Während der Auseinandersetzung mit dem Buch von Edelman gab es unterschiedliche Wechselwirkungen mit anderen gedanklichen Prozessen. Ein Thema hier ist eine mögliche grundlegende Typologie von ‚Intelligenz‘.
Vorab müsste man das Verhältnis des Begriffs ‚Intelligenz‘ zu Begriffen wie ‚Lernen‘, ‚Bewusstsein‘, ‚Geist‘ und ‚Gehirn‘ klären. Hier nur soviel, dass alle diese Begriffe ein ‚Gehirn‘ – oder eine vergleichbare materielle Struktur – zum Funktionieren voraussetzen. Allerdings kann das bloße Vorhandensein solcher materieller Strukturen nicht garantieren, dass es dann auch so etwas wie ‚Geist‘, ‚Bewusstsein‘, ‚Lernen‘ und ‚Intelligenz‘ gibt.
Der Begriff ‚Geist‘ wird im Englischen als ‚mind‘ gerne und oft benutzt, um Besonderheiten im Verhalten des Homo sapiens zu ‚markieren‘. Allerdings ist dieser Begriff sehr diffus und bislang in keiner Theorie hinreichend erklärt.
Meistens werden die Begriffe ‚Bewusstsein‘ und ‚Geist‘ sehr ähnlich benutzt, ohne dass deren Beziehung zueinander – wegen einer fehlenden Theorie – letztlich klar ist. Da unser ‚Zugang‘ zum Phänomen ‚Geist‘ irgendwie über das beobachtbare Verhalten und das ‚Bewusstsein‘ läuft, ist der Begriff ‚Geist‘ eher ein theoretischer Begriff innerhalb einer Theorie, die man auf der Basis von Bewusstseinsdaten formulieren würde. Mit dem Begriff ‚Bewusstsein‘ wäre dies ähnlich: würden wir alle erreichbaren Daten aus der 1.Person und 3.Person Perspektive sammeln, könnten wir eine Theorie bauen, die den theoretischen Term ‚Bewusstsein‘ enthält und damit indirekt ‚erklärt‘. Paradox würde es, weil der Begriff ‚Bewusstsein‘ dann nicht nur eine theoretische Beschreibung ‚von etwas‘ wäre, also einen ‚Gegenstand‘ der Beschreibung bilden würde, sondern zugleich auch den ‚Autor‘ der ‚Beschreibung‘ repräsentieren würde, allerdings nur indirekt. Der so theoretisch beschriebene ‚Gegenstand Bewusstsein‘ würde wesentliche Eigenschaften nicht enthalten. Für diesen Fall eines ‚Gegenstandes‘ der zugleich ‚Autor‘ ist gibt es bislang keinen akzeptierten Theoriebegriff.
Der ‚wissenschaftliche Intelligenzbegriff‘ orientiert sich am beobachtbaren Verhalten und definierten Referenzpunkten. Dieses Verfahren wurde seit gut 100 Jahren auf den Homo sapiens angewendet und dann auf viele andere biologische Systeme verschieden vom Homo sapiens. Man könnte grob von ‚Menschlicher Intelligenz‘ sprechen und von ‚Tierischer Intelligenz‘ mit vielen Überschneidungen.
Daneben gibt es heute eine ‚Maschinelle Intelligenz‘, die bislang aber in keiner allgemein akzeptierten Form beschrieben und untersucht wird. Die Beziehung zur ‚menschlichen‘ und ‚tierischen‘ Intelligenz wurde bislang nicht systematisch untersucht.
Im Alltag, in den Medien, in der Kunst gib es eine ‚fiktive Intelligenz‘, der man nahezu alles zutraut, ohne dass klar ist, ob dies wirklich möglich ist. Die ‚fiktive Intelligenz‘ ist gleichsam eine Art ‚Sammelpunkt‘ aller Projektionen von dem, was Menschen sich unter ‚Intelligenz‘ vorstellen können.
Durch die Koexistenz von Menschen und neuer Informations-Technologie kann es zu einer neuen ‚hybriden Intelligenz‘ kommen, in der menschliche und maschinelle Intelligenz auf neue Weise symbiotisch zusammen wirken. Dazu gibt es bislang kaum Forschungen; stattdessen versucht man, die maschinelle Intelligenz möglichst unabhängig vom Menschen und oft in Konkurrenz und im Gegensatz zu ihm zu entwickeln. Zugleich verbleibt die Forschung zur menschlichen Intelligenz auf niedrigem Niveau; viele – die meisten? – wichtigen Eigenschaften sind weiterhin unerforscht. Beides zusammen blockiert die Entwicklung von wirklich starken, neuen Intelligenzformen.
Durch die ungelöste Paradoxie von zugleich ‚Gegenstand‘ und ‚Autor‘ bleiben viele wichtige, vielleicht die wichtigsten, Eigenschaften menschlicher Intelligenz im Verborgenen. Es gibt hier einen Erkenntnismäßigen ‚blinden Fleck‘ der nur sehr schwer aufzulösen ist.
Wenn man sieht, wie in vielen Ländern dieser Erde, auch in jenen, in denen man glaubte, viele ‚primitive‘ Sichten zur Welt, zum Leben, zum Menschen überwunden zu haben, große Teile der Bevölkerung und der politischen Leitinstitutionen wieder in solche ‚primitiveren‘ Sichten und Verhaltensweisen zurückfallen und darin zunehmend Anhänger finden, dann kann man dies als Indikator dafür nehmen, dass differenziertere, komplexere Sichten des Lebens und die dazu gehörigen Verhaltenskomplexe keine Automatismen darstellen. Nur weil jemand, eine Gruppe, eine Population zu einer bestimmten Zeit einmal eine ‚Einsicht‘ hatte, ein aus dieser Einsicht resultierendes ‚praktisches Lebenskonzept umgesetzt hat‘, folgt nicht automatisch, dass diese Einsicht in den Individuen der Population ‚am Leben bleibt‘. Die Struktur und Dynamik eines einzelnen Homo-sapiens-Exemplars ist von solch einer Komplexität, dass nur maximale Anstrengungen dieses Potential an Freiheit zu einer ‚konstruktiven Lebensweise‘ motivieren können. Dabei ist das Wort ‚motivieren‘ wichtig. Im Homo sapiens kulminiert die ‚Freiheit‘, die sich in der Materie und Struktur des gesamten Universums samt den biologischen Strukturen grundlegend findet, zu einem vorläufigen ‚Optimum‘, das sich jeder vollständigen ‚Verrechnung‘ in fixierte Strukturen widersetzt. Man kann einen Homo sapiens einsperren, töten, mit Drogen willenlos machen, durch Entzug von materiellen Möglichkeiten seiner Realisierungsbasis berauben, durch falsche Informationen und Bildungen fehlleiten, man kann aber seine grundlegende Freiheit, etwas ‚Anderes‘, etwas ‚Neues‘ zu tun, dadurch nicht grundlegend aufheben. In der Freiheit jedes einzelnen Homo sapiens lebt potentiell die mögliche Zukunft des gesamten Universums weiter. Ein unfassbarer Reichtum. Die größte Lüge und das größte Verbrehen an der Menschlichkeit und am Leben überhaupt ist daher genau diese grundlegende Eigenschaft des Homo sapiens zu verleugnen und zu verhindern.
Natürlich hat der Homo sapiens noch weitere grundlegende Eigenschaften über die zu sprechen gut tun würde.
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Im Jahrtausende alten Wirbelsturm von Erleiden, Erkennen, Leidenschaft und Handeln suchten die Menschen schon immer nach Haltepunkten, Fixpunkten, die über den Moment hinaus Orientierung, Sinn vermitteln könnten. …
I. IM WIRBELSTURM DER ZEITEN
Im Jahrtausende alten Wirbelsturm von Erleiden, Erkennen, Leidenschaft und Handeln suchten die Menschen schon immer nach Haltepunkten, Fixpunkten, die über den Moment hinaus Orientierung, Sinn vermitteln könnten. Die einen fanden es in dem, was man ’Religion’ nennt, andere im ’Wissen’, wieder andere in temporären Besitz- oder Machtstrukturen. Einen finalen Gewinner scheint es bis heute nicht zugeben. Temporäre Besitz- und Machtstrukturen verschwinden nach Generationen; Religionen sind etwas ’zäher’, sie überdauern schon mal Jahrtausende; das Weltwissen durchläuft permanent Metamorphosen, begleitet von Technologien, Wirtschaftsformen, Lebensweisen, die temporär – wie heute – den Eindruckerwecken können, als ob sie alles mitreißen und wir, die einzelnen, zu hilflosen Konsumenten und Mitläufern zu degenerieren scheinen.
Wer nur das Alltagsgeschäft kennt, wer tagaus tagein nur um das Erfüllen von festen Pflichten ringt, nichts weiß von dem Leben daneben, davor oder danach, der tut sich schwer in dem ganzen Getriebe ’mehr’ zu sehen als dieses tägliche Allerlei. Tatsächlich ist das Leben ja mehr als nur der Tag heute, oder gestern, oder morgen, ist es mehr als eine definierte Abfolge von Kalendereinträgen, von kontrolliertem Essen, von punktuellen Triebbefriedigungen.
Wenn wir den Blick zurück wandern lassen können in die Zeiten, in die Tiefen der Jahrtausende, gar Millionen oder Milliarden Jahre, wenn wir den Blick ausweiten auf unsere Umgebung, auf unser Land, auf die Menschheit weltweit, dann sehen wir nicht nur die bizarren Formen der aktuellen Politik, wo Politiker im Format narzisstischer Kinder ganze Nationen terrorisieren können, nein, wir können bei ruhiger Betrachtung etwas erkennen, das sehr tief eingebettet ist in der Weltwirklichkeit, etwas, was universal wirksam ist …
II. DIE GESTALT DER FREIHEIT
Nimmt man das offizielle Wissen einer Kultur als Maßstab, dann ist es vielleicht den letzten100 Jahren (Anmerkung: In einer Lebenszeit des gesamten bekannten Universums von ca. 13.8 Milliarden Jahren!) vorbehalten gewesen, erkennen zu können, dass der große ’Mechanismus der Welt’ nicht so ist – und niemals so war – wie er lange und gerne gesehen wurde. Die Welt ist durch und durch nicht deterministisch, nicht wie ein Uhrwerk, in dem jeder Zeitpunkt seinen Folgezeitpunkt voll bestimmt. Während noch ein Newton und viele seiner Wissenschaftsnachfolger glauben konnten, sie haben die Formeln zur Beschreibung des Weltgeschehens gefunden, die Formeln zur Berechnung von allem, was geschieht und was geschehen wird, waren es Wissenschaftler wie Einstein, Dirac, Schrödinger, Bohr, Planck, Heisenberg, Hawking und viele andere, die das Bild der Physik vom Blick in das ’Innere der Materie’ völlig aufgebrochen haben. Unter bestimmten, speziellen Bedingungen gilt der physikalische Determinismus, aber eben nur unter sehr speziellen Bedingungen. Grundsätzlich, und aufs Ganze gesehen, gilt er nicht. Was sich zeigt ist ein unfassbarer Möglichkeitsraum, durch und durch nicht-deterministisch, scheinbar chaotisch, aber dann doch, irgendwie, auch planvoll, geordnet. …
Je mehr die moderne Wissenschaft in diesen neuen, faszinierenden Raum vordringt, umso rätselhafter wird er. Konnte noch ein Newton, ein Laplace und viele andere glauben, sie hätten das Phänomen nun zu 100% im Griff, wurde in den letzten Jahren immer klarer, dass wir bislang weniger und weniger wirklich verstanden haben. Dies gilt im Großen des physikalischen Universums, aber auch im Kleinen des Mikrokosmos des Lebens. Wenn die Gesamtheit der Zellen, die einen einzelnen menschlichen Körper in seiner unmittelbaren Lebensfunktionen bestimmen, etwa 700 Galaxien im Format unserer Milchstraße entsprechen, mit zusätzlichen atemberaubenden Eigenschaften, dann stehen wir letztlich fassungslos vor einem mikrobiologischen Kosmos des biologischen Lebens, der dem bekannten physikalischen Universum in nicht Vielem nachsteht, ihn vielleicht sogar übertrifft. Letztlich ist der mikrobiologische Kosmos erheblich jünger als der physikalische Kosmos; in gewissem Sinne ist er eine ’Weiterentwicklung’ …
Sowohl bei der Betrachtung des physikalischen Universums wie auch bei der Betrachtung des mikrobiologischen Universums fällt eines auf: der Kontrast zwischen nicht-deterministischen Grundstrukturen auf der einen Seite, und dann doch auch dem Entstehen von Strukturen, die immer komplexer werden, denen man eine gewisse Logik und innewohnende Optimierungstendenz nicht absprechen kann. Obgleich aus der physikalischen Energie (das ’E’ in der Formel ’ E = mc^2 ’ von Einstein) direkt nichts abgeleitet werden kann, dürfen und müssen wir feststellen, dass das beobachtbare Universum als materielle Form dieser Energie nicht strukturlos ist, nicht ohne beschreibbarer Dynamik, nicht ohne Eigenschaften, die sich in Gestalt von Atomen, Molekülen, biologischen Zellen und deren Wechselspiel manifestieren. Während die Physiker für das physikalische Universum noch keine Begrifflichkeit für diese ’Ordnung trotz Unordnung’ gefunden haben, verhalf ein Darwin und viele seiner Nachfolger den ’Physikern des biologischen Lebens’, den Biologen, zu einer neuen Begrifflichkeit: das Leben ist eine Kombination aus ’genetisch kodiertem Erfolgswissen’ (tendenziell deterministisch, aber nicht vollständig) und ’zufälligen Strukturbildungen’ (man kann keine Regeln erkennen), die zusammen zu ’erfolgreichen Nachfolgestrukturen’ führen können (das ’erfolgreich’ ist minimalistisch gefasst: schlichtes ’im Spiel bleiben’ = ’am Leben bleiben’, nicht bezogen auf das Individuum, das stirbt, sondern auf die Population!).
