Wie schreiben – Formate?

(Letzte Änderung: 24.Mai 2023, 08:32h)

KONTEXT

Dieser Blog steht unter dem Generalthema ‚Auf der Suche nach dem neuen Menschenbild‘.

OFFENER PROZESS – Mutig sein

Da ein ‚Suchprozess‘ seiner Natur nach ‚offen‘ ist — man weiß ja noch nicht genau ‚was‘ man sucht und meist auch nicht, ‚wie‘ man am besten sucht — ist es schwierig, sich auf bestimmte Formate einzulassen. Es gibt viele mögliche Formate und jedes bringt seine eigene ‚Erzähllogik‘ mit sich.

Generell klar ist nur, dass das ‚übergreifende Format‘ das sein soll, was man pauschal einen ‚Blog‘ nennt: die fortlaufende Dokumentation eines Erkenntnisprozesses, in dem sich punktuelle Sichten eines Autors wider spiegeln, die sich gegenseitig kommentieren können, um unterschiedliche Sichten und deren mögliche Zusammenhänge sprachlich faßbar zu machen. Möglicherweise bleiben die ‚Einträge‘ in solchen Blogs (auch ‚posts‘ genannt) ‚erratisch‘, ‚unverständlich‘, unverbunden, oder sie lassen erste mögliche ‚Zusammenhänge‘ durchschimmern, womöglich einen ‚Sinn‘, eine ‚Perspektive‘, wodurch der Eindruck entsteht, jetzt ‚verstehe man mehr‘.

Ob ein Leser solcher Texte dies auch so erlebt steht auf einem ganz anderen Blatt. Jeder Mensch verkörpert zunächst mal seinen eigenen ‚individuellen Kosmos‘, mehr oder weniger komplex, mehr oder weniger verstehbar, und ob die sprachlichen Ausdrücke des einen mit den sprachlichen Ausdrücken des anderen irgendeinen Zusammenhang aufblitzen lassen ist generell offen. ‚Tatsächliches Verstehen‘ ist immer ein Geschenk, ist immer ein Abenteuer, ist immer nur ’näherungsweise‘, ist immer ‚experimentell‘: meint der andere tatsächliche das gleiche wie man selbst?

Miteinander Reden ist durchgängig ein Abenteuer, braucht Mut, Fantasie, Ausdauer, viel Toleranz, man muss sich wechselseitig Raum geben.

FORMATE FINDEN

Aufgrund der Offenheit des Prozesses gab es bislang in diesem Blog (und in den parallelen Blogs ‚uffmm.org‘ sowie ‚oksimo.org‘) eine Vielfalt von Formaten. Aktuell ist beim Autor der Eindruck entstanden, dass in diesem Blog ‚Auf der Suche nach dem neuen Menschenbild‘ vielleicht die folgenden ‚Formate‘ für die Zukunft hilfreich sein können (kein Dogma!):

Das Blitzlicht

Während das Denken dazu drängt, zu ’systematisieren‘, Einzelheiten zu verallgemeinern, Beziehungen aufzuspüren und Strukturen heraus zu arbeiten, besteht die grundlegende ‚Nahrung des Denkens‘ aber im ‚Gewinnen neuer Eindrücke‘. Weil die vorfindliche Wirklichkeit grundlegend einen Prozesscharakter hat mit potentiell unendlich vielen neuen Aspekten, ist jedes Denken auf der Suche nach Zusammenhängen, nach Systematik, der permanenten Gefahr ausgesetzt, sich in seinen Systematisierungstendenzen gleichsam ‚abzuschließen‘, sich selbst ‚einzusperren‘. Dies passiert ständig.

Um sich davor zu schützen ist es wichtig, dass jedes Denken die Offenheit behält, immer auch wieder ’neue‘ Eindrücke zuzulassen, zu akzeptieren, aufzugreifen, zu benennen, die bislang noch gar nicht oder nicht so in den Bereich des aktiven Wissens einbezogen wurden. Eine solche Offenheit ist weder selbstverständlich noch ist sie einfach: in der Regel regt sich gegen Neues Widerstand, werden Ängste hervorgerufen, wird Ablehnung wach. Hierbei zeigt sich‘, dass das ‚Denken‘ nicht allein auf weiter Flur agiert sondern mindestens ‚begleitet‘ wird von einer großen Wolke unterschiedlicher ‚Emotionen‘, die nicht zum Denken gehören.

