Archiv der Kategorie: Alltagsperspektive

WARUM ES IMMER MEHR ALS EINE MEINUNG GIBT… Eine Notiz

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 13.April 2021
URL: cognitiveagent.org, Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@doeben-henisch.de)

KONTEXT

Es ist schon immer eine Alltagserfahrung, dass es viele Sichtweisen zu ein und derselben Sache gibt. Dort, wo es ‚um nichts zu gehen scheint‘, da kann man mit einem Achselzucken, einem Lächeln, mit einer humorvollen Bemerkung den Unterschied kommentieren, überspielen, auf sich beruhen lassen.

Wenn es aber um etwas geht, gar um ‚Leben und Tod‘, ist das Lächeln und Wegschauen nicht mehr ganz so einfach. Dann werden viele Mitbürger aufgeregter, wütend, intoleranter, aggressiv, bis dahin, dass sie sich zu Gewaltakten hinreißen lassen.

CORONA TIMES

In Corona-Times ist dies nicht anders und die Gegensätze tendieren dazu, schroffer zu werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Vielzahl der Meinungen auf allen Ebenen gegenwärtig zu sein scheint: Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik erwecken nicht den Eindruck einer erleuchteten Gemeinschaft , die an einem Strang zieht; Medien liefern nur das ab, was die Gesellschaft selbst ist: ein vielfarbiges Bild an Meinungen, und die Wissenschaft, die in diesen Zeiten in einer Wiese zusammenarbeitet wie noch nie zuvor, bietet ‚per se‘ ein facettenreiches Bild, weil Wissenschaft ja gerade davon lebt, ungeklärte Fragen durch viele Experimente und Versuche schrittweise aufzuhellen; wäre alles von vornherein klar, dann bräuchte es keine Wissenschaft.

WISSENSCHAFT UND ALLTAG

Doch, hier gibt es einen qualitativen Unterschied, den die meisten, die mit Wissenschaft nicht vertraut sind, leicht übersehen: während die Wissenschaft methodisch geleitet versucht, in vielen kleinen Schritten und durch Vernetzung untereinander die vielen Puzzlesteine zusammen zu tragen, um zu einem zusammenhängenden Bild zu kommen, das immer wieder an einzelnen Stellen korrigiert wird, missverstehen viele Menschen diesen organisierten Such-, Kommunikations- und Korrekturprozess als ‚Nichtwissen‘, als ‚Beliebig‘. Und sie ziehen daraus den Schluss, dass es sowieso keine allgemeine Wahrheit gibt, also können sie ihre — meist sehr zufälligen — privaten Meinung als die neue Wahrheit in die Welt tragen.

WIR SIND DIE EINGEBORENEN

Diese heute sehr verbreitete Denkweise, fällt aber nicht irgendwie ‚vom Himmel‘. Sie ist vielmehr in jedem Menschen, in der Verstehensstruktur eines jeden Menschen angelegt, dort, wo unser Gehirn sitzt, das — ohne uns zu fragen, unbewusst, vollautomatisch — die Eindrücke der Welt (und des eigenen Körpers) ‚verarbeitet‘.

Eine Grundeigenschaft unseres Gehirns ist es, dass es aus der Vielzahl unserer Wahrnehmungen eine Struktur heraus lösen muss, die für das Verhalten im Alltag ‚brauchbar‘ ist, letztlich unser Überleben sichert. Und da das, was ein Gehirn wahrnimmt, durchgängig niemals ‚eindeutig‘ sondern ‚vieldeutig‘ ist, muss es ständig Entscheidungen fällen, was es denn gerade wahrnimmt. Bei diesen Entscheidungen spielt das ‚Vorwissen‘, die aktuellen ‚Bedürfnisse, Emotionen‘ usw. eine sehr große Rolle. Wer mit Sehschwächen ohne Brillen umher geht, vielleicht jogged, kann dies leicht testen: alles, was man nicht sofort klar erkennen kann, wird vom Gehirn automatisch ‚gedeutet‘. Fast nie erkennt das Gehirn das, was sich vor einem als undefiniertes Etwas zeigt, als das, was es wirklich ist. Im Alltag fällt einem das kaum auf. Einem möglichen Beobachter, der zuschaut, was wir tun, sehr wohl. Wir sind in der ‚Schleife unserer Voreinstellungen‘ gefangen.

WIR — UNSICHTBAR — VIELE

Wenn also verschiedene Personen in einer Situation aufeinander treffen, sieht erst einmal jeder, was ‚er/sie/x‘ gerade sieht, und das ist ’normal‘. Solange man sich dieser Sachverhalte nicht bewusst wird, kann dies aber sehr schnell zu Missverständnisse, Verdächtigungen, Beschimpfungen usw. führen: jeder glaubt halt an das, was in seinem Kopf ist, ohne sich klar zu machen, dass genau das, was in seinem Kopf ist, normalerweise weniger mit der Welt zu tun hat, die außerhalb des Kopfes ist, sondern mit der Welt, die das eigene Gehirn in großer Fleißarbeit in jeder Sekunde, ja Millisekunde, für uns ausrechnet.

UMGANG MIT VIELDEUTIGKEIT

Die große Errungenschaft der modernen Wissenschaft — nachdem es schon ca. 300.000 Jahre unsere Lebensform, den homo sapiens gegeben hat — besteht darin, diesen fundamentalen Sachverhalt auf pragmatischem Wege erkannt zu haben und seitdem versucht, durch systematisches Vorgehen, den eigenen — letztlich unentrinnbaren — Vorurteilen stückweise zu entkommen. Es zählt halt nur, was auch andere so wahrnehmen können wie ich; dass es nach bestimmten Verfahren reproduzierbar sein muss; dass die allgemeinen Aussagen, die man aufgrund von Einzelbeobachtungen als Arbeitshypothesen formuliert, sich dann auch im Einsatz nachprüfbar bewähren. Ein sehr mühsames Geschäft, aber doch seit gut 200 Jahren mit beeindruckenden Erfolgen.

WISSENSCHAFTSUNFÄHIG

Dass heute immer mehr Menschen — auch nicht wenige sogenannte ‚Akademiker‘ — dies nicht mehr verstehen, Wissenschaft gering schätzen, und lieber ihren ad-hoc Einbildungen vertrauen, ist ein gefährliches Verhaltensprogramm. Ein solches aus Dummheit geborenes Verhaltensprogramm kann alles an lebenswerten Strukturen zerstören, die mühsam im Laufe der letzten Jahrhunderte aufgebaut wurde. Es zeigt, wie fragil menschliche Kultur ist…

Wahrheit ist kein Selbstläufer. Eine eigene Meinung als solche ist weder wahr noch falsch. Qualität erfordert viel Wissen, viel Disziplin, ein geordnetes, koordiniertes Vorgehen von vielen Experten gleichzeitig über einen längeren Zeitraum. So etwas muss mühsam gelernt und eingeübt werden. Dafür braucht man ein sehr leistungsfähiges und lebensbejahendes Bildungssystem, das von allen geschätzt und mitgetragen wird …

EPILOG

Leben war noch nie einfach … bislang gibt es uns trotzdem …

DER AUTOR

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PRAKTISCHE KOLLEKTIVE MENSCH-MASCHINE INTELLIGENZ by design. MMI Analyse. Teil 1

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 16.Februar 2021
URL: cognitiveagent.org, Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@doeben-henisch.de)

Letzte Änerung: 26.2.2021 (Anmerkung zum Begriff ‚Alltagssprache‘ ergänzt)

KONTEXT

In diesem Beitrag soll das Konzept einer praktischen kollektiven Mensch-Maschine Intelligenz by design weiter entwickelt werden. Im unmittelbar vorher gehenden Beitrag wurde die grundlegende Problemstellung sowie die gewählte (Zukunfts-)Vision in einer ersten Annäherung umrissen. In diesem Text geht es jetzt darum, etwas konkreter zu skizzieren, wie diese (Zukunfts-)Vision aussehen könnte bzw. sollte.

Bisher zum Thema veröffentlicht:

MMI ANALYSE – AUSGANGSPUNKT

Der Ausgangspunkt der MMI-Analyse ist gegeben durch die ersten Angaben zur Zukunfts-Vision (Siehe Schlussabschnitt in [1]). Diese Vision umschreibt mit wenigen Worten, welcher Zustand in der Zukunft angezielt wird. Die Vision selbst sagt nichts zur Begründung, nichts zu den Motiven; diese werden vorausgesetzt. Die Vision beschreibt nur, was sein soll.

Beliebige Menschen spielen Zukunft

Zentraler Gedanke ist, dass eine beliebige Gruppe von Menschen auf eine eher spielerische Weise dabei unterstützt werden soll, für eine selbst gewählte Problemstellung und ein selbst gewähltes Ziel schrittweise einen Lösungsweg zu konstruieren.

Ein Drehbuch schreiben

Diese Konstruktion eines Lösungsweges ist vergleichbar mit dem Schreiben eines Drehbuchs in einer Alltagssprache, die alle Beteiligten hinreichend beherrschen.[2] Dies setzt voraus, dass der Prozess der Wirklichkeit — vereinfachend — gedacht wird als eine Folge von Situationen (oder auch Zuständen), in der eine Nachfolgesituation S‘ aus einer vorausgehenden Situation S durch das Stattfinden von mindestens einer beobachtbaren Veränderung hervorgegangen ist. Im Grenzfall ist es nur die Veränderung einer Uhr, deren Zeitanzeigen in der Nachfolgesituation S‘ ‚größer‘ sind als in der Situation S.[3] Im Kontext einer Folge von beschreibbaren Situationen kann man die Veränderungen in der Form von Veränderungs-Regeln fassen: Man sagt: wenn die Bedingung C in einer aktuellen Situation S erfüllt ist, dann sollen mit der Wahrscheinlichkeit π die Aussagen Eplus der Situation S hinzugefügt werden, um die Nachfolgesituation S‘ zu generieren, und die Aussagen Eminus sollen von S weggenommen werden, um die Nachfolgesituation S‘ zu generieren.

Bezug zu einer Situation

Diese Redeweise setzt voraus, dass davon ausgegangen wird, dass der Text des Drehbuchs sich auf eine reale Situation S bezieht, und die einzelnen Ausdrücke des Textes Eigenschaften der realen Situation beschreiben. Die Menge der Ausdrücke in einem Drehbuch, die sich auf eine bestimmte Situation S beziehen, bilden also Repräsentanten von realen Eigenschaften der vorausgesetzten realen Situation. Verändert sich die vorausgesetzte Situation in ihren beobachtbaren Eigenschaften, dann drückt sich dies darin aus, dass sich auch die Ausdrücke im Drehbuch verändern müssen: kommen neue Eigenschaften hinzu, müssen neue Ausdrücke hinzu kommen. Verschwinden Eigenschaften, dann müssen die entsprechenden Ausdrücke verschwinden. Wechselt also z.B. die Verkehrsampel von Rot auf Orange, dann muss z.B. der Ausdruck ‚Die Ampel ist rot‘ ersetzt werden durch die Aussage ‚Die Ampel ist orange‘. Dann wäre die Menge Eminus = {Die Ampel ist rot}, und die Menge Eplus = {Die Ampel ist orange}.

