Archiv der Kategorie: Ding

DIE NATUR DER ERKLÄRUNG – Kenneth Craig – Diskussion

PDF

ÜBERBLICK

Craik führt in diesem Buch eine breit angelegte Diskussion im Spannungsfeld von Philosophie, Psychologie, Physiologie, Physik und Technik, die einige Hauptthemen erkennen lässt: ein Plädoyer für ein kausales Verständnis der realen Welt, für die Rekonstruktion von Bewusstsein durch Rückgriff auf das Nervensystem, für die zentrale Rolle mentaler Modelle, sowie für die wichtige Rolle von Sprache in allem Erklären.

I. KONTEXT

Alle Themen, die Craik in seinem Buch ”The Nature of Explanation” [Cra43] anspricht, sind Themen, die in verschiedenen Blogeinträgen schon zur Sprache gekommen sind. Das Buch wird daher etwas intensiver diskutiert, um damit die Position des Blogs weiter zu klären. Dabei ist zu beachten, dass Craik nicht nur eine große Linie verfolgt, sondern im Verlauf des Textes viele andere Themen anspricht, die irgendwie auch mit der großen Linie zusammenhängen. Dies macht die Lektüre manchmal etwas mühsam, wenngleich immer interessant. Dem Interesse des Blogs folgend werden daher nur einige Hauptthemen hier weiter diskutiert. Eine Lektüre dieser Themen ersetzt nicht die eigene Lektüre seines Buches.

II. ERKLÄRUNG DURCH KAUSALITÄT

K.Craik - Stichworte aus Kap.1-4
K.Craik – Stichworte aus Kap.1-4

Das Schaubild 1 enthält nur einige der einschlägigen Stichworte von Craig aus den ersten vier Kapiteln, und auch nur kursorisch.

Aus den vielen Argumenten, die gegen die Möglichkeit einer Erklärung durch Kausalität sprechen, stammt das prominenteste von David Hume (1711 – 1776), für den die Beschaffenheit der sinnlichen Wahrnehmung keinen direkten Schluss auf eine kausaler Beziehung der Art ’B ist da durch A’ zulässt. Zu einem bestimmten Augenblick
haben wir einen Momenteindruck, beim nächsten Augenblick auch. Zwischen verschiedenen Augenblicken kann es zwar Unterschiede geben, aber diese lassen nicht zwingend eine Interpretation in Richtung einer kausalen Beziehung zu.

Neben sehr vielen anderen Positionen bespricht Craik auch die Position der modernen Physik sofern sie quantenmechanische Modelle benutzt. Angesichts einer prinzipiellen Messungenauigkeit (Heisenberg, Unschärferelation) und unbeobachtbaren Objekten soll eine direkte kausale Zuschreibung nicht mehr möglich sein. Es gibt nur noch
Regelmäßigkeiten in Form von statistischen Tendenzen. Craik kritisiert in diesem Zusammenhang, dass man aus den Grenzen der Beobachtbarkeit nicht notwendigerweise darauf schließen kann, dass es deswegen grundsätzlich
keine Kausalität mehr gäbe. Ferner weist er anhand vieler Beispiele darauf hin, dass die Theorien der Wahrscheinlichkeit als Theorien starke implizite Annahmen über die vorausgesetzten Ereignismengen machen, die grundlegende Wechselwirkungen, auch in Form kausaler Beziehungen, voraussetzen.

Aus der Sicht Craiks ist die Position Humes nicht ganz korrekt, da das sinnliche Material immer schon in eine Raumstruktur eingebettet ist, die implizite Wechselbeziehungen realisiert (zwei gleichartige Objekte können nicht zugleich auf ein und derselben Raumstelle sein); ferner gehört die Zeitstruktur zur Wahrnehmung (darin über die
rein sinnlichen Anteile hinausgehend), die zumindest potentielle Abfolgen erkennen lassen (B folgt auf A in der Zeit). Dies impliziert zwar nicht unmittelbar eine kausale Beziehung, bietet aber einen Anknüpfungspunkt für eine Hypothese und Experimente. Im Rahmen der Zeitstruktur kann man z.B. allerlei Veränderungen beobachten, z.B.
auch eine Veränderung von Energieleveln. Diese bieten Ansatzpunkte für Hypothesen und Experimente.

Für Craik realisiert sich empirische Wissenschaft durch das Ernst nehmen von vorfindlichen Gegebenheiten, von Fakten, bezogen auf die man Hypothesen bzgl. möglicher Zusammenhänge formulieren kann. Diese Hypothesen kann man dann in Experimenten überprüfen. Sofern sich die Hypothesen bestätigen lassen, soll dies eine gewisse Zufriedenheit auslösen. Geprüfte Zusammenhänge ermöglichen Verstehen, Einsicht, erlauben Voraussagen, mit Voraussagen kann man zukünftige Situationen vorweg nehmen, um sich dadurch auf kommende Situation einzustellen.
Ferner erlaubten geprüfte Zusammenhänge auch unterschiedliche praktische Nutzungen.
Fehlen geprüfte Zusammenhänge, dann kann dies zu Enttäuschungen, ja zu Frustrationen führen. Man kann dann nichts ableiten, nichts voraus sagen, nicht wirklich planen; auch eine praktische Nutzung ist nicht möglich. Man versteht das auslösende Phänomen dann nicht wirklich.