Mit dem Erscheinen des Homo sapiens (seit ca. 200.000 bis 300.000 Jahren, von Afrika herkommend) kann man das Phänomen des Lebens nicht nur ’von außen’ (dritte Person Blick) betrachten, sondern als Exemplare der Lebensform Homo sapiens haben wir auch eine ’Innenwahrnehmung’ (erste Person Blick). Diese Innensicht überschwemmt uns mit einem beständigen Strom von Eindrücken, Gestalten, Formen, Veränderungen, Erinnerungen, Vergleichungen, Erregungen, Gefühlen, Stimmungen … dass wir sagen können, dass den äußeren beobachtbaren materiellen Strukturen eine ’innere Struktur’ korrespondiert, die – wie wir langsam erkennen dürfen – relativ eng mit genau diesen materiellen Strukturen ’korrelieren’. Dem materiellen Körper korrespondieren ’innere Zustände und Prozesse’. Früher nannte man diese inneren Zustände einfach nur ’seelisch’, ’psychisch’, ’geistig’, später eher ’subjektiv’,’kognitiv’; heute kann man dieses ’Subjektive, Kognitive’ bestimmten zeitlich korrespondierenden — und ansatzweise kausal bedingenden — ’neuronalen Prozessen’ zuordnen, in denen Energie sich wechselseitig anregt, erregt, verändert …. ’Seelisch-psychische-Subjektive’ Zustände korrespondieren ’energetischen Zustandsänderungen’ … beim heutigen Wissensstand würde man also sagen können und müssen, dass das ’Psychische’ als eine Eigenschaft dessen erscheint, was die Physiker ’Energie (E)’ nennen. Damit wird das Phänomen Energie immer rätselhafter: die große Fülle von Phänomene im physikalischen Universum einschließlich der Phänomene des Biologischen, sie alle sind so gesehen ’Manifestationen’ dessen, was Einstein ’Energie’ genannt hat.
In einer vergleichsweise kurzen Phase der Menschheitsgeschichte gab es die Tendenz, dem beobachtbaren Verhalten von Menschen die Eigenschaft einer grundlegenden ’Freiheit’ zuzuordnen. Der Mensch könne A tun, aber auch B; letztlich entscheidet jeder selbst, was er tun will. Eine solche Sicht identifiziert den Menschen als etwas schwer bis gar nicht mehr Erklärbares, zu etwas ganz Besonderem. Das Konzept der Freiheit stach aus dem allgemeinen naturwissenschaftlichen Weltbild erratisch hervor, schien den großen Zusammenhang der Natur zu durchbrechen, verwies auf etwas, was man schwer –eigentlich gar nicht – fassen konnte.
Mit den wachsenden Erkenntnissen über die Details menschlicher Körper, die Arbeitsweise des Gehirns, das Wechselspiel zwischen bewusst und unbewusst, den Einfluss von Genen auf das Verhalten, die Wirkung von Trieben und Drogen, von Extremsituationen, zerbröselte die klare Meinung zur menschlichen ’Freiheit’ streckenweise, immer mehr, bis dahin, dass man heute zweifeln kann, ob eine solche Sicht überhaupt noch gesellschaftsfähig ist. In den Verfassungen von vielen Staaten steht die Freiheit noch drin, aber im Alltag, selbst in der Rechtsprechung, verschwindet die Kontur der Freiheit immer mehr; so der Eindruck.
An dieser Stelle kann es helfen, sich bewusst zu machen, dass ’Freiheit’ möglicherweise ein ’komplexes’ Phänomen ist, das man verkennen kann, wenn man sich zu stark von einzelnen, zufälligen Phänomenen ablenken lässt. Das Wissen um die Natur kann hier ein guter Lehrmeister sein: die Entdeckung der grundlegenden Nicht-Determiniertheit der empirischen Welt ist der Menschheit erst seit ca. 100 Jahren gelungen; die Entdeckung einer ersten ’Systematik’ – oder gar ’Logik’ – der Evolution auch noch nicht viel länger. Und die spezifische Dialektik von Intelligenz, Lernen und spezifischen ’Präferenzen’(= Werten) beginnen die Ingenieure gerade erst zu entdecken. Das Reden von der Super-Intelligenz befindet sich noch im ’Vorstadium’ eines Verstehens von dieser Dialektik. Erste Forschergruppen der Künstlichen Intelligenz haben im Rahmen der Entwicklungsrobotik seit einigen Jahren entdeckt, was die biologische Evolutionsforschung schon lange weiß: die Fähigkeit zur Wahrnehmung, zum Erinnern, zum Kombinieren usw. – das, was man allgemein Kognition nennt – nützt nur bedingt etwas, letztlich nur dann, wenn es zusätzlich ein System von ’Präferenzen’ (= Werten) gibt, die der Kognition eine ’Richtung’ zu mehr ’Optimalität’ weisen können. Schneller und mehr rechnen können als das aktuelle menschliche Gehirn, das reicht nicht aus, um substantielle ’Verbesserungen’ zu finden. Was ist das ’Bessere’?
III. FREIHEIT KONKRET
Wenn sich die empirische Welt als Ganze und im Detail als ein ’Projekt der wesentlichen In-Determiniertheit’ zeigt, zugleich aber auch Züge von Ordnung, von Optimierung aufweist, und in allem der Homo sapiens die Rolle des ’Aufdeckers’ spielt, die Rolle des ’Sichtbarmachers’, und in all dem offensichtlich eine ’Gestaltungsfähigkeit’ offenbart, die zumindest das ’Antlitz der Erde’ nachhaltig verändern kann und weitgehend schon verändert hat (nachdem die Mikroorganismen in vielen Milliarden Jahren die Erde überhaupt für komplexe Lebensformen lebbar gemacht haben durch Bereitstellung von Sauerstoff und Atmosphäre), dann kann man dem Homo sapiens als Teil des Biologischen und damit auch Teil der gesamten empirischen Welt diese grundlegende In-Determiniertheit nicht absprechen. Diese grundlegende In-Determiniertheit verschwindet nicht einfach, weil irgendwelche psychologischen oder neurowissenschaftlichen Fachwissenschaftler, eingesperrt in die Grenzen ihrer Disziplinen, diesen größeren Zusammenhang nicht zu erkennen vermögen. Aus der grundsätzlichen Annahme von ’In-Determiniertheit’ als ’Freiheit’ folgt ja nicht, dass jedes materielle System, das grundlegend in-determiniert bzw. frei ist, in einem völlig unbestimmten Raum agiert. Das Gegenteil ist wahr: die universelle In-Determiniertheit (bzw. Freiheit) materialisiert sich unter konkreten, realen Bedingungen von Energie bzw. den verschiedenen materiellen Zustandsformen von Energie. In-Determiniertheit (Freiheit) zeigt sich in der Weise, wie sie materielle Strukturen verändert.
So haben – nach heutigem Kenntnisstand – die Atome unterschiedliche Eigenschaften, aus denen sich unterschiedlichste Kombinationen von Atomen bei bestimmten Kontextbedingungen bilden könnten; dass dies tatsächlich möglich ist zeigt sich erst, wenn es zu diesen realen Verbindungen kommt. Im Zustandekommen einer Möglichkeit, erst durch die beobachtbare Änderung wird sichtbar, dass es diese Möglichkeit gibt. In der beobachtbaren Dynamik der empirischen Wirklichkeit manifestiert sich also der implizite, ’von außen unsichtbare’ Möglichkeitsraum, der als solcher ’in-determiniert’, sprich ’frei’ ist. Die Konkretisierung hebt diese grundlegende In-Determiniertheit (Freiheit) nicht auf, sondern darin wird sie sichtbar, real. Rätselhaft bleibt dabei der Möglichkeitsraum als solcher, dass z.B. Atome aus sich heraus vieles sein können, aber nichts davon zwingend ist. Dass eine bestimmte Umgebungstemperatur, bestimmte chemische Konstellationen eine von vielen ’Möglichkeiten der Realisierung’ ’aktivieren’ und damit sichtbar machen, hebt die vorausgehende In-Determiniertheit (Freiheit) nicht auf. Vielmehr kann die spätere Konkretisierung nur stattfinden, weil es den Möglichkeitsraum gegeben hat. Andere Umgebungseigenschaften hätten andere Verbindungen möglich gemacht.
Analog ist das Reden davon, dass der Mensch in seinen Handlungen verschiedenen ’Einflüssen’ unterliegt, grundsätzlich kein Einwand gegen seine grundlegende Freiheit, denn ’Einflüsse’ sind ja unterschiedliche innere Zustände, die für das mögliche Verhalten ’Informationen’ darstellen, denen die Freiheit folgen kann. Ohne solche Informationen wäre die Freiheit ’blind’, ’orientierungslos’. Was sollte sie ’bewegen’, wenn es nichts gäbe, an dem sie anpacken kann? Es geht also nicht darum, die Freiheit zu ’isolieren’, sie aus der Welt ’auszusperren’, sondern vielmehr um die Frage, was sind die ’angemessenen inneren Zustände’, durch die die Freiheit eine Realisierungsform annehmen kann, die in ’irgendeinem Sinne erstrebenswert’ ist. Die beste ’Freiheit’ nützt nichts, wenn man einen Menschen einsperrt, ihm wichtige Informationen vorenthält oder man sein Hirn durch Drogen oder ähnlichen Stoffe so umnebelt, dass das Gehirn einfach nicht mehr ’richtig’ funktionieren kann. Während die innere Freiheit aller Wirklichkeit und jener der biologischen Systeme insbesondere im Prinzip alles möglich machen kann, zu was die Energie des Universums Handhaben liefert, so können bei einer konkreten Gestalt der Freiheit wie bei einem Homo sapiens die konkreten Rahmenbedingungen mehr oder weniger alles unmöglich machen (Anmerkung: Wenn man sieht, welche große Offenheit, Neugierde, Entdeckermut jedes neugeborene Kind ausstrahlt, und man dann sieht, wie die gesellschaftlichen Verhältnisse in den meisten Ländern dieser Erde diese ’Wunder der Freiheit’ behindern, stören, quälen, foltern, eine Bildung verweigern, dann muss man sich zurecht fragen, inwieweit die heutigen Vertreter des Homo sapiens überhaupt verstanden haben, was und wer sie selbst sind …)
PS: Die Notizen gehen hier noch weiter, aber ich kann erst die Tage weiter schreiben …
KONTEXT BLOG
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Dieses Thema ist eines von jenen, die man nicht plant, die sich durch scheinbar zufällige Konstellationen ergeben.
Dies ist auch kein ‚angenehmes‘ Thema im Sinne, dass man es ‚gerne‘ schreibt, sondern ist eher ‚unangenehm‘, ’sperrig‘, man muss Kraft aufwenden, um sich mit ihm zu beschäftigen.
Bedingt durch eine massive Bronchitis war ich mehr als eine Woche ziemlich lahmgelegt. Zwischendrin, zur Ablenkung, habe ich dann über youtube, wikipedia und andere Seiten nach Irischer Musik, Irish Folk geschaut, bis hin zum Thema keltische Musik. Mir war da vieles nicht klar gewesen. Es zeigte sich eine bunte Landschaft von Bands, Stilen und Texten.
Mehr durch Zufall, über eine Festivalbeschreibung, stieß ich dann auch auf Bands, die eigentlich einem anderen Genre angehörten. Es fanden sich Beschreibungen wie Black-, Death-, Thrash- und Power Metal. Bezeichnungen, die schon von der Wortwahl her andere Gefühle hervorrufen als ‚Folk‘ oder ‚Rock‘.
Ich ging dieser Spur nach und traf auf Bands, deren Auftreten und vor allem deren Texte eine Vorstellungswelt transportieren, die deutlich abweicht von dem, was man in gewohnten Medien findet. Man muss sich schon in spezielle Literaturbereiche begeben, um zumindest Ähnliches zu finden. Von den drei Bands, die ich dann weiterverfolgt habe, sind von einer Band drei Alben wegen ihrer Texte verboten (im Netz kann man diese Texte dennoch finden).