Das Drehbuch hat zwei Teile …

Das Drehbuch für die gemeinsame spielerische Planung einer gewünschten Zukunft besteht also mindestens aus zwei Teilen:

  1. Einer Ausgangssituation S, von der aus man starten will, und
  2. einer Menge von Veränderungsregeln X, die sagen, wann man eine gegebene Situation in welcher Weise abändern darf.

Vergleich mit einem Spiel

Diese Konstellation kann man ohne weiteres mit einem Spiel vergleichen:

  1. Es gibt die Startsituation (z.B. ein bestimmtes Spielbrett oder eine Spielfeld mit Spielobjekten und Spielern)
  2. Es gibt vereinbarte Spielregeln, anhand deren man in einer gegebenen Situation etwas tun darf.

Regeln jederzeit abändern

In dem hier angenommenen Szenario eines Drehbuchs für die gemeinsame spielerische Planung einer gewünschten Zukunft gibt es allerdings zwei Besonderheiten: Die eine besteht darin, dass die Ausgangslage und die Spielregeln von den Spielern selbst aufgestellt werden und jederzeit nach Absprache geändert werden können.

Leitbild Zukunft als Maßstab

Die andere Besonderheit resultiert aus der Tatsache, dass die Teilnehmer hier zu Beginn auch explizit ein Leitbild für die Zukunft formulieren. Dieses kann zwar auch jederzeit nach Absprache wieder abgeändert werden, so lange es aber gilt, dient dieses Leitbild als Maßstab für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang der Prozess der fortschreitenden Veränderung ( = der Spielprozess!) das zuvor vereinbarte Leitbild erreicht hat.

In gewisser Weise entspricht die Bewertung einer Situation anhand eines vereinbarten Leitbildes dem Konzept des ‚Gewinnens‘ in normalen Spielen: beim Gewinnen wird in einem Spiel ein Zustand erreicht, der sich anhand zuvor vereinbarter Kriterien als ‚Gewinnsituation‚ für mindestens einen beteiligten Spieler klassifizieren lässt. Man sagt dann, dass dieser Spieler ‚gewonnen‘ hat.

Bei der Verwendung des Konzepts einer Zukunftsvision als Leitbild kann man das Leitbild dazu benutzen, um eine beliebige Situation dahingehend zu klassifizieren, ob und wenn ja in welchem Umfang diese Situation dem Leitbild ‚entspricht‘. Explizite Zukunftsbilder ermöglichen also die ‚Bewertung‘ einer Situation. Ohne solch eine Möglichkeit wäre jede Situation gleichwertig mit jeder anderen Situation. Es wäre dann nicht möglich, eine ‚Richtung‘ für einen Prozess zu definieren.

ALLTAGSSPRACHE

Diejenige Sprache, die jeder Mensch von Kindheit an lernt und benutzt, das ist die Alltagssprache, also die Sprache, die jeder in seinem Alltag spricht und die — normalerweise — auch von den Mitmenschen benutzt wird. [5a] Durch das Voranschreiten einer Globalisierung und der damit einhergehenden Vermischung von Alltagswelten, vermengen sich verschiedene Sprachen, was bei einzelnen zur Mehrsprachigkeit führt, auf der anderen Seite zur Zunahme von Übersetzungen. Übersetzungen durch Menschen können vergleichsweise ‚gut‘ sein (wer kann dies eigentlich überprüfen?), die heute zunehmenden Angebote von computerbasierten Übersetzungen sind aber dennoch auf dem Vormarsch, weil man ihren Einsatz sehr leicht ’skalieren‘ kann: ein Programm kann viele Millionen Menschen gleichzeitig ‚bedienen‘, dazu eher ‚einheitlich‘, und solch ein maschinelles Übersetzungsprogramm kann — wie salopp gesagt wird — ‚lernen‘.[4] Die Gesamtheit dieser maschinellen Verfahren hat aber dennoch keinen Zugang zu den eigentlichen Bedeutungsfunktionen von Alltagssprache, die in den Gehirnen der Sprecher-Hörer verortet sind. [5]

Aufgrund dieser Sachlage soll das neue Verfahren die Vorteile und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten auf neue Weise optimal verknüpfen. Primär soll der Anwender seine Alltagssprache — und zwar jede — voll benutzen können.

Zur Alltagssprache gehören mehrere ‚Mechanismen‘ [6], die es zulassen, dass man sie beliebig erweitern kann, und auch, dass man in der Alltagssprache über die Alltagssprache sprechen kann.[7] Diese Eigenschaften machen die Alltagssprache zu den stärksten Ausdruckssystemen, die wir kennen.[8]

Zu den möglichen — und vorgesehenen — Erweiterungen der Alltagssprache gehören z.B. beliebige Parametermengen mit zugehörigen Operationen auf diesen Parametern. Ein ‚Parameter‘ wird hier verstanden als ein Name, dem irgendein Wert (z.B. ein numerischer Wert) zugeordnet sein kann (z.B. eine Einwohnerzahl, ein finanzieller Betrag, ein Temperaturwert …). Parameter mit numerischen Werten kann man z.B. Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren usw.

Zum Sprechen über andere Ausdrücke gehört die Möglichkeit, dass man beliebige Abstraktionen bilden kann. Schon wenn wir über sogenannte normale Gegenstände sprechen wie ‚Stuhl‘, ‚Tasse‘, ‚Tisch‘, ‚Hund‘ usw. benutzen wir sprachliche Ausdrücke, die nicht für ein einzelnes Objekt stehen, sondern für ganze Mengen von konkreten Dingen, die wir alle gelernt haben, als ‚Stuhl‘, ‚Tasse‘, ‚Tisch‘, ‚Hund‘ usw. zu bezeichnen. Auf einem Tisch können bei mehreren Personen beim Frühstück ganz viele Gegenstände stehen, die wir alle als ‚Tasse‘ bezeichnen würden, obwohl sie sich u.a. durch Form, Farbe und Material unterscheiden.[9]

SIMULATION

Normale Formen von Drehbüchern bestimmen das Geschehen auf der Bühne oder in einem Film. Auf der Bühne beginnt man mit einer Eingangsszene, in der unterschiedliche Akteure in einer bestimmten Umgebung (Situation) anfangen, zu handeln, und durch das Handeln werden Veränderungen bewirkt: in den Akteuren (meist nicht so fort direkt sichtbar, aber dann in den Reaktionen), in der räumlichen Anordnung der Dinge, in der Beleuchtung, in Begleitgeräuschen, … Im Film ist es die Abfolge der Bilder und deren Füllungen.

Im Fall von Brettspielen fangen die beteiligten Spieler an, mit Blick auf erlaubte Regeln, den aktuellen Spielstand und die möglichen Gewinnsituationen in der Zukunft zu handeln. Dieses Handeln bewirkt eine schrittweise Änderung der jeweils aktuellen Spielsituation.

In abgewandelter Form passiert in einem Krimi oder in einem Roman nichts anderes: literarisch begabte Menschen benutzen das Mittel der Alltagssprache um Situationen zu beschreiben, die sich schrittweise durch Ereignisse oder das Verhalten von Menschen ändern. Noch eine Variante stellt die Gattung Hörspiel dar: statt eine Geschichte zu lesen hört man beim Hörspiel zu und lässt sich mit hinein nehmen in ein Geschehen, das sich von Situation zu Situation fortbewegt und den Hörer — wenn er sich angesprochen fühlt — geradezu mitreißen kann.

In der vorliegenden Anwendung gibt es alle Zutaten — Gegenwart, Zukunft, mögliche Maßnahmen –, aber wie kommt es hier zu einer Abfolge von Situationen?

Im einfachsten Fall setzten sich die Autoren der Texte zusammen und prüfen durch eigene Lektüre der Texte und Regeln, welche der Regeln aktuell angewendet werden könnten und sie wenden die Regeln an. Auch so würde eine Folge von Texten entstehen, wobei jeder Text eine Situation beschreibt. Erst die Start-Situation, dann die Anwendung von passenden Regeln, die zu einer Veränderung des Textes führt und damit zu einer neuen Situation.

Wir wissen von uns Menschen, dass wir dies im Alltag können (z.B. jeder Heimwerker — oder auch Hobby-Bastler — benutzt eine Bauanleitung, um aus den Einzelteilen des Bausatzes schrittweise ein komplexes Gebilde zusammen zu bauen). Wenn die Texte umfangreicher werden und wenn die Zahl der Regeln deutlich zunimmt, dann kommt man mit dieser händischen (manuellen) Methode bald an praktische Grenzen. In diesem Moment wäre es sehr schön, man könnte sich helfen lassen.

Viele Menschen benutzen heutzutage zum Schreiben von Texten, zum Rechnen, zum Malen, zum Komponieren, den Computer, obwohl es ja eigentlich auch ohne den Computer gehen würde. Aber mit einem Rechenblatt viele Rechnungen miteinander zu verknüpfen und dann ausrechnen zu lassen ist einfach bequemer und — in den komplexen Fällen — sogar die einzige Möglichkeit, die Arbeit überhaupt zu verrichten. Computer müssen nichts verstehen, um Zeichenketten bearbeiten zu können.

Diese formale Fähigkeit eines Computers soll für diese Anwendung genutzt werden: wenn ich die Text-Version einer Situation habe wie z.B. S1 = {Das Feuer ist fast erloschen.} und ich habe eine Veränderungsregel der Art: X1 = {Wenn C1 zutrifft dann füge Eplus1 dazu und nehme Eminus1 weg}, konkret C1 = {Das Feuer ist fast erloschen.}, Eplus1 = {Lege Holz nach.}, Eminus1 = {Leer}, dann ist es für einen Computer ein leichtes festzustellen, dass die Bedingung C1 in der aktuellen Situation S1 erfüllt ist und dass daher die Aussage Lege Holz nach. hinzugefügt werden soll zu S1, was zur neuen Situation S2 führt: S2 = {Das Feuer ist fast erloschen. Lege Holz nach.} Wenn es jetzt noch die Regel geben würde X2 mit C2 = {Lege Holz nach.}, Eplus2 ={Das Feuer brennt.}, Eminus2={Das Feuer ist fast erloschen.}, dann könnte der Computer ‚ohne Nachzudenken‘ die nächste Situation S3 erzeugen mit S3 = {Das Feuer brennt.}

Dieses einfache Beispiel demonstriert das Prinzip einer Simulation: man hat eine Ausgangssituation S0, man hat eine Menge von Veränderungsregeln im oben angedeuteten Format X= Wenn C in S erfüllt ist, dann füge Epluszu S dazu und nimm Eminus von S weg, und man hat einen Akteur, der die Veränderungsregeln auf eine gegebene Situation anwenden kann. Und diese Anwendung von Regeln erfolgt so oft, bis entweder keine Regeln mehr anwendbar sind oder irgendein Stopp-Kriterium erfüllt wird.

Schreibt man für den Ausdruck Die Menge der Veränderungsregeln X wird auf eine Situation S angewendet, was zur Nachfolgesituation S‘ führt verkürzend als: X(S)=S‘, ergibt die wiederholte Anwendung von X eine Serie der Art: X(S)= S‘, X(S‘)= S“, …, X(Sn-1)= Sn. Dies bedeutet, dass die Folge der Text-Zustände <S‘, S“, …, Sn> einen Simulationsverlauf repräsentieren. Man kann dann sehr gut erkennen, was passiert, wenn man bestimmte Regeln immer wieder anwendet.

