Archiv für den Monat: Dezember 2014

IM WIRRWAR DER BEGRIFFE – Zur Philosophiewerkstatt vom 4.Dez.2014

EINE INTERESSANTE GRUPPE
REVOLUTIONÄRE MUSIK?
KOORDINATEN FÜR EMOTIONEN?
KLEINGRUPPEN
EMOTIONEN IM DICKICHT DER BEGRIFFE
DIVERSES
THEMA FÜR 11.Januar 2015

EINE INTERESSANTE GRUPPE

1. Trotz hektischer Vorweihnachtszeit, 3.Adventssonntag und vielen Absagen kam eine interessante Gruppe von 12 Personen zusammen, die hinsichtlich Alter, Geschlecht und beruflicher Profession wunderbar vielfältig und sehr engagiert war.

REVOLUTIONÄRE MUSIK?

2. Wie beim letzten Mal geplant begann die Veranstaltung mit einem Musikstück von cagentArtist. Anhand des Musikexperimentes Nr.X.2 wurde die experimentelle Vorgehensweise kurz skizziert. Die Aufgabenstellung lautet: wie kann jeder einzelne Klangräume erforschen und gestalten, wenn er nicht musikalisch ist, kein Instrument spielen kann, keine Zeit zum Üben hat, und keine Notenschrift benutzt werden soll (und im Falle von cagentArtist verschärfend: die Umgebung keine Lärmerzeugung erlaubt)? Das ganze Projekt kann man entweder rein individuell sehen als eine Art ‚Selbstbefreiung‘ von den Vorgaben eines professionellen Kultur und Musikbetriebs, der nur noch ‚perfekte Mainstreammusik‘ zulässt, oder als gesellschaftlich revolutionärer Akt, jedem Menschen einen Zugang zu den heute mehr denn je unendlichen Klangräumen zu eröffnen.

3. Aus den bislang mehr als 450 aufgezeichneten Klangexperimenten wurde ein Stück ausgewählt und präsentiert. Es stammt vom November 2014, wurde an einem Samstagmorgen aufgenommen und hat den Titel: Saturday morning: only two.

4. Nachdem das Klangexperiment abgespielt worden war gab es Gelegenheit, dass jeder dazu etwas sagte. Tatsächlich sagte jeder etwas dazu und es ergab sich eine breite Palette von empfunden Gefühlen und Assoziationen. Dass dieses Stück gewohnten Klangerwartungen widersprach war allen gemeinsam, interessant war aber, wieder jeder einzelne mit diesen enttäuschten Erwartungen umging. Am einen Ende der Skala wurde die enttäuschte Erwartung dennoch als interessant und produktiv empfunden; am anderen Ende der Skala gab es zahlreiche positive Assoziationen und Reaktionen, wobei bei mehreren der Eindruck hervorstach, dass diese Art von Musik ‚beruhigend‘ wirkt, ‚entspannend‘, irgendwie ‚endlos‘ erscheint. Andere identifizierten die einzelnen ‚Stimmen‘ mit unterschiedlichen Bewegungen und Gefühlen, die interagierten, die auf der ‚Suche‘ waren, die sich gegenseitig ‚bekämpften‘. Niemand empfand die Musik als ‚abstoßend‘.

5. Das Musikerleben bot dann eine Gelegenheit, zum Haupthema ‚Emotionen‘ über zu leiten.

KOORDINATEN FÜR EMOTIONEN?

Koordinatensystem für Erkenntnisse allgemein und speziell auch für Emotionen
Koordinatensystem für Erkenntnisse allgemein und speziell auch für Emotionen

6. Zu Beginn wurde keine spezielle Definition von Emotion gegeben, sondern es wurde ein allgemeines Koordinatensystem skizziert (siehe Bild), innerhalb dessen Emotionen – was immer diese im einzelnen sein mögen – auftreten können.

7. Das Bild entspricht der Sichtweise des Blogs cognitiveagent.org, wie sie sich im Laufe der Jahre herausgebildet hat. Die Grundidee ist die, dass dasjenige, was wir bewusst erleben (wahrnehmen, erinnern, denken, fühlen, …) können, auf vielfältige Weise vom umgebenden Wissen, vom Gehirn, vom Körper bzw. von der umgebenden Welt beeinflusst/ verursacht sein kann. Dem Erleben selbst ist oft nicht anzusehen, wodurch genau es verursacht wurde. Es erfordert eine eigene Anstrengung, ‚detektivische Kleinstarbeit‘, um den Wirkmechanismen des Erlebens ‚auf die Spur‘ zu kommen.

8. Nach diesen knappen Vorüberlegungen (und dem Verweis auf den vorbereitenden Blogeintrag EMOTIONEN ALS ‘SPRACHE’ – WOFÜR? WARUM? WER REDET HIER MIT WEM? – Erste Gedanken für die Philosophiewerkstatt am So, 14.Dezember 2014) kam es zu ersten begrifflichen Klärungen, die dann an die einzelnen Gesprächsgruppen weiter gegeben wurden.

KLEINGRUPPEN
EMOTIONEN IM DICKICHT DER BEGRIFFE

Brainstorming 14.Dez.2014 Kleingruppen unkommentiert
Brainstorming 14.Dez.2014 Kleingruppen unkommentiert

9. Es bildeten sich dann drei kleinere Gruppen, die sehr lebhaft und engagiert ihre Vorstellungen zu Emotionen austauschten.

10. Das Ergebnis dieses ‚Gedankensturms‘ (‚brainstorming‘) ist auf dem Bild angenähert zu erkennen.

11. Auffällig ist, dass sich das zuvor skizzierte ‚Koordinatensystem‘ darin praktisch nicht wiederfinden lässt.

12. Aus Sicht des Organisators könnte dies negativ wirken: jetzt hat man (scheinbar) so viele ‚tolle‘ Ideen, und nichts davon findet sich im Denken der anderen wieder?

