftsformen in den USA und Europa ist offen. Die alles begründenden Wertfragen sind seit Jahrzehnten aus den Diskussionen verschwunden. Dass wir selbst in all dem das größte Problem sind, wir als Menschen, und wir auf vielfältige Weise demonstrieren, dass wir an den Grenzen unseres humanen Kapitals operieren, dass wir die Technik ungeahnt haben weiterentwickeln können, dass wir aber wertmäßig und psychologisch verglichen mit den alten Kulturen wenig oder gar nicht weiter sind, das sollte uns zu denken geben. Aber hier liegt auch das zentrale Problem: wie können wir uns selbst verbessern, wenn wir selbst so viele biologisch-psychologischen-kognitiven-seelischen-wertmäßigen Schwachstellen aufweisen? Vergessen wir die Ausrede mit Gott. Alles, was wir über den – ansonsten unbekannten – Gott wissen, wissen wir wiederum nur von Menschen, die behaupten, dass sie etwas von Gott wissen. Dementsprechend ‚allzu menschlich‘ klingt auch alles, was Menschen über Gott sagen. Möglicherweise gibt es sogar etwas, was wir mit ‚Gott‘ meinen; ich glaube sogar, dass dies wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. Aber, das klingt paradox, wir werden Gott solange nicht verstehen, solange wir uns selbst nicht als Teil des gigantischen Weltprozesses verstehen lernen. Die Wahrheit ist allemal schon da, nur bräuchten wir dazu u.a. Mandarine der Macht, die die Wahrheit nicht verdrängen und die die übergreifenden Werte ernst nehmen.

PHILOSOPHIEWERKSTATT AM Sa 8.Februar 2014, 19:00h

im Bistro Confetti 2.0,
Frankfurterstrasse 16,
61137 Schöneck,
Parken im Umfeld.
Unkostenbetrag: 5 €

Einen ausführlichen Bericht zur letzten Philosophiewerkstatt vom 11.Januar 2014 findet sich HIER.

In diesem Zusammenhang gab es auch Überlegungen zur Gestaltung des Treffens. Hier nochmals zur Erinnerung die wichtigsten Aspekte:

– Das aktive philosophische Reflektieren und Diskutieren soll im Zentrum stehen
– Den ‘roten Faden’ sollten die Blogbeiträge liefern, bei denen idealerweise mehrere Autoren mitwirken
– Es kommen immer auch wieder neue TeilnehmerInnen dazu; diese sollten Gelegenheit haben, sich vorzustellen und im Gespräch die anderen kennen zu lernen
– Die aktiven Teilnehmer sollten bei der Auswahl der Themen mitwirken oder sogar selber den einen oder anderen Beitrag bestreiten
– Es kann auch immer ein ‘Arbeitsthema’ geben, das sich über mehrere Sitzungen erstreckt
– Die — philosophisch motivierte und begründete — Kunst sollte einen festen Platz bekommen.
Aus diesen Aspekten wäre folgende Struktur für ein Treffen interessant:

Teil 1: AKTUELLER STATUS

In kleinen Gruppen, gemischt mit einem Plenum, sprechen alle Teilnehmer darüber, wie sie den aktuellen Diskussionsstand sehen und sie klären, welche Themen ihrer Meinung nach als Hauptthema mal behandelt werden sollten. Dieses Meinungsbild wird in einem Meinungsbild/ Ideendiagramm (Mind Map) festgehalten. Vorschläge für neue Themen können beim nächsten Treffen wirksam werden (inklusive Vorschlag, wer das Thema bestreitet).

Teil 2: AKTUELLES THEMA

Präsentation von Ideen, Materialien zu einem ausgewählten Thema mit Aussprache.

Teil 3: PHILOSOPHIE UND KUNST

Überlegungen zu möglichen Kunstprojekten, Vorstellungen, Aktuelle Experimente.

PAUSEN

Sehr wichtig sind das Ankommen, die beiden Pausen, und der Abspann. Hier finden viele intensive Gespräche statt, Klärungen, Persönliches, Brainstorming; Essen und Trinken….

VERSCHIEDENES

– Die Philosophie-Werkstatt lebt von ihren Teilnehmern…
– Eine Philosophie-Werkstatt kann überall stattfinden…
– Rückblicke, Kommentare zu einer Philosophie-Werkstatt im Blog sind natürlich auch möglich und erwünscht…

PROGRAMMVORSCHLAG FÜR DEN 8.Febr.2014

19:00h Begrüßung; Klärung der aktuellen Diskussionslage und Einbeziehung neuer Aspekte durch alle anwesenden Teilnehmer.
20:00h Fortsetzung des Themas: Lernen braucht Emotionen/ Wertedebatte
22:00h (optional) Künstlerischer Beitrag mit philosophischer Perspektive (theoretische Einführung und praktisches Experiment zu experimenteller Musik)

Ein Überblick über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.