In der vorliegenden Anwendung sollen solche durch Computer unterstützte Simulationen möglich sein, tatsächlich sogar noch mit einigen weiteren Feinheiten, die später näher beschrieben werden.

SIMULATION MIT BEWERTUNG

Wie zuvor schon im Text beschrieben wurde, kann man eine gegebene Situation S immer dann klassifizieren als erfüllt Eigenschaft K, wenn man über geeignete Kriterien K verfügt. In der vorliegenden Anwendung kann der Anwender eine Vision formulieren, eine Beschreibung, welcher Zustand in der Zukunft eintreten sollte.

Im Rahmen der Simulation soll es daher möglich sein, dass nach jeder Anwendung von Veränderungsregeln X mitgeteilt wird, in welchem Ausmaß die vorgegebene Vision V im aktuellen Zustand S eines Simulationsverlaufs schon enthalten ist. Die Aussagekraft einer solchen Klassifikation, die eine Form von Bewertung darstellt, hängt direkt von der Differenziertheit der Vision ab: je umfangreicher und detaillierter der Text der Vision ist, um so konkreter und spezifischer kann die Bewertung vorgenommen werden.

LERNFÄHIGE ALGORITHMEN (KI)

So, wie im Fall der Simulation der Computer dem Menschen bei ausufernden manuellen Tätigkeiten helfen kann, diese zu übernehmen, so ergibt sich auch für die Frage der Auswertung eines Simulationsverlaufs sehr schnell die Frage: könnte man auch ganz andere Simulationsverläufe bekommen, und welche von den vielen anderen sind eigentlich im Sinne eines vorgegebenen Zielkriteriums besser?

Tatsächlich haben wir es mit dem Ensemble einer Anfangssituation, einer Zukunftsvision und einer Menge von Veränderungsregeln mit einem Problemraum zu tun, der sehr schnell sehr umfangreich sein kann. Eine einzelne Simulation liefert immer nur einen einzigen Simulationsverlauf. Tatsächlich lässt der Problemraum aber viele verschiedene Simulationsverläufe zu. In den meisten Fällen ist eine Erkundung des Problemraumes und das Auffinden von interessanten Simulationsverläufen von großem Interesse. Der Übergang von einem Suchprozess zu einem lernenden Prozess ist fließend.

In der vorliegenden Anwendung soll von der Möglichkeit einer computergestützten lernende Suche Gebrauch gemacht werden.

QUELLENANGABEN und ANMERKUNGEN

[1] Siehe dazu den Schluss des Textes von Gerd Doeben-Henisch, 15.2.2021, PRAKTISCHE KOLLEKTIVE MENSCH-MASCHINE INTELLIGENZ by design. Problem und Vision, https://www.cognitiveagent.org/2021/02/15/praktische-kollektive-mensch-maschine-intelligenz-by-design-problem-und-vision/https://www.cognitiveagent.org/2021/02/15/praktische-kollektive-mensch-maschine-intelligenz-by-design-problem-und-vision/

[2] Denkbar ist natürlich, dass partiell mit Übersetzungen gearbeitet werden muss.

[3] Dieses Modell der Zerlegung der Wirklichkeit in Zeitscheiben entspricht der Arbeitsweise, wie das menschliche Gehirn die jeweils aktuellen sensorischen Signale für ein bestimmtes Zeitintervall ‚zwischen-puffert‘, um die Gesamtheit der Signale aus diesem Zeitintervall dann nach bestimmten Kriterien als eine Form von Gegenwart abzuspeichern und daraus dann Vergangenheit zu machen.

[4] Damit dies möglich ist, landen alle Texte auf einem zentralen Server, der mit statistischen Methoden ganze Texte nach Methoden des sogenannten ‚maschinellen Lernens‘ analysiert, statistische Verwendungskontexte von Ausdrücken erstellt, angereichert durch diverse sekundäre Zusatzinformationen.

[5] Was diese bedingt lernfähigen Algorithmen an Übersetzungsleistungen ermöglichen, ist sehr wohl erstaunlich, aber es ist prinzipiell begrenzt. Eine vertiefte Analyse dieser prinzipiellen Begrenzungen führt in die Entstehungszeit der modernen formalen Logik, der modernen Mathematik sowie in die theoretischen Grundlagen der Informatik, die letztlich ein Abfallprodukt der Meta-logischen Diskussion in der Zeit von ca. 1900 bis 1940 ist. Wenn also die angezielte Anwendung die volle Breite der Alltagssprache nutzen können soll, dann reicht es nicht, die prinzipiell Bedeutungsfernen Verfahren der Informatik wie bisher einzusetzen.

[5a] Das Phänomen ‚Alltagssprache‘ ist bei näherer Betrachtung äußerst komplex. In einem anderen Beitrag habe ich einige der grundlegenden Aspekte versucht, deutlich zu machen: Gerd Doeben-Henisch, 29.Januar 2021, SPRACHSPIEL und SPRACHLOGIK – Skizze. Teil 1, https://www.cognitiveagent.org/2021/01/29/sprachspiel-und-sprachlogik-skizze-teil-1/

[6] … von denen die formale Logik nicht einmal träumen kann.

[7] In der formalen Logik sind Spracherweiterungen im vollen Sinne nicht möglich, da jede echte Erweiterung das System ändern würde. Möglich sind nur definitorische Erweiterungen, die letztlich Abkürzungen für schon Vorhandenes darstellen. Das Sprechen in einer gegebenen Sprache L über Elemente der Sprache L — also meta-sprachliches Sprechen –, ist nicht erlaubt. Aufgrund dieser Einschränkung konnte Goedel seinen berühmten Beweis von der Unmöglichkeit führen, dass ein formales System sowohl Vollständig als auch Widerspruchsfrei ist. Dies ist der Preis, den formale Systeme dafür zahlen, dass ’nichts falsch machen können‘ (abgesehen davon, dass sie von sich aus sowieso über keine Bedeutungsdimension verfügen)).

[8] Während formale Systeme — und Computer, die nach diesen Prinzipien arbeiten — durch diese Elemente inkonsistent und un-berechenbar werden, kann das menschliche Gehirn damit fast mühelos umgehen!

[9] Unser Gehirn arbeitet schon immer mit beliebigen Abstraktionen auf beliebigen Ebenen.

FORTSETZUNG

Eine Fortsetzung findet sich HIER.

DER AUTOR

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ZUR LAGE DER MENSCHHEIT … Ausgangspunkt im Alltag

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 2.August 2020
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

PROLOG I: GENERVT IM ALLTAG

Sind Sie genervt von den vielen — aus ihrer Sicht — Halbwahrheiten, Unsinnigkeiten, Lügen, die ihren Alltag durchtränken? Von all den Leuten, die scheinbar nur sich selbst sehen, sich als erstes, und die versuchen, ‚ihr Ding‘ zu machen, egal zu welchem Preis? Haben Sie nicht auch schon diese Gefühle gehabt, diese Verzweiflung über das — in ihren Augen — Versagen anderer Menschen, über den Betrug einzelner an der Gemeinschaft, die vielen ‚Deals im Hintergrund‘, die manchmal bekannt werden und breites Entsetzen auslösen? Sind sie auch manchmal unangenehm berührt, enttäuscht, wenn Sie erfahren wie — in ihren Augen — unsinnig manche Behörden gehandelt haben, wie wenig Durchblick und Weitblick in Verwaltungen herrscht, wie berühmte Firmen plötzlich ins Schleudern geraten, weil ihre Manager ‚die Zeichen der Zeit‘ nicht rechtzeitig erkannt haben?

Wenn Sie diese Enttäuschungen nicht für sich behalten, sondern sie aussprechen, laut, bei anderen, mit anderen, werden sie feststellen, dass Sie nicht alleine sind. Da sind sehr viele Menschen um sie herum, die solche Enttäuschungen teilen. Fast scheint es so zu sein, als ob diese Enttäuschungen zum Alltag gehören, gleichsam wie eine untergründige Melodie, wie ein musikalisches Thema, das alles irgendwie zu durchziehen scheint. … es beschleicht Sie das Gefühl, dass es ja alles noch viel schlimmer ist, als sie gedacht haben. Ihre Ohnmacht, ihre Angst, ihr Ärger erscheinen übermächtig.

Und dann entdecken Sie vielleicht andere, einen Text, ein Video, einen Podcast, eine Veranstaltung, eine Bewegung, die das alles genau so ausspricht, wie sie es ständig empfinden. Da gibt es diese Menschen, die Antworten auf ihre Enttäuschungen haben, die die Ereignisse mit ihren Worten in Zusammenhänge einordnen, die ihnen plausibel erscheinen. Mit einem Mal bekommen ihre diffusen Ängste Namen von Menschen und Gruppen, die die Verursacher sind. Mit einem Mal bekommen Sie Worte angeboten, Slogans, Texte, die ihnen alles ‚erklären‘, ganz einfach, und sie beginnen, sich ‚zu Hause‘ zu fühlen. Da sind welche, die sie ‚verstehen‘. Menschen wie Sie selbst, persönlich, konkret, ganz nah, nicht in den Tiefen des Netzes, nicht verdeckt hinter den Fassaden der Macht….

Sie glauben, jetzt beginnt für Sie etwas Neues, neben den Enttäuschungen glimmt Hoffnung auf. Sie sind nicht alleine. Da sind andere mit ihnen….

PROLOG II: ALLTAG AUFBRECHEN

Wenn wir in unseren Alltag eingetaucht sind, dann können wir die Welt um uns herum, unsere Welt, unseren Alltag, genauso erleben, wie eingangs beschrieben, und es ist tatsächlich so, dass sehr viele Menschen heute es genau so erleben.

Wir kennen aber auch die Metapher, von dem Wald, den man vor lauter Bäumen nicht sieht. Wenn wir uns im Wald befinden, sehen wir nur viele Bäume, aber nicht den Wald als Ganzes. So ist es vielfach auch mit unserem Alltag: wir sind eingebettet in viele Abläufe, Verpflichtungen, Gewohnheiten, wen wir treffen, was wir arbeiten, was wir bei verschiedenen Gelegenheiten so sagen, mit wem wir was besprechen, welchen Informationsquellen wir folgen, was wir so essen und dementsprechend einkaufen …. ein Außenstehender könnte uns vielleicht sogar ziemlich gut beschreiben in allem, was wir tun. Google-Algorithmen, Handy-Algorithmen, und viele andere, tun dies rund um die Uhr, Woche um Woche. Deswegen können sie auch vieles sehr gut vorhersagen, oder Auftraggeber können wissen, was sie tun müssen, um uns zu bestimmten Verhaltensweisen anzuregen …

Wenn wir dies alles so tun, jeden Tag, Woche um Woche, heißt dies nicht unbedingt, dass wir selber genau wissen, was wir da tun; ja, wir tun es, aber warum genau? Welchen Zweck befolgen wir? Haben wir ein Ziel, was uns wie ein Licht vorausleuchtet über das Jetzt hinweg, für einen Punkt in der Zukunft, wo wir hinwollen? Oder treiben wir eher so dahin, fühlen wir uns gezwungen und dirigiert von den Umständen, die uns übermächtig erscheinen? Sind wir täglich von unserer Arbeit so ausgelaugt, dass uns schlicht die Kraft fehlt, am Abend, zwischendurch, an Alternativen zu denken, an irgendetwas anderes, an Freundschaften, an eine andere Form zu leben? Nehmen wir es also einfach so hin, was passiert, wie es passiert, ohne wirklich zu verstehen, warum dies geschieht, wer da im Hintergrund die Fäden spinnt?