13. Auf der anderen Seite war diese ein Zusammentreffen von viel Intelligenz, viel Erfahrung, großer Vielfalt in den Professionen, Geschlechtern, und Alter. Die Diskrepanz zeigt somit unsere Situation, wie sie ist: unsere Grundsituation ist gekennzeichnet von einer extremen Vielheit von Begriffen, deren Zusammenhang auf den ersten Blick nicht klar ist. Solange man sich nur ‚mit sich selbst‘ oder mit ‚Gleichgesinnten‘ beschäftigt, fällt einem nicht auf, dass das eigene Begriffssystem möglicherweise ’speziell‘ ist, aber wenn man sich on den offenen Austausch mit anderen begibt (wozu u.a. Mut gehört!), dann kann man sehr schnell erleben, wie disparat Begriffe sind.
14. Insofern nun unser ‚Bild von der Welt‘ primär über unser Begriffssystem läuft, stellt die starke Diskrepanz und Vielfalt natürlich eine Art ‚Barriere‘ dar, zusammen zu finden, zu gemeinsamen Einschätzungen zu kommen, zu einem möglichen gemeinsamen Handeln.

15. Auf den ersten Blick eventuell ‚entmutigend‘ ist doch das Faktum dieser begrifflichen Vielfalt gerade das Hauptargument dafür, sich zu einer Philosophiewerkstatt zusammen zu finden. Nur so kann man an einem gemeinsamen Verstehen arbeiten, in dem man selbst als ‚Aktivposten‘, als selbstbewusste(r) ‚MitdenkerIn‘ vorkommt.

16. Der Gesprächsleiter hat dann auch gar nicht erst versucht, diese Vielfalt in ein bestimmtes Schema zu pressen (auch niemand anderes), sondern es wurde die verbleibende Zeit genutzt, im offenen Gespräch die unterschiedlichen Begriffe und mögliche Querbeziehungen zu erläutern und zu motivieren.

DIVERSES

17. Ein starker Gegensatz bildete sich u.a. zwischen jenen, die Begriffe wie ‚Gott‘, ‚Seele‘, ‚Geist‘ benutzten und jenen, die sagten, die könnten damit in diesem Kontext nichts anfangen.
18. Dieser Gegensatz gab Anlass zu einem kurzen Exkurs mit Bezug auf den Vortrag Geist zum Nulltarif? Philosophische Aspekte zur Herkunft und zur Zukunft der Informatik. Vortrag und Diskussion und der dortigen Erläuterung, dass die Begriffe ‚Geist‘ und ‚Seele‘, die Eingang in die christliche Theologie gefunden haben, zurückgehen auf die antike griechische Philosophie. Dort wurden sie benutzt zur ‚Erklärung des Unerklärlichen‘, nämlich zur Erklärung des ‚Belebten‘ im Gegensatz zum ‚Unbelebten‘, ohne dass man wirklich erklären konnte, wie das ‚Leben‘ im ‚Belebten‘ ‚wirkt‘. In den nachfolgenden ca. 2000 Jahren, speziell in den letzten 150 Jahren, konnten wir sehr viel dazu lernen, wie man das biologisch fundierte Leben und seine Vielfalt bis zu einem gewissen Grad erklären kann, ohne allerdings das Grundfaktum des Biologischen innerhalb der bekannten physikalischen Gesetze erklären zu können.

19. Was man vor diesem Hntergrund sicher sagen kann, ist, dass wir heute – mit diesem Wissen im Rücken – Begriffe wie ‚Gott‘, ‚Geist‘, Seele‘ nicht mehr einfach so weiter verwenden sollten, wie in den vorausgehenden Jahrhunderten/ Jahrtausenden. Wenn wir intellektuell redlich bleiben wollen, dann müssen wir diese Begriffe in neuen Kontexten neu definieren. Strenggenommen müssten wir die christliche Theologie auch in vielen Teilen radikal umschreiben; wer aber sollte dies tun? Wer hat daran wirklich ein Interesse?

20. Es kamen auch Fragen nach ‚Gut‘ und ‚Böse‘ auf, was hat dies mit den Emotionen zu tun? Gibt es ‚gute‘ bzw. ‚Böse‘ Emotionen? Wenn Emotionen ‚angeboren‘ sind, wie gut können sie uns im Alltag leiten? ‚Passen‘ die angeborenen Emotionen noch zur heutigen Welt? Wie weit lassen sie sich manipulieren (es gibt chemische Substanzen die sowohl ‚Angstgefühle‘ wie auch ‚Euphorie‘ auslösen können; welche Bedeutung können solche Gefühle für uns haben?).

THEMA FÜR 11.Januar 2015

21. Für die Frage nach dem Thema für die nächste philosophieWerkstatt v2.0 am 11.Januar 2015 ergab sich nach einiger Diskussion das Thema „Das Gute und das Böse in den Religionen“. Den Einstieg dazu übernimmt eine ‚gelernte‘ Religionswissenschaftlerin. Die Idee ist, dass einerseits der individuelle subjektive Anteil, auch mit seinen emotionalen Aspekten, weiter Raum haben soll, andererseits aber auch durch einen Vergleich der verschiedenen Religionen der Blick weg von den Spezialitäten zu den allgemeinen, allen gemeinsamen Strukturen gelenkt werden kann. Einleitend soll es aber auch wieder ein Musikstück aus dem Bereich experimentelle Musik geben. Neben dem Veranstalter, der als cagentArtist experimentiert, gab es auch eine (anwesende) Pianistin und Komponistin, die sich mit diesem experimentellen Ansatz beschäftigen möchte.

22. Im Nachgespräch fokussierte sich das Thema stark um die experimentelle Musik, deren gesellschaftliche Bedeutung, die Auswirkungen auf den bisherigen Musikbegriff, starke Verschiebungen in bisherigen Begriffen, mögliche neue Experimente, auch öffentlich, evtl. als eigene Veranstaltungen.