III. DENKEN UND NERVENSYSTEM

K.Craik - Die Erkennungsleistung des Systems Mensch
K.Craik – Die Erkennungsleistung des Systems Mensch

Nach zahlreichen vorausgehenden kritischen Anmerkungen zu unterschiedlichen Positionen in der Philosophie und in den Wissenschaften, geht Craik davon aus, dass der Mensch in einer realen Welt vorkommt. Einige der Ereignisse in dieser Welt können von Sinnesorganen beobachtet werden. Beobachten heißt hier, dass diese Ereignisse sowohl
in interne neuronale Ereignisse übersetzt werden, zusätzlich aber auch in eine symbolischer Sprache  mittels der Bezug genommen werden kann auf viele interne Gegebenheiten, Ereignisse und Prozesse. Das Andere der Symbole ist dann ihre Bedeutung (’meaning’). Was immer auch intern im einzelnen geschieht, es gibt unterschiedliche Prozesse, die abstrakt als Denken, Schlüsse ziehen, Voraussagen machen beschrieben werden. Ein wesentliches Element dieser Prozesse ist das Generieren von internen, mentalen Modellen, deren Analogien mit der realen
Außenwelt so groß sind, dass wichtige Eigenschaften und Prozesse der Außenwelt in ihren kausalen Beziehungen so nachgebildet werden können, dass auf ihrer Basis einigermaßen zuverlässige Voraussagen über die Zukunft gemacht werden können, die sich überprüfen lassen.

Craik wirft auch die Frage auf, welche Eigenschaften am Nervensystem es wohl sind, die alle diese Leistungen ermöglichen? Anhand verschiedener Verhaltensphänomene (visueller Reiz, Retina, Adaption, Differenzierung, Ähnlichkeit, bewusst – unbewusst, Reflexe, Zahlen und deren Nutzung, Gedächtnis, Lernen, Gefühle, …) diskutiert er
dann die Anforderungen, die an das System gestellt werden und überlegt, ob und wie diese Anforderungen rein technisch bzw. mittels des Nervensystems eingelöst werden könnten. Diese Überlegungen sind in ihrem grundsätzlichen Charakter interessant, aber der Stand des Wissens in seiner Zeit zum Nervensystem und zu neuronalen Modellen
war nicht ausreichend, um alle diese Phänomene verbindlich diskutieren zu können.
Immer wieder stellt er die zentrale Rolle der symbolischen Sprache heraus, mittels der sich komplexe Strukturen und Modelle generieren lassen, mit denen Erklärungen möglich werden, Voraussagen und auch die Koordinierung zwischen den Gehirnen.

Bei seiner Beschreibung der realen Welt fällt auf, dass er stark fixiert ist auf einfache physikalische Strukturen; die Besonderheit und Komplexität biologischer Systeme tritt wenig hervor. Dies obgleich er ja die komplexen Strukturen von Menschen sehr wohl diskutiert.

Er sieht allerdings schon ein Eigengewicht der mentalen logischen Strukturen gegenüber der ’reinen Maschinerie’ des Nervensystems, insofern das Nervensystem als solches funktioniert unabhängig von Logik und Bedeutung. In wissenschaftlichen Kontexten aber muss auch Logik und Bedeutung stimmen, andernfalls gelingt die Argumentation
nicht. Allerdings, auch hier gilt, dass auch eine Logik und mögliche Bedeutungen im mentalen Bereich ebenfalls Leistungen des Nervensystems sind. Das gerade ist das Besondere. Reine Introspektion kann zwar die phänomenale Seite des Geistes enthüllen, nicht aber seine neuronale Seite. Dazu bedarf es mehr als Introspektion.

Craik postuliert auch den Faktor der Gefühle (’feelings’) und der Emotionen (’emotions’) als grundlegend für das Verhalten. Zufriedenheit und Unglücklich sein sind starke Motive für das gesamte Verhalten. Wissenschaft lebt davon, Kunst, aber auch viele psychische Krankheiten scheinen mit einem Missmanagement der Gefühle zu tun zu haben.
Das Wechselspiel zwischen Gefühlen und dem gesamten Lebensprozess umschließt nach Craik viele Faktoren, viele dabei oft unbewusst, so dass das Erkennen der Zusammenhänge in der Regel nicht einfach ist. Klassische Ethik und Moral dagegen tendieren zu Vereinfachungen, die dann sachlich unangemessen sind.

IV. DISKURS

Die vorgestellten Gedanken von Craik sind, wohlgemerkt, nur eine Art Extrakt, viele interessante Details bleiben ungesagt. Für das Anliegen des Blogs kann dies aber u.U. genügen.

