Im Rahmen der Überlegungen dieses Blogs zum neuen Weltbild wurde vor einiger Zeit der Punkt erreicht, bei dem die theoretischen Überlegungen anhand der konkreten Entwicklung der verschiedenen Evolutionsmuster die heutigen Strukturen erreicht haben. In diesem Zusammenhang gewann das Thema ‚Demokratisches Gesellschaftsmodell‘ an Bedeutung (am Beispiel der USA leicht dramatisiert), genauso ist aber auch das Thema ‚Wirtschaft der Zukunft‘ von Interesse. In diesem Zusammenhang bin ich auf die diversen Veranstaltungen im Kontext des FAZ-Institutes gestoßen. Hier ein Kurzbericht mit Überlegungen zum gestrigen Zukunftsforum ‚Technologieakzeptanz‘ (Veranstaltung Technologieakzeptanz, Das Programm).
1) Im Vorfeld kann man sich viele Gedanken machen, was man sich unter ‚Technologieakzeptanz‘ vorstellen soll. Von den drei Punkten der Tagesordnung empfand ich den dritten Redner, Roland Krüger, Leiter des Vertriebs der BMW Gruppe, als relativ blass. Er sprach zwar über ein reales Projekt, den BMW 3i, sicher eines der heißesten Innovationsprojekte der deutschen Automobilindustrie seit langem, aber er beschränkte sich auf das Referieren einiger Technikaspekte; erst auf Nachfrage lies er aufblitzen, wie umfangreich und innovativ sich die Suche nach dem potentiellen Kunden, der potentiellen Lebenssituation eines potentiellen Autos gestaltet hatte. Das wäre ein interessanter Vortrag zum Thema der Veranstaltung gewesen. So aber blieb man als Zuhörer etwas unbefriedigend zurück.
2) Beim ersten Redner, Prof.Dr. Hans Utikal, Vizepräsident der privaten Provadis Hochschule im Industriepark Höchst, kam das Thema eher klassisch, pragmatisch daher. Unternehmen sollen ‚Informieren‘, ‚Begeistern‘, um sich dann mit ihrem Umfeld in gemeinsamen Engagements zu gesellschaftlichen Herausforderungen vereinen. Der Industriepark Höchst lieferte zum Thema einige Beispiele.
3) Hier können sich viele Fragen anschließen. Zu denken geben sollte, dass das Akzeptanzproblem der Industrie nicht auf diese beschränkt ist. Man könnte genauso gut auch von einem Akzeptanzproblem von Forschung im Allgemeinen sprechen, von einem Akzeptanzproblem des Gesundheitssystems, von einem Akzeptanzproblem der Logistik, und vielem mehr. Dies wiederum wirft die Frage auf, ob es nicht die allseitig zunehmende ‚Komplexität‘ unserer gesellschaftlichen Institutionen und Abläufe ist, bei gleichzeitiger zunehmender Belastung der einzelnen, die ein Verarbeitungs- und Verstehensprobleme erzeugt, die von allen Beteiligten neue Kommunikations- und Interaktionsformen verlangt. Eine Diskussion zu diesen Punkten fand aber nicht statt.
4) Sehr anregend habe ich das Panel erlebt, das von Prof.Dr. Thomas Heimer von der Hochschule Rhein-Main moderiert wurde. Mit klaren Fragen und guten Überleitungen verstand er es, die Experten des Panels in Szene zu setzen und dem Thema eine gewisse Leuchtkraft (und Kurzweiligkeit) zu verleihen. Einige Punkte, die ich bei diesem Panel im Hinblick auf das Thema des Blogs besonders interessant fand seien hier kurz angsprochen.
5) Bei allen Teilnehmern gab es einen gewissen Tenor dahingehend, dass die Deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich ihre Stärken in den klassischen Industrien hat, in der Perfektion im Detail und der Vernetzung komplexer Projekte. In neuen Industrien ist sie eher weniger vertreten. Ihr größter Schwachpunkt liegt im Umgang und in der Einbeziehung des Faktors Mensch, sei es als Kunde oder sei es als Mitarbeiter.
6) Während Dr.Rainer Waldschmidt, Geschäftsführer der Hessen Trade & Invest GmbH, nicht müde wurde, die Stärken und Vorzüge des Standorts Hessen zu betonen — wo man sich fragt, warum Hessen nicht noch besser werden kann? — war es vor allem Reinhard Vanhöfen, der Geschäftsführer der Vancor Group, zusammen mit Prof.Dr. Michael Stephan von der Philipps-Universität Marburg, die immer wieder auf den Schwachpunkt ‚Nutzung des Faktors Mensch‘ hinwiesen. Während das ‚deutsche System‘ der Perfektion gepaart mit ‚Tradition‘ sehr stark ist in einer evolutionären Entwicklung bekannter Technologien, ist diese Haltung sehr schwach mit Blick auf jene Strukturbrüche, die den Gang der Wirtschaft und Gesellschaft ganz umschreiben können. Zwar nützen innovative Ideen ohne umfangreiches KnowHow und Perfektion zunächst auch nichts, aber eine Perfektion, die die Kunst beherrschen würde, sich dennoch gleichzeitig auch stückweise ’neu zu erfinden‘, die würde in einer solchen Konstellation eine ziemliche Sprengkraft entwickeln können.