Eine Übersicht über alle bisherigen Blogeinträge nach Themen findet sich HIER.

GEHÖRT JESUS VON NAZARETH NICHT DEN ATHEISTEN?

…. Wenn man den ‚Glauben‘ gegen den ‚Unglauben‘ retten will, muss man sich manchmal mit der ‚Wahrheit‘ beschäftigen …

SCHREIBEN ODER NICHT SCHREIBEN

1. Auch in diesem Fall stehe ich vor der Entscheidung, entweder nichts zu schreiben, weil ich nicht die Zeit habe, alle die hier einschlägigen Punkte ausgiebigst nochmals zu recherchieren, hin und her abzuwägen, und mit den notwendigen Quellenangaben zu versehen, oder aber den Gedanken zu retten auf die Gefahr hin, dass manches zu schwarz-weiß, zu schroff, zu ungenau wird. Doch gibt es ja andere kundige Menschen, die an der einen oder anderen Stelle mit ihrem Wissen aushelfen können – so sie denn wollen –, und darüber hinaus, sehr grundsätzlich, unser Wissen, selbst das noch umfassender recherchierte, bleibt immer ein gewisser Torso, unvollständig, vorläufig, fragmentarisch. Unser Heil liegt nicht im aktuell absolut verfertigten Traktat (den es unter aktuellen Bedingungen niemals geben kann), sondern im andauernden Prozess eines Ideenaustausches, wo sich die verschiedenen Perspektiven und Fragmente im Hin und Her zu einem je größeren Ganzen ‚ergänzen‘. Auch dieses wird lange nicht ‚perfekt‘ sein, aber es wird mehr darstellen, ‚enthüllen‘ (offenbaren) als jede einzelne, individuelle Perspektive alleine. Das ‚Wahre‘ ist das ‚Ganze‘ und die Totengräber der Wahrheit das sind die ‚Ideologen‘, die selbst deklarierten ‚Alleswisser‘, die ‚eingebildeten‘ Lehrer der Nation, oder wie immer sie sich inszenieren.

DIE FRAGE

2. Nach diesen Vorbemerkungen zurück zum aktuellen ‚gedanklichen Erregungspunkt‘: gehört Jesus von Nazareth nicht eigentlich den Atheisten und gerade nicht den verschiedenen Kirchen, die sich auf ihn berufen?

EINGELULLT?

3. Noch vor wenigen Monaten hätte ich die Frage so niemals gestellt. Aber, seit einigen Wochen macht mir eine Tatsache mehr zu schaffen als früher, eine Tatsache, die ich eigentlich ’schon immer‘, also so lange ich denken kann, ‚kenne‘, die mich aber noch nie besonders beschäftigt hatte, nämlich das Leiden und Sterben des Menschen Jesus von Nazareth. Gewiss, jeder der in einem Land mit christlichen Traditionen aufwächst (in meinem Fall dominante katholische und evangelische Bekenntnisse) hört schon sehr früh vom Leiden und Sterben in der Schule, in diversen Gottesdiensten, auch mal im Film, aber dieses Leiden und Sterben war immer stark abgefedert durch die historische Entfernung, durch die kirchlich-liturgischen Verpackungen, durch den ‚Zuckerglanz‘ der zuvor, danach, und drum herum angestimmten ‚Göttlichkeit‘, die diesem Leiden und Sterben letztlich den Stachel nimmt. Ja, er stirbt, aber nicht wirklich; er erstand ja dann doch auf von den Toten und offenbarte sich als der ‚Sohn Gottes’…

REALE ENDLICHKEIT

4. Im Laufe des eigenen Lebens lernt man immer wieder – und tatsächlich immer mehr – aus eigener Hand Krankheiten kennen, Leiden, und Sterben. Je älter man wird umso öfter erlebt man wie Menschen, die man kannte, die man schätzte, die man liebte, sterben; mal schnell, mal langwierig, aber sie sterben. Man erlebt sich selbst in dem, was man seinen Körper nennt, vielfältig abhängig von seinem Körper, im Guten (was er alles ermöglicht) wie im Schlechten (in konkreten Grenzen, Endlichkeiten, Schmerzen, Unbeholfenheiten, sozial auffällig, ausgegrenzt, …). Man erfährt die täglichen Abläufe permanent ambivalent als Ermöglichung von Leben und zugleich als anstrengend, verschleißend, reibend, nervend usw. Und in der Tat hat dies alles eine gewisse Unausweichlichkeit, die sich nicht dadurch verändert, dass man etwas glaubt oder nicht glaubt. Dass wir mit unserer Körperlichkeit in dieser uns bekannten körperlichen Welt ein zeitlich definiertes Ende finden, das ist eine Grundeigenschaft der natürlichen biologischen Prozesse. Eine gewisse zeitliche Verlängerung um ein paar Jahre, oder Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte (in der Zukunft) tut nichts wesentliches zur Sache. Die realen physikalischen Prozesse als solche sind auf Endlichkeit, auf Energieausgleich ausgelegt, und sobald zentrale Prozesse oder die Energiebeschaffung nicht mehr möglich sind, dann bricht das ‚Wunder des körperlich fundierten Geistes‘ in sich zusammen. Dies ist unabhängig davon was man glaubt und wie man glaubt.

WIE GEHT MAN DAMIT UM?

5. Eigentlich kann dies jeder Mensch wissen. Aber scheinbar ist die ‚Angst‘ vor diesem unausweichlichen endlichen Ereignis bei manchen so stark, dass Sie bereit sind, alles zu glauben, was von dieser Wahrheit ablenkt, und damit ein mehr oder weniger elaboriertes ‚Gebäude der Unwahrheiten‘ zu stricken, als den Dingen ins Auge zu sehen.