Das Thema empirische Wissenschaft, Messen, Erklären usw. steht in Übereinstimmung mit dem, was bislang angenommen wurde. Craik ist sehr bemüht, die Perspektive der Introspektion zu übersteigen, da er zu Recht erkennt, dass diese allein nicht ausreicht. Zugleich sieht er sehr wohl eine gewisse Eigenständigkeit der introspektiven Dimension. Was er aber nicht leistet, das ist ein Aufweis, wie man methodisch sauber beide Dimensionen kombiniert [Anmerkung: Dass eine empirischer Herangehensweise allein die Gesamtheit des Phänomens aber auch nicht erreichen kann, dies spricht Craik nicht
an. Letztlich haben wir es hier mit einem methodischen Deadlock zu tun: Introspektion benötigt zusätzlich empirische Methoden, empirische Methoden benötigen zusätzlich sehr dringend Introspektion. Dieses methodische Problem ist bis heute nicht befriedigend gelöst.] Im Blog gab es dazu zumindest einige Versuche.

Die gezielte Nachfrage danach, wie man welche der introspektiv und im Verhalten zugänglichen Eigenschaften des Menschen mittels neuronaler Mechanismen modellieren könnte, wurde hier im Blog noch nicht diskutiert. Es gibt dazu einige Skript aus Vorlesungen, die aber bislang keinen Eingang in den Blog gefunden haben [Anmerkung: Dazu findet sich mehr in dem korrespondierenden Blog uffmm.org.4].  Die Frage
ist aber tatsächlich philosophisch relevant. Die Frage wurde vom Autor cagent bislang deswegen in diesem Blog kaum diskutiert, weil er der Frage nachging, ob und wieweit man neuronale Netze durch andere mathematisch äquivalente Mechanismen ersetzen kann um dann die Fragen nach der Substitution dann mit diesen anderen Strukturen zu untersuchen. In den letzten Jahren sind neuronale Netze so populär geworden, dass sich kaum jemand noch dafür interessiert, ob und welche alternativen Formalismen es auch tun würden und möglicherweise einfacher. Grundsätzlich ist seit langem bekannt, dass neuronalen Netze nicht mehr können als im Konzept der Turingmaschine definiert ist. Man muss also aus theoretischen Gründen keine Neuronalen Netze benutzen, wenn
sie denn nicht speziell besondere Vorteile bieten.

Die Lektüre von Craik hat allerdings dazu ermutigt, die Idee der parallelen Analyse von Verhalten, Introspektiv zugänglichem Bewusstseinsraum, sowie Physiologie des Gehirns im Körper weiter Raum zu geben, immer natürlich auch mit Blick auf evolutionäre Entwicklungen unter Einschluss der Kultur. Ferner sollte dabei die parallele Entwicklung intelligenter Maschinen mit reflektiert werden, sehr wohl in Bezugssetzung zu den biologischen Systemen.

Vor lauter Faszination durch die moderne Technik geht vielfach unter, dass die Naturwissenschaften in den letzten 10 Jahren ungeheuerlich interessante Aspekte des biologischen Lebens (und der umgebenden Welt) zutage gefördert haben, die das Bild vom Menschen im Universum eigentlich radikal verändern könnten. Obwohl die Roboter und die KI-Programme vergleichsweise simple Strukturen darstellen, die jeder intelligente Schüler verstehen könnte, wenn man es ihm denn erzählen würde, stoßen wir im biologischen Leben auf immer unfassbare Komplexitäten und Verschiebungen von Perspektiven, die eigentlich alle Aufmerksamkeit erfordern würden.

QUELLEN
[Cra43] Kenneth Craik. The Nature of Explanation. Cambridge University Press, Cambridge (UK), 1 edition, 1943.

FORTSETZUNG

Für eine Fortsetzung der Diskussion siehe HIER.

 KONTEXTE

Einen Überblick über alle Blogeinträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

Einen Überblick über alle Themenbereiche des Blogs findet sich HIER.

CARTESIANISCHE MEDITATIONEN III, Teil 2

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 5.Dez.2011
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

ÄNDERUNGEN: Letzte Änderung 11.Dez.2011 vor 12:00h

CM III, Teil 2

(16) Husserl spricht länger über das Beispiel mit dem Hexaeder (CM2, 16-18). Im Rahmen seines Intentionalitätsmodells gibt es die übergreifende Einheit des cogito, das sich in seinem bewusst Sein auf ein Gegebenes als ‚cogitatum‘ bezieht, das sich in vielerlei ‚Erscheinungsweisen‘  (verknüpft mit einem Seinsmodus und einem Bewusstseinstypus)  darbietet. Dennoch sind diese unterscheidbaren Gegebenheiten nicht isoliert denkbar, sondern nur als Momente einer im cogito vorfindlichen Einheit. Zu dieser im cogito fundierten Einheit gehört auch die phänomenologische Zeitlichkeit, die die einzeln unterscheidbaren Gegebenheiten des cogitatum als ‚Dahinströmen‘, als kontinuierliche Aneinanderreihung erscheinen lassen, deren gedankliche Aufteilung wieder ein Dahinströmendes ergibt und das auch seinen Bewusstseinstypus (hier: Wahrgenommenes) beibehält. Nach Husserl werden eben nicht ‚Dinge‘ in das Wahrnehmen hineingesteckt, sondern diverse konkrete Gegebenheiten werden in der synthetischen Einheit des cogito miteinander zu einem Gedachten‘ verknüpft, und das jeweils Verknüpfte ist selbst wieder Teil dieser Einheit des cogito.