MIT ANDEREN AUGEN

Manchmal gibt es sie dann doch, diese seltenen Momente, wo Sie irgendwie zur Ruhe kommen, wo Sie ein Buch lesen, dessen Worte sie gefangen nehmen, einen Film sehen, der Sie anspricht, einen Song hören, der sie berührt, oder mit einem anderen Menschen reden, der Ihnen zuhört, und der Ihnen dann Worte sagt, die ihnen helfen, sich selbst mal mit anderen Augen zu sehen, ihr Leben, ihr Tun; eine Freundin, ein Freund, oder jemand Fremdes,….

Jeder von uns hat seinen eigenen Blick, den wir uns in vielen Jahren angeeignet haben, die eigene Sprache, die eigenen Vorlieben, und dann sehen wir andere Menschen, die es anders machen, und irgendwie haben wir das Gefühl, das fühlt sich gut an… oder unser Gegenüber hört uns zu und fragt dann zurück, warum wir dies und jenes überhaupt so machen. Warum machen wir ständig A, warum nicht auch einmal B? Und im Moment, wo wir gefragt werden, schrecken wir vielleicht zurück und fangen sofort an, uns zu verteidigen, oder, wir zögern einen Moment, merken vielleicht, da wird ein Punkt berührt, der einen schon lange irgendwie beschäftigt, aber man hatte noch nie die Muße, den Mut, ihn ernsthaft ins Auge zu fassen, ihn wirklich an sich heran kommen zu lassen…

Entscheidend ist, dass es meistens irgendwelche Ereignisse braucht, die uns dazu bringen, im gewöhnlichen Ablauf inne zu halten, etwas zu merken, aufmerksam zu werden auf etwas in unserem Leben, an uns, von dem wir spüren, das könnte auch anders sein. Hier können sehr viele Emotionen im Spiel sein, Ängste wie auch Hoffnungen, Schmerzen wie auch Lustgefühle, Erinnerungen, die uns lähmen und solche, die uns ermutigen…

Die Gefühle, die Emotionen alleine sind es aber nicht, auch wenn sie uns vielleicht lähmen, fesseln können. Es braucht schon auch ein Bild, eine Vision, eine Vorstellung, eine Idee die uns Zusammenhänge sichtbar macht, mögliche alternative Zustände, die so sind, dass wir daraus mögliche Handlungen ableiten können, eine mögliche neue Richtung, was man mit anderen konkret tun könnte: andere Menschen, andere Orte, andere Bewegungsformen, anderes sehen, anderes ….

Mit dem neuen Tun ändert sich die eigene Wahrnehmung, ändert sich die eigene Erfahrung, kann sich das Bild von der Welt, von den anderen, von sich selbst ändern; dadurch können sich Gefühle ändern. Was vorher so aussichtslos, fern erschien, erscheint plötzlich vielleicht erreichbar… so ein bisschen kann man dann erahnen, dass man selbst vielleicht mehr ist als nur ein Bündel von Gewohnheiten, die feststehen …. dass man irgendetwas in sich hat, was die Abläufe ändern kann, etwas, das das ganze Gefüge in Bewegung setzt. Ich muss nicht immer das Gleiche machen, ich kann anders … die Welt ist mehr als ds Bild, was ich gerade noch im Kopf hatte, mein Bild, das mich eingesperrt hat in mich selbst …

EREIGNIS BEI MIR: Vor 33 Jahren …

Ereignisse, die einem helfen können, für einen Moment inne zu halten, aufzumerken, zu ahnen, zu spüren, dass da etwas ist, was anders ist, sind vielfältiger Art. Jeder kann davon bestimmt mindestens eine Geschichte erzählen. Bei mir war es die Tage ein Gespräch mit Freunden, bei dem einer (MF) das Wort autopoiesis erwähnte, ein Wort, das einem ja nicht alle Tage über den Weg läuft. Und ja, dieses Wort spiel eine zentrale Rolle in einem Buch, das den vielsagenden Titel trägt Baum der Erkenntnis. Dies ruft gleich Assoziationen an esoterisches Gedankengut wach, an Mythen und Sagen, oder auch an den berühmten Sündenfall von Eva und Adam, als sie im Paradies vom ‚Baum der Erkenntnis‘ aßen und daraufhin aus dem Paradies vertrieben wurden. Wer versteht die Botschaft in dieser Geschichte nicht: Wehe, wenn Du Dich zu sehr mit Erkenntnis beschäftigst, dann verlierst Du deine Unschuld und es wird Dir Zeit deines Lebens schlecht ergehen.

Ja, und vielleicht stimmt diese Mahnung auch, wird so mancher denken, denn das Buch, um das es hier geht, erschien 1987 erstmals und wurde von zwei Wissenschaftlern verfasst, die aufgrund ihrer jahrzehntelangen Arbeit in der Erforschung der Natur, insbesondere des biologischen Lebens, ein Bild von der Welt und uns als Menschen erarbeitet hatten, das die Geschichten aus der Bibel — und viele anderen — nicht besonders gut aussehen lassen.

Das Besondere an diesem Ereignis ist, dass ich dieses Buch noch in meinem Bücherregal hatte, ich hatte es sogar vor 33 Jahren gelesen, wovon viele Markierungen im Text Zeugnis geben, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es damals tatsächlich in seiner Tragweite verstanden hatte. Jetzt, 33 Jahre später, als ich als erstes das Schlusskapitel nochmals las, hatte ich das Gefühl, dass ich fast jeden Satz mehrfach unterstreichen konnte. Ich merkte, dass meine ganzen Arbeiten der letzten 33 Jahre (!) letztlich dazu gedient haben, die Vision in diesem Buch — ohne mir dessen vielleicht immer bewusst gewesen zu sein — durch eigenes Forschen, Experimentieren, Probieren, Schreiben, Verwerfen usw. für mich neu zu erarbeiten. Während man sicher viele Details aus dem Buch von Maturana und Varela aktualisieren muss, erscheint mir die Grundperspektive weiterhin voll gültig zu sein und es könnte uns heute, uns allen, die wir von unseren alltäglichen Abläufen oft wie ‚Gefangen genommen‘ erscheinen, vielleicht eine deutliche Hilfe sein, aus unseren — tendenziell unfertigen und falschen — Bildern auszubrechen.

AUFTRAG, NICHT SCHICKSAL

Wie eingangs angedeutet, leidet unser Alltag stark an der Unvollständigkeit unserer Bilder von uns selbst, von den anderen, von der Gesellschaft, der Welt. Und ja, man kann dadurch entmutigt werden, vielleicht sogar daran verzweifeln. Aber vielleicht hilft es, wenn man weiß, dass der fragmentarische Charakter unseres Welterlebens und Weltwissens eigentlich unsere Versicherung ist, dass wir als Menschen, als Leben auf der Erde nicht zwangsläufig zugrunde gehen müssen! Wären wir als Lebewesen von Anfang an mit einem kompletten Bild ausgestattet, dann kämen wir vielleicht eine gewisse Zeit klar mit den Gegebenheiten; da aber die Erde hochdynamisch ist, sich permanent verändert, z.T. dramatisch (Vulkane, Erdbeben, Verschiebung der Erdplatten, Klima mit vielen Eiszeiten…), würden wir bald scheitern, weil wir auf diese Veränderungen nicht vorbereitet wären. Überleben auf einer hochdynamischen Erde heißt, sein Bild von der Erde ständig weiter entwickeln, ständig korrigieren, ständig erneuern. Wichtig ist also nicht, wie viel Wissen man zu Beginn hat, sondern, ob man das Wissen verändern, weiter entwickeln kann. Wissen ist ganz klar ein Werkzeug zum Überleben! Und — was man in diesem Zusammenhang vielleicht schnell verstehen kann — Wissensfragmente benötigen zum Verändern jede Menge Kooperationen.

Die ersten Lebensformen auf der Erde waren Zellen, die unterschiedlich spezialisiert waren. Eine Zelle alleine war nicht überlebensfähig, aber alle Zellen zusammen haben u.a. die gesamte Atmosphäre der Erde verändert, sie haben unfassbar komplexe hoch organiserte Zellverbände entstehen lassen, die wir als Pflanzen, Tiere und Menschen — Wir! — kennen. Diese Winzlinge, diese Mikroben, haben dies geschafft, weil sie ihr minimales Wissen im großen Stile nicht nur immer wieder verändert haben, sondern weil sie es auch beständig ausgetauscht haben. Die Anzahl dieser Mikroben auf der Erde übersteigt die Anzahl der heute bekannten Sterne im bekannten Universum um ein Mehrfaches. Zugleich bilden sie zusammen einen Superrechner — ich nenne ihn BIOM I –, der alle heutigen Superrechner einfach nur schlecht aussehen lässt. Denn der BIOM I Supercomputer ist so, dass jedes Element von ihm beständig eigenständig dazu lernt und alle Elemente ihr Erlerntes untereinander austauschen. Davon können heutige Supercomputer nur träumen, falls sie träumen könnten.

Also, der fragmentarische Charakter unseres Wissens ist gerade kein negatives Schicksal, sondern gibt uns die Chance, unser Wissen gemeinsam weiter zu entwickeln, um so den jeweils neuen Herausforderungen gerecht werden zu können.

Anmerkung: In dem Maße, wie biologische Lebensformen die Erde bevölkern — nicht zuletzt auch der Mensch selbst — erzeugen diese aufgrund ihrer Freiheitsgrade auch Veränderungen, und zwar schwer vorausberechenbare Veränderungen. Um diesen gerecht zu werden, bedarf es um so mehr der Fähigkeit, sich dynamisch ein Bild möglicher Prozesse zu machen. Die Tendenz von Regierungen zu allen Zeiten, diese implizite Dynamik des Lebens durch autoritäre Regelsysteme einzugrenzen, zu ‚zähmen‘, hat noch nie wirklich funktioniert und wird auch niemals funktionieren, will man nicht das Leben selbst zerstören.

MONADE + MONADE = ?

Jahrtausende lang haben Menschen darum gerungen, zu verstehen, wie sie ihr Verstehen, ihr Wissen bewerten sollen: Was ist wahr? Wann denken wir richtig? Wo kommt unser Wissen her? Wie entsteht unser Wissen? Wieweit können wir unserem Wissen vertrauen? Und so ähnlich.

Aber, selbst die besten Philosophen und Wissenschaftler blieben immer im Gestrüpp ihres Selbstbewusstseins hängen. Im Nachhinein betrachtet glichen die Philosophen den berühmten Mücken, die immer um das Licht kreisen, an dem sie dann verbrennen. Und war nicht Eva auch so eine ‚Mücke‘, die um das ‚Licht der Erkenntnis‘ kreiste, um dann daran zu zerschellen?