DER STERBENDE JESUS

6. Es waren genau solche Gedanken die mir das lang bekannte Leiden und Sterben des Jesus von Nazareth ’neu‘ ins Bewusstsein treten ließen. Für ihn – wie für alle anderen Menschen auch — war das finale Sterben am Kreuz ein reales Geschehen, ein reales Leiden, und was immer das Wort ‚Gott‘ (zu übersetzen in die vielen hundert Sprachen der vielen verschiedenen Kulturen) irgendwo und irgendwie bedeuten mag, für ihn, der da am Kreuz real endete, war das da am Kreuz hängen, Schmerzen empfinden, und sich fragen, was das Ganze eigentlich soll, worin der Sinn liegt, ob sein zurückliegenden Taten nun sinnlos sind, weil er hier sinnlos am Kreuz hängt, sinnlich konkret real. Und ob die Worte ‚Mein Gott, warum hasst Du mich verlassen‘, die ihm in den überlieferten Texten zugeschrieben werden, tatsächlich gesprochen wurden, weiß man nicht. Die offizielle Überlieferungstradition hat die Worte sofort ‚entschärft‘ und sie als die Anfänge eines Psalms gedeutet, der letztlich einen tiefen Gottesglauben artikulieren soll … Wie auch immer, wer als Mensch real an einem Kreuz hängt, oder sich in einer von Menschen inszenierten Foltersituation befindet, oder einfach nur elendig krank ist und das Leben aus seinem Körper ‚entrinnen‘ sieht, oder einfach nur an sich, an seinem Alltag leidet, real leidet, Schmerzen empfindet, verzehrende Gefühle von Verlust und Trauer …. solch ein Mensch, jeder, ist in diesen Momenten der Sollbruchstelle des real-physikalischen Scheiterns ausgeliefert und kein ‚Gott‘ kann und wird in diesem Moment daran etwas ändern.

AUTHENTISCHER KERN

7. Im Leiden und Sterben des Menschen Jesus von Nazareth besitzt die christliche Tradition einen authentischen Kern, der sie mit allen realen lebenden, leidenden und sterbenden Menschen dieser unserer Erde verbindet. Glauben im christlichen Sinne heißt bezogen darauf auf keinen Fall ‚Erhaben zu sein‘ über das physikalisch-Konkrete, heißt auf keinen Fall das physikalisch-Konkrete außer Kraft zu setzen, installiert keine Wahrheit ‚gegen‘ die Konkretheit dieser Welt. Jesus von Nazareth war vollständig eingehüllt in den materiellen Prozesse, vollständig darin sich vorfindet, vollständig davon abhängig, bis hin zur Zerstörung seines Körpers und seines körperlichen Lebens, ganz qualvoll, beschleunigt herbeigeführt durch Menschenhände, durch Menschen, die glaubten, sie hätten die bessere Wahrheit; die glaubten, sie hätten mehr Rechte als er; die glaubten, sie ständen über dem Leben. Diese Menschen – waren sie schlechter wie wir, die wir doch alle glauben, wir wüssten es jetzt besser, wir hätten das Recht auf unserer Seite? Im Falle Jesus von Nazareth waren es jüdische Volksgenossen die sowohl Leidende, Unterstützende, Handlanger, Täter und Opfer zugleich waren; es gibt keine klare Trennung wo Wahrheit beginnt und die Unwahrheit aufhört. Anhänger Jesu sollen ihn nach der Überlieferung verleugnet haben, andere sollen ihn sogar verraten haben … Die imaginären Trennlinien verlaufen überall, mitten hindurch durch jeden Menschen.

IN ALLEN KULTUREN

8. Ist es tröstlich, dass wir zu allen Zeiten und in allen Kulturen Menschen finden, die ähnlich wie ein Jesus von Nazareth für ihre Überzeugungen ‚freiwillig‘ Leiden und sterben auf sich genommen haben (und vermutlich immer wieder auf sich nehmen werden!)? Ist es nicht verwunderlich, dass es immer wieder Menschen gab und gibt, die trotz eines endlich-gebrechlichen Körpers, die trotz materieller Einschränkungen, trotz Mühen, Anstrengungen, sozialen Ausgrenzungen, Ängsten, Zweifel … an Gedanken, Überzeugungen festhalten, ein Verhalten zeigen, das von der Umgebung, der Mehrheit, vom Trend … abweicht? Dass sie dies nicht tun weil sie sich auf ein viel schillerndes Wort ‚Gott‘ berufen (das bislang jeder so interpretiert, wie es ihm gerade gefällt), sondern weil sie als konkrete körperliche Menschen in sich und in ihrer Verwobenheit mit der konkreten endlichen Welt etwas ‚verspüren‘, etwas ‚fühlen‘, etwas zu ‚erkennen meinen‘, was dem alltäglichen Geschehen eine ‚Bedeutung‘, eine ‚Wertigkeit‘ verleiht, die ihr ‚Herz‘ und ihren ‚Verstand‘ so bewegt, dass sie bereit sind, dafür Teile ihrer körperlichen Existenz ‚aufs Spiel‘ zu setzen, um diesen ‚gefühlt erkannten Wertigkeiten‘ Ausdruck und möglicherweise Existenz zu verleihen.

9. Hierher gehören sehr wohl auch all die vielen Wissenschaftler der Vergangenheit, die unter höchstem Einsatz ihres Lebens versucht haben, der uns umgebenden Wirklichkeit (‚Natur‘) Antworten zu entlocken, die etwas davon verraten, wie die Welt ‚tatsächlich funktioniert‘ und die dafür nicht selten soziale Ausgrenzung, Verachtung, Spott oder gar Verfolgung erleiden mussten. Dass die Wissenschaft heute weitgehend unter politische und kommerzielle Kontrolle geraten ist, in der sie weitgehend ‚instrumentalisiert‘ wird zum Machterhalt oder für parteilich-kommerzielle Nutzung, nützt gelegentlich einzelnen Akteuren, nimmt aber der Wissenschaft als Ganzer einen Großteil ihrer Erkenntniswucht. Wissenschaftler, die sich bekriegen müssen, weil ihre Geldgeber das verlangen, neutralisieren sich gegenseitig.

