Automatisierung des Menschen – Eine Typologisierung am Beispiel ‚Text schreiben‘, ‚Rechnen‘ und ‚Planen‘

Dieser Text ist Teil des Textes „Neustart der Menschlichkeit (Rebooting humanity)“

(Die Englische Version findet sich HIER)

Autor Nr. 1 (Gerd Doeben-Henisch)

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

(Start: 5.Juni 2024, Letzte Änderung: 6.Juni 2024)

Ausgangspunkt

Im Gesamtbild menschlicher Aktivitäten gibt es drei ‚Typen‘ von Handlungsmustern, die alltagsnah und für die gemeinsame Kommunikation und Koordination wichtig sind: (i) das Verfassen von Texten, (ii) das Bescheiben (Berechnen) von quantitativen Zusammenhängen, und (iii) das Planen von möglichen Zuständen in einer angenommenen Zukunft. Alle drei Typen finden sich seit dem Beginn eines ‚kulturellen Lebens‘ der Menschen, sofern es dokumentiert wurde. Im Folgenden wird eine grobe Typologisierung versucht verbunden mit bekannten Formen der Umsetzungen.

Typen und ihre Umsetzungsformate

(a) MANUELL: Wir schreiben Texte ‚manuell‘ mit Hilfe von Schreibwerkzeugen und Schreibunterlagen. Entsprechend bei quantitativen Sachverhalten ein manuelles Hantieren mit Objekten, die mengenmäßige Zusammenhänge repräsentieren. Beim Planen gibt es das Problem, wie man einen ’neuen‘ Zustand darstellen will: handelt es sich bei dem ‚Neuen‘ um etwas ’schon Bekanntes‘, dann kann man ‚auf Bilder/ Zeichen‘ des Bekannten zurück greifen; handelt es sich um ‚wirklich Neues‘, wird es schwierig; es gibt keinen ‚Automatismus des Neuen‘. Wie beschreibt man etwas, was es so bislang noch nie gab? Dazu kommt das — oft übersehene — Problem, dass ‚Gegenstände des Planens‘ meistens ‚Wert- und Zielabhängig‘ sind; Bedürfnisse, Absichten, Erwartungen, sachliche Notwendigkeiten können eine Rolle spielen. Letztere können ‚gesellschaftlich normiert‘ sein, aber angesichts der ‚radikalen Offenheit von Zukunft‘ erweisen sich in der Geschichte ‚zu starke Normierungen‘ als mögliche Abkürzung zu einem Scheitern.

(b) MANUELL-UNTERSTÜTZT: Überspringen wir die Phase der ‚partiell mechanischen‘ Unterstützung und gehen über zur Phase der frühen ‚Computer Unterstützung‘, dann gibt es Maschinen, die man mittels ‚Programmiersprachen‘ so ‚programmieren‘ kann, dass sowohl das Schreibgerät wie auch die Schreibunterlage mittels der programmierten Maschine dargestellt wird, was viele zusätzliche Funktionen ermöglicht (Korrigieren von Texten, Abspeichern, mehrere Versionen, Automatische Korrekturen, …). Schreiben muss man allerdings tatsächlich noch selbst: Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort, … Beim ‚Rechnen‘ ist das Aufschreiben noch sehr mühsam, aber das ‚Ausrechnen‘ erfolgt dann partiell ‚automatisch‘. Mit dem Planen ist es ähnlich wie beim Text schreiben: das ‚Aufschreiben‘ wird unterstützt (mit all den Zusatzfunktionen), aber ‚was‘ man aufschreibt, das bleibt dem Anwender überlassen. Abgesehen vom ‚quantitativen Berechnen‘ wird ein ‚Hochrechnen‘, ein ‚Voraussagen‘ generell nicht unterstützt. Eine ‚Bewertung‘ auch nicht.

(c) SPRACHBASIERTE-UNTERSTÜTZUNG: Die Phase der ’sprachbasierten Unterstützung‘ ersetzt die manuelle Eingabe durch Sprechen. Für ausgewählte Bereiche von Texten gelingt dies immer besser. Für ‚quantitative Sachverhalte‘ (Rechnen, Mathematik,…) noch kaum. Für Planung auch nur sehr begrenzt, dort wo es um schon formulierte Texte geht.

(d) KÜNSTLICHE INTELLIGENZ-UMGEBUNGEN: Die Künstliche Intelligenz (KI) Umgebung wird hier im Kontext von Dialogformaten betrachtet: Der Anwender kann Fragen stellen oder Anorderungen übermitteln, und das System reagiert darauf. Die hier einschlägigen Formate von KI sind die sogenannten ‚generativen KIs‘ im chatbot-Format. Unter Voraussetzung von ‚vorhandenem Wissen‘ von Menschen im Format ‚abgelegte Dokumente/ Bilder/…‘ und unter Voraussetzung von ‚Dialogformaten‘ von Menschen (auch durch explizites Training) können diese generativen KIs Fragen und Aufträge in ‚formaler Nähe‘ zu dem bekannten Material im Kontext eines Dialogs so aufbereiten, dass man ’nicht mehr selbst‘ eingreifen muss. Korrekturen und Veränderungen im Detail sind möglich. Sowohl beim ‚Text erstellen‘ wie beim ‚Rechnen‘ kann dies im Bereich des ‚Bekannten‘ einigermaßen funktionieren. Das tatsächliche Zutreffen in der ‚realen Welt‘ ist aber in keinem Fall gesichert. Beim ‚Planen‘ bleibt das spezielle Problem, dass für die KI ‚wirklich Neues‘ nur im Rahmen von kombinatorischen Sachverhalten begrenzt möglich ist. Der Wahrheits-Vorbehalt bleibt, gilt aber auch im ‚manuellen Fall‘, wo der Mensch selbst plant. Das Bewertungsproblem ist auch eingeschränkt auf schon bekannte Bewertungsmuster: Zukunft ist aber nicht gleich zu setzen mit Vergangenheit; Zukunft ist mehr oder weniger ‚anders‘. Wo sollen die hier notwendigen Bewertungen herkommen?

Als interessante Frage bleibt dann, in welchem Sinne die fortschreitende Unterstützung durch generative KIs die Kommunikation und Koordination zwischen Menschen tatsächlich unterstützt und speziell, ob und wieweit die zentrale Herausforderung einer ‚Zukunftsplanung‘ damit zusätzlich unterstützt werden kann. Fakt ist, dass wir Menschen uns mit Zukunftsplanung im Bereich von sozialem Leben, kommunalem Leben und größeren Kontexten wie Landkreis, Bundesland usw. offensichtlich schwer bis sehr schwer tun. Für eine nachhaltige Zukunft erscheint eine gelingende Planung aber unabdingbar zu sein.