(17)Nimmt man diese Darstellung von Husserl und versucht sie innerhalb des bisherigen Rekonstruktionsmodells (TEgo: Ph_(*) x DLOG[+ONT] —> Ph_(*) x DLOG[-ONT]) einzuordnen, dann ergibt sich folgendes: das jeweilige cogitatum mit seinen unterschiedlichen Gegebenheitsweisen gehört als Phänomen ph_i zur Menge der Phänomene Ph_(t). Die ‚zeitliche Dimension‘ des Aufeinanderfolgens  soll aber  ‚koexistent‘ sein mit dem einzelnen Phänomen, hebt es einerseits nicht auf, aber ist so verfügbar, dass ich das einzelne als Teil eines ‚Ganzen‘ ‚erleben‘ kann. Nach der bisherigen Annahme ist ein Phänomen ein komplexes Gegebenes mit den Momenten  ph = <e,p,m,c>. Eine genaue Definition gibt es noch nicht, da Husserls Ausdrucksweise hier nicht sehr präzise ist. Würden wir ‚e‘ als das sich einzeln (?) ereignende Gegebene annehmen, das hier einerseits ein sinnlich Wahrgenommenes ist –z.B. p_vis– im Seinsmodus eines ‚Wahrgenommenen‘ m_wahrg, das begleitet ist von dem Wissen um ein Eines –also etwa c als ‚Ergebnis‘ aus dem bisherigen c(t-1) und dem ’neuen‘  c(t)–   dann wären die Momente ‚e,p,m,c(t-1)‘ der ‚Input‘ und ‚e,p,m,c(t)‘ wäre der ‚Output‘  durch den Bezug zum cogito. Die ‚Herstellung‘ der Einheit würde dann eine Leistung des Denkens DLOG sein: was immer zu einem bestimmten Augenblick das Wissen um einen bestimmten Gegenstand –wie z.B. ein Hexaeder– ausmachte, sobald ein neues Moment <e‘,p‘,m‘> auftritt, das mit dem bisherigen cogitatum <e,p,m,c(t-1)> in einen Zusammenhang (aufgrund von ‚Ähnlichkeiten‘) gebracht werden kann, wird das neue Moment über DLOG mit dem bisherigen vereint zu <e‘,p‘,m‘,c(t)> mit DLOG: C(t-1) —> C(t) und c in C. Generell gilt aber bislang, dass innerhalb der Synthese des cogito alle Aspekte der Phänomene ‚verarbeitet‘ werden können (DLOG: Ph_(*) —> Ph_(*)), selbst das sich ‚ereignende‘ einzelne Phänomen kann bzgl. seines Auftretens ‚e,p,c‘ streng genommen eine Veränderung dahingehend erfahren, dass das cogito die ursprüngliche Wahrnehmung schon so abändert, dass das Wahrgenommene selbst mehr ‚Interpretiertes‘ ist als ‚induziertes Ereignis‘ unabhängig vom Denken.

(18) Zeilen wie die von CM2,18,Zeilen 22-30 mit dem Kernsatz ‚..einheitlich und in der Form der immanenten Zeit sich beständig objektivierend‘ (CM2,18,Z29f) können in dem bisherigen Rekonstruktionsmodell jedenfalls eine Interpretation finden.

(19) Husserl kommt dann auf jene wundersame Eigenschaft des transzendentalen ego zu sprechen, durch die das konkret ‚reell erlebte‘ Einzelne in einer übergeordneten Einheit so erlebt werden kann, dass das einzelne in einem (Sinn-)Zusammenhang mit anderen einzelnen gelangt, durch den ein einzelnes mit einem Mal Teil eines ‚Gegenstandes‘ werden kann, oder Ausgangspunkt eines möglichen Zustandes, den es geben könnte, oder ein Zustand  erscheint als Alternative zu einem anderen aktuell gegebenem oder vorstellbaren Zustand. (vgl. CM2,SS18f).  Dieses über die Aktualität Hinausgehen können in eine reell vorgestellte/ gedachte Möglichkeit nennt Husserl ‚Potentialität‘ und mit Bezug auf das reelle Erleben spricht er in diesem Zusammenhang auch von dem ‚Horizont‘ des Erlebens (z.B. CM2,S19,Z22-27).