FÜHLENDES ERKENNEN

10. Doch auch hier gilt, es gibt diesen überall glimmenden Funken eines Wertempfindens quer zu allem, über allem hinweg, entgegen allen Widerständen, und dieses ‚fühlende Erkennen‘ ist nicht da, weil wir Menschen es ‚wollen‘ oder weil es Machthaber befehlen, sondern weil die ‚Geschichte des Lebens‘ auf dieser Erde eine Spur gezeichnet hat, die diese grundlegende Fähigkeit als ‚innere Logik allen Lebens‘ manifestiert. Dieses ‚fühlende Erkennen‘ ist nicht etwas was als ‚Nebenprodukt‘ aus der Materialität der Atome und Moleküle ‚folgt‘, sondern es geht dieser Materialität notwendigerweise voraus! Atome und Moleküle können nur deshalb charakteristische ‚Eigenschaften‘ zeigen, weil diese Eigenschaft ihnen voraus liegen, als implizite Eigenschaft jener Quantenwelt, aus denen sich Atome und komplexere Strukturen ‚ergeben‘. Natürlich kann man dann die Frage weiter stellen, warum und wieso die Quantenwelt solche impliziten Eigenschaften besitzt, doch geraten wir damit an die ‚vorläufigen‘ Grenzen unserer Fragekunst; aber fehlende Antworten sind nicht so schlimm wie keine Fragen haben. Die Fragen haben wir, wir können sie stellen. … und das ist das Wunder.

SCHIZOPHRENIE VON WISSENSCHAFT UND KULTUR

11. Es hat eine gewisse Tragik, dass wir in einer schizophrenen Welt leben, in der eine radikale Trennung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften (und Religionen) gezogen werden, in der die sogenannten Geisteswissenschaften (inklusive Kulturbetrieb) sich an einem Menschenbild orientieren, das punktuell-geschichtslos ist, wo das vereinzelte Individuum in seinem ‚Hingeworfensein‘ sich in seinem Gefühlschaos hin- und herwälzt, wo das leidende – oder wahlweise das lustvolle — Individuum in allen Varianten durchgehexelt wird, aber schon die politische-soziologischen Vernetzungen kommen kaum noch vor und die evolutionäre Dimension samt physikalischem Universum sind aus dem Denken geradezu verbannt. Beliebiges Wortgestammel wird als Manifestation von ‚Geist‘ gefeiert während die wahren geistigen Großtaten z.B.der Mathematik, der Ingenieurkunst, oder der theoretischen Wissenschaften in gesellschaftliche Abstellkammern verbannt sind. Das Bildungsbürgertum dröhnt sich mit einer Bild- und Klangwelten zu, die außer historischen Zufälligkeiten und modischen Trends nichts vorzuweisen haben. Ist Musik nur das, was ein Mensch hören und ein anderer spielen kann? Ist Musik nur das, was bestimmte Neuronen zum ‚Summen‘ bringt? Ist Musik nur das, was man auf einem bestimmten Instrument spielen kann, weil Menschen zu dieser Zeit nicht in der Lage waren, ein anderes Instrument zu bauen? Ist Musik nur das, was sich ein bestimmter Mensch ausgedacht hat, weil er zu dem Zeitpunkt nichts anderes denken konnte? Ist Musik nur das, was man mit einer bestimmten Notenschrift aufschreiben kann? Ist Musik nur das, was ein Orchester spielen kann, weil man sich daran gewöhnt hat, dass Orchester nur so sein dürfen, wie man sie einmal dekretiert hat? ist Musik nur das, was man aus Radiokanälen hört, weil die Sender nur das spielen, was die großen Produzenten liefern und die produzieren nur das, was ihnen kommerziell Erfolg bringt, weil …. ? (Jeden Tag werden auf bestimmte Musikplattformen tausende neue Musikstücke hochgeladen, aber Monatelang hört man in Radiosendern nur ein paar hundert Musikstücke, und die haben eine hohe Wiederholungsrate)…..

12. Solange unsere Gesellschaft geistig mit sich selbst entzweit ist, sich im Natur-Wissenschaft-Kultur-Geist Grabenkampf eingebunkert hat, solange besteht kaum eine Chance, dass wir die zeitübergreifenden Botschaften eines universalen Lebens gemeinsam erfassen, verdauen, weiter entwickeln können. Wahrheitsunfähige Religionen und Kulturkonzepte sind anfällig für beliebige Ideologien, sind wie Blätter im Wind, sind willige Instrumente in den Händen von Geld, Macht und Ideologie.

13. Trotz allem gibt es immer wieder wunderbare Menschen, wunderbare Gedanken, wunderbare Bücher, wunderbare Musik, wunderbares Schauspiel, …. das ist das Paradox, das auf das ‚je Größere‘ verweist.

PS: Jetzt habe ich viele Aspekte ausgelassen, z.B. auch die Frage, wer denn nun die ‚Atheisten‘ sind … oft sind es nicht die, die sich so nennen oder so genannt werden. Aber ich habe einige kennen gelernt, die sich ‚Theisten‘ nennen, die für mich die radikaleren Atheisten waren ….

Einen Übrblick über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

WORTE ANLÄSSLICH VON 30 JAHREN EHE VON FREUNDEN …

Letzte Änderungen: 6.Dez.2014, 15:30h

Liebe G, lieber P,

1. Euer besonderes Geheimnis wurde zum Anlass, dass wir uns hier eingefunden haben. Motiviert durch eure lieben Worte sind wir hierher geeilt, Erwartungen in den Augen ….. und dann steht man vor der Entscheidung: Sage ich etwas oder sage ich nichts?

