TRANSHUMANISMUS DURCH HUMANISMUS. Wann beginne wir uns selbst besser zu verstehen? Eine Notiz

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 21.Juli 2018
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

IDEE

Der Begriff des ’Transhumanismus’ gewinnt mehr an Momentum, aber er trägt den Makel an sich, dass er seinen Bezugspunkt, den ’Humanismus’, möglicherweise stark unterschätzt.

I. HISTORISCHE PERSPEKTIVE

Obgleich in diesem Blog seit ca.9 Jahren weit über 400 Beiträge veröffentlicht wurden, taucht der Begriff ’Transhumanismus’ nur höchst selten auf, genau 5 mal, und an diesen Stellen eher beiläufig, nicht wirklich ausgeführt (2x 2013, 1x 2014, 2x 2015). Dennoch überrascht, dass in vier von den fünf Erwähnungen ein klarer Grundtenor erkennbar ist.

Ein Gedankenstrang gründet im Blick auf die Evolution des Lebens und der darin sich eröffnenden Phänomene von Kultur und Technologie. Hier wird die Technologie nicht als möglicher Gegensatz zum biologischen Leben gesehen, sondern als eine Eigenschaft des Biologischen selbst; es sind neue Formen, die daraus resultieren, wie das Biologische im engeren Sinne die es umgebende materielle Welt für sich neu nutzt.

Ein anderer Gedankenstrang rekonstruiert das Biologische als ein Phänomen eingebettet in einen Prozess, der seit gut 3.8 Milliarden Jahren stattfindet und für den es keinen natürlichen Endpunkt gibt. Würde man einen Zeit-Möglichkeitsraum als Bezugssystem wählen, dann würde das Biologische in diesem Zeit-Möglichkeitsraum eine Trajektorie darstellen, die – trotz vieler abzweigender und absterbender Äste – eine ’Hauptrichtung’ markieren würde, für die kein definierbarer Endpunkt erkennbar ist. Diese Nicht-Erkennbarkeit wäre nicht nur durch die allgemeine quantenmechanische ’Indeterminiertheit’ bedingt, sondern noch mehr von einer grundlegenden ’Freiheit des Entscheidens’ auf höheren Komplexitätsebenen der biologischen Systeme.

II. HUMANISMUS ALS BESSERER TRANSHUMANISMUS

Folgt man diesen beiden Grundannahmen, dann ist alles, was sich über transhumanistische Phänomene sagen lässt, im Prinzip im Rahmen eines umfassend verstandenen Humanismus schon längst angelegt und in Vorbereitung bzw. in Ausführung. Im Unterschied zu einer künstlichen transhumanistischen Position müssen diese möglichen zukünftigen Phänomene nicht künstlich erfunden werden, sondern sie sind genuiner Bestandteil des dynamischen Phänomens Humanismus. Der ’reale Humanismus’ weist allerdings mit dem impliziten Indeterminismus im Quantenmechanischen und der Freiheit auf hohem Komplexitätsniveau auf ein Moment hin, dass den realen Humanismus vom fiktiven Transhumanismus fundamental unterscheidet: im realen Humanismus können die Prozesse ’real schief’ laufen oder ’real scheitern’. ’Reale Freiheit’ benötigt zum ’Erfolg’ Kontakt zum jeweils anderen, und zwar zu jenem anderen, das den Übergang zum nächsten ’erfolgreichen’ Zustand ermöglicht! Die Freiheit zu einem ’besseren Leben’ beinhaltet im Ansatz dieses bessere Leben nicht automatisch. Das ’bessere Leben’ muss erst ’gefunden’ werden, es muss mit gewaltigem ’Aufwand an Energie’ herbeigeführt werden, und zu diesen Konversionsprozessen benötigt man ’Informationen/Wissen’ sowie immer aufwendigere ’Technologien’. Ferner gehört es – zumindest bislang – zu diesen Konversionsprozessen, dass sich das Biologische in seinen Strukturen, in seinem Aufbau, kontinuierlich weiter verändert, um sich den Notwendigkeiten der Konversionsprozesse kontinuierlich anzupassen. Bei einem solchen Verständnis des ’realen Humanums’ lässt sich das ’Humanum’ gar nicht mehr ohne Rückgriff auf das Ganze des Biologischen in einem prä-biologischen Universum denken und definieren. Ferner erscheint das losgelöste Reden von einem ’Transhumanismus’ in diesem Kontext irgendwie sinnlos. Was kann der Begriff ’Transhumanismus’ noch sagen, was der Begriff des ’realen Humanismus’ nicht schon sagt?

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