(20) Im Rekonstruktionsmodell TEgo: Ph_(*) x DLOG[+ONT] —> Ph_(*) x DLOG[-ONT]ist dieses Aktualität mit Horizont und intentional realisierte Potentialität dadurch gegeben, dass innerhalb des transzendentalen Ego TEgo die ‚eingebaute‘ Denklogik DLOG die Möglichkeit bietet, jedes beliebige Phänomen als ‚reell Erlebtes‘ in beliebige Zusammenhänge einordnen zu können, sowohl als Teil eines größeren Ganzen, als logische Alternative, als mögliche (zeitlich) Fortsetzung, usw. ‚Horizont‘ und ‚Potentialität‘ folgen aus de Grundannahme des TEgo als einer partiell rekursiven Abbildung. Damit ist jegliche Einheit von jeglicher Vielheit möglich, als intentionales Etwas, das nur im Bewusstsein ist.

(21) Für Husserl eröffnet sich für die phänomenologische Deskription und Methodik hier eine ’neue Methode‘, nämlich die Erforschung von möglichem Sinn und Sein durch ‚Enthüllen‘ und  ‚Herausstellen‘ des im Horizont, in der Potentialität ‚implizit‘ Gemeinten (vgl. CM2,S19,Z28ff). Dieses implizit Gemeinte wird ‚evident‘ durch Ausfaltung des im Horizont beschlossenen Potentials, indem das Denken eine ‚Folge von möglichen Wahrnehmungen‘ erzeugt, durch die sich potentieller Sinn enthüllt. Solche potentiellen Enthüllungen sind der Gegenstand von phänomenologischer Deskription und Analyse. Natürlich dann nicht beschränkt auf einzelne Sinne (als Plural von ‚Sinn‘), sondern final bezogen auf die allgemeine, universale Struktur von Sinn im Bewusstsein (vgl. CM2,S19f).

(22) Will man von diesen letzten Überlegungen Husserls einen Bezug zum Rekonstruktionsmdell TEgo: Ph_(*) x DLOG[+ONT] —> Ph_(*) x DLOG[-ONT] herstellen, dann ergibt sich ein interessantes Paradox: (i) einerseits müsste man erklären, wie eine phänomenologische Deskription und Analyse innerhalb des Rekonstruktionsmodells möglich ist, andererseits (ii) musss man annehmen, dass das Ergebnis einer solchen phänomenologischen Deskription und Analyse der universalen Strukturen letztlich genau dem Rekonstruktionsmodell entsprechen müsste, andernfalls wäre das Rekonstruktionsmodell unzulänglich.

(23) Was die Möglichkeit einer phänomenologische Deskription und Analyse innerhalb des Rekonstruktionsmodells angeht, so würde man fordern müssen, dass es innerhalb der umfassenden Synthese des transzendentalen ego als ‚Teil‘ der Denklogik DLOG eine ‚Komponente‘ geben muss, die sowohl den auftretenden Phänomenen wie auch ihrer ‚logischen Dynamik‘ sprachliche Ausdrücke so zuordnen kann, dass diese zusammengenommen eine ’sinnvolle Beschreibung‘ ergeben. Prinzipiell ist klar, wie ein solcher ‚Mechanismus‘ aussehen müsste. Wie ‚leicht‘ er sich in einem ‚funktionierenden Bewusstsein‘ ‚realisieren‘ lassen würde, ist eine andere Frage (ein Bewusstsein wie das von Husserl gehört ja bekanntlich nicht zu einem ‚Massenphänomen‘ und selbst dieses Bewusstsein hat immerhin mehrere Jahrzehnte benötigt, um eine ‚Form‘ zu finden, die dann in der Lage war, die Pariser Vorlesungen zu halten).

(24) Bezüglich der Konsequenz, dass das Ergebnis einer phänomenologischen Deskription und Analyse der universalen Strukturen letztlich genau dem Rekonstruktionsmodell entsprechen sollte, muss man die Frage klären, was denn eigentlich eine ‚adäquate Form‘ einer phänomenologischen Darstellung sein sollte? Husserl hat bislang nichts dazu gesagt. Er spricht immer nur über die ‚Inhalte‘ der Analyse. Dennoch benutzt er für seine Gedanken über diese Inhalte und die phänomenologische Deskription und Analyse wie selbstverständlich eine Sprache, hier die deutsche Sprache (selbst für seine Pariser Vorlesungen). Die deutsche Sprache ist aber bekanntlich als ’natürliche‘ Sprache beliebig ‚vieldeutig‘. Sie gewinnt ihre ‚gemeinte Bedeutung‘ durch Identifizierung jener Inhalte, die Husserl ‚gemeint hat‘, als er die Ausdrücke niederschrieb. Da es sich bei dem von Husserl ‚Gemeinten‘ nicht um einfache ‚Gegenstände der intersubjektiven Außenwelt‘ gehandelt hat (meistens nicht), sondern um ‚Gegebenheiten seines individuellen Denkens‘ in seinem ‚individuellen Bewusstsein‘ sind diese ‚gemeinten Inhalte‘ zunächst mal streng genommen für jeden anderen vollständig unzugänglich. Dass er dennoch die Hoffnung hegen konnte, dass das von ihm ‚Gemeinte‘  den  Lesern seiner Zeilen zumindest ‚potentiell zugänglich‘ sein könnte, muss einen ‚Grund‘ haben (andernfalls wäre Husserl ein ‚Verrückter‘, der ‚herumspinnt‘). Husserl hat sich zu diesem ‚Grund‘ bislang nicht geäußert (was von heute aus auffällt, zu seiner Zeit aber den normalen Denkgewohnheiten entsprach). Es ist unklar, ob und wieweit Husserl sich dieser Problematik überhaupt bewusst war. Ziemlich sicher kann man sagen, dass er zu seiner Zeit kaum eine Chance gehabt hätte, diese Frage befriedigend zu beantworten (soweit wir heute die Ideenlandschaft seiner Zeit kennen und beurteilen).