2. Alle, die mich kennen, wissen, dass ich meist dazu neige, eher etwas zu sagen, als zu schweigen …. und dass ich die weitere Neigung habe, die Worte mit Musik – manche nennen es ‚Lärm‘ – zu verpacken. Die lärmende Musik fällt heute aus; zu wenig Zeit, keine hinreichende Transportkapazität, ein entzündeter Finger, die zusammengezogenen Augenbrauen meiner Frau … alles Faktoren die nicht sehr förderlich sind… Doch es bleibt das Wort ….

3. Gestern Abend, schon leicht erschöpft von der zurückliegenden Woche, bemerkte ich folgenden Sachverhalt: Wir schreiben das Jahr 2014. Ihr feiert euer 30-Jähriges. In der Schule habe ich gelernt, dass 2014 – 30 = 1984 ergibt. Ein Zahlendreher führt von 1984 zum Jahr 1948; dies ist nicht nur das Jahr, in dem ich geboren wurde, sondern 1948 ist das Jahr, in dem George Orwell (1903 – 1950) seinen berühmten Roman ‚1984‘ abschloss (veröffentlicht ein Jahr später, 1949).

4. Jetzt werden sich vielleicht einige fragen, was hat solch ein düsterer Roman eines totalen Überwachungsstaates mit dem menschlich berührenden Ereignis eines 30-jährigen Ehejubiläums zu tun, speziell bei G & P, die doch sowohl einzeln wie zusammen so viel Positives ausstrahlen und auch in der Vergangenheit ausgestrahlt haben?

5. Nun, es gäbe mehrere Antworten: die eine findet sich schnell. In diesem eigentlich düster-bedrückenden Roman sind die beiden Hauptpersonen ein Mann und eine Frau, die trotz aller Überwachung und Angst ihre Menschlichkeit, ihre Gefühle und Emotionen so stark spüren, dass sie einen Weg zueinander finden und ihr individuell-einzelnes Leben stückweise miteinander teilen und sich darin gegenseitig Mut machen, sich bestärken, sich beflügeln, um den Dunkelheiten und Widrigkeiten des Alltags besser trotzen zu können.

6. Dies ist ein Motiv, das wir oft bei Liebenden finden können, auch bei jenen, die ihre Liebe über die Jahre retten, bewahren, möglicherweise weiter entwickeln können, so, wie wir es bei G & P wahrnehmen. Sicher, G & P hatten — wie viele andere auch — ihre ganz speziellen Krisen, aber Krisen, die man gemeinsam durchsteht, daran lernt, lassen alle Beteiligte reifen, führen näher zusammen als vorher, lassen alles in einem noch nachhaltigeren Rot erstrahlen, erweitern das Verstehen, stärken das Vertrauen, bauen mit an der gemeinsamen Hoffnung auf ein Gelingen.

7. Im Roman ‚1984‘ endet die Geschichte leider – wie ihr wisst — unschön. Die Liebe der beiden wird von der Geheimpolizei – die vordergründig als Gesinnungsgenossen auftraten — aufgedeckt und mit Folter und Gehirnwäsche werden die beiden zuvor Liebenden dazu gebracht, sich wechselseitig zu verraten und dann in der Liebe zum ‚Großen Bruder‘, der Ausgeburt des Bösen, ihren letzten Sinn zu finden. Dies ist hart, tut weh, ist sehr traurig, schneidet ein in unser Bild von einer sinnvollen liebenden Welt.

8. Und doch hat diese Geschichte eine Wahrheit, der wir ins Auge schauen sollten, um die dann jeweils größere und tiefere Wahrheit und Liebe überhaupt verstehen zu können.

9. Es ist sehr natürlich dass Menschen menschliche Wärme, Liebe, Vertrauen und Treue suchen, und es ist sehr schön, wenn man dies erleben kann. Der Gang des Lebens auf dieser Erde seit ca. 3.8 Milliarden Jahren zeigt aber auch, dass ein gemeinsames, friedliches, erfülltes Zusammenleben zu den großen geschenkten Momenten eines Lebens auf dieser Erde zählt. Damit wir friedlich, sicher, angenehm irgendwo leben können, müssen jeden Tag unglaubliche Dinge geschehen, die nicht ‚einfach so‘ geschehen. Ohne Menschen, die täglich neu den Kampf aufnahmen, die täglich neu arbeiten, leiden, ringen, hoffen, vertrauen und lieben, ohne diese kann kein einziger von uns friedlich leben. Und auch, wenn jeder einzelne nur leben kann, weil so viele andere täglich neu für sich den Kampf aufnehmen, ist es wiederum die Entscheidung und der Beitrag jedes einzelnen von uns, die ein Gesamtkunstwerk von Leben möglich macht.

10. Vor diesem Hintergrund freue ich mich – und ich denke wir alle zusammen – dass G & P für sich in den letzten 30 Jahren einen Weg gegangen sind, der für viele andere eine Quelle von Inspiration, Vertrauen und Liebe war – und hoffentlich bleibt.

11. Doch, bei aller Glückseligkeit im Moment, sollten wir wachsam bleiben und uns bewusst sein, dass es seit George Orwells Roman ‚1984‘ weiterhin gesellschaftliche Prozesse gab und weiterhin zu geben scheint, in denen Machtgruppen versuchen, die Mehrheit der Bürger über eine Bedrohungspropaganda in eine gefügige ängstliche Masse zu verwandeln, die ihre eigenen Überzeugungen, Wahrheiten, Hoffnungen — und womöglich sogar ihre eigene Liebe — vergisst, aus Angst, sie könnten etwas verlieren, was sie aber in diesem Moment der Angst schon längst verloren haben.

12. Wahre Liebe zeigt sich nicht nur in einer Zweierbeziehung gerade in Zeiten der Krise, der Infragestellungen. Wenn wir zu Zweit lieben wollen, dann brauchen wir auf Dauer auch eine Gemeinschaft von Menschen um uns herum, die liebesfähig ist.