VERBOTENES
Dass im Alltag das Verhalten oder/ und die Texte von Menschen ‚verboten‘ werden, kann man als Bürger eines Staates als ’normal‘ betrachten, weil es Gesetze und Institutionen gibt, die das Aussprechen von Verboten regeln.
Aus philosophischer Sicht gibt es aber zunächst mal kein ’normal‘. Denn wir wissen alle, dass es heute in dieser Welt Länder gibt, in denen Menschen verfolgt, verurteilt und getötet werden, die in unserem Land auf keinen Fall verfolgt, verurteilt und getötet würden. Wir haben also schon in der Gegenwart eine Gleichzeitigkeit von widerstreitenden Werten. Und wir können auch wissen, dass es eine Zeit gab — die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland –, in der der Alltag, die statistische Mehrheit, ‚Werte‘ propagierte, Einstellungen, Texte, die sich mit den Werten Einstellungen und Texten der späteren Bundesrepublik widersprechen. In jener Zeit war ‚legal‘, was heute ‚illegal‘ ist, und umgekehrt.
Sich einfach auf ‚Legalität‘ zu stützen ist für einen Philosophen daher eher nicht erlaubt. Er muss sich die Frage stellen, ob es unabhängig von einer herrschenden Legalität Bezugspunkte gibt, eine Referenz, die vor allen möglichen Formen von Legalität liegt. Für Menschen, die sich nur an Legalität halten sind solche grundlegenden Überlegungen natürlich ‚unwirksam‘, da sie ihr Denken freiwillig vorher abschalten.
TEXTE – SPRACHE
Im Falle der drei Bands, insbesondere jener mit den verbotenen Texten, sind es dann genau diese Texte und deren möglicher Aussagenhorizont, an denen sich die Überlegungen fest machen können.
Nun beginnt schon hier das Problem. Im Fall von Alltagssprache, erst recht, wenn es dann noch Texte sind, die der Art nach in Richtung Lyrik, Poesie tendieren, ist eine Fixierung der möglichen Bedeutung grundsätzlich schwierig (dies zeigt sich auch in der Diskussion in der englischen Wikipedia, die Aussagen der Zensur mit den Aussagen der Autoren gegenüberstellt; diese differieren). Noch schlimmer, es kann sehr wohl sein, dass ein Autor A einen eigenen Text T in einer bestimmten Weise A(T)=B1 interpretiert, dass aber potentielle Leser L den gleichen Text anders interpretieren L(A)=B2. Dies ist nichts Besonderes, sondern hat mit der Art und Weise zu tun, wie Sprache funktioniert. Keinem einzelnen Menschen ‚gehört‘ die Sprache. Jeder ‚benutzt‘ sie, mit seinen eigenen Intentionen, aber man erschafft darin die Sprache nicht gänzlich neu; man assoziiert sie mit eigenen, weitgehend subjektiven Inhalten, und was herauskommt ist ein Text in der Sprache, die allen gehört, subjektiv vernetzt mit Bedeutungsanteilen des Autors, die vielleicht vom ‚üblichen Gebrauch‘ abweichen, die aber vom Empfänger als solche gar nicht erkannt werden können. Der Empfänger kennt nur ’seine‘ eigene subjektiven Bedeutungen und die ‚üblichen Verwendungsweisen‘.
Diese grundsätzlichen Bedeutungsbarrieren kann kein einzelner Autor oder Leser von sich aus einfach so aufheben. Die Sprache ist immer ‚mehr‘, das ‚Größere‘, das ‚Gemeinsame‘, das ‚Verbindende‘, das ‚Band’…. oder wie immer man dies ausdrücken möchte. Und nur weil es dieses Gemeinsame gibt, kann der einzelne seine Besonderheit, seine Subjektivität damit versuchsweise verbinden und hoffen, dass der andere dieses ‚Spielen über die Bande‘ irgendwie bemerkt und versteht.
Mit diesen Vorbemerkungen zum grundsätzlichen Verstehensproblem einer alltagssprachlichen Kommunikation, die sich mit Einbeziehung lyrisch-poetischer Formen eher verstärken, möchte ich dennoch auch Bezug nehmen auf die möglichen Inhalte.
DUNKELHEITEN?
Unter dem Vorbehalt, dass ich diese Texte möglicherweise falsch verstehe, kann ich zumindest festhalten, wie sie auf mich wirken und was dies philosophisch auslöst.
Diese Texte beschreiben die Welt aus Sicht eines Ich, das in einer großen Dunkelheit lebt. Andere Menschen kommen nur schemenhaft vor, als Versatzstücke von eigenen Gefühlen, Trieben, ohne eigene Persönlichkeit, ohne eigene wirkliche Existenz. Das in sich kaum differenzierte Ich ist zentral, alles ausfüllend, erscheint irgendwie leidend und dann doch wieder sich am eigenen Leiden berauschend. Mystische Bilder einer irgendwie dunklen Macht, die alles fordert und der sich alles opfert. Wenn Versatzstücke aus dem Alltag vorkommen, die man zu erkennen meint, werden sie in einer Weise verwendet, die anders ist, verfremdend, darin herausfordernd … schon eine poetische Kraft… aber mit einer schweren Dunkelheit durchtränkt.
Lässt man die Bilder für sich stehen, isoliert, kann man sie schwer einordnen; auf unterschiedliche Menschen werden sie unterschiedliche Gefühle auslösen.
Aus philosophischer Sicht können sich interessante Fragen stellen.
INNERE WIRKLICHKEIT EINES ANDEREN
Wie im Blog schon mehrfach ausgeführt, entsteht das Wirklichkeitsbewusstsein des Menschen in seinem Gehirn, das von allen möglichen Sensoren (externe wie interne) Daten von Ereignissen empfängt und diese dann zu Wahrnehmungen, Vorstellungen zusammenbaut, die uns in unserem ‚Bewusstsein‘ ‚bewusst‘ werden können. Im weitgehend automatischen Wechselspiel mit unserem Gedächtnis entstehen dann für jeden seine Bilder von der Welt, wie er sie sieht. Von der Psychologie — und dies kann jeder auch im Alltag an sich ausprobieren — wissen wir, dass wir Menschen die Signale von der Welt und unserem Körper so weit ‚umbiegen‘ können, dass unser eigenes inneres Bild von der Welt mit der Welt da draußen und unserem realen Körper wenig bis gar nichts mehr zu tun hat.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Anteil des Gehirns am gesamten Zellkosmos des Körpers nur ca. 0.15% ausmacht, und das Bewusstsein in diesem Gehirn ist nochmals ein kleinerer Bereich. Es ist also so, dass mehr als 99% unseres Körpers jenseits des Bewusstseins liegen, ganz zu schweigen von der ‚Welt da draußen‘. Psychologie und Psychoanalyse haben viele Hinweise geliefert, wie das Un-Bewusste auf uns einwirken kann, ohne dass wir wissen warum und wozu, oder, noch schwieriger, wir merken erst gar nicht, dass wir von Einflüssen gesteuert werden, die aus dem Unbewussten kommen. Die moderne Mikrobiologie hat weitere Beispiele geliefert, wie die vielen Milliarden Bakterien in unserem Darm über chemische Stoffe über die Blutbahn bis in das Gehirn einwirken, wo diese chemischen Stoffe die Arbeit der Gehirnzellen beeinflussen können.
Die Möglichkeiten, in sich selbst ein Bild vom eigenen Körper und von der Welt mit sich herum zu tragen, das stark verzerrt oder ganz falsch ist, sind also gegeben. Und wie der Alltag zeigt, müssen alle Menschen permanent kämpfen, ihre internen Bilder mit der Realität einigermaßen abzugleichen. Viele psychischen Probleme heute resultieren aus diesen stark verzerrten internen Bildern, die von der Realität abweichen.
Das eigene ‚Ich‘, das ‚Selbst‘, das ‚Selbstbild‘ das sind ‚Konstrukte‘ aus der Gesamtheit unserer Empfindungen und Wahrnehmungen.
Wenn ein kleines Kind beständig für alles bestraft wird, was eigentlich ’normal‘ ist, dann wird ihm über diese Strafen emotional der Boden unter den Füßen buchstäblich weg gezogen. Alles, worauf seine erlebbare Existenz gründet, wird negativ besetzt, emotional vermint, es findet sich dann in seinem Körper, in seinem Bewusstsein wie in einem dunklen Kerker ohne Ausweg, sich selbst, den eigenen Gefühlen hilflos ausgeliefert. Ob, wie lange und wie ein solches Kind, ein solcher junger Mensch dann überhaupt leben kann … da fehlen mir konkrete Erfahrungen. … Die vielen Stellvertreterkriege heute erschaffen solche Kinder zu Tausenden, Zehntausenden …
DAS ANDERE ALS ‚LICHT‘
Philosophisch ist klar, dass nur ein positiver Aufbau von realistischen Bildern des eigenen Körpers, der Außenwelt, der anderen Menschen einen einzelnen in die Lage versetzen kann, sich selbst am und im anderen in einem erweiterten Format von Leben als Teil von etwas Größerem zu erfahren. Das oder der ‚Andere‘ ist in diesem Fall wie ‚Licht‘, das ‚Leben sichtbar macht‘. Die konkrete Erfahrung selbst ist das ‚Licht‘. Findet der Kontakt mit dem ‚Anderen‘ nicht statt, wird der Aufbau geeigneter realistischer Bilder gestört, versiegt das ‚Licht‘, dann kann es zu einer ‚Implosion des Lichts‘ kommen: das Fehlen des Lichts erzeugt eine eigene Form von ‚Dunkelheit‘. in der Abwesenheit des Anderen wird das eigene Innere zum einzigen Realen, verliert seine Relationen, kann zu einem alles verschlingenden Ungeheuer werden, das nur noch sich selbst hat: das sich selbst auffressen wird dann zum einzig möglichen Lebensakt, der aber genau Leben zerstört. Eine Art ‚psychische Auto-Immunkrankheit‘: das eigene Selbst, das geheilt werden will, findet als einzige (scheinbar!) verbleibende Möglichkeit nur noch, sich selbst aufzufressen.
Mir sind keine ernsthaften Forschungen bekannt, die sich mit diesen Grenzsituationen unseres Menschseins beschäftigen. Durch das ‚Wegsperren‘ von Lebenszeugnissen, die solche Situationen zu thematisieren scheinen, findet auch kein Gespräch darüber statt. Im übrigen dürfte es auch schwer sein, sich über solche Dinge auszutauschen, da Menschen, die an einer Implosion des Lichtes leiden, scheinbar keine Anhaltspunkte mehr haben, sich dagegen zu stemmen.
Dies rührt mindestens an zwei Grundlagenfragen menschlicher Existenz: Freiheit und Erlösung.
FREIHEIT
Wie im Blog schon mehrfach angedacht durchzieht alles Leben, ja alle physikalische Wirklichkeit das Moment einer grundlegenden ‚Freiheit‘. Nichts im gesamten Universum ist einfach ‚deterministisch‘, absolut nichts. Wo immer wir hinschauen, wir finden immer Möglichkeitsräume, aus denen sich dann bestimmte Varianten ‚heraus schälen‘, die so zwar ‚möglich‘ waren/ sind, aber die in keiner Weise voraussagbar waren. Dies ist sehr bemerkenswert.
Angewendet auf den Menschen bildet alleine schon der menschliche Körper eine einzige Unmöglichkeit, da keine der ca. 140 Billionen Zellen des Körperuniversums aus sich heraus in irgendeiner Weise ‚gezwungen‘ ist, genau dort und genau so zu arbeiten, wie sie es im Verbund unseres Körpers tut. Jede Zelle ist ein autonomes Individuum, die niemand ‚zwingen‘ kann. Und doch arbeiten diese 140 Billionen Zellen im Millisekundenbereich in einer Weise zusammen, die unser aktuelles Verstehen schlichtweg übersteigt.
Wenn es nun innerhalb unseres Körpers auf den hochkomplexen Ebenen des Wahrnehmens, Fühlens, Denkens, Erinnerns usw. nun zu dem Phänomen des sich innerlich Entfernens vom ‚Anderen‘ kommt, wo liegt hier das ‚Handlungszentrum‘, die ‚Verantwortung‘, eine irgendwie geartete ‚Steuerung‘?
Die Juristen gehen davon aus, dass es so etwas wie einen ‚freien Willen‘ gibt, der entscheiden kann (wobei es wissenschaftlich unmöglich ist, so etwas wie einen ‚freien Willen‘ zu definieren), zugleich nehmen die Juristen an, dass dieser freie Wille durch körperinterne Faktoren ‚eingeschränkt‘ werden kann (anerkanntermaßen durch ‚Drogen‘ und starke ‚Emotionen‘, aber auch durch alle möglichen Arten von körperlichen ‚Beeinträchtigungen‘). Alle diese einschränkenden Faktoren sind nur bedingt ‚definierbar‘ und ‚messbar‘. Immerhin ist das juristische Weltbild so ‚realistisch‘, dass es einräumt, dass die Realität unseres Körpers beliebige ‚Störfaktoren‘ bieten kann, um das ‚eigene verantwortliche Verhalten‘ so zu beeinflussen, dass es zu Handlungen kommen kann, die einem unterstellten verantwortungsvollen freien Willen ‚widersprechen‘.