(25) Parallel zu Husserl und dann natürlich noch nach ihm entwickelte sich die moderne formale Logik, die moderne Mathematik und Wissenschaftstheorie, die Denkansätze freilegten, mit denen sich einige der Fragen, die Husserl unbeantwortet lies, beantworten lassen. Allerdings muss man festhalten, dass diese Disziplinen sich mit den gedanklichen Bereichen einer phänomenologischen Deskription und Analyse nahezu überhaupt nicht beschäftigt haben. Das Desinteresse der modernen Wissenschaftstheorie für inhaltsfundierte Analysen hat (meine persönliche Einschätzung) letztlich auch wieder zu ihrer ‚Selbstauflösung‘ geführt. Bis heute hat die Wissenschaftstheorie (im Englischen eher ‚Philosophy of Science‘, was aber die deutsche Bedeutung nicht ganz wiedergibt) jedenfalls keine allzu große Bedeutung für die Wissenschaften gewonnen, was man auf Schritt und Tritt schmerzlich merken kann.

(26) Kommen wir zurück zum ‚Gemeinten‘ von Husserl und zur Frage nach einem ‚Grund‘ für die Unterstellung Husserls, irgendein Leser seiner Texte könnte ‚verstehen‘, was er ‚gemeint‘ hat, wo er doch vornehmlich ’nur‘ über die Tatsachen seines eigenen individuellen Bewusstseins spricht/ schreibt. Generell ist klar, dass seine ‚gelebte Unterstellung‘ nur ‚Sinn‘ ergibt, wenn jeder (oder wenigstens die meisten?) Leser in seinem –von Husserl verschiedenem– Bewusstsein ‚hinreichend Ähnliches‘ vorfinden kann wie Husserl selbst.

(27) Nennen wir ein einzelnes Bewusstsein C_h_i in C_h mit ‚C_h‘ als der Menge aller möglichen ‚Husserl-Ähnlichen Bewusstseine‘. Husserl muss also unterstellt haben, dass –im idealen Fall– jedes dieser einzelnen Bewusstseine C_h_i ‚im Prinzip‘ so ähnlich ist mit seinem eigenen C_h_*, dass alles, was er über die Strukturen seines eigenen Bewusstseins C_h_* sagt mit ‚hinreichender Ähnlichkeit‘ auch in jedem dieser anderen Bewusstseine ‚vorkommt’/ ‚reell erlebbar‘ ist.

(28) Da es klar ist, dass Husserl nicht die jeweils konkreten Inhalte gemeint haben kann, die sich bei jedem einzelnen aufgrund von individuell konkreten Umständen real unterscheiden, muss es um die allgemeinen Strukturen gehen, in denen konkrete Inhalte auftreten, vorkommen, wahrgenommen, erinnert, vorgestellt usw. werden. Also, alltäglich-praktisch: wenn zwei Betrachter auf eine Tasse schauen, die zwischen ihnen steht, hat zwar jeder aufgrund seines unterschiedlichen Wahrnehmungspunktes einen anderen konkreten Eindruck von dieser Tasse, beide können aber anlässlich dieses –und weiterer– Eindrucks offensichtlich ein ‚inneres Konzept‘ von ‚Tasse‘ bilden, das in den unterschiedlichsten konkreten Kontexten ‚hinreichend ähnlich‘ funktioniert. Das deutet auf ‚allgemeine Strukturen‘ ‚in‘ den einzelnen Bewusstseinen hin, die die unterschiedlichen konkreten Ereignisse auf eine allgemeine Struktur hin ‚transformieren‘, die hypothetisch in den verschiedenen Bewusstseinen ‚hinreichend ähnlich‘ funktioniert. Solche allgemeinen Strukturen kann man recht gut mit Hilfe von formalen Modellen beschreiben. Würde also Husserl (was nun leider nicht mehr geht) die von ihm unterstellten allgemeinen Strukturen des Bewusstseins, die für jedes Bewusstsein in gleicher Weise gelten (Arbeitshypothese), mit Hilfe solcher formaler Modelle beschreiben wollen, so könnte er dies z.B. mittels des bisherigen  Rekonstruktionsmodells TEgo: Ph_(*) x DLOG[+ONT] —> Ph_(*) x DLOG[-ONT] tun. Dieses Modell unterstellt genau solche ‚universalen Strukturen‘ von Wahrnehmung, Erinnerung usw. in jedem beteiligten Bewusstsein.