13. Ich wünsche G & P ganz besonders, aber auch uns allen, dass wir gemeinsam eine solche ‚liebesfähige‘ Gesellschaft auch in der Zukunft leben können.

Einen Überblick über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

EMOTIONEN ALS ‚SPRACHE‘ – WOFÜR? WARUM? WER REDET HIER MIT WEM? – Erste Gedanken für die Philosophiewerkstatt am So, 14.Dezember 2014

1. Im Bericht zur letzten Philosophiewerkstatt vom 9.November 2014 kann man nachlesen, wie dynamisch-vielfältig die letzte Sitzung verlief, und, dass die TeilnehmerInnen sich für die kommende Sitzung am 14.Dezember 2014 das Thema ‚Emotionen‘ ausgewählt haben (zum Programmvorschlag für diesen Nachmittag siehe den Text am Ende dieses Beitrags).

philosophieWerkstatt v2.0
philosophieWerkstatt v2.0

BEGRIFF ‚EMOTION‘

2. Der Begriff ‚Emotionen‘ ist hier zunächst einmal möglichst ‚weit‘ zu fassen noch vorab zu speziellen Begrifflichkeiten und Theorien, so, wie er dem einzelnen in seinem Alltag begegnet, vorkommt, auftritt; wie jeder selbst es erlebt. Und vorab zu irgend welchen Präzisierungen gehören zu den ‚Emotionen‘ alle Phänomene zwischen ‚Trieben‘, ‚Bedürfnissen‘, ‚Schmerzen‘ usw. einerseits und ‚gestimmt sein‘, ‚guten Mutes‘ sein, ‚freudig sein‘ usw. andererseits.

Koordinatensystem 'Bewusstsein' in einem 'Körper' in einer 'Quantenwelt'
Koordinatensystem ‚Bewusstsein‘ in einem ‚Körper‘ in einer ‚Quantenwelt‘

KOORDINATENSYSTEM

3. Es kann hilfreich sein, sich klar zu machen, in welchem ‚Koordinatensystem‘ wir uns bewegen, wenn wir über ‚Emotionen‘ sprechen.

4. Das vorausgehende Schaubild gehörte zu einem Blogeintrag zum Thema Bewusstsein – Nichtbewusstsein. Es kann hier, in einem anderen Kontext, dennoch hilfreich sein.

ERLEBEN

5. Ein zentraler Aspekt von ‚Emotionen‘ ist, dass wir sie ‚erleben‘; ohne ein irgendwie geartetes ‚Erleben‘ wissen wir nichts von ‚Emotionen‘. Dies gilt selbst dann, wenn Emotionen sich nicht ‚direkt‘ manifestieren, sondern ‚indirekt‘ über Verhaltensweisen, die von ‚unbewussten Emotionen‘ beeinflusst sein können. Das ‚Erleben‘ von Emotionen gehört in den Bereich dessen, was wir ‚Bewusstsein‘ (‚Psyche‘) nennen.

KÖRPER

6. Das ‚Erleben‘ selbst sagt in der Regel wenig oder gar nichts über seine ‚Entstehung‘: der Körper (einschließlich des Gehirns) als ‚Raum physiologischer Prozesse‘ ist eine schier unerschöpfliche Quelle für diverse Erregungszustände, die sich in unserem Bewusstsein als ‚Phänomene‘ manifestieren können. Sofern sich solche Korrelationen aufzeigen lassen (z.B. in der Neuropsychologie) können wir spezielle ‚Erlebnisse‘ mit konkreten physiologischen Prozessen in Beziehung setzen. Ist diese korrelative Beziehung ‚kausaler‘ Natur, dann werden die Phänomene des Bewusstseins zu ‚Indikatoren‘ für spezieller körperliche Prozesse (z.B. ‚Durstgefühl‘, ‚Hungergefühl‘, …).

PHÄNOMENE BEWAHREN

7. Es ist allerdings nicht ganz klar, ob es in diesem komplexen Kosmos von möglichen körpergebundenen Prozessen und deren Wechselwirkungen nicht auch zu Erlebniszuständen kommen kann, die zwar ‚irgendwie‘ auch mit solchen komplexen körpergebundenen dynamischen Prozessen ‚korrelieren‘, wo es aber – zumindest bislang — nicht möglich ist, eine eindeutige Zuordnung zu ‚psychischen Zuständen‘ — spricht ‚Phänomenen des Bewusstseins‘ — finden zu können. Gibt es solche ‚Zuordnungsprobleme‘, dann gilt die oberste Regel, das ‚Phänomen zu retten‘, denn das Phänomen ist ‚primär‘ und der mögliche ‚Wegweiser’/ ‚Schlüssel‘ zu einem vertieften Verständnis der Wirklichkeit. Andererseits muss man sich aber auch vor ‚vorschnellen Deutungen‘ hüten.

TRANSZENDENZ — ODER WAS JEMAND DAVON HÄLT

8. Wenn in den mystischen Traditionen der verschiedenen Religionen von ‚übersinnlichen‘ oder ‚transzendenten‘ oder ‚göttlichen‘ Erlebnissen gesprochen wird, dann bewegt man sich zum Teil in dieser ‚Grauzone‘ von noch nicht korrelierbaren Phänomenen, die nicht automatisch deswegen schon ‚übersinnlich’/ ‚transzendent’/ ‚göttlich‘ sind, weil man noch keine Korrelation gefunden hat. Hier kann man schnell – speziell als ‚Anfänger‘ – zu Deutungen neigen, die etwas ‚Banales‘ mit etwas ‚Göttlichem‘ ‚aufladen und damit ‚in die Irre‘ laufen. Von daher nimmt in den mystischen Schriften und Lehren die ‚Warnung‘ vor Falschdeutungen einen mindestens so großen Raum ein wie die ‚Lehre selbst‘ …

QUANTENRAUM ist anders als MAKROSTRUKTUREN

9. Die Sache wird heute noch komplizierter dadurch, dass die wachsenden physikalischen Kenntnisse über die ‚Welt der Quanten‘ uns zeigen, dass die Wechselwirkungen im Quantenraum ganz anderen Gesetzen gehorchen, als wir dies aus dem ‚Makroraum‘ der uns bekannten Körper kennen. Dies bedeutet, dass wir naturwissenschaftlich nicht ausschließen können, dass es zu ‚Phänomenen des Bewusstseins‘ kommen kann, die zwar nicht mit den üblichen identifizierbaren körperlichen Prozessen korreliert werden können, die aber sehr wohl eine quantenphysikalische Erklärungen finden könnten. Auch in diesem Fall gilt, dass ‚Phänomene‘ primär sind, Phänomene gegenüber mangelnden oder falschen Interpretationen zu ‚bewahren‘ bzw. zu ‚retten‘ sind.