Mir scheint, dass wir uns hier in einer Grauzone des Wissens um uns selbst bewegen. Offene Forschungen zu unserem Menschsein unter solchen Grenzbedingungen wären sehr wünschenswert.
ERLÖSUNG
Kann schon das ’normale Leben‘ mit genügend Elementen angefüllt sein, die es ’schwer‘ erscheinen lassen, die uns ‚real leidend‘ machen, so kann eine fortschreitende Implosion des Lichtes alles noch viel unerträglicher machen. Auf allen Stufen des Leidens (von ‚einfach‘ bis ’schwer‘) entwickeln wir Menschen aber auch Abwehrmechanismen, Erleichterungsstrategien, Ersatzlösungen, um das Leiden zu mildern.
Im Kaleidoskop der vielen Heilsversprechungen gibt es ein Thema, das sich zu allen Zeiten und überall findet: das Hoffen auf eine Erlösung mindestens nach dem aktuellen körperlichen Dasein, am liebsten aber auch schon vorher, jetzt, in diesem ‚Jammertal‘.
In diesem Kontext gab und gibt es immer wieder Menschen — quer zu allen Religionen und auch unabhängig von diesen –, die von besonderen Glückszuständen berichten, von besonders erhebenden Gefühlen, positiven Gefühlen, die alles vergessen lassen, was so schwer erscheint, was leidend macht. Diese Gefühle ergreifen einen, erwecken den Eindruck, man sei in einem größeren Zusammenhang, in einem umfassenden Sinn eingebettet. Lernen erscheint ‚licht voll‘, ’sinnhaft‘.
Diese besonderen, positiven Erlebnisse wurden immer heftig diskutiert, sind umstritten, werden abgestritten (sogar von religiösen Führern, da sie in diesen persönlichen Erfahrungen eine Infragestellung ihrer formalen Autorität erkennen), und führen doch dazu, dass Menschen mit solchen Erfahrungen nicht selten ihr Leben umkrempeln, völlig neu starten, ganze Bewegungen starten indem sie andere Menschen ‚mitreißen‘.
Es wäre eine interessante empirische Frage, ob Menschen mit implodierendem Licht trotzt ihrer Dynamik der fortschreitenden Selbstzerstörung solche besonderen, lebensfördernden Erfahrungen machen könnten, und was es mit ihnen machen würde. Denn diese speziell lebensfördernden Erfahrungen sind nicht körpergeneriert, sind nicht ‚kausal‘ im klassischen Sinne (die Quantenphysik beschreibt die Welt sowieso anders), sondern sie finden offensichtlich trotz und gegen aktuelle Körperzustände statt. Dies setzt voraus, dass die Körper keine abgeschlossenen Einheiten sind, was ja physikalisch der Fall ist. Unsere Körper als Zellgalaxie sind physikalisch offen wie ein Scheunentor für Billionen möglicher Ereignisse. Bisher gibt es dazu aber praktisch noch keine Forschungen.
Theologisch ist die Gottesfrage eher ‚arm‘ und ‚wortlos‘. ‚Empirisch‘ ist die Gottesfrage interessanter denn je, denn, wenn überhaupt, ist das, was als ‚Gott‘ bezeichnet wird, auch etwas ‚extrem Reales‘ …
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I Kontext … 1
II Die Größen … 2
III Ermittelte Sachverhalte … 3
IV Philosophische Anmerkungen … 4
IV-A Zusammenhang durch Funktionen … 4
IV-B Gehirn so winzig … 5
IV-C Bewusstsein: Was ist das? … 5
V Anhang: Rechenvorschriften … 6
VI Anhang: Ausführung von Rechenvorschriften … 7
Quellen
THEMA
Die Diskussion um die neue Frage nach dem Menschen angesichts der fortschreitenden Digitalisierung hat erst begonnen. Im vorausgehenden Beitrag zur ’Informellen Kosmologie’ wurde der große evolutionsbiologische Zusammenhang skizziert. Hier ein Hinweis auf die unvorstellbare Komplexität eines einzelnen menschlichen Körpers im Vergleich zur Milchstraße, und was dies bedeuten kann (ansatzweise).
I. KONTEXT
Die Diskussion um die neue Frage nach dem Menschen angesichts der fortschreitenden Digitalisierung hat erst begonnen. Im vorausgehenden Beitrag zur ’Informellen Kosmologie’ ist der große evolutionsbiologische Zusammenhang skizziert worden: nach ca. 9.6 Milliarden Jahren ohne biologische Lebensformen (soweit wir
wissen) bildeten sich vor ca. 4 Milliarden Jahren einfache Lebensformen auf der Erde (Bakterien, Archaeen), die dann innerhalb von 2 Milliarden Jahren die Erde in allen Winkeln chemisch so verändert haben, dass es zu einer Sauerstoffatmosphäre kommen konnte. Trotz der damit einhergehenden globalen Vereisung der Erde (’snowball earth’) für viele Millionen Jahre konnten sich dann aber komplexe Lebensformen bilden, die im Verlauf von weiteren 2 Milliarden Jahren dann – trotz vieler weiterer globaler Katastrophen – die Lebensform homo sapiens hervorgebracht
haben, der dann die Erde ein weiteres Mal flächendeckend erobert und kolonisiert hat. Dieser Prozess befindet sich aktuell in einer Phase, in der der homo sapiens aufgrund seiner erweiterten Denk- und Kommunikationsfähigkeiten das ’Prinzip des Geistes’ in Form von – aktuell noch sehr primitiven – ’lernfähigen und intelligenten Maschinen’ in
eine neue Dimension transformiert.
Von den vielen Fragen, die sich hier stellen, sei hier heute nur ein winziger Teilaspekt aufgegriffen, der aber dennoch geeignet erscheint, das Bild des Menschen von sich selbst wieder ein kleines Stück der ’Realität’ anzunähern.
Der winzige Teilaspekt bezieht sich auf die schlichte Frage nach der ’Komplexität’ eines einzelnen menschlichen Körpers. Natürlich gibt es zahlreiche Lehrbücher zur ’Physiologie des Menschen’ (Z.B. Birbaumer (2006) [BS06]) , in denen man über viele hunderte Seiten zur Feinstruktur des Körpers finden kann. Ergänzt man diese Bücher um Mikrobiologie (Z.B. Alberts (2015) [AJL + 15]) und Genetik, dann ist man natürlich sehr schnell in einem Denkraum, der die einen in Ekstase versetzen kann, andere möglicherweise erschaudern lässt angesichts der unfassbaren Komplexität von einem einzelnen Körper der Lebensform homo sapiens.
Hier soll der Blick mittels eines spielerischen Vergleichs auf einen winzigen Aspekt gelenkt werden: ein versuchsweiser Vergleich zwischen einem einzelnen menschlichen Körper und der Milchstraße, unserer ’Heimatgalaxie’ im Universum.
II. DIE GRÖSSEN
Im ersten Moment mag man den Kopf schütteln, was solch ein Vergleich soll, wie man solche so unterschiedliche Dinge wie einen menschlichen Körper und die Milchstraße vergleichen kann. Doch hat die neuzeitliche Erfindung der Mathematik die Menschen in die Lage versetzt, auf neue abstrakte Weise die Phänomene der Natur jenseits
ihrer augenscheinlichen Reize neu zu befragen, zu beschreiben und dann auch zu vergleichen. Und wenn man auf diese Weise einerseits die Komplexität von Galaxien beschreibt, unabhängig davon auch die Komplexität von biologischen Lebensformen, dann kann einem auffallen, dass man auf abstrakter Ebene sehr wohl eine Beziehung
zwischen diesen im ersten Moment so unterschiedlichen Objekte feststellen kann.
Der ’gedankliche Schlüsselreiz’ sind die ’Elemente’, aus denen sich die Struktur einer Galaxie und die Struktur des Körpers einer biologischen Lebensform bilden. Im Falle von Galaxien sind die primären Elemente (der Astrophysiker) die ’Sterne. Im Fall der Körper von biologischen Lebensformen sind es die ’Zellen’.
Im Alltag spielen die einzelnen Zellen normalerweise keine Rolle; wir sind gewohnt von uns Menschen in ’Körpern’ zu denken, die eine bestimmte ’Form’ haben und die zu bestimmten ’Bewegungen’ fähig sein. Irgendwie haben wir auch davon gehört, dass es in unserem Körper ’Organe’ gibt wie Herz, Leber, Niere, Lunge, Magen, Gehirn usw.,
die spezielle Aufgaben im Körper erfüllen, aber schon dies sind gewöhnliche ’blasse Vorstellungen’, die man der Medizin zuordnet, aber nicht dem Alltagsgeschehen.
Tatsache ist aber, dass alles, auch die einzelnen Organe, letztlich unfassbar große Mengen von individuellen Zellen sind, die jeweils autonom sind. Jede Zelle ist ein individuelles System, das von all den anderen Zellen um sich herum nichts ’weiß’. Jede Zelle tauscht zwar vielfältige chemische Materialien oder auch elektrische Potentiale mit der Umgebung aus, aber eine Zelle ’weiß’ darüber hinaus nichts von ’dem da draußen’. Schon der Begriff ’da draußen’ existiert nicht wirklich. Und jede Zelle agiert autonom, folgt ihrem eigenen Programm der Energiegewinnung und der Vermehrung.
Schon vor diesem Hintergrund ist es ziemlich bizarr, wie es möglich ist, dass so viele Zellen im Bereich zwischen Millisekunden, Sekunden, Minuten, Stunden, Tagen usw. miteinander kooperieren, so, als ob sie alle einem geheimnisvollen Plan folgen würden.
Fragt man dann, wie viele von solchen Zellen dann im Bereich eines menschlichen Körpers aktiv sind, wird das Ganze fast unheimlich. Das Unheimliche beginnt schon bei der Frage selbst. Denn unsere Forscher haben bis heute keine wirklich ’harte’ Zahlen zur Anzahl der Zellen im Körper des Menschen, allerdings erste Annäherungen, die sich beständig weiter verfeinern.
Für den Bereich des menschlichen Körpers habe ich die Darstellung von Kegel (2015) [Keg15] benutzt, der sowohl Abschätzungen für die Körperzellen im engeren Sinne bietet (ca. 37.2 Billionen (32.7^12 )) wie auch für die Bakterien im Körper (ca. 100 Billionen (100^12 )).
Innerhalb des Körpers nimmt das Gehirn für manche Eigenschaften eine besondere Stellung ein. Auch hier zeigt die Literatur, dass eine Abschätzung der Anzahl der Zellen schwierig ist (Messverfahren generell, dann die unterschiedlichen Strukturen in verschiedenen Gehirnarealen). Nach dem neuesten Übersichtsartikel zum Thema über die letzten
150 Jahre von Bartheld et.al. (2016) [vBBHH16] konvergieren die Schätzungen aktuell dahingehend, dass das Verhältnis der Gliazellen zu den Neuronen weitgehend konstant erscheint mit 1:1 und dass sich die Zahl der Gliazellen zwischen 40-130 Milliarden bewegt. Dabei gilt nach neuesten Erkenntnissen, dass sich die Gesamtzahl der Gehirnzellen nach dem anfänglichen Aufbau altersabhängig nicht (!) kontinuierlich abbaut. Dies geschieht nur bei spezifischen Krankheiten. Für die Modellrechnung habe ich dann die Zahl der Neuronen und Gliazellen mit jeweils 100 Milliarden angenommen (damit möglicherweise zu hoch).
Auch bei der Abschätzung der Anzahl der Sterne in der Milchstraße stößt man auf erhebliche Probleme. Ein kleiner Einblick in die Problematik findet sich in einem Artikel der NASA von 2015 [Mas15]. Viele Schätzungen konvergieren aktuell im Bereich zwischen 100 – 400 Milliarden Sterne, aber es könnten möglicherweise viel mehr sein. Die Erkenntnislage ist noch sehr unsicher. Für den geplanten Vergleich habe ich jetzt einfach mal angenommen, es seien 300 Milliarden. Sollten irgendwann bessere Zahlen verfügbar sein, dann könnte man diese stattdessen eintragen.
Die Idee ist, ein erstes ’Gefühl’ dafür zu bekommen, wie sich die Komplexität der ’Himmelskörper’ zur Komplexität von biologischen Lebensformen verhält.
III. ERMITTELTE SACHVERHALTE
Die Rechenvorschriften, mit denen ich gerechnet habe sowie die Ausführung dieser Rechenvorschriften finden sich unten im Anhang.
Führt man die ’Rechnungen durch und überträgt die Zahlen (grob) in eine Zeichnung, dann er gibt sich folgendes Bild 1:
1) Die Körperzellen zusammen mit den Bakterien im Körper werden hier ’Body-Galaxy’ genannt und diese repräsentiert 100% aller Zellen.