Es ist schwer zu sagen, wann genau wer jetzt diese Form der Selbstbezüglichkeit durchbrach. Vermutlich war es wie immer, dass es die vielen Versuche einzelner waren, von denen man sich dann untereinander erzählt hatte, die so langsam eine Atmosphäre, ein Ahnen, einen Sack voller Experimente mit sich brachten, die dann zu einem Durchbruch geführt haben, der — so erscheint es von heute aus — in vielen Disziplinen gleichzeitig stattgefunden hat, jeweils speziell und anders, aber dann doch so, dass sich mit den vielen Puzzlesteinen langsam ein Gesamtbild andeutete, das zu einem bisher nie dagewesenen Durchbruch im Verstehen unserer selbst als Teil der Natur, des Universums geführt hat.

Fairerweise muss man sagen, dass frühere Generationen tatsächlich auch keine reale Chance hatten, diesen Durchbruch vorweg zu nehmen, da wir Menschen einige Jahrtausende und dann speziell die letzten Jahrhunderte gebraucht haben, unser Wissen über die Welt, die Natur, das Leben so weit auszudehnen, dass wir letztlich verstehen konnten, dass und wie unser Körper aus einer großen Anzahl von Galaxien an Zellen besteht, dass diese Zellen, jede für sich, autonom sind, dass sie es aber schaffen, so miteinander zu kooperieren, dass es eine Vielzahl von Organen in unserem Körper gibt, die die unglaublichsten Dinge vollbringen, ohne dass wir bis heute dieses Geschehen vollständig verstehen. Speziell das Gehirn versetzt uns mehr und mehr in Erstaunen, wenn wir langsam begreifen, was es alles leistet. Ein zentraler Punkt — wie vielfach schon in diesem Blog dargelegt — ist der, dass das Gehirn im Körper aus all den verfügbaren Körpersignalen ein Bild von der Welt errechnet, das für den ganzen Organismus zur Orientierung dient. Konkret, alles, was wir von der Welt sehen ist nicht die Welt selbst, sondern das, wie sich unser Gehirn die Welt vorstellt!

Vieles, was Leibniz damals 1714 unter der Idee einer Monadologie beschrieben hatte, könnte man auf das Gehirn anwenden, das vollständig auf sich selbst bezogen damit beschäftigt ist, ein Bild von sich selbst und der Umgebung zu entwickeln mit dem wichtigen Zweck, zu überleben. Entscheidend dabei ist der dynamische Charakter des Gehirns und seiner Berechnungen. Es kann zwar einerseits Strukturen bilden, die ihm zur Orientierung dienen, es kann aber auch, diese Strukturen ständig wieder abändern, um sie den veränderten Erfahrungen anzupassen.

Im Unterschied zu einer reinen Monade haben Gehirne die Fähigkeit ausgebildet, viele ihrer inneren Zustände mit beliebigen sprachlichen Ausdrücken zu assoziieren, zu korrelieren, so dass Manifestationen von sprachlichen Ausdrücken außerhalb des Körpers von anderen Gehirnen wahrgenommen werden können. Wie immer die Gehirne dies irgendwie und irgendwo geschafft haben, sie haben es geschafft, mit Hilfe solcher Manifestationen gemeinsame Bedeutungen zu vereinbaren und dann auch gemeinsam, synchron zu nutzen. Damit war symbolische Kommunikation grundgelegt.

Während zwei Monaden nach dem Modell von Leibniz strikt Monaden bleiben, können zwei biologische Monaden, die über ein Gehirn mit Sprache verfügen, durch Kommunikation zu Kooperationen zusammen finden, aus denen eine nahezu unendliche Menge neuer Zustände entstehen kann. Letztlich können biologische Monaden das gesamte Universum umbauen!

VERTRAUEN ALS NATURGEWALT ? !

Wenn wir von Naturgewalten sprechen, denken wir sicher erst mal an Unwetter, Erdbeben, Vulkane und dergleichen. In den Wissenschaften hat man Worte wie z.B. die Gravitation, um eine Eigenschaft zu beschreiben, die wir überall im heute bekannten Universum beobachten können als eine Kraft, die sich indirekt zeigt: auf der Erde fallen alle Gegenstände ’nach unten‘ und alle Körper haben ein ‚Gewicht‘.

Das biologische Leben gehört aber auch zur Natur, es ist Natur durch und durch. Allerdings, biologische Strukturen haben eine Komplexität angenommen, die weit über alles hinausgeht, was wir aus dem physikalisch erforschten Universum kennen. Und so wie es die Gravitation als eine Kraft gibt, die die Strukturbildung im physikalischen Universum stark prägt, so gibt es im Bereich biologischer Systeme die Kraft der Kooperation, die schier Unvorstellbares möglich macht (wer kann sich bei Betrachtung einfacher Zellen von vor 3.5 Milliarden Jahren ernsthaft vorstellen, wie sich von diesem Ausgangspunkt aus Zellformationen bilden können, die zusammen ca. 240 Billionen (10^12) Zellen umfassen, und dann als homo sapiens auftreten?) Aber nicht nur das. Je größer der Grad der Komplexität wird, um so mehr zeigt sich in diesen biologischen Lebensformen ein immer höherer Grad an Freiheitsgraden! Verglichen mit den anderen Lebensformen hat der Homo sapiens eine bislang besonders hohes Ausmaß an Freiheitsgraden erreicht. Dies eröffnet eine schier unendliche Menge an Möglichkeiten, stellt aber den Akteur auch vor entsprechend große Herausforderungen. Alleine hat er nahezu keine Chance. Zusammen mit anderen erhöht sich die Chance. Allerdings — und dies zeigt unser Alltag nahezu stündlich — Kooperationen verlangen einen ‚Grundstoff‘, ohne den überhaupt nichts geht: Vertrauen! Da wir uns permanent in unvollständigen Situationen bewegen, die unsere Gehirne durch geeignetes Wissen partiell ‚ausfüllen‘ können, können wir Unbekanntheiten partiell überbrücken, partiell mit Möglichkeiten ausfüllen, aber wir brauchen als ‚Vorschuss‘ jede Menge Vertrauen, um uns überhaupt gemeinsam in diese Richtung zu bewegen. Es ist eine qualitative Besonderheit des Homo sapiens, dass er über diese seltene Gabe als eine besondere Kraft der Natur verfügt.

Vertrauen ist lebensnotwendig, Voraussetzung für jede Form von Zukunftsgestaltung.

WISSEN ALS ZUKUNFTSTECHNOLOGIE

Das Verhältnis von uns Menschen zum Wissen ist durchwachsen. Einerseits wissen wir es zu schätzen, weil es uns vielfach hilft, unsere Lebensbedingungen zu verbessern. Andererseits wird es aber gerade auch von denen, die primär an Macht und monadischen Selbstinteressen orientiert sind, vielfach missbraucht zum Schaden vieler anderer. Und als einzelner, als Kind, als Jugendlicher wird das Abenteuer des Wissens vielfach schlecht oder — in vielen Ländern dieser Welt — so gut wie gar nicht vermittelt. Damit schaden wir uns selbst in hohem Maße!

Man kann über die uns verfügbaren Freiheitsgrade schimpfen, über sie lamentieren, sie verleugnen … aber es ist eine Eigenschaft, die wir als Homo sapiens jetzt haben und die uns prinzipiell die Möglichkeit gibt, in vertrauensvoller Kooperation mit allen anderen Wissen zu erarbeiten, das helfen kann, den fragmentarischen Charakter unserer einzelnen partiellen Bilder zu ergänzen und dadurch zu überwinden. Unser Ziel kann es nicht sein, den beschämenden gegenwärtigen Zustand der Weltbevölkerung fest zu schreiben. Was wir als Menschen zur Zeit veranstalten, das ist in hohem Maße dumm, grausam, lebensverachtend, zukunftsunwillig, welt-zerstörerisch.

Wissen ist kein Luxus! Wissen ist neben Kooperation und Vertrauen der wichtigste Rohstoff, die wichtigste Technologie, um uns ein Minimum an Zukunft zu sichern, einer Zukunft, die das ganze Universum in den Blick nehmen muss, nicht nur unsere eigene Haustür!

Brexit – Computerinterface – Zukunft. Wie hängt dies zusammen?

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de
19.-20.Oktober 2019

Aktualisierung: 3.Nov.2019 auf dieser Seite

LEITGEDANKE

Wenn das, was wir nicht sehen, darüber entscheidet, was wir sehen,
dann lohnt es sich, für einen Moment inne zu halten, und sich darüber klar
zu werden, was wir tun, wenn wir versuchen, die Welt zu verstehen.

INHALT

1 Der Brexit als Lehrstück … 1
2 Das Unsichtbare in Allem 3
3 Computer-Interface als ein Stück Alltag 4
4 Wir als Teil von BIOM I und II 6
5 Homo Sapiens im Blindflug? 9
6 Epilog 11

DOKUMENT (PDF)

KURZKOMMENTAR

Der Text des Dokuments ist das Ergebnis von all den vorausgegangenen Blogeinträgen bis jetzt! Es ist die erste Zusammenschließung von verschiedenen großen Themen, die bislang im Blog getrennt diskutiert wurden. Es ist die große ‚Vereinheitlichung‘ von nahezu allem, was der Autor bislang kennt. Vielleicht gelingt es, dieser Grundintention folgend, diesen Ansatz weiter auszuarbeiten.

KURZKOMMENTAR II

Der Text ist aus philosophischer Perspektive geschrieben, scheut nicht die Politik, nimmt den Alltag ernst, nimmt sich die Digitalisierung vor, bringt die Evolutionbiologie zentral ins Spiel, und diagnostiziert, dass die aktuellen smarten Technologien, insbesondere die neuen Smart City Ansätze, schlicht zu wenig sind. Die ganzen nicht-rationalen Faktoren am Menchen werden nicht als lästiges Beiwerk abgeschüttelt, sondern sie werden als ein zentraler Faktor anerkannt, den wir bislang zu wenig im Griff haben.

ERGÄNZUNG 3.Nov.2019

In dem PDF-Dokument wird erwähnt, dass die Brexit-Entscheidung in England im Vorfeld massiv aus dubiosen Quellen beeinflusst worden ist. Im PDF-Dokument selbst habe ich keine weiteren Quellenangaben gemacht. Dies möcte ich hier nachholen, da es sich um einen explosiven Sachverhalt handelt, der alle noch bestehenden demokratischen Gesellschaft bedroht. Da ds ZDF und Phoenix die Angaben zu immer wieder neuen Terminen machen, sind die zugehörigen Links möglicherweise immer nur zeitlich begrenzt verfügbar.

Der Film „Angriff auf die Demokratie. Wurde der Brexit gekauft?“ von Dirk Laabs wird einmal in einem Text kurz beschrieben, und es wird ein Link auf youtube angegeben, wo man den Film als Video abrufen kann.

Hier aus dem Worlaut der Ankündigung:

„Die britische Wahlkommission ist überzeugt: Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass große Teile der Gelder für eine Kampagne vor dem Brexit-Referendum aus dubiosen Quellen stammen.