WISSENSCHAFT

10. Da man zu jedem Zeitpunkt niemals über eine ‚absolute naturwissenschaftliche Theorie‘ verfügen kann (dies folgt logisch zwingend aus dem Begriff der ’naturwissenschaftlichen Theorie), bedeutet dies, dass man als ‚rationaler‘, ‚wissenschaftlicher‘ Mensch letztlich nichts ‚Abschließendes‘ zu einem Phänomen sagen kann; man kann nie ausschließen, dass man morgen eine neue, anders gewichtete Erklärung finden kann. Wissenschaft ist in diesem Sinne ‚überindividuell‘, ‚zeitübergreifend‘, ein ‚allgemeines‘ – sprich populationsbasiertes – Wissen.

ENDLICHES INDIVIDUUM

11. Demgegenüber hat der einzelne Mensch als ‚Individuum‘ ein ‚endliches Zeitfenster‘ und steht unter dem Druck, in einer endlichen Zeit ‚Entscheidungen‘ fällen zu müssen, die – der Intention nach – auch ‚zeitlos gut‘ sein wollen/ sollen.

DAS ABSOLUTE ‚ERLEBEN‘?

12. Unterstellt man als Einzelner, dass das erfahrbare Universum ‚grundsätzlich einen Sinn‘ ‚enthält‘, einem ‚Sinn‘ folgt, dann wird man annehmen, dass sich dieser ‚allumfassende‘ Sinn auch in der Endlichkeit eines endlichen Individuums realisieren lässt. Dies impliziert, dass ‚irgendwie‘ eine ‚Werterfassung‘ in ‚Richtung‘ des ‚Guten‘, ‚Wahren‘ und ‚Schönen‘ möglich sein sollte, unabhängig von konkreten, zeitgebundenen Zufälligkeiten, Gewohnheiten, Moden, usw.

13. Da unser ‚begriffliches Denken‘ aufgrund seiner ‚Mechanik‘ grundsätzlich zu keinen absoluten Erkenntnissen a priori fähig ist, bliebe nur das ‚Erleben des Absoluten‘ als ‚Indikator‘ einer möglichen ‚Richtung‘ aus der Perspektive der Endlichkeit. Eine Art ‚Spurenlesen des Absoluten‘ aus und in einer Endlichkeit, die – was dem Spurenlesen eigen ist – ohne ‚Deutungen‘ und ‚Überprüfungen‘ nicht vorankommen kann.

14. Naturwissenschaftlich ist dieser Ansatz möglich. Naturwissenschaft kann sogar einen wichtigen Beitrag dahingehend leisten, dass man nachprüfbare Zusammenhänge identifiziert, aufhellt, verfügbar macht und damit dem ‚Verstehen‘ hilft. Genauso wenig wie die Naturwissenschaft aber bislang das Biologische an sich in diesem unserem Universum erklären kann (nicht einmal ansatzweise!), genauso wenig – oder möglicherweise noch viel weniger – ist sie in der Lage, jene Phänomene aufzuhellen, die sich innerhalb der Welt der Emotionen als Bewusstseinsphänomene ’sine causa‘ manifestieren, mögliche Spuren eines ‚Absoluten‘ in der ‚Endlichkeit der Makrowelt‘ (in etwa (aber doch ganz anders) wie die physikalische ‚Hintergrundstrahlung im Universum‘ noch heute ein indirektes Zeugnis von Vorgängen von vor ca. 13.7 Milliarden Jahre ist).

DIE FRAGE, WER WIR SIND, IST NOCH UNBEANTWORTET

15. Wenn also heute von einigen (Singularitätshypothese, Transhumanismus) lebens- und menschheitsvergessend über die Welt der künftigen Maschinen ohne Menschen diskutiert wird, so ist dies nicht nur in höchstem Grade unwissenschaftlich, sondern als Haltung gegenüber den primären Phänomenen der Welt/ des Universums nihilistisch, unwahr, und damit selbstzerstörerisch. Wir sind nicht die ‚Herrscher der Phänomene‘ sondern wir sind ‚die in den Phänomenen Gewordenen‘, ohne unser Zutun, ohne bislang auch nur ansatzweise zu verstehen, wie und warum. Viele töten Menschen ohne auch nur ansatzweise zu verstehen, was sie da töten (… Tier, Pflanzen, Mikroorganismen gehören auch zu diesem Gesamtphänomen Leben!!!).

PROGRAMMVORSCHLAG FÜR SO, 14.DEZEMBER 2014, 16:00 – 19:00h

16:00 Eingangsbeispiel eines Experimentes zur ‘Neuen Musik’ mit kurzem Gespräch
ca. 16:30h Kurze Einführung zum Thema ‘Emotionen’
ca. 16:45h Gesprächsrunde in kleinen Gruppen (3-4 TeilnehmerInnen) zum Thema
ca. 17:30h Berichte der Gruppen und Diskussion
ca. 18:30h Mögliche Aufgabenstellung für nächstes Treffen
19:00h Offener Ausklang

Einen Überblick über alle bisherige Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.