2) Im Rahmen der Body-Galaxy haben die körperinternen Bakterien einen Anteil von ca. 73%, d.h. ca. 3/4 der Body-Galaxy. Über diese Bakterienpopulationen weiß die Mikrobiologie bis heute noch nicht all zu viel.
3) Alle Gehirnzellen machen in dieser Body-Galaxy etwa 0.15% aller Zellen aus.
4) Eine Galaxie vom Format der Milchstraße entspricht 0.2% der Zellen der Body-Galaxy und passt ca. 457 Mal in eine Body-Galaxy.
IV. PHILOSOPHISCHE ANMERKUNGEN
Die eben angeführte Zahlen und quantitativen Verhältnisse stehen erst einmal für sich. Insofern der homo sapiens, wir, nicht nur die Objekte der Betrachtung sind, sondern zugleich auch die Betrachter, jene, die die Wirklichkeit einschließlich unserer selbst beobachten und dann ’denken’ können, erlaubt unsere Denkfähigkeit uns, diese
Sachverhalte in alle möglichen Denkzusammenhänge einzubringen und mit ihnen ’zu spielen’. Von den unendlich vielen Aspekten, die man hier jetzt durchspielen könnte, im folgen drei.
A. Zusammenhang durch Funktionen
Aus Sicht der Zellen bildet ein menschlicher Körper eine Super-Galaxie unvorstellbaren Ausmaßes. Die Tatsache, dass eine einzelne Zelle ’autonom’ ist, in ihrem Verhalten nur sich selbst verpflichtet ist, eine einzelne Zelle von all den anderen Zellen auch nichts ’weiß’, dies wirft um so mehr die Frage auf, wie denn solch eine Super-Galaxie
von Zellen überhaupt funktionieren kann?
Durch die Mikrobiologie wissen wir heute, dass eine einzelne komplexe Zelle (d.h. eine ’eukaryotische Zelle’) selbst schon eine komplexe Struktur mit vielen zellähnlichen Unterstrukturen ist, in der sich Millionen von unterschiedlich komplexen Molekülen befinden, die miteinander interagieren; ebenso finden komplexe Interaktionen der Zelle mit ihrer Umgebung statt. Diese Interaktionen realisieren sich über molekulare Strukturen oder elektrische Potentiale (Die elektrischen Potentiale bilden sich durch Ionen, deren Elektronenverteilung ein negativ oder positiv geladenes elektrisches Feld erzeugt. Viele solcher Ionen können dann elektrische Potentiale erzeugen, die ’Wirkungen’ erzielen können, die man messen kann.)
Aus Sicht der Mathematik kann man diese Interaktionen als ’Funktionen’ beschreiben, in denen eine ’Region’ mittels molekularer Strukturen oder elektrischer Felder in einer anderen ’Region’ eine ’Veränderung’ bewirkt. Eine einzelne Zelle realisiert simultan viele tausende (Eine genaue Zahl kenne ich (noch) nicht.) solcher Funktionen. Die Mikrobiologie weiß heute auch schon, dass solche Interaktionen nicht nur zwischen einzelnen Zellen (also von A nach B und zurück) stattfinden, sondern dass es große Zellverbände sein können, die mit anderen Zellverbänden interagieren (man denke an ’Herz’, ’Lunge’, ’Gehirn’ usw.). Allerdings setzen diese ’Makro-Funktionen’ die vielen einzelnen Funktionen dabei voraus.
Wenn z.B. ein Auge mit seinen ca. 1 Millionen Rezeptoren Energieereignisse aus der Umgebung registrieren und in neuronale Signale ’übersetzen’ kann, dann geschieht dies zunächst mal in 1 Million Signalereignisse unabhängig voneinander, parallel, simultan. Erst durch die ’Verschaltung’ dieser Einzelereignisse entstehen daraus
Ereignisse, in denen viele einzelne Ereignisse ’integriert’/ ’repräsentiert’ sind, die wiederum viele unterschiedliche Erregungsereignisse nach sich ziehen. Würde man immer nur die ’lokalen Funktionen’ betrachten, dann würde man nicht erkennen können, dass alle diese lokalen Ereignisse zusammen nach vielen Interaktionsstufen zu einem
Gesamtereignis führen, das wir subjektiv als ’Sehen’ bezeichnen. Will man sinnvoll über ’Sehen’ sprechen, dann muss man gedanklich alle diese lokalen Funktionen ’begreifen’ als ’Teilfunktionen’ einer ’Makro-Funktion’, in der sich erst ’erschließt’, ’wofür’ alle diese lokalen Funktionen ’gut’ sind.
In der Erforschung des menschlichen Körpers hinsichtlich seiner vielen lokalen und immer komplexeren Makro-Funktionen steht die Wissenschaft noch ziemlich am Anfang. Aber, wenn man sieht, wie schwer sich die Physik mit den vergleichsweise ’einfachen’ ’normalen’ Galaxien tut, dann sollten wir uns nicht wundern, dass die vielen Disziplinen, die sich mit den Super-Galaxien biologischer Körper beschäftigen, da noch etwas Zeit brauchen.
B. Gehirn so winzig
Im Laufe der letzten 100 und mehr Jahre hat die Einsicht in die Bedeutung des Gehirns zugenommen. Bisweilen kann man den Eindruck haben, als ob es nur noch um das Gehirn geht. Macht man sich aber klar, dass das Gehirn nur etwa 0.15% der Körper-Galaxie ausmacht, dann darf man sich wohl fragen, ob diese Gewichtung
angemessen ist. So komplex und fantastisch das Gehirn auch sein mag, rein objektiv kann es nur einen Bruchteil der Körperaktivitäten ’erfassen’ bzw. ’steuern’.
Durch die Mikrobiologie wissen wir schon jetzt, wie Körperzellen und vor allem Bakterien, über chemische Botenstoffe das Gehirn massiv beeinflussen können. Besonders krasse Fälle sind jene, in denen ein Parasit einen Wirtsorganismus chemisch so beeinflussen kann, dass das Gehirn Handlungen einleitet, die dazu führen, dass der Wirtsorganismus zur Beute für andere Organismen wird, in denen der Parasit leben will. (Siehe dazu verschiedene Beispiel im Buch von Kegel (2015) [Keg15]:SS.282ff) Andere Beispiele sind Drogen, Nahrungsmittel, Luftbestandteile, die die Arbeitsweise des Gehirns beeinflussen, oder bestimmte Verhaltensweisen oder einen ganzen Lebensstil. Die Kooperation zwischen Gehirnforschung und anderen Disziplinen
(z.B. moderne Psychotherapie) nimmt glücklicherweise zu.
C. Bewusstsein: Was ist das?
Wenn man sieht, wie winzig das Gehirn im Gesamt der Körper-Galaxie erscheint, wird das Phänomen des ’Bewusstseins’ — das wir im Gehirn verorten — noch erstaunlicher, als es sowieso schon ist.
Schon heute wissen wir, dass diejenigen Erlebnisse, die unser Bewusstsein ausfüllen können, nur einen Bruchteil dessen abbilden, was das Gehirn als Ganzes registrieren und bewirken kann. Das – hoffentlich – unverfänglichste Beispiel ist unser ’Gedächtnis’.
Aktuell, in der jeweiligen Gegenwart, haben wir keine direkte Einsicht in die Inhalte unseres Gedächtnisses. Aufgrund von aktuellen Erlebnissen und Denkprozessen, können wir zwar – scheinbar ’mühelos’ – die potentiellen Inhalte ’aktivieren’, ’aufrufen’, ’erinnern’, verfügbar machen’, aber immer nur aktuell getriggert. Bevor mich jemand nach dem Namen meiner Schwestern fragt, werde ich nicht daran denken, oder meine Telefonnummer, oder wo ich vor zwei Monaten war, oder …. Wenn es aber ein Ereignis gibt, das irgendwie im Zusammenhang mit solch einem potentiellen Gedächtnisinhalt steht, dann kann es passieren, dass ich mich ’erinnere’, aber nicht notwendigerweise. Jeder erlebt ständig auch, dass bestimmtes Wissen nicht ’kommt’; besonders unangenehm in Prüfungen, in schwierigen Verhandlungen, in direkten Gesprächen.
Es stellt sich dann die Frage, wofür ist ein ’Bewusstsein’ gut, das so beschränkt und unzuverlässig die ’Gesamtlage’ repräsentiert?
Und dann gibt es da ein richtiges ’Bewusstseins-Paradox’: während die Ereignisse im Gehirn sich physikalisch-chemisch beschreiben lassen als Stoffwechselprozesse oder als elektrische Potentiale, die entstehen und vergehen, hat der einzelne Mensch in seinem Bewusstsein subjektive Erlebnisse, die wir mit ’Farben’ beschreiben können, ’Formen’, ’Gerüchen’, ’Klängen’ usw. Die Philosophen sprechen hier gerne von ’Qualia’ oder einfach von ’Phänomenen’. Diese Worte sind aber ziemlich beliebig; sie erklären nichts. Das Paradox liegt darin, dass auf der Ebene der Neuronen Ereignisse, die visuelle Ereignisse repräsentieren oder akustische oder olfaktorische usw.
physikalisch-chemisch genau gleich beschaffen sind. Aus dem Messen der neuronalen Signale alleine könnte man nicht herleiten, ob es sich um visuelle, akustische usw. Phänomene im Kontext eines Bewusstseins handelt. Subjektiv erleben wir aber unterschiedliche Qualitäten so, dass wir mittels Sprache darauf Bezug nehmen können.
Ein eigentümliches Phänomen.
Ein anderes Paradox ist der sogenannte ’freie Wille’. Die Vorstellung, dass wir einen ’freien Willen’ haben, mit dem wir unser Verhalten autonom bestimmten können, ist im kulturellen Wissen tief verankert. Bedenkt man die prekäre Rolle des Gehirns in der Körper-Galaxie, dazu die Beschränkung des Bewusstseins auf nur Teile der Gehirnereignisse, dann tut man sich schwer mit der Vorstellung, dass der einzelne Mensch über sein Bewusstsein irgendwie ’substantiell’ Einfluss auf das Geschehen seiner Körper-Galaxie nehmen kann.
Gerade die Gehirnforschung konnte uns immer mehr Beispiele bringen, wie eine Vielzahl von chemischen Botenstoffen über das Blut direkten Einfluss auf das Gehirn nehmen kann. Zusätzlich hatte schon viel früher die Psychologie (und Psychoanalyse?) an vielen Beispielen verdeutlichen können, dass wir Menschen durch falsche Wahrnehmung, durch falsche Erinnerungen und durch falsche gedanklichen Überlegungen, durch Triebe, Bedürfnisse, Emotionen und Gefühle unterschiedlichster Art das ’Falsche’ tun können.
Alle diese Faktoren können offensichtlich unsere unterstellte Freiheit beeinflussen und erschweren, können sie sie aber grundsätzlich aufheben?
Es gibt zahllose Beispiele von Menschen, die trotz vielfältigster körperlicher, psychischer und sozialer Erschwernisse Dinge getan haben, die die scheinbare Unausweichlichkeit solcher unterstellter Kausalitäten individuell unterbrochen und aufgehoben haben und zu Handlungen und Lebensverläufen gekommen sind, die
man als Indizien dafür nehmen kann, dass der Komplex ’Bewusstsein’ und ’freier Wille’ eventuell noch mehr überraschende Eigenschaften besitzt, als sie in der aktuellen – eher mechanistischen – Betrachtungsweise sichtbar werden.
Der Autor dieser Zeilen geht davon aus, dass es sogar ziemlich sicher solche weiteren Aspekte gibt, die bislang nur deshalb noch nicht Eingang in die Diskussion gefunden haben, weil die Theoriebildung im Bereich der Super-Galaxien der Körper und dann noch umfassender der gesamten biologischen Evolution noch nicht allzu weit
fortgeschritten ist. Sie steht noch ziemlich am Anfang.
V. ANHANG : RECHENVORSCHRIFTEN
Für die einfachen Rechnungen habe ich die Sprache python (Siehe Rossum (2017) [RPDT17]) in Version 3.5.2 benutzt.