(29) Husserl stellt zwar nicht explizit die Frage nach ‚Strukturen‘ im Erleben, aber er spricht darüber im Kontext: ‚…im Fluß [des Bewusstseinslebens] herrscht eine sehr wohl ausgeprägte Typik. Wahrnehmung… Wiedererinnerung… [retentionales] Leerbewusstsein… dergleichen sind allgemeine, scharf ausgeprägte Typen… Jeden solchen Typus kann ich, allgemein beschreibend,  nach seiner Struktur befragen, und zwar nach seiner intentionalen Struktur, da es eben ein intentionaler Typus ist…wie der eine in einen anderen übergeht…sich bildet…abwandelt…'(vgl. CM2,S20,Z21-34).

(30) Dieses Sprechen Husserls über implizit vorfindliche Strukturen im Fluss des Bewusstseins  bedeutet, dass er diese –ohne dies so ausdrücklich zu sagen– letztlich für jedes einzelne Bewusstsein c_h_i voraussetzt (anders macht seine Rede keinen Sinn).

(31) Schließlich benutzt Husserl hier sogar den Begriff der ‚Theorie‘: ‚Das ergibt also transzendentale Theorie der Wahrnehmung,…transzendentale Theorie der Erinnerung und des Zusammenhangs der Anschauung überhaupt, aber auch transzendentale Urteilstheorie, Willenstheorie, usw.‘ (CM2, S20f,Z37-Z2)

(32) Husserl liefert im Rahmen seiner Vorlesung bis zu dieser Stelle keine Definition –oder vergleichbare Erklärung– des Begriffs ‚Theorie‘. Man weiss an dieser Stelle daher nicht genau, was er meint, wenn er von ‚Theorie‘ spricht. Offensichtlich setzt er aber voraus, dass es diese Strukturen im Erleben sein müssen, die den Ausgangspunkt für das bilden, was er ‚Theorie‘ nennt. Die nachfolgenden Zeilen scheinen dies zu bestätigen, werfen dabei aber auch ein eigentümliches Licht auf seinen Theoriebegriff.

(33) ‚Immer kommt es darauf an, nicht wie objektive Tatsachenwissenschaften bloße Erfahrung <zu> betätigen und das Erfahrungsdatum reell zu analysieren, sondern den Linien intentionaler Synthese nachzugehen, wie sie intentional und horizontmäßig vorgezeichnet sind, wobei die Horizonte selbst aufgewiesen, dann aber auch enthüllt werden müssen‘. (CM2,S21,Z2-8)

(34) Nach diesen Zeilen scheinen die objektiven Tatsachenwissenschaften sich nur mit ‚bloßen Erfahrung‘ zu beschäftigen, dieses ‚reell zu analysieren‘ ohne –so legen es diese Worte nahe– sich mit den darin vorfindlichen Regelhaftigkeiten bzw. Strukturen zu beschäftigen. Schon zu Zeiten Husserls gab es sehr wohl das Konzept allgemeiner formaler Strukturen als Werkzeug, um mittels solcher formaler  Strukturen ‚auffindbare‘ Regelhaftigkeiten zu repräsentieren. Diese formale Strukturen kombiniert mit ihrem jeweiligen empirischen Bezug zusammen wurden als ‚Theorien‘ gehandelt. D.h. auch die sogenannten objektiven Tatsachenwissenschaften sind nur interessant, weil sie Einzelereignisse durch Bezug auf ‚darin sich zeigende Regelhaftigkeiten (= Typen, Strukturen)‘ in Form von formalen (mathematischen) Strukturen repräsentieren und die unterstellten Strukturen als das ‚Wahre‘ nehmen, an dem man das Messbare ‚misst‘. Insofern macht Husserl hier die Tatsachenwissenschaften ‚kleiner‘ als sie wirklich sind (bzw. damals schon waren).

(35) Man könnte jetzt noch einwenden, dass die Tatsachenwissenschaften zwar aus den Einzelereignissen Strukturen ‚herausziehen‘ und diese dann benutzen, aber dass sie dies tun  in einem ‚unreflektierten Kontext‘ eines sich selbst nicht bewussten Denkens und in diesem Sinne seien sie eingeschränkt und trotz Sachbezugs Seinsvergessen.

(36) Schaut man sich die Geschichte der empirischen Wissenschaften an, wird man  feststellen (müssen!), dass die scheinbar ‚unreflektierte‘ Methode der Strukturbildung unter Berücksichtigung der jeweiligen Geltungsbedingungen (!) schrittweise nicht nur den Horizont der zu untersuchenden Sachen in alle Richtungen ausgeweitet hat, sondern auch durch kontinuierliche Transparentmachung von Geltungsbedingungen immer mehr jene Strukturen des Denkens thematisiert hat, die an den Reflexionsbereich des ‚klassischen‘ philosophischen Denkens heranreichen. Die Entdeckung des ‚Subjekts‘ als konstitutiver Faktor im Kontext  physikalischer (aber auch psychologischer, soziologischer usw.) empirischer Theorien ist vielleicht nicht in eins zu setzen mit einer bewussten Selbstreflexion des Bewusstseins aber immerhin Aufdeckung des Bewusstseins als ‚Faktor‘, der in die Theoriebildung ‚konstitutiv‘ (damit letztlich als ein transzendentaler Faktor) eingeht. Mit Neurowissenschaften und speziell Neuropsychologie werden diese Geltungsbedingungen von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Theorien kontinuierlich ‚verfeinert‘ bis dahin, dass man bestimmte kognitive Leistungen bestimmten physiologischen Strukturen und deren Funktionen zuordnen kann. Durch zugleich vermehrt eingesetzten Computersimulationen von kognitiven Strukturen in überprüfbaren experimentellen Räumen können diese Modelle von kognitiven Strukturen zusätzlich überprüft und sogar weiter entwickelt werden.