7) Hier gäbe es sehr viele interessante Ideen. Leider gab es überhaupt keinen Austausch mit dem Publikum zu diesen interessanten Themen. Fast ist man geneigt zu sagen. ‚typisch Deutsch‘: nur keine offenen Szenarien zur Beförderung eines Ideenflusses. Es könnten ja Ideen auftauchen, die ’neu‘ sind und die gewohnte ‚Präzision‘ stören bzw. erstarrte Rollenmuster in Frage stellen.
8) Die Themen des Panels boten Ansatzpunkte zu ‚mehr‘. Die Veranstaltungsform als solche wirkt sehr bieder, ist wenig innovativ, erscheint eher altmodisch (ein etwas innovativerer Ansatz scheint scheint am 13.Dezember 2013 ‚Silos aufbrechen‘ geplant zu sein. Es kann nur besser werden … :-))
9) Stellt man diese Veranstaltung in den Kontext des Blogs, dann fällt auf, dass der historische Kontext unserer gesellschaftlichen Entwicklung nirgends zur Sprache kam. Nimmt man nur diese Veranstaltung, dann konnte man den Eindruck gewinnen, die Welt existiert erst seit ein paar Jahrzehnten und ob es in den nächsten Jahren weitergeht, ist völlig unbekannt. Das es auch andere Länder, Regionen auf dieser Erde gibt, die sich rasant entwickeln, blitzte in gelegentlichen Bemerkungen kurz auf, wurde aber nirgends so thematisiert, dass klar wurde, ob und wie diese Entwicklungen unsere Situation in Hessen tangieren.
10) Natürlich bot das Thema ‚Technologieakzeptanz‘ dazu nicht notwendigerweise starke Anreize, aber über das Wort ‚Akzeptanz‘ gab es ja immerhin eine Brücke zum Nutzer, zum Kunden, zum humanen Umfeld, zum eigenen Mitarbeiter, und in einigen Bereichen der Technologie gibt es seit einigen Jahrzehnten die Entdeckung der ‚Benutzerfreundlichkeit‘, des ‚human factors‘, auch als Mensch-Maschine-Interaktions Paradigma, in dem immer mehr Methoden entwickelt wurden und werden, wie man bei der Entwicklung von Technologien den Menschen in seiner Lebenssituation mehr und mehr einbezieht. Diese Perspektive war an diesem Tag nur dort vertreten, wo der BMW-Vertriebsleiter auf Anfrage kurz aufblitzen lies, welche Anstrengungen BMW weltweit unternommen hatte, den ‚Kunden der Zukunft‘ zu identifizieren, ‚für den‘ (!) dann der nue BMW i3 konzipiert wurde (und, auf andere Weise, bei den Herren Vanhöfen und Stephan).
11) Ferner wurde das Wort von der ’steigenden Komplexität‘ wenigstens einmal bei der Veranstaltung genannt als Hinweis für einen möglichen Grund für die mangelnde Technologieakzeptanz. Dieser Hinweis wurde aber nicht aufgegriffen. Wenn es denn so wäre, dass es die allseitig steigende Komplexität unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit ist, die unser wechselseitiges Verstehen erschwert und damit unser Handeln beeinträchtigt, dann wäre es natürlich wichtig, sich dieser Komplexität zu stellen und zu analysieren, was können wir in dieser wachsenden Komplexität (bei konstanten biologischen Kapazitäts-Grenzen) tun, um möglicherweise nicht den ganzen Prozess über kurz oder lang ‚zu kippen‘ (vor diesem Hintergrund besitzen die pragmatischen Überlegungen von Herrn Utikal auf den ersten Blick einen gewissen Charme; können aber auch gefährlich werden, wenn sie den Gesamtprozess falsch einschätzen).
12) Die Überlegungen von Herrn Vanhöfer würden in diesem potentiellen Szenario eines Komplexitätsanstiegs besonders interessant sein, da er sowohl den konkreten Menschen als Akteur in den Blick nahm als auch mögliche strukturelle Kontexte, die es diesem Akteur erlauben würden, sein Potential anders (und besser?) als bisher in der Komplexität zur Wirkung zu bringen. Dass gerade große Firmen mehr an ihren eigenen Strukturen leiden können als an der Konkurrenz ist eine alte Erkenntnis. Das es alternative Strukturen gibt, die effizienter sind, ist auch nicht neu. Was aber offensichtlich immer noch fehlt, das ist die Fähigkeit der zentralen Führungsfiguren, diese Potentiale in ihrer jeweiligen Umgebung frei zu setzen. Dies beginnt schon in der Ausbildung. In der deutschen Ingenieurausbildung kommt der Faktor Mensch und das Arbeiten in interdisziplinären-innovativen Teams noch kaum vor. Was auch daran liegt, dass die Professoren, die über die Programme von Studiengängen entscheiden, in de Regel ‚old school‘ sind. Wie in vielen anderen Bereich rekrutieren sich bestimmte Denk- und Verhaltensmuster genau diejenigen wieder, die ihnen am ‚Ähnlichsten‘ sind. Hier scheitert Innovation an den konkreten Einstellungen der Entscheider. Wann ändert ein Entscheider seine Einstellung (vor allem auch unter Berücksichtigung seiner sozialen Stellung, seiner Einkünfte, seiner diversen Privilegien, die ihm konkrete Vorteile bieten, die er/sie bei Zulassung von Änderungen möglicherweise gefährdet sieht)? Diese Frage kann sich jeder stellen. Das Individuum gilt zwar als ‚tot‘, aber im Alltag ist es entweder das ‚Sandkorn im Getriebe‘ oder der ‚Schmierstoff, der alles möglich macht‘.
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