„Im Fokus steht der britische Geschäftsmann Arron Banks, Strippenzieher und enger Freund des ehemaligen Ukip-Anführers Nigel Farage. Über seine Offshore-Konten sollen fast neun Millionen Pfund Spenden geflossen sein.“

Die Recherchen des ZDF legen nahe, „dass Wähler verdeckt und so effektiv wie möglich beeinflusst werden sollten.“ Es werden nicht nur die Geldströme vefolgt, sondern der ZDFzoom-Autor Dirk Laabs „redet mit Insidern aus der Kampagne und konfrontiert ihren Kopf, den ehemaligen Chef der Ukip, Nigel Farage. Farage redet im Interview mit dem ZDF auch darüber, welchen Einfluss US-amerikanische Berater für die Kampagne hatten. Steve Bannon, früherer Berater von US-Präsident Trump, war einer der wichtigen Berater in diesem Spiel.“

„Konkret geht es um millionenschwere Kredite, die die Pro-Brexit-Kampagne von Banks erhalten haben soll. Demnach stammte das Geld möglicherweise nicht von ihm selbst, sondern von Firmen mit Sitz auf der Isle of Man und in Gibraltar, die sich damit in den Wahlkampf eingemischt hätten. Mittlerweile ermittelt die National Crime Agency. Sie soll die bislang verschleierte Kampagnen-Finanzierung offenlegen.“

„Nigel Farage spricht im Interview mit dem „ZDFzoom“-Autor Dirk Laabs ganz offen darüber, wie eng die Lager zusammengearbeitet haben und wie wichtig auch der ehemalige Trump-Berater Steve Bannon für die Kampagne in Großbritannien war“ … Ein Whistleblower, der für die Leave-Kampagne gearbeitet hat, ist überzeugt: „Die verschiedenen Brexit-Kampagnen brachen die Gesetze, griffen dabei auf ein ganzes Netzwerk von Firmen zurück, um mehr Geld ausgeben zu können. Ohne diese Betrügereien wäre das EU-Referendum anders ausgegangen.“

„ZDFzoom“-Autor Dirk Laabs geht in der Dokumentation den Fragen nach: „Mit welchen fragwürdigen Methoden wurde die Mehrheit der Briten vom Brexit überzeugt? Welche Interessen und Profiteure stecken dahinter? Und Laabs fragt bei Akteuren in Brüssel nach, welche Maßnahmen mit Blick auf die Europawahl ergriffen werden sollten und überhaupt könnten, um den Digital-Wahlkampf der Zukunft zu regulieren oder kontrollierbarer zu machen.“

Einen Überblick über alle Blogeinträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

Die Wiederentdeckung Gottes auf dem Planeten Erde für alle denkbaren Universen. Essay.Teil 1

PDF

Wahrheit

  1. Eine Benutzung des Wortes ‚Wahrheit‘ setzt voraus, dass es etwas gibt, was meinem eigenen Denken und Fühlen vorgelagert ist, von meinem eigenen Wollen unabhängig; egal was ich mir wünsche, vorstelle, phantasiere, denke; es ist etwas — ein X, das Andere –, das vorkommt, weil es ‚aus sich heraus‘ vorkommt.
  2. Im Alltag ist es ein Gegenstand, über den ich im Dunklen stolpere, weil ich an dieser Stelle keinen Gegenstand vermutet habe; die Sonne, die mich blendet, weil sie so tief steht; der Kaffee, den ich trinke; der Stuhl, auf dem ich sitze; mein Gegenüber, das auf mich einredet; der Regen, der mit Macht hernieder prasselt …
  3. Diese Selbstverständlichkeit kann schnell ins Wanken geraten, wenn man anfängt, darüber nachzudenken.
  4. Wir wissen, dass wir Menschen phantasieren können, träumen, wir können Halluzinationen haben, Wahnvorstellungen, … oder denken gerade nach. Diesen Beispielen ist gemeinsam, dass derjenige der phantasiert, träumt usw. ‚für sich‘, ’subjektiv‘, etwas erlebt, empfindet, denkt, was ihm in diesem Moment ‚wie wirklich‘ erscheint, obgleich andere Menschen in der Umgebung einer solchen Person zum Schluss kommen könnten, dass die aktuellen Phantasiebilder, Träume usw. nichts mit der aktuellen äußeren Situation dieser Person zu tun haben.
  5. So stellt sich die Person vor, sie sei eine Königin, obwohl sie nach offiziellen Daten nur eine Büroangestellte ist; oder jemand träumt im Schlaf, schreit, schlägt um sich, und wenn dann der Bettnachbar ihn aufweckt, berichtet der Träumer von irgendwelchen Ungeheuern, vor denen er geflohen sei. Jemand anderes hat Drogen genommen und sieht den aktuellen Raum plötzlich ganz anders, umarmt Anwesende oder beschimpft sie, obwohl es keinen äußerlich bekannten Grund dafür gibt. Andere fühlen sich verfolgt, haben panische Ängste, verstecken sich, schließen sich ein, kaufen Waffen, aber es gibt niemand, der ihnen nachstellt. Und dann der Denker: er sitzt scheinbar tatenlos auf einem Stuhl, stiert vor sich hin auf ein Spielbrett, und in seinem Kopf denkt er intensiv über verschiedene Möglichkeiten nach, welche Züge er im Spiel machen könnte, Züge, die nur in seinem Denken existieren, nicht auf dem Spielbrett.
  6. Das innere Erleben eines Menschen kann offensichtlich für den Betreffenden so ‚wirklich‘ erscheinen, wie das, was sich von der ‚Außenwelt‘ in seiner ‚Wahrnehmung‘ niederschlagen kann. Und offensichtlich gibt es hier Zustände, in denen der Betreffende in seinem Erleben nicht mehr so richtig (oder gar nicht?) entscheiden kann, ob das Erlebte nun ’nur innerlich, subjektiv‘ vorkommt, oder auch ‚zugleich äußerlich, objektiv, intersubjektiv‘, so, dass andere diese Sachverhalte von sich aus bestätigen könnten.
  7. Die Dinge werden noch schwieriger, wenn man die Sprache einbezieht.
  8. Die Sprache — gesprochen wie geschrieben (oder noch anders) — hat die Besonderheit, dass sich sprachliche Äußerungen normalerweise in kleinere Einheiten unterteilen lassen, die teilweise als diese kleineren Einheiten eine ‚Bedeutung‘ haben; im Zusammenhang der Äußerung können diese unterscheidbaren kleineren Einheiten eine ‚über die einzelne Einheit hinausgehende‘ Bedeutung besitzen. Zugleich spielt die Situation eine Rolle: die gleiche sprachliche Äußerung kann je nach der Deutung der Situation eine ganz unterschiedliche Bedeutung besitzen.
  9. Eine Äußerung wie ‚Ich bitte Dich, mir zu helfen, das Haus zu verkaufen‘, enthält kleinere Einheiten, die wir gewöhnlich ‚Worte‘ nennen. Einzelne Worte wie z.B. ‚Haus‘ haben eine Bedeutung durch Bezug auf gedachte und dann möglicherweise objektive Gegenstände mit bestimmten Eigenschaften. Andere Worte wie ‚zu‘ und ‚das‘ haben keinen direkten Gegenstandbezug. Für jemand, der die deutsche Sprache kennt, deutet sich in dieser sprachlichen Äußerung an, dass eine Person A (die mit dem ‚Ich‘) eine andere Person B (die mit dem ‚Dich‘) ‚bittet‘ bei einem Hausverkauf zu helfen. Wenn die beiden Personen A und B voneinander gesellschaftlich unabhängig sind, die Person B dem A in keiner Weise verpflichtet ist, dann ist die ausgesprochene Bitte typisch und der Ausgang offen. Wenn aber B dem A irgendwie verpflichtet ist, von A vielleicht sogar sehr direkt abhängt, dann kann diese Bitte eher als ein Befehl verstanden werden, den B dann aus gesellschaftlichen Gründen nicht wirklich ablehnen kann. Dies setzt voraus, dass man die sprachliche Äußerung als Teil eines größeren sozialen Zusammenhangs erkennt, dessen Eigenschaften die Bedeutung beeinflussen können.
  10. Es gibt aber noch weitere Unwägbarkeiten. Wenn in der Äußerung davon gesprochen wird, ‚das Haus‘ zu verkaufen, dann unterstellt A, dass B ‚weiß‘, welches Haus ‚gemeint‘ ist. Wenn die sprachliche Äußerung aber in ‚Abwesenheit des Hause‘ getätigt wird, dann existiert ‚das Haus‘ nur im ‚Wissen‘ der beiden beteiligten Personen A und B. Zumindest unterstellt A, dass B ‚weiß‘, welches Haus A ‚meint‘. Dies funktioniert, wenn es in der Vergangenheit eine Situation gab, durch die eindeutig genug ein ganz bestimmtes Haus identifiziert worden ist, also ‚das Haus‘ von dieser erinnerbaren Situation. Dies kann funktionieren. Wenn diese erinnerbare Situation aber nicht eindeutig war, wenn schon in dieser Situation zwar von ‚dem Haus‘ geredet wurde, aber schon in der damaligen Situation A an ein anderes Haus gedacht hat als B und beide diesen Unterschied nicht bemerkt haben, dann wird B möglicherweise zustimmen und für sich an ein anderes Haus H1 denken als A, der an das Haus H2 denkt. Irgendwann werden beide vielleicht merken, dass sie mit ‚das Haus‘ zwei verschiedene Objekte meinen, spätestens dann, wenn sie zu dem Haus hinfahren würden. Solange sie dies nicht tun leben Sie mit ihren privaten, subjektiven Vorstellungen von einem Hausobjekt H1 bzw. H2, benutzen die gleichen Worte, und merken nicht, dass sie beide etwas ‚Verschiedenes meinen‘.
  11. Ein Bezug zur Außenwelt unter Zuhilfenahme einer Sprache kann also unterschiedlich missverständlich sein. Die Worte können im Kopf, im ‚Innern‘, im Denken eines Sprecher-Hörers, einen Sachverhalt induzieren, hervorrufen, aktivieren, der für ‚wirklich‘ angenommen wird, obgleich sich diese Vorstellungen in den Köpfen verschiedener Sprecher-Hörer unterscheiden können, trotz gleicher Worte.
  12. Bei sogenannten ‚abstrakten Bedeutungen‘, wie sie sich bei Worten finden wie ‚Freiheit‘, ‚Demokratie‘, ‚Bewusstsein‘, ‚das Dasein‘, ‚Existenz‘, ‚Glauben‘, ‚Gott‘, ‚Paradies‘, ‚Mathematik‘ usw. kann man in der Regel nicht von vornherein von einer allen gleichermaßen bekannten ‚Bedeutung‘ ausgehen. Worte mit solchen Bedeutungen haben einen solch vielschichtigen Verwendungszusammenhang, dass man bei ihrem Gebrauch grundsätzlich vorher mit allen Beteiligten klären sollte, welche Verwendungszusammenhänge sie jeweils voraussetzen.
  13. Sprechen wir im Alltag von ‚Wahrheit‘ dann unterstellen wir einen Zusammenhang zwischen Sprecher und Umwelt derart, dass eine Aussage wie ‚Es regnet‘ sich auf einen realen, objektiven Vorgang in der Umwelt bezieht, der von anderen auch so wahrgenommen wird (oder werden kann), der jetzt stattfindet. Bei der Aussage, ‚Ich war gestern in Frankfurt‘ wird es schwieriger. Ob die Aussage als ‚wahr‘ bezeichnet wird, hängt davon ab, ob sich nachweisen lässt, dass der Sprecher einen Tag früher tatsächlich in der Stadt mit Namen Frankfurt war, und dass der Sprecher mit der Aussage ‚Ich war gestern in Frankfurt‘ diesen Sachverhalt meint. Wenn der Sprecher während der Aussage für sich gedacht hat, dass er sich nur vorgestellt hat, dass er in Frankfurt gewesen sei, dann wäre die Aussage nach üblichem Sprachverständnis ‚falsch‘, da man bei solch einer Aussage unterstellt, dass der Sprecher tatsächlich in Frankfurt war. Wenn eine Sprecherin sagen würde ‚Ich werde morgen nach Frankfurt fahren‘, dann wäre der Wahrheitsgehalt noch offen. Sie kündigt ein Ereignis an, das in der Zukunft stattfinden soll. Ob es tatsächlich stattfinden wird, muss man erst mal ’sehen‘. Es ist eher eine ‚Absichtserklärung‘, allerdings eine mit potentiellem Wahrheitsanspruch. Falls die Sprecherin während der Aussage denkt, dass Sie nicht wirklich nach Frankfurt fahren will, wäre ihr Aussage nach normalem Verständnis eine ‚Lüge‘ oder eine ‚Täuschung‘. Allerdings, wenn die Sprechsituation locker ist, man gerade ‚herum spinnt‘, man Möglichkeiten überlegt, es nicht so ganz ernst zugeht, dann wäre die Aussage eine Meinungsäußerung ohne klaren Wahrheitsstatus.
    Fassen wir zusammen: Das Reden von ‚Wahrheit‘ setzt voraus:

    1. Es gibt mindestens einen Sprecher A und mindestens einen Hörer B
    2. Beide benutzen die gleiche Sprache L in einer gemeinsam geteilten Situation S
    3. A und B können zwischen Innen (subjektiv) und Außen (objektiv) unterscheiden.
    4. Für A und B haben die hörbaren und/ oder lesbaren Ausdrücke E der Sprache L eine subjektive Bedeutung Y, die mit Sachverhalten X in der Umgebung korrespondieren können.
    5. Wenn A einen Ausdruck E mit der subjektiven Bedeutung YA(E) — aus der Sicht von A — äußert, und dieser Äußerung von E ein Sachverhalt X korrespondiert, den B auch wahrnehmen kann, so dass durch den Ausdruck E und dem Sachverhalt X bei B die subjektive Bedeutung YB(E) aktiviert wird, dann würde aus Sicht von B eine ‚wahre Aussage E‘ vorliegen, wenn der Sachverhalt X mit seiner Bedeutung YB(E) ‚korrespondiert‘.
    6. Da die subjektive Bedeutung Y eines Ausdrucks E mit einem Sachverhalt X korrespondieren soll, muss der Sachverhalt X auch als eine wahrnehmbare Größe XSprecher-Hoerer so vorliegen, dass die subjektive Bedeutung YSprecher-Hoerer sich direkt mit dem Sachverhalt vergleichen lässt. Dies bedeutet, es bedarf einer subjektiven Vergleichsoperation XSprecher-Hoerer = YSprecher-Hoerer ?. Dies bedeutet, sowohl die subjektive Bedeutung Y wie auch der wahrgenommene Sachverhalt X stellen subjektive Größen dar; sie unterscheiden sich nur durch die Art der Hervorbringung: YSprecher-Hoerer wird durch subjektive Aktivitäten generiert und XSprecher-Hoerer wird durch Sinnesorgane des Körpers über das Gehirn generiert. Die Menge der subjektiven Gegebenheiten soll hier technisch als ‚Phänomenraum (PH)‘ bezeichnet werden. Es würde dann gelten dass alle Arten von aktuell wahrgenommenen Sachverhalten X eine Teilmenge des Phänomenraums PH sind und ebenso alle aktuell generierten subjektiven Bedeutungen Y, als XNOW ⊆ PH und YNOW ⊆ PH.Ferner würde gelten YNOW ∩ XNOW = 0
    7. Dabei muss man sich klar machen, dass es zwischen der jeweiligen subjektiven Bedeutung YSprecher-Hoerer und einem sprachlichen Ausdruck E auch eine hinreichend klare und stabile Korrespondenz geben muss. Dies setzt wiederum voraus, dass der hörbare oder sichtbare sprachliche Ausdruck E eine interne Repräsentation ESprecher-Hoerer haben muss, die mit der subjektiven Bedeutungsrepräsentation YSprecher-Hoerer assoziiert ist. Dabei ist zu beachten, dass es eine sprachliche Bedeutung im engeren Sinne gibt, nur bezogen auf den Ausdruck, und eine Bedeutung im weiteren Sinne, insofern der situative Kontext C(Sprecher,Hoerer) zu berücksichtigen ist. Es muss also eine Beziehung folgender Art geben: Meaning : CSprecher-Hoerer x ESprecher-Hoerer —> YSprecher-Hoerer. Dies führt zu den Erweiterungen: CNOW ⊆ PH sowie YNOW ∩ XNOW ∩ CNOW = 0.
  14. Schon diese stark vereinfachende Rekonstruktion lässt erkennen, wie schwierig es ist, zu wirklich wahren Aussagen im Kontext einer Kommunikation zu kommen. Haben zwei Personen eine unterschiedliche Wahrnehmung, dann kann dies schon zu Missverständnissen führen. Haben Sie bei der Zuordnung zwischen wahrgenommenem Sachverhalt X und Bedeutungskonzept Y Unterschiede, funktioniert es auch nicht. Ferner muss die Situationszuordnung passen, und, am allerwichtigsten, die Zuordnung von Ausdruck und Bedeutung muss gleich sein. Alle diese Bedingungen herzustellen und zu überprüfen, erfordert viel Aufmerksamkeit und vielen guten Willen.
  15. Die vielen Kommunikationsprobleme im Alltag zeigen, dass es in der Tat schwierig ist; dazu kommen die vielfältigen systematischen Manipulationen von Sprache aus unterschiedlichsten Gründen (Lügen, Werbung, Propaganda, Indoktrination, Fälschung, Unterhaltung, Fiktion,…).

Eine  Fortsetzung findet sich HIER.

Pausenmusik 🙂

PS: Eine Ergänzung zu diesen Überlegungen könnte das Memo zur Philosophiewerkstatt vom 8.Oktober sein.

KONTEXT BLOG

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PLANET DER AFFEN: SURVIVAL – Nahe an einer Bankrotterklärung? – Andere Sichten

Übersicht

Eigentlich nur ein Film, aber wenn man den aktuellen kulturellen Kontext bedenkt, vielschichtig, nicht nur negativ. (Anmerkung: der englische Titel des Films lautet: War for the Planet of the Apes)

I. DIE GESCHICHTE

1) Wie man in Wikipedia-DE nachlesen kann gründet die dreiteilige Verfilmung auf einem Roman, dessen Ausgangsszenario darin besteht, dass ein an Affen getestetes virales Medikament gegen Alzheimer diese so intelligent gemacht hatte, dass sie ausbrechen und ihre eigene Zivilisation gründen konnten. Unter Menschen führte das Medikament zu der meist tödlich verlaufenden ’Affengrippe’, die hoch ansteckend war und die sich rasant verbreitete.

2) Mikrobiologisch ist dieser Plot in seiner spezifischen Doppelwirkung ziemlich unsinnig, aber er liefert ein interessantes Szenario, um Menschheit und veränderte Tierwelt in ungewöhnlichen Konstellationen zu konfrontieren.

3) Im dritten Teil gibt es nur noch wenige Menschen, die als zwei verfeindete Militäreinheiten vorkommen. Die eine Einheit genannt Alpha-Omega, die die Affen bekämpft und auszurotten versucht, die andere, die lange Zeit nur in Anspielungen auftaucht, in Andeutungen, die möglicherweise die Alpha-Omega Einheit besiegen will.

4) Die Darstellung der Soldaten selbst mit all ihren Waffen kommt sehr realistisch daher (sogar als 3D-Ereignis), ist aber in nahezu jeder Hinsicht bizarr unrealistisch.

5) Dazu gibt es als Gegenspieler die intelligenten Affen unter ihrem legendären Anführer Cäsar. Diese werden im Kontrast zu den rein militärischen Menschen als ein soziales Gebilde dargestellt mit Jung und Alt, Frauen und Männer, mit normalem gesellschaftlichen Leben, und manifestieren darin das, was man von menschlichen Gesellschaften her kennen kann (nicht muss, da es in den aktuellen menschlichen Gesellschaftsformen viele soziale Formen gibt, die kaum noch ’traditionelle’ Muster erkennen lassen).

6) Das Verhältnis zwischen den Soldaten-Menschen und den intelligenten Affen ist aus der Vergangenheit heraus sehr belastet, kommt aber im dritten Teil immer nur indirekt vor (Andeutungen, Erinnerungen, Handlungsreflexe…). Und damit der Zuschauer gleich weiß, wo hier die Guten und Bösen sind, beginnt der dritte Teil mit einem Überraschungsangriff auf das Lager der Affen. Während der Anführer der Affen, Cäsar, nach dem Sieg einige Gefangene wieder großzügig ziehen lässt mit der Hoffnung auf Besinnung, folgt ziemlich bald der nächste Überraschungsangriff als Kommandounternehmen, durch das Cäsar Frau und Sohn verliert.

7) Dies führt zu einer Expedition von Cäsar und wenigen Getreuen, die letztlich zur Entdeckung des Hauptlagers der Alpha-Omega Einheit führt, die dort eine Art Affen-Konzentrationlager betreiben. Wofür die Arbeit der Affen gut sein soll, erschließt sich nicht wirklich. Das Konzentrationslager mit seinen grausamen Methoden liefert allerdings genügend Anlässe, um die Emotionen gegen die Soldaten-Menschen und für die fühlenden intelligenten Affen weiter anzufachen.

8) Wie in jedem klassischen Schurkenstück gibt es aber ein Happy-End für die Unterdrückten. In einem Endgefecht greifen die bis dahin nur in Zitaten existierenden anderen Soldaten-Menschen die Einheit Alpha-Omega an und können diese (mit Unterstützung der Affen) vollständig vernichten (Feuer, Explosionen, das große Inferno). Als die Sieger plötzlich Cäsar entdecken, der sich noch in der Nähe des Lagers befindet, und sie auf ihn schießen wollen, donnert eine gigantische Schneelawine aus den Bergen ins Tal herab und begräbt das Lager mit allen Soldaten-Menschen unter sich.

9) Nachdem sich der Schneestaub verzogen hat sieht man in den Baumkronen der stehen gebliebenen Bäumen überall die Affen, die zuvor hatten fliehen können. Der Film endet in wunderschönen Naturbildern, die Affen habenüberlebt, und Cäsar stirbt friedlich als großer Retter seiner Volkes.