# hscomplex.py # author: Gerd Doeben-Henisch # idea: comparing the complexity of humans (homo sapiens, hs) with the milky way galaxy # See paper: cognitiveagent.org, February-18, 2018
print(’Number of Milky Way Objects possible within Body-Galaxy =’,bodygalaxymilkywayunits) percentmilkywaybody=milkyway/(bodygalaxy/100) print(’Percentage of Milky Way object within Body-Galaxy =’,percentmilkywaybody) percentbrainbody=braincells/(bodygalaxy/100) print(’Percentage of Brain object within Body-Galaxy =’, percentbrainbody) percentbodybact=bodycells/(bodygalaxy/100) print(’Percentage of body cells within body-galaxy =’,percentbodybact) radiusinbody=math.sqrt((inbodycells/math.pi)*4)/2 radiusmilkyway=math.sqrt((milkyway/math.pi)*4)/2 radiusbodygalaxy=math.sqrt((bodygalaxy/math.pi)*4)/2 radiusinbodybodygalaxy=radiusinbody/radiusbodygalaxy print(’Proportion of radius inbody cells to radius body galaxy =’,radiusinbodybodygalaxy) radiusmilkywaybodygalaxy=radiusmilkyway/radiusbodygalaxy print(’Proportion of radius milky way to radius body galaxy =’, radiusmilkywaybodygalaxy) radiusbrain=math.sqrt((braincells/math.pi)*4)/2 radiusbraincellsbodygalaxy=radiusbrain/radiusbodygalaxy print(’Proportion of radius brain to radius body galaxy =’, radiusbraincellsbodygalaxy)
VI. ANHANG : AUSFÜHRUNG VON RECHENVORSCHRIFTEN
(eml) gerd@Doeben-Henisch: ̃/environments/eml/nat$ python hscomplex.py Number of Milky Way Objects possible within Body-Galaxy = 457.3333333333333 Percentage of Milky Way object within Body-Galaxy = 0.21865889212827988 Percentage of Brain object within Body-Galaxy = 0.1457725947521866 Percentage of body cells within body-galaxy = 27.113702623906704 Proportion of radius inbody cells to radius body galaxy = 0.8537347209531384 Proportion of radius milky way to radius body galaxy = 0.04676097647914122 Proportion of radius brain to radius body galaxy = 0.038180177416060626
QUELLEN
[AJL + 15] B. Alberts, A. Johnson, J. Lewis, D. Morgan, M. Raff, K. Roberts, and P. Walter. Molecular Biology of the Cell. Garland Science,
Taylor & Francis Group, LLC, Abington (UK) – New York, 6 edition, 2015.
[BS06] Niels Birbaumer and Robert F. Schmidt. Biologische Psychologie. Springer, Heidelberg, 6 edition, 2006.
[Keg15] Bernhard Kegel. Die Herrscher der Welt. DuMont, Köln (DE), 1 edition, 2015.
[Mas15] Maggie Masetti. How many stars in the milky way? blueshift, 2015. https://asd.gsfc.nasa.gov/blueshift/index.php/2015/07/22/how-
many-stars-in-the-milky-way.
[RPDT17] Guido van Rossum and Python-Development-Team. The Python Language Reference, Release 3.6.3. Python Software Foundation,
Email: docs@python.org, 1 edition, 2017. https://docs.python.org/3/download.html.
[vBBHH16] Christopher S. von Bartheld, Jami Bahney, and Suzana Herculano-Houzel. The search for true numbers of neurons and glial cells
in the human brain: A review of 150 years of cell counting. Journal of Comparative Neurology, 524(18):3865–3895, 2016.
KONTEXT BLOG
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Eigentlich bewege ich mich in den letzten Wochen in Themen, die direkt keinen Bezug zum ’Sinn’ erkennen lassen, aber dennoch, womit immer man sich beschäftigt, es sind Teilbereiche der einen großen Wirklichkeit, innerhalb deren wir alle uns bewegen. Ob ich nun die Wechselbeziehungen zwischen Menschen und technischen Systemen untersuche, oder die Vorausberechnungen für mögliche zukünftige Konstellationen von Welt, oder die mögliche Rolle von Meditation im Leben von Studierenden, oder die unterschiedlichsten Klangräume, oder Umgebungen für das Lernen …. man ist unweigerlich verflochten mit den je größeren Strukturen, die in allem, Themen- und Disziplinen-übergreifend wirksam sind.
Das beständige Ausklammern dieser übergreifenden Themen ist gefährlich, vor allem macht es sie nicht unsichtbar, nicht unwirksam. Andererseits, je umfassender ein Thema ist, um so schwieriger ist es natürlich, es klar zu definieren.
Schon die Theorien experimenteller Wissenschaften wählen ja hier statt der Methode der expliziten Definition die Methode des ’Kollektivs von Parametern’, eingebettet in eine mathematische Struktur, in denen die Begriffe nicht isoliert erklärt werden, sondern nur im Zusammenhang aller anderen.
Es sollte daher nicht erstaunen, dass ich diese Methode des ’Parameter-Kollektivs’ samt möglicher Strukturen hier auch wähle.
II. DIE GROSSEN WÖRTER
Wenn es um das ’große Ganze’ des Lebens geht, so treffen wir in der Geschichte des homo sapiens auf einige ’große Wörter’, die immer und überall auftauchen, ohne dass Sie ’hinreichend erklärt’ werden. Sie haben Ihre Geschichten, ihre Lebenskontexte, die jeder ’irgendwie’ versteht, aber sie lassen sich nicht einfach dingfest machen, nicht mit knackigen Definitionen fixieren; wie auch, schließlich geht es hier um tief liegende Zusammenhänge des realen Lebens, die vielfältig verflochten sind mit vielerlei Prozessen und darin wirksamen Faktoren (Parametern).
Beispiele solcher großen Worte sind ’Wissen’, ’Wahrheit’, ’Sinn’, ’Liebe’, ’Leben’, ’Intelligenz’, ’Verstehen’, ’Bedeutung’, ’Gut/ Böse’, ’objektiv/ subjektiv’, ’Ich/ Du/ Anderes’.
Irgendwie hängen alle diese Worte untereinander zusammen. So verbindet sich z.B. ’Wissen’ irgendwie mit ’Wahrheit’ und ’Verstehen’ mit ’Sinn’.
Am wichtigsten dürfte wohl der Umstand wiegen, dass alle diese ’Worte’ eine ’Sprache’ voraussetzen, eine Sprache setzt eine ’Population’ voraus, die diese Sprache praktiziert, und eine Population besteht aus sprachverstehenden und sprechenden Akteuren, die minimal wahrnehmen, lernen, erinnern und reagieren können.
Was immer man also zu und über die großen Wörter sagen will, man muss diesen Kontext einer realen aktiven Sprachgemeinschaft von Akteuren mit bedenken. Und da jeder Akteur – wie wir heute wissen – neben ’allgemeinem’ Wissen im Laufe seines Lebens sehr viel ’individuelles’ Wissen aus konkreten Situationen in sich ansammelt und auf individuelle Weise verarbeitet, muss man neben den allgemeinen Bedeutungen immer auch diese individuelle Lerngeschichte und das individuelle Wissensuniversum mit bedenke.
III. SINN
Das schon vorhandene Wissen ermöglicht es dem einzelnen, die aktuelle Weltwahrnehmung zu ’interpretieren’ und zu ’verarbeiten’. Das erleichtert die Orientierung. Wenn aber das bisherige Wissen von der ’Wahrheit’ abweicht, dann tendiert die Wahrnehmung und die Verarbeitung dazu, von der ’Wahrheit’ mehr oder weniger abzuweichen.
Im Rahmen des verfügbaren Wissens kann dem einzelnen die Welt also mehr oder weniger ’sinnvoll’ erscheinen, oder auch nicht. So kann jemand beruflich Erfolg haben und zufrieden sein, zugleich aber im Beziehungsbereich unglücklich sein oder merklich leiden. Jemand kann in einer wunderbaren Beziehung leben, zugleich aber im Verein, in der Firma gerade kläglich scheitern. Und wenn die Mehrheit der Bevölkerung eines Landes den Eindruck hat, dass die wenigen Reichen sich skrupellos über alles hinweg setzen und gierig ihren Reichtum vermehren ohne Rücksicht auf die große Mehrheit, dann kann dies sehr wohl das Gefühl einer ’Sinnlosigkeit’ unterstützen.
Wenn die Evolutionsbiologen durch ihre Forschungen die Dramaturgie des biologischen Lebens entrollen, dann fällt es vergleichsweise leicht, im Falle einer aussterbenden Art angesichts einer dramatischen Veränderung der Lebensverhältnisse (Sauerstoffanteil, Klima, Vulkanausbruch, Meteoriteneinschlag, … ) im Nachhinein und mit gebührendem Abstand zu konstatieren, dass das einzelne betroffene Lebewesen, in dem Moment des Aussterbens eben keine Chance hatte. Wenn man aber selbst ein Lebewesen ist – was wir sind – in einer Situation von Hunger, Krieg, Gewalt, ideologischer Verdunkelung, von machtgierigen Cliquen, … dann ist solch eine lapidare Feststellung vom falschen Ort zur falschen Zeit wenig erfüllend…
Es deutet sich also an, dass der mögliche eine, alles erfüllende Sinn, sich im Geschehen des Universums (oder vieler Universen) und des welt- und zeit-umspannenden Lebens unausweichlich auf vielen verschiedenen Ebenen, in vielen verschiedenen Kontexten gleichzeitig zeigt. Eine Suche nach ’Sinn’ in nur einem Teilbereich, der möglicherweise schon im Ansatz durch ein falsches Wissen – und damit meist auch einer falschen Praxis – ’verzerrt’ ist, kann daher nur schwerlich zu einer befriedigenden Antwort führen. … es sei denn, man begreift, dass man – egal in welchem Zustand und an welchem Ort – letztlich ein ’Geschenk’ des umfassenden Lebensprozesses ist, darin und dadurch auf eine tiefe und unauflösbare Weise ’Teil des Ganzen’ und in und durch diese Teilhabe auf eine sehr individuelle Weise eine Verantwortung für das Ganze dort hat, wo man gerade ist.
Aus der Sicht des ’Sinns’ gibt es kein ’Außen’, nur ein ’Innen’...In allen Jahrtausenden gab es ’spirituelle’ Traditionen,die hier in dieser unmittelbaren Teilhabe am umfassenden Sinn ihre Wurzeln haben.
Was hier am Beispiel von ’Wahrheit’ und ’Sinn’ angedeutet wird, gilt auch für die anderen großen Wort ’Liebe’ und Freiheit’.
IV. FREIHEIT
Während es immer wieder Strömungen gibt, die z.B. eine ’Freiheit’ im Falle des homo sapiens in Abrede stellen, gibt es eine grundlegende Erkenntnis zum physikalischen Universum, noch mehr aber im Falle des biologischen Lebens als Teil des physikalischen Universums, dass es grundlegenden ’nicht-deterministisch’ ist, d.h. in einem grundlegenden Sinne ’frei’ ist.
Sogar die oft viel beschworenen Computer sind trotz ihrer scheinbaren Einfachheit in ihrem theoretischen Potential grundlegend nicht-deterministisch, d.h. in einem grundlegenden Sinne ein Potential für Freiheit. Daraus folgt nicht, dass wir deswegen schon automatisch verstehen, was ’Freiheit’ ist, wie sie ’funktioniert’, aber sie ist eine grundlegende Eigenschaft von allem, was wir empirische erkennen können, einschließlich unserer selbst.
Dieses Phänomen der ’Freiheit’ ist so grundlegend, dass man fast sagen kann, dass sich ’Wirklichkeit’ gerade über ’Freiheit’ definiert. Ohne die grundlegende ’Freiheit’ in allem gäbe es keine Wirklichkeit, gäbe es kein Leben (und damit auch nicht uns), gäbe es kein Universum.
Es ist genau dieses Phänomen der ’Freiheit’, das u.a. dafür verantwortlich ist, dass Menschen ein A erkennen können, sich dieser Erkenntnis aber auch verweigern können. Wahrheit ist grundlegend möglich, wir können sie aber verunstalten, verleugnen, wir können eine Art ’Un-Wahrheit’ erzeugen. Ohne Freiheit gäbe es aber weder Wahrheit noch Unwahrheit. Der Preis der Wahrheit ist die grundlegende Freiheit zur Unwahrheit.
V. FREIHEIT UND SINN
Dies gilt auch für unser Verhältnis zum Sinn: wir können akzeptieren, dass wir an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit Teil eines größeren Ganzen sind und darin unseren individuellen Beitrag leisten (*), wir können es aber auch übersehen, ausblenden, uns verweigern, und hinter Ausreden und Ängsten verbarrikadieren…
(*) Anmerkung: Damit meine ich nicht, dass man einfach hinnimmt, was gerade ist, sondern dass man seine Freiheit nutzt, die Handlungsräume aktiv zu gestalten. Die Geschichte der Menschheit zeigt viele beeindruckende Beispiele, was Menschen können, wenn sie wollen … natürlich leider auch, was sie nicht können, weil andere Menschen – oder die realen Umstände – sie daran hindern …
VI. LIEBE
Das große Wort ’Liebe’ ist nicht weniger schillernd als die zuvor genannten großen Worte. Aber, wie man vielleicht schon ahnen kann, ist auch die ’Liebe’ eingewoben in diese Vielschichtigkeit des Lebens: Im Kraftfeld von ’Wahrheit’, ’Sinn’ und ’Freiheit’ erscheint ’Liebe’ jenes Momentum zu sein, was uns letztlich in eine bestimmte Richtung ’zieht’, uns ’Mut’ macht, uns die ’Angst nimmt’, und handeln lässt.