Emotionen führen ein Eigenleben. Letztlich sind sie dem Denken gegenüber ‚dominant‘. Es scheint so zu sein, dass es letztlich die Emotionen sind, von denen die ‚Entscheidung‘ ausgehen, was faktisch dann gedacht wird bzw. ‚gedacht werden darf‘.

Nennt man den Bereich des ‚Denkens‘ das ‚Rationale‘ und den Bereich der Emotionen das ‚Irrationale‘, [1] dann müsste man formulieren, dass im Menschen das Irrationale primär das Rationale bestimmt. Im Alltag wirkt es jedenfalls so.

Im Blitzlicht kann also etwas ‚aufleuchten‘, was dem individuellen Wissen ’neu erscheint‘, ‚abweichend‘, ‚Neugierde erweckend‘, weil es potentiell vielleicht neue Sichten ermöglicht. Man kann es aber noch nicht ’so richtig‘ einschätzen. Noch ist man ‚unsicher‘: weiter verfolgen oder einfach so stehen lassen.

Die Skizze

Wenn Blitzlichter im aktiven Wissensraum ‚weiter leben‘, können sie die Auslöser für weitere Überlegungen werden, für andere Blitzlichter, weitere Eindrücke, assoziierende Gedanken, zum Beginn für eine neuen ‚Perspektive‘: eine erste ‚Skizze‘ kann entstehen.

In einer Skizze können bislang getrennte Eindrücke, Gedanken und Iden versuchsweise in neue Zusammenhänge gebracht werden: erste Verallgemeinerungen scheinen auf, erste neue Beziehungen werden thematisiert, erste mögliche Veränderungen (Dynamiken) tauchen auf. Man beginnt zu ‚ahnen‘ dass hier interessante Perspektiven lauern, die eine ander Sicht der Dinge ermöglichen.

Die ‚Re-Lektüre‘ (manche nennen es ‚Reviewing‘, Besprechung)

Da wir ja nicht alleine auf diesem Planeten leben, sondern ‚gleichzeitig mit uns‘ viele, viele andere Menschen, dazu sehr viele auch schon ‚vor uns‘ gelebt haben, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es schon andere Menschen gab und heute gibt, die sich mit ganz ähnlichen ‚Blitzlichtern und ‚Skizzen‘ (und mehr, siehe unten) beschäftigt haben. Es kann dann sehr viel ‚Sinn‘ machen, sich die Zeit zu nehmen, und sich mit den sprachlichen Zeugnissen der anderen zu beschäftigen. Wenngleich es generell schwer ist, die ‚Äußerungsabsicht‘ eines Autors ‚hinter seinen sprachlichen Äußerungen‘ zu erfassen, bleibt generell doch ‚genug‘, um das eigenen Denken über die Texte mit einem fiktiven Gegenüber ins ein ‚Gespräch zu verwickeln‘, das unterschiedlich vielleicht helfen kann, die eigene Position besser zu verstehen oder sie sogar gezielt zu ‚ergänzen‘ oder gar ‚abzuändern‘ (in diesem Blog findet man viele solche Re-Lektüre Experimente).

Die ’normale Theorie‘

Hat man wenigstens einmal schon eine ‚Skizze‘ erstellen können, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man diese immer ‚weiter entwickeln‘ kann. Mehr Blitzlichter miteinander verschränken, darin mehr abstrahieren, mehr Beziehungen und mehr Dynamiken deutlich machen, …. es kann dann so etwas wie eine ‚Mini-Theorie‘ entstehen, in der die Begriffe in ein ganzes zusammenhängendes ‚Netzwerk‘ von Begriffen eingebettet werden können mit klaren Tranformationsereignissen (Veränderungen, Folgerungen, Inferenzen, Ableitungen, …). Zusätzlich kann es auch ‚partiellen Wirklichkeitszuordnungen‘ zwischen sprachlichen Ausdrücken und einem Bereich der erfahrbaren Körperwelt geben. Solche partiellen Deutungen können dann ‚alltäglich wahr‘ sein oder mit Unterstützung vieler spezieller Messinstrumente ‚wissenschaftlich wahr‘. ‚Mini-Theorien‘ sind die Keimzellen für ’normale Theorien‘, in denen die Zusammenhänge durchgehend geklärt sind

Heute kann man jede normale Theorie (auch komplett in Alltagssprache) zudem ’simulieren‘, d.h. sich ‚automatisch‘ die implizite ‚Dynamik‘ ‚vorführen lassen. Vor allem im Fall größerer Theorien mit vielen Aspekten kann die Verfügbarkeit von Simulationen eine wichtige Voraussetzung sein, um solche Theorien überhaupt hinreichend ‚verstehen‘ zu können (unser Gehirn ist unfassbar gut, aber in bestimmten Bereichen benötigt es die Hilfe von geeigneten ‚Werkzeugen‘).

Philosophische Reflexion

Ausgearbeitete Theorien finden sich normalerweise in jenem Bereich, den wir ‚Wissenschaft‘ nennen. Allerdings muss man darauf achten, dass die heutigen Wissenschaften — entgegen ihrem eigenen ‚Selbst-Marketing‘ — tatsächlich nur sehr selten ’normale Theorien‘ erzeugen. Warum nicht, das soll jetzt hier nicht diskutiert werden.

An dieser Stelle soll die Aufmerksamkeit nur auf jenen Punkt gelegt werden, dass bei der Ausformulierung einer ’normalen Theorie‘ der ‚Prozess der Theorieerzeugung‘ selbst nicht Teil der Theorie ist. Dies bedeutet unter anderem, dass die Theorieproduzenten selbst mit all ihren emotionalen und rationalen Faktoren darin nicht zur Sprache kommen, sondern nur die ‚Produkte‘ dieser Erzeugung in Form von Texten, nicht selten verdichtet mittels mathematischer Formeln.

Für viele Zwecke ist diese ‚Ausklammerung‘ der ‚Produktionsbedingungen für normale Theorien‘ ausreichend, aber nicht für alle Zwecke, und gerade die interessanten Fragen zum Fortbestand des Lebens auf diesem Planeten (und im ganzen Universum?), werden durch diese ‚methodische Reduktion‘ ausgeklammert, ‚denkerisch unsichtbar‘ gemacht.

In der Tradition des Denkens weltweit war diese Differenz immer ‚irgendwie bewusst‘. Allerdings, so lange es noch keine expliziten Konzepte von ’normalen Theorien‘ gab (nicht vor dem 20.Jahrhundert!), war es eigentlich unmöglich, diese ‚Differenz‘ explizit und klar zu denken. Der ‚philosophische Geist‘ war zwar immer irgendwie gegenwärtig, aber es fehlten ihm die notwendigen begrifflichen Werkzeuge, um diese Sachverhalten sprachlich und denkerisch ‚angemessen‘ formulieren zu können.

Seit dem 20.Jahrhundert wäre es nun möglich, dass der ‚philosophische Geist‘ unter Einbeziehung der neuen Begrifflichkeiten das ‚Mehr‘ im Denken über die Wirklichkeit im direkten konstruktiven Dialog mit den Wissenschaften artikulieren könnte, aber so richtig scheint dies noch nicht statt zu finden.

Es ist ein mühsamer Weg.

Richtig gute Beispiele fehlen noch.

Und da der ‚Mainstream‘ sich gerade dadurch auszeichnet, dass er gegenüber ‚Innovationen‘ eher ‚zurückhaltend‘ ist (u.a. stehen Emotionen dagegen), ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass neuen Ansätze sich ’schnell‘ entwickeln werden.

ANMERKUNGEN

[1] ‚Emotionen‘ als ‚irrational‘ zu klassifizieren ist aber möglicherweise gefährlich, da die vielen unterschiedlichen Emotionen sehr wohl bestimmten ‚Gesetzmäßigkeiten‘ folgen und dadurch über eine ‚implizite Logik‘ verfügen, die man sich zu Nutze machen kann, um Emotionen als Mitteilungen des Körpers‘ an das Gehirn zu verstehen. Moderne Formate der Medizin (z.B. in Gestalt der ‚Psychotherapie‘ jenseits der ‚Altmeister‘ Freud, Jung usw.) haben hier zu einem neuen Verständnis schon einiges beitragen. Die Alltagserfahrung selbst bietet viele Ansatzpunkte, und in bestimmten Bereichen der ‚Mystik‘ gibt es auch interessante Handlungsansätze.

DER AUTOR

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