II. ALS WAHRNEHMUNGSERLEBNIS

1) Der Film kommt als 3D-Film daher. Die im Kino erhältlichen 3D-Brillen vermitteln weitgehend 3D-Eindrücke, allerdings nicht wirklich perfekt. Irgendwo ist diese ganze 3D-Idee auch unsinnig: das menschliche Gehirn wurde im Laufe von Millionen von Jahren darauf ausgelegt, aus den 2D-Pixeln der Netzhaut 3D-Asichten einer Welt zu generieren. Dies macht das Gehirn so perfekt, dass jeder Mensch spontan immer eine räumliche Welt sieht, obgleich die Netzhaut nur Lichtpunkte einer 2D-Oberfläche besitzt, dazu noch auf den Kopf gestellt, auf zwei Augen verteilt, mit unterschiedlichen Schärferegionen. Niemand nimmt aber diese Netzhautwirklichkeit wahr; jeder sieht eine perfekte 3D-Welt. Und das Gehirn ist trainiert, aus 2D-Bildern und Filmen ein 3D-Erlebnis zu machen; im Falle von Bildern ’weiß’ dann jeder auch, dass es ’Bilder’ sind und noch nicht die ’reale Welt’. Vielfach eine sehr nützliche Information.

2) Wohltuend in der Wahrnehmung dieses Films war die gewollte Dauer von vielen Einstellungen; das Verweilen in Situationen, länger als in vielen neuen Filmen üblich. Als Zuschauer hatte man Zeit zum ’Verarbeiten’, zum ’Fühlen’, zum ’denkenden Sehen’.

III. KULTURELLE VOREINSTELLUNGEN

1) Man kann den Film nach kurzer Betrachtung wieder vergessen, wie es so viele Filme gibt, die heute über die Leinwand und den Computerbildschirm rauschen, das Gemüt ein wenig kitzeln, das Gehirn ein wenig in Richtung Markenfixierung programmieren, und im Rausch der bunten Bilder die Alltagsbilder vergessen machen.

2) Man kann den Film aber auch zum Anlass nehmen, ein wenig darüber nachzudenken, welche Botschaften er aussendet, direkte Botschaften, aber auch indirekte Botschaften.

3) Die direkten Botschaften sind eher langweilig, konventionell und erschöpfen sich weitgehend im zuvor geschilderten Plot.

4) Die indirekten Botschaften sind eher interessant.

5) Bedenkt man, dass die meisten Menschen heute ihre Welt aus einer Alltagsperspektive erleben, in der sie selbst kaum noch brauchbares Weltwissen besitzen: Täglich vollgedröhnt mit fragmentierten Nachrichten, einer Fülle von Marketing-Informationen über mehr oder weniger sinnlose Produkte, einer spezialisierten – oft sinnfreien – Arbeitswelt, einem gestressten Alltag, einer erlebnisorientierten Freizeitwelt ohne weiterführende Kontexte, ein Menschenbild, das zwischen blassen Erinnerungen einer religiös eingefärbten Humanität (selbst das bei vielen nicht mehr), und Fragmenten wissenschaftlicher Erkenntnisse, die keinerlei schlüssiges Gesamtbild liefern, …. dann kann man den Film auch sehen als ein Ausdruck eben dieses Verlustes an einer grundlegenden und umfassenden Perspektive.

6) Im Film erscheinen die Menschen nur noch als verzerrte, gefühllose Wesen, umfassend zerstörerisch, nichts aufbauend, blind für das wahre Leben. Und die einzige Quelle von Hoffnung sind jene Lebewesen, die wir bislang als ’Tiere’ kennen, die wir als Menschen (obgleich selbst biologisch Tiere) vielfach brutal ausrotten oder nur zum Verzehr unter unwürdigsten Bedingungen züchten. Und die Hoffnung auf eine Zukunft des Lebens wird in diese Tiere, in diese Affen, projiziert, in Gestalt einer genetischen Veränderung, die dann quasi automatisch, über Nacht, zu einem psychologischen Profil führt, das Affen ermöglicht, intelligent, gefühlvoll, sozial miteinander und der Natur umzugehen.

IV. DAS WAHRE DRAMA

Vieles an dem zuvor angesprochenen Klischee ist richtig und die Umsetzung dieses Klischees in die Handlung des Films hat eine gewisse Logik und Folgerichtigkeit. Dennoch kann – und muss? – man die Frage stellen, ob es die ’richtige’ Folgerung ist.

A. Künstlerisch

1) Bei künstlerischen Ereignissen – und Filme werten wir schon noch als Kunst, bei allem realem Kommerz – sollte man eigentlich die Frage nach der ’Richtigkeit’ nicht stellen, da Kunst sich ja gerade über einen spielerisch-kreativen Umgang mit der Wirklichkeit definiert und uns darin, möglicherweise, Aspekte unserer Wirklichkeit sichtbar machen kann, die uns anregen können, das Leben ’besser’ zu verstehen.

2) Und doch, selbst im Spielerisch-Kreativen der Kunst kann und muss man die Frage erlauben, ob es irgendetwas zeigt, sichtbar, erlebbar macht, was uns weiter führen könnte, ansonsten verliert auch die Kunst ihre Lebensfunktion.

B. Wissen

1) Und hier spielt jetzt das ’Wissen’ eine wichtige Rolle. Wissen ist jener spezielle Zustand im Gehirn eines Menschen, in dem die erlebten und denkbaren Aspekte unserer Welt sich zu Mustern, Bildern, Modellen zusammenfinden können, die Zusammenhänge sichtbar machen, Abläufe, mögliche Entwicklungen. Im ’Lichte unseres Wissens’ können wir dann – nicht notwendigerweise – unsere aktuellen Alltagseindrücke einordnen, relativieren, gewichten, und Zusammenhänge sichtbar machen, die uns weiterführende Bewertungen und dann Handlungen ermöglichen.

2) Und es sind gerade die vielfältigen Erkenntnisse aus den Wissenschaften der letzten 10-20 Jahren, die ein Bild des Universums, unseres Sonnensystems, des biologischen Lebens samt seiner kulturellen Ausprägungen ermöglicht haben, die den Menschen (uns selbst als homo sapiens) im Kontext des gesamten biologischen Lebens völlig neu betrachten lassen.

C. Leben und seine Grenzen

1) Vor diesem möglichen Gesamthintergrund (viele Beiträge in diesem Blog haben versucht, Teile davon zu artikulieren) werden mindestens zwei Botschaften sichtbar: das eine ist eine vertiefte Sicht auf die ungeheuerlich komplexen Zusammenhänge des biologischen Lebens, das als das größte Wunder im bekannten Universum bezeichnet werden muss. Das andere ist die Erfahrung der Letzten paar tausend Jahre, speziell auch der letzten 100 Jahre, dass wir Menschen zwar einerseits eine immer komplexere Welt schaffen konnten, dass wir aber mit unseren individuellen Körpern (Gehirn, Gefühlen, Denkfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, soziale Interaktionen, Vorausschau,…) an Grenzen angekommen sind, um mit dieser komplexen Welt weiterhin konstruktiv positiv, nachhaltig umzugehen.

2) Ein klein wenig können wir mittlerweile eine ganz neue, fantastische Welt erahnen und fühlen, aber zugleich erleben wir konkrete Grenzen, Endlichkeiten, Bedürfnis-Gefühls-Chaos, destruktive Kräfte, die uns daran hindern, die ganz neue Vision voll zu verstehen, sie voll im Alltag umzusetzen.

3) Diese Hilflosigkeit empfinden viele stark, bis hin zur Ohnmacht. Für die große Mehrheit der Menschheit gibt es kaum wirksame Mechanismen der konstruktiven Verarbeitung; für den Rest erscheinen die Mittel auch schwach, zu schwach?

4) Und in dieser Situation gibt es einen gewissen Trend, selbst in den Wissenschaften (!), die Sache des Menschen als hoffnungslos einzustufen. Die einen schreiben Bücher über die Welt nach dem Aussterben des homo sapiens, die anderen ergehen sich in filmische Untergangsszenarien, andere werfen ihren ganzen Glauben auf die kommenden (super-)intelligenten Maschinen, die all das richten können sollen, was wir Menschen bislang anscheinend nicht können. Wieder andere suchen ihr Heil in populistisch-autoritären

Bewegungen, die kurzfristig einzelnen Gruppen Vorteile verschaffen sollen auf Kosten aller anderen.

D. Leben als Vision

1) Was aber not täte, das wäre das ruhige, besonnene, sachliche Aufsammeln aller Fakten, die nüchterne Analyse der bislang bekannten Prozesse, um damit – vielleicht – ein neues, breiteres Bild der Ereignisse gewinnen zu können. Ein zentrales Thema ist dabei die Einsicht, dass man die lange bestehende Abgrenzung zwischen einer Welt da draußen’ (Physik, Chemie ..), der Welt der Zellen (Biologie, Mikrobiologie, Genetik…), dem inneren Erleben (Phänomenologie, Spiritualität,…), dem Sozialen (zwischen Menschen, aber auch zwischen Menschen und Umwelt) beendet, und begreift, dass dies alles eine Einheit bildet, und dass der Mensch als homo sapiens nur verstehbar ist, als Teil (!) des gesamten biologischen Lebens, mit all der weitreichenden Verantwortung, die dem Menschen dadurch für das Gesamte erwächst. Dass intelligente Maschinen dem Menschen dabei helfen könnten, die wachsende Komplexität zu managen, liegt nahe und ist als Teil der biologischen Evolution verstehbar, allerdings eben nicht als Anti-Bewegung gegen den Menschen und das übrige Leben sondern als konstruktives Moment am Gesamtphänomen Leben!

2) Es ist sicher kein Zufall in der Evolution des Lebens, dass der Übergang von den ersten Zellen zu kooperativen Zellverbänden fast 2 Milliarden Jahre gebraucht hat (bei einer bisherigen Gesamtdauer der biologischen Evolution von 3.5 Milliarden Jahren). Die Integration vieler komplexer Einheiten auf einer noch höheren Integrationsstufe ist immer eine Herausforderung. Dass es überhaupt soweit kommen konnte, dass sich das Leben im Universum durch den homo sapiens gleichsam ’selbst anschauen’ kann und darin ’seine eigene Zukunft vorwegnehmen’ kann, ist ein bis heute schwer fassbares Phänomen. Was ansteht, ist eine konstruktive Integration von biologischem Leben als Ganzem inklusive dem homo sapiens inklusive der biologisch ermöglichten Kultur (inklusive Technologie) als Phänomen IM physikalischen Universum, als TEIL des physikalischen Universums, als jenes Moments, das sämtliche bekannten physikalischen Gesetze nachhaltig beeinflussen kann. Wenn wir irgendetwas über das physikalische Universum gelernt haben, dann dieses, dass es keine festen, starren ’Naturgesetze’ gibt. Die Physik ist ganz am Anfang, dies zu verstehen, und es wäre sicher nicht uninteressant, Physik und Biologie ein bisschen mehr zu verzahnen; die Physik könnte eine Menge lernen.

V. KONTEXTE

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