VII. RESÜME
Man kann die großen Worte nicht gegeneinander ausspielen; sie hängen untereinander zusammen; das eine hilft dem anderen. Leider auch umgekehrt: wo Wahrheit oder Sinn oder Freiheit oder Liebe leiden, leidet auch das andere mit. Das Leben ist ein Gesamtkunstwerk, das sich im Prinzip so lange nicht voll verstehen lässt, so lange es ’stattfindet’, und doch, das ist schwer zu verstehen, jeder kann zu jeder Zeit an jedem Ort so viel von Sinn und Liebe und Freiheit erfahren, das er/sie/es das subjektive Gefühl hat, er/sie/es ist Teil von dem großen Ganzen.
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I Zukunft als Politischer Zankapfel 1
II Wahrheit als Chance 2
III Wahrheit als Betriebssystem einer Kultur 2
III-A Überwindung des Augenblicks . . . .2
III-B Das ’Äußere’ als ’Inneres’ . . . . . .2
III-C Das ’Innere’ als ’Außen’ und als ’Innen’ 3
III-D Fähigkeit zur Wahrheit . . . . . . . . 3
III-E Bindeglied Sprache . . . . . . . . . . 4
IV Wahrheit durch Sprache? 4
V Wahrheit in Freiheit 5
VI Energie 5
VII Wahrheit durch Spiritualität 6
VIII Intelligente Maschinen 7
IX Der homo sapiens im Stress-Test 8
X ’Heilige’ Roboter 8
XI Singularität(en) 9
XII Vollendung der Wissenschaften 10
Quellen: 11
ZUSAMMENFASSUNG
Nachdem es in diesem Blog schon zahlreiche
Blogbeiträge zum Thema Wahrheit gab, geht es in diesem
Beitrag um die wichtige Ergänzung, wie Wahrheit mit einer
Kultur der Zukunft zusammenspielt. Hier wird aufgezeigt,
dass eine Kultur der Zukunft ohne Wahrheit unmöglich
ist. Wahrheit ist der entscheidende, absolut unabdingbare
Rohstoff für eine Kultur der Zukunft.
Ausgehend von dem Artikel von Prof. Kiefer zum Phänomen der Sucht und den Suchtauslösern wird sein Erklärungsmodell aufgegriffen, diskutiert und in einigen Aspekten philosophisch übergeleitet zu einem grundsätzlichen Modell eines freiheits-basierten Wissens-, Welt- und Lebensmodells. Sucht erscheint dann nicht mehr als etwas sehr Spezielles, sondern als eine systemisch naheliegende Fehlform einer freiheitsbasierten Lebensform, der die Wissenschaft den Namen homo sapiens gegeben hat.
SUCHT
In einem Artikel in der FAZ vom 18.Oktober beschreibt Prof. Dr. Falk Kiefer vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit (Mannheim) auf Seite N1 das Phänomen der Sucht. Ausgehend von den Befunden des neuesten Suchtberichts der Regierung vom Juli 2017 beginnt er bei den typischen Verhaltensmerkmalen, anhand deren sich das, was man wissenschaftlich als ‚Sucht‘ bezeichnet, manifestiert (siehe dazu Bild 1).
Entsprechend der Tradition der experimentellen Psychologie seit dem Beginn des 20.Jh gilt das beobachtbare Verhalten als Ausgangspunkt einer empirischen psychologischen Untersuchung. So macht Prof. Kiefer darauf aufmerksam, dass Menschen mit einem Suchtverhalten dazu tendieren, den Raum ihres möglichen Verhaltens zunehmend einzuschränken. Aufgrund der als positiv erlebten Wirkungen eines Suchtmittels beginnen Menschen die Weltwahrnehmung einseitig zu interpretieren, so dass nach und nach immer stärker nur noch die Dinge wahrgenommen (und erinnert) werden, die sich mit den erlebten positiven Wirkungen des Suchtmittels verknüpfen. Daraus entsteht ein Tunnelblick, der die möglichen Alternativen immer weiter abschwächt und die sucht-bezogenen Inhalte einseitig verstärkt.
Zu Beginn halten sich die möglichen negativen Auswirkungen auf den Körper, die Psyche und das soziale Umfeld noch im unauffälligen Bereich, aber im Laufe der Zeit kann es hier zu massiven ‚Abweichungen von der Norm‘ kommen, die zu vielfältigen negativen Gefühlen für den Süchtigen führen können (‚Problemdruck‘). Bisweilen hilft dieser erlebte Problemdruck, das Verhalten entsprechend zu ändern, aber in vielen Fällen — und offensichtlich in jenen Fällen, in denen Sucht kontinuierlich manifest wird — schaffen es die Betroffenen nicht, diesen Wahrnehmungs- und Erlebens- und Handlungskreislauf zu durchbrechen. Als Süchtiger ist man Teil dieser inneren Bewertungsschleife, ist man in ihr drin. Gerade darin besteht ja die Krankheit: die zunehmende Blindheit für den ‚größeren Zusammenhang‘ und die subjektiv erscheinende Unfähigkeit, sich da wieder heraus zu lösen.
Mit einer Referenz an die Neurowissenschaften berichtet Prof. Kiefer von den neuesten Erkenntnissen zu den neuronalen Mechanismen der Belohnung und der Verhaltenskontrolle. Im Kern schält sich heraus, dass es ein Belohnungssystem im Gehirn gibt, das vorzugsweise mit dem Botenstoff Dopamin arbeitet und ein Verhaltenskontrollsystem, das vorzugsweise mit dem Botenstoff Glutamat arbeitet. Die genauen Details dieser Systeme sind bislang noch nicht klar. Allerdings gibt es eine auffällige Häufung von Dopaminvorkommen im Kontext der Suchtmittel sowie eine Veränderungen von Synapsen von Nervenzellen in der Kontrolle des Verhaltens. Diese beobachtbare Korrelationen erklären im eigentlichen Sinne nicht viel, aber sie können helfen, Arbeitshypothesen zu entwickeln und zu präzisieren.
THERAPIE
Sofern die bisherige Interpretation stimmt — und davon geht Prof. Kiefer aus –, stellt sich natürlich aus Sicht einer Psychotherapie die Frage, wie man diese selbstzerstörerische Tendenz des Gehirns aufbrechen kann. Denn, wie alle Daten zeigen, stoppt man das Gehirn nicht, mit solch einem stark selektiven System der Wahrnehmung und des Handelns zu arbeiten, führt dies zu einer körperlichen, sozialen und psychischen Zerstörung des Betroffenen.
Die Arbeitshypothese von Prof. Kiefer geht in die Richtung, dass die Suchtmittel an bestimmte auslösende Reize (alles, was mit der Verfügbarkeit und Einnahme des Suchtmittels zu tun hat) gekoppelt sind, die dann, wenn sie zur Einnahme des Genussmittels führen (auch ein Reiz), zu Suchtmittel-spezifischen Empfindungen führen können, die als positiv erlebt werden (zunächst). Diese Verknüpfung ist nicht angeboren, sondern sie wird ‚gelernt‘. In dem Maße, wie immer mehr Reize in den Kontext der Suchtmittel-spezifischen Empfindungen gelangen, und dadurch andere, alternative Reize immer mehr zurücktreten, abgeschwächt werden, entsteht dieses ‚innere Gefängnis‘, eine quasi neuronal-psychologische Fußfessel‘, die festbindet.
Es liegt nahe, zu fragen, ob und wie man solch eine Kopplung von Reiz und positiver Verstärkung schwächen oder gar aufbrechen kann.
Was schon die Lebenserfahrung durch viele Jahrhunderte und Jahrtausende gezeigt hat, wird durch die moderne Psychotherapieforschung erneut bestätigt und partiell präzisiert (siehe Bild 2).
Die allgemeine Lebenserfahrung hat schon immer gewusst, dass man Einseitigkeiten in der Welterfahrung nur aufbrechen kann, wenn man der betreffenden Person hilft, zu alternativen Erfahrungen zu kommen. Neben Abstinenz (Entzug) von den als schädlich erkannten Reizen gehörte dazu auch schon immer der berühmte ‚Tapetenwechsel‘ (andere soziale Kontexte, andere Orte,…), andere Lernerfahrungen, anderes und intensiveres Freizeitverhalten, der — zumindest ein einigen Kulturen — verstärkte Einsatz von Meditationstechniken zum Unterlaufen falscher Wahrnehmungsmuster, oder auch — rabiat und doch wirksam — Umerziehungslager.
Die moderne Psychotherapie sagt nichts wirklich Neues, wenn sie solche — oder ähnliche — therapeutischen Maßnahmen empfiehlt. Die Grundidee besteht in allem darin, durch ein verändertes Lernverhalten die alten Reiz-Belohnungsschemata abzuschwächen, aufzulösen bei und durch gleichzeitigem Aufbau neuer alternativer Reiz-Reaktionsschemata neue Handlungsansätze zu ermöglichen.
Prof.Kiefer berichtet von Experimenten, deren Daten (ergänzt durch bildgebende Verfahren) darauf hindeuten, dass schon wenige alternative Lernerfahrungen (er spricht von 9 Sitzungen) zu nachweisbaren Veränderungen in den Aktivitätsmustern des Gehirns führen können, was auch von den Betroffenen entsprechend berichtet wird.
Prof. Kiefer sieht dies als Beleg dafür, dass die allgemeine Lernfähigkeit des Menschen in der Lage ist (bei hinreichender sozialer Unterstützung) , ‚falsch gelernte Verhaltensmuster‘ aufzubrechen, abzuschwächen und sie simultan durch ’neue, alternative‘ zu ersetzen.
FREIHEIT
In diesem Zusammenhang spricht Prof. Kiefer auch von der ‚Selbstreflexion‘ des Menschen und seiner ‚Freiheit‘, die den Menschen in besonderer Weise befähigen, solch ein Um-Lernen in Gang zu setzen. Es bleibt im Artikel aber unklar, was genau mit diesen Begriffen gemeint ist und wie sie funktionieren.
Der Definitionsvorschlag von Prof. Kiefer für den Begriff ‚Freiheit‘ z.B. als der Fähigkeit, „Handlungsoptionen … wahrnehmen“ und sich „Handlungsoptionen bewusst zuwenden zu können“ ist sehr abstrakt. Dies muss allerdings kein wirklicher Gegeneinwand sein, da ja (formal, mathematisch) ‚Freiheit‘ offensichtlich nicht ein einzelner Gegenstand ist, sondern eher — im alltäglichen Bild von ‚die Summe ist mehr als ihre Teile‘ — einen Funktionszusammenhang manifestiert, in dem Verhaltensmuster entstehen können, die sich aus den einzelnen identifizierbaren ‚Komponenten‘ des beobachtbaren Verhaltens alleine nicht zufriedenstellend ableiten lassen. In Verhaltensmustern zeigt sich — wenn man die Arbeitshypothese ‚Freiheit‘ zulässt — dann eine ‚Dynamik‘, die über die jeweils bekannten Mustern hinaus in der Lage ist, immer wieder neue Muster hervor zu bringen. ‚Freiheit‘ in diesem Sinne würde damit eine grundlegende Form von ‚Kreativität‘ markieren, die endliche Muster, die offensichtlich schädlich sein können, ‚in der Wurzel‘ aushebeln kann.
Allerdings, das zeigt die Kulturerfahrung seit Jahrtausenden, können sich Menschen in eine individuelle ‚interne Interpretationsschleife‘ festfahren, aus der sie nur mit massiver Hilfe von außen wieder heraus kommen können. Es scheint daher so zu sein, dass die grundlegende Fähigkeit zu ‚Freiheit‘ und ‚Kreativität‘ ‚verschüttet‘ werden kann.
Wenn man allerdings nüchtern sieht, wie die Menschen, die Menschheit in vielen Jahrtausenden massiv demonstriert, dass sie neben der klassischen Form der Sucht auch andere interpretationsbedingte Verhaltenseinstellungen (Fundamentalismus, Fanatismus, Dogmatismus, …) in großer Breite praktizieren kann und praktiziert hat, nicht selten bis zum bitteren Ende eines sozialen, politischen und/ oder wirtschaftlichen Zusammenbruchs, dann wird man nicht zu optimistisch sein, was die ‚Selbstheiligungskräfte‘ von Menschen und Gesellschaften bzgl. einer nachhaltig realistischen, weltangemessenen, und pluralistischen Lebenseinstellung betrifft. Das Phänomen der Sucht erscheint vor diesem Hintergrund nicht so außergewöhnlich, nicht so sonderbar wie es oft dargestellt wird. Sucht scheint eher jene Form alltäglicher Welteinschränkung zu sein, die sich in einer ‚Erfahrungsnische‘ verfangen hat, aus die das individuelle System mit eigener Kraft kaum noch herauskommt. Die Tatsache, dass bei vielen Suchtformen chemische Prozesse im Gehirn beteiligt sind, ist dabei keineswegs notwendig, betrachtet man die vielfältigen Formen von manifester Spielsucht.
