Allerdings, auch wenn wir uns anhand der empirischen Hypothesen leicht klarmachen können, dass die Welt, die unser Gehirn für uns aufbereitet, nicht die Welt ist, die ‚da draussen‘ ausserhalb des Körpers irgendwo existiert, unser Erleben des Alltags ist anders.
Im ‚naiven‘ alltagsbezogenen Denken erscheint die externe Realität als die eigentliche Realität, und das gerade für den Philosophen so wichtige Bewusstsein um das Erleben selbst spielt eher keine Rolle.
Bsp: die Tassen auf dem Tisch, die Butter, das Brot,…..der Rasenmäher, der nicht anspringt, das Auto in der Parkgarage, das man nicht findet, der Computer, der spinnt,…
Aus praktischer Sicht ist dies verständlich, da wir ja im Alltag unseren Körper in einer Außenwelt so navigieren müssen, dass er möglichst wenig Schaden nimmt und wir möglichst viele unserer praktischen Ziele erreichen. Und nach 250 Millionen Jahren Training ist unser Gehirn mittlerweile so gut in der Simulation der hypothetischen Realität außerhalb des Körpers, dass wir im alltäglichen Verhalten den simulierten Charakter kaum bemerken (zur Gehirnentwicklung Kolb et. (2006), S.14 ).
Oder, anders formuliert, berücksichtigt man die Entwicklung des Lebens, es ist ja gerade der Zweck des Gehirns, seine geniale Leistung, uns den Zugang zur Außenwelt so einfach und effizient wie möglich zu gestalten. Je weniger wir den künstlichen Charakter dieser im Gehirn erzeugten Pseudo-Welt erkennen, um so mehr hat das Gehirn sein Ziel erreicht; es lässt uns die Welt da draußen so erleben, als ob wir ‚in‘ dieser Welt sind obgleich das Gehirn selbst ja außerhalb dieser Welt ist.
Und je leichter und selbstverständlicher uns dieser Weltbezug daherkommt, um so mehr können wir uns auf die eigentlichen Aufgaben in dieser Welt konzentrieren die da heißen Navigieren, Bewegen, Kooperieren, Objekte benutzen, usw.
Anmerkung: Das Thema der ‚Passung‘ unseres Erkennens zur Umwelt aufgrund von evolutionärer Entwicklung wird im Rahmen der evolutionären Verhaltensforschung und der evolutionären Erkenntnistheorie behandelt (z.B. Lorenz 1977 (1973), Vollmer 1981, Maturana 1982, Wuketis 1984, Maturana et. 1987 (1984) )
Und dennoch, so suggestiv das Gehirn uns auch die Realität der Außenwelt vorgaukeln mag, schon vor-philosophisch, rein empirisch, können wir uns klar machen, dass dieser Schein einer naiven Realität trügt. Es gilt –wie schon zuvor angedeutet– die Arbeitshypothese, dass sich unser primäres Erkennen innerhalb des Gehirns abspielt in einer Form, die wir ‚Erleben‘ nennen, bewusstes Erleben. Das bewusste Erleben selbst ist zwar direkt kein Gegenstand der empirischen Wissenschaften, aber in beständigen Korrelationen von beobachtbarem Verhalten, von neuronalen Erregungsmustern mit Selbstaussagen von Personen bzw. korreliert mit dem eigenen Erleben lässt sich eine starke Hypothese von der primären Rolle des bewussten Erlebens für unseren Weltzugang aufbauen. Was immer wir erkennen wollen, bewusst haben wir nur jene Inhalte, die unseren primären Raum des bewussten Erlebens ‚füllen‘. Philosophen sprechen hier gerne von ‚Qualia‚ oder von ‚Phänomenen‘. Aus Sicht des Bewusstseins bilden dann die Phänomene des Bewusstseins unsere primäre Realitätsschicht.
Aus dieser Annahme folgt unter anderem, dass die sogenannte Außenwelt im Gehirn auch nur als solch eine spezielle Menge von Erlebnissen, von Phänomenen, existiert, die sich grundsätzlich nicht von anderen Erlebnissen, Phänomenen, unterscheiden, die z.B. aus Körpererleben stammen. Sie unterscheiden sich nur im jeweiligen Besonderen, in spezifischen Eigenschaftsmustern, in denen sich die Unterschiede zwischen Phänomenen fundieren.
Daraus folgt der grundsätzliche Zusammenhang, dass sich die Menge aller Phänomene Ph zusammensetzt aus den empirischen Phänomenen Ph_e und den nicht-empirischen Phänomenen Ph_ne, kurz Ph = Ph_e und Ph_ne