(37) So gesehen muss man wohl sagen, dass die von Husserl gescholtenen objektiven Tatsachenwissenschaften offensichtlich sehr wohl einen erheblichen Beitrag zur fortschreitenden Aufhellung der Strukturen von Wirklichkeit leisten können (wenngleich zu Zeiten Husserls die ganze Tragweite dieser Wissenschaften noch nicht so erkennbar waren wie heute, allerdings mehr als er zur Kenntnis genommen hat).
(38) Es bleibt die Frage nach dem ‚Rest‘, nach der trotz aller Erkenntniserfolge zu konstatierende ‚Differenz‘ des Erkenntnisstandpunktes. Die empirischen Wissenschaften definieren sich generell über die Selbstbeschränkung, nur solche Phänomene zu untersuchen, deren ‚Außengeltung‘ durch wiederholbare Experimente von jedem nachprüfbar sind. Aus dieser Definition folgt mit –soweit in diesem Rahmen möglicher– Denknotwendigkeit, dass ein Denkstandpunkt, der diese Beschränkung nicht akzeptiert, grundsätzlich mehr Phänomene ‚im Blick hat‘  und zu Strukturerkenntnissen kommen kann, die ‚anderer Natur‘ sind, eben philosophischer Art (oder innerhalb des allgemein Philosophischen  phänomenologisch Philosophisch, wenngleich die Definition von Phänomenologie wiederum ‚das Philosophische‘ ganz abzudecken scheint). Daraus würde ich folgern, dass objektive Tatsachenwissenschaften –eben die empirischen Wissenschaften– und philosophische Theorien gemeinsam haben, dass sie ihre Gegebenheiten in Form formaler (mathematischer) Strukturen Th darstellen können, dass sie sich aber bzgl. ihres ‚Gegenstandsbereiches  darin unterscheiden, dass gilt Ph_emp subset Ph_ph (und ’subset‘ ist hier eine ‚echte‘ Teilmenge mit Ph_ph – Ph_emp != 0).

(39) Während die Philosophie als Phänomenologie auf diese Weise die Strukturen des Denkens aus der inneren Bewusstseinsperspektive enthüllen  und darin beschreiben kann als eine phänomenologische Theorie Th_ph, tun dies die empirischen Wissenschaft  als empirische Theorie Th_emp, dabei unentrinnbar verwurzelt in der (inneren) Bewusstseinsperspektive. Durch die methodische Beschränkung auf eine Teilmenge der Phänomene (die die innere Denktätigkeit ausklammert) können die empirischen Wissenschaften das menschliche Denken trotz ihrer inneren Verwurzelung in diesem Denken nicht direkt beschreiben. Es bleibt ihnen nur der Umweg über die empirischen Phänomene und den darin implizit enthaltenen Strukturen (z.B. Gehirnaktivitäten zeitlich korreliert mit bestimmten beobachtbaren Verhaltensweisen und/oder korreliert mit empirischen ‚Selbstaussagen‘ von Personen zu ihrer ‚Selbstwahrnehmung‘, wobei der ‚Inhalt‘ der Selbstaussagen nicht empirisch ist!). Sofern solche empirischen Beschreibungen systematisiert als Th_emp vorliegen und gleichzeitig systematisierte phänomenologische Beschreibungen Th_ph kann man versuchen,  beide Theorien aufeinander abzubilden. Dies kann z.B. dahin führen, dass die empirischen Strukturen erkannt werden als jene Prozesse, die im bewussten Denken vorausgesetzt werden müssen, um ‚erklären‘ zu können, warum die phänomenologischen Strukturen so sind, wie sie ‚erlebt‘ werden.  In diesem speziellen Sinne könnte man dann sagen, dass die  empirischen Wissenschaften die Geltungsbedingungen unseres phänomenologisch beschriebenen Denkens durch ihre wissenschaftliche Beschreibungen enthüllen und damit erweitern. Statt sich also gegenseitig zu bekämpfen können beide Erkenntnisstile voneinander profitieren. Dies kann zu einer wechselseitigen Erhellung führen, durch die die ‚Geistigkeit der Materie‘ sichtbar wird.

Zur Fortsetzung siehe CM3, Teil 3

HINWEIS: Einen Überblick über alle Blog-Einträge nach Titeln findet sich hier: Übersicht nach Titeln