FREIHEIT, SUCHT UND ROBOTER
Die Naturwissenschaften unserer Tage tendieren dazu, in der Zersplitterung der Sichten und der Überbetonung der Details den Blick für das Ganze eines Systems, speziell des Menschen, des homo sapiens, zu verlieren. Vielleicht noch der nachhallende Reflex zur Haltung der Geisteswissenschaft in den Jahrhunderten zuvor, die den Menschen völlig kritiklos als ein Wesen des Geiste über alles und jedes gehoben hatten. Psychologie und Psychotherapie nehmen hier eine eigentümliche Zwitterstellung ein. Als empirische Wissenschaften unterwerfen sie sich den Spielregeln empirischer Wissenschaften, denen ganzheitliche Systembildungen biologischer Systeme bislang eher fremd sind. Insofern sie sich aber dem Phänomen Mensch in seiner ganzen Breite und empirischen Realität stellen, sind sie mit Phänomenen konfrontiert, die sich nicht so einfach mit den üblichen Klassifizierungsreflexen verrechnen lassen.
So wird zwar aufgrund der Tradition und alltäglicher Phänomene im Fall von Menschen von der ‚Freiheit des Menschen‘ gesprochen und in allen juristischen Konzepten als gegeben unterstellt, aber im Lichte der empirischen Wissenschaften tut man sich schwer, dieser Rede von der Freiheit eine befriedigende theoretische Begründung zu geben.
Die Formulierung von Prof.Kiefer erscheint mir in diesem Zusammenhang symptomatisch: Ja, ‚Freiheit‘ beim Menschen ist ‚mehr‘ als nur die beteiligten chemischen Substanzen; aber, was ist dieses ‚Mehr‘? Für einen Neurowissenschaftler, der nur in Kategorien von Neuronen, Synapsen, chemischen Botenstoffen, elektro-chemischen Potentialen, genetischen Kodierungen zu denken gewohnt ist, fällt es naturgemäß schwer, jenseits dieser Mikrostrukturen größere Konzepte zu denken. Die Komplexität des Gehirns erzwingt zwar letztlich dann doch die Formulierung größerer Strukturen, in denen sich Millionen bis Milliarden Neuronen zu unterschiedlichen ‚funktionellen Zusammenhängen‘ zusammen finden, aber was sind diese ‚Funktionen‘ ‚für sich‘ genommen, ohne die beteiligten Neuronen? Kommt einer komplexen Funktionen von vielen Neuronen eine ‚eigenständige Wirklichkeit‘ zu, eine eigene ‚Ontologie‘, wie es die traditionellen Philosophen sagen würden, oder auch die modernen Wissenschaftsphilosophen, die diese Aussage allerdings in mathematische Sprechweisen kleiden, die sich anders ‚lesen‘, aber letztlich das Gleiche ‚meinen‘?
Diese sehr grundlegende und offensichtlich nicht leichte Fragestellung erscheint in einem zusätzlichen Licht, wenn man die Forschungen zu den sogenannten intelligenten selbstlernenden Maschinen bzw. zu den sogenannten intelligenten selbstlernenden Programmen in die Diskussion einbezieht.
Schon von Beginn der Forschungen zur künstlichen Intelligenz war bekannt, dass die Frage der ‚Bewertung‘, der ‚Präferenz‘ eine wichtige Rolle zukommt. In den letzten Jahren hat sich diese Problemstellung zugespitzt und verschärft. Bei dem Versuch, Roboter zu entwickeln, die den Status von dummen Industrierobotern überwinden und eher wie menschliche Kinder ‚von sich aus‘ ‚in der ganzen Breite‘ lernen, schälte sich heraus, dass die Frage der geeigneten Präferenzen für ein ‚weltoffenes Lernen‘ eine absolut nicht-triviale Problemstellung ist.(Siehe den Überblickartikel von Merrick (2017))
Woher kann ein Roboter, der selbständig lernen können soll, wissen, was für ihn in irgendeinem Sinne ‚zu bevorzugen ist‘? Zwar lernen auch junge Menschen vielfach durch Feedback von ihrer sozialen Umwelt, aber sie besitzen — ’normalerweise‘ — auch die Fähigkeit, aus der Vielfalt der Präferenz-Angebote auf Dauer ’selbständig‘ jene auszuwählen, die sie ‚für sich‘ für ‚am besten‘ finden (was nicht ausschließt, dass sie sich im Nachhinein als ‚weniger optimal ‚ erweisen). Diese grundlegende Fähigkeit, vorgegebene Muster in ’neuer‘ Weise ‚kreativ‘ zu überwinden, bewusst in ein ‚Risiko‘ hinein gehen zu können, dies können ansatzweise Tiere und in noch stärkerem Umfang Menschen. Neben dem möglichen realen Scheitern eröffnen sich durch dieses Verhalten auch mögliche reale Chancen, die für das Überleben wesentlich sein können. Während vergangene Erfahrung und ihre Erfolge helfen können, Dinge zu ‚bewahren‘, die sich bewährt haben, bilden sie zugleich eine dauernde Gefahr. Der ‚alltägliche Tunnelblick‘ ist dem Tunnelblick des Suchtkranken nicht unähnlich. In einer dynamischen, sich rasch entwickelnden Welt kann das Bewahren eine riskante Strategie sein.
Eine grundsätzliche Analyse dieser Situation zeigt, dass wir es hier mit einem fundamentalen Problem zu tun haben, das ‚in sich‘ keine vollständige Lösung bieten kann. Da biologischen Systeme ‚offene‘ Systeme sind, kann eine ‚gute‘ Lösung immer nur im Zusammenspiel von individuellem System und Umwelt gefunden werden. Jede Form von Abschottung ist im Ansatz ein Todesurteil. Da aber grundsätzlich das verfügbare Wissen unvollständig ist, trägt diese offene Lernsituation den ‚Keim des Risikos‘ von vornherein ‚in sich‘. Wer dieses leugnet, begeht schon im Ansatz ‚Weltflucht‘. Eine lebenszugewandte Kultur übt also, ‚Freiheit‘, ‚Umgang mit Risiko‘ und ‚Kreativität‘ als Grundeigenschaften des Daseins wahrzunehmen, anzuerkennen und zu praktizieren. Die Populisten, Dogmatiker, Fundamentalisten, Propagandisten aller Jahrhunderte waren von daher immer schon im Ansatz Boten eines kommenden Scheiterns. Leider, viel zu oft, kam es dann auch dazu. Es stellt sich die Frage, wie kann sich die Menschheit auf Dauer von diesem ‚internen Weltvernichtungs-Mechanismus‘ besser bewahren?
TYPEN VON FREIHEIT
Mit Blick auf den Alltag und seinen vielen Spielarten, das Geschenk der Freiheit zu kaschieren, es zu vertuschen, es zu lähmen usw. bietet sich rein pragmatisch folgende Fallunterscheidung an:
Blockierte Freiheit: verschiedene objektive Faktoren verhindern ein Ausleben der Freiheit.
Manipulierte Freiheit: verschiedene Kräfte versuchen, so auf eine Freiheit einzuwirken, dass diese aufgrund von falschen Informationen und/ oder falschen Gefühlen nicht das tut, was ‚eigentlich‘ das ‚Bessere‘ wäre.
Inspirierte Freiheit: die gesellschaftliche Wirklichkeit erlaubt jedem, seine Freiheit weitestgehend auszuleben, bietet vielfältige Anregungen, viel ‚gutes‘ Wissen, ausreichende ‚Freiräume‘, um ausreichend Lernen zu können.
Systemtheoretisch haben alle jene Gesellschaften die größten ‚Erfolgsaussichten‘ in der Zukunft, die ein Maximum an inspirierten Freiheiten zulassen. Dies verlangt allerdings auch von jedem einzelnen, seine Freiheit real und konkret in dem Sinne ‚auszuleben‘, dass er die umgebende Welt und sich selbst intensiv weiter erforscht und entwickelt. Philosophie, Kunst und Wissenschaften bilden hier einen mehrdimensionalen Raum, der sich nicht — wie heute meistens — gegeneinander abschottet, sondern sich wechselseitig herausfordert, inspiriert.
Die Dimension ‚Gott‘ ist in der Variante einer ‚inspirierten Freiheit‘ nicht ausgeschlossen sondern letztlich konstitutiv, aber anders, als die Religionen unserer Tage dies propagieren und praktizieren. Die Religionen unserer Tage (ich meine mindestens den Hinduismus, den Buddhismus, das Judentum, das Christentum und den Islam) gehören — zumindest so, wie sie sich heute zur Erfahrung bringen — eher zur manipulierten oder gar zur blockierten Form von Freiheit. Damit verdunkeln sie das Bild Gottes in einer Weise, die Gott eher unkenntlich macht. Gott selbst schadet dies nur insofern, als es den Menschen schadet, die Gott in diese grundlegende Form von Freiheit hineingesetzt hat.
KONTEXT BLOG
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Entsprechend der Einladung zur Philosophiewerkstatt fand am 30.April 2017 nach 3-monatiger (krankheitsbedingter) Unterbrechung wieder eine Philosophiewerkstatt statt.
THEMENSTELLUNG
Die ursprüngliche Themenstellung für den 30.April Woher kommen die Bilder, die wir von uns haben? Wie weit können wir Ihnen trauen? klang konventionell, nicht uninteressant, aber auch nicht unbedingt sehr innovativ. In der Sitzung gewann dann das Thema immer mehr Brisanz und führte an zentrale Einsichten zum homo sapiens, zum Menschen, zum ‚Geist‘, heran. Der Verlauf der Sitzung zeigte wieder einmal mehr, welch innovative, kreative Kraft Gespräche haben können, wenn jeder in einer vertrauensvollen Atmosphäre das aussprechen kann, was er erlebt, welche Idee aufsteigen, wie sich Ideen wechselseitig anregen und verzahnen können.
IMPULSE ZU BEGINN
Einleitend gab es vier Ideen/ Bilder/ Sichten auf den homo sapiens, die quasi vier Koordinaten sichtbar machten, innerhalb deren der homo sapiens in seinem Erkennen der Welt und sich selbst vorkommt, sich ereignet.
KOORDINATE KÖRPERWELT
Makro-physikalisch kann man von einer Raumstruktur mit Objekten sprechen, in der unter anderem auch Exemplare der Lebensform homo sapiens vorkommen können. Dies kann asynchron in dem Sinne geschehen, dass viele Menschen auf der Straße, öffentlichen Plätzen, in Gebäuden herumlaufen, ohne einen inneren Bezug zu den anderen Personen zu haben, die zeitgleich am gleichen Ort vorkommen. Es kann aber auch synchron sein, so dass das Verhalten der einen Person über Vorgänge im Innern der Person mit dem Verhalten einer anderen Person auf spezifische Weise koordiniert ist. Typische Situationen für synchrones Verhalten sind Spiele, gemeinsam Musik machen, Tanzen, usw.. Ambivalent sind Situationen wie z.B. gemeinsames Essen: beim Essen als Routine können Menschen im gleichen Raum, am gleichen Tisch sitzen, und doch ‚geistig‘ ganz woanders sein, man kann sich aber auch bewusst zum Essen treffen, es gemeinsam genießen, und dabei miteinander sprechen.
Die Vielfalt der Situationen, in denen Menschen mit anderen gemeinsam vorkommen können, ist ungeheuerlich groß. Ein besonderes Augenmerk richten wir auch immer auf das Verhalten, was seit tausenden von Jahren in allen Kulturen und Religionen Menschen – wenn auch oft mit unterschiedlichen Worten – Meditation genannt haben und auch heute noch nennen. Aufgrund der langen und vielschichtigen Geschichte zur Meditation gibt es keine einheitlich einfache Definition dieses Begriffes. Aber Meditation scheint nicht tot zu kriegen. Auch heute noch, nach vielen, vielen tausenden von Jahren spricht man von Meditation, und es scheint, dass Meditation auch außerhalb der etablierten Religionen und Kirchen einzusickern beginnt in alltägliche Abläufe; selbst eine neue Form von Kommerzialisierung findet statt.
KOORDINATE INNENWELT
Wie jeder Mensch selbst überprüfen kann, gehört zu jedem menschlichen Körper ein Innenleben, das sich für den einzelnen zuerst und vor allem in Form seines bewussten Erlebens manifestiert. Im Alltag verbindet sich für einen Menschen jede Situation mit verschiedenen Sinnesempfindungen, auch Empfindungen von körperlichen Zuständen, dazu weitere komplexe Empfindungen wie z.B. Veränderungen, Erinnerungen, Vorstellungen über Alternativen; dazu diverse Bedürfnisse, Emotionen, Gefühle, Stimmungen. Die Anzahl und die Formen dieser inneren Empfindungen sind anscheinen unendlich. Zugleich gibt es bestimmte Muster, Strukturen die immer wieder auftreten, die alle diese unterschiedliche Empfindungen zu begleiten scheinen.
Seitdem es Menschen der Lebensform homo sapiens gibt – die Wissenschaft spricht von ca. 200.000 Jahren, Ursprung in Afrika – hat der Mensch solche Empfindungen und bis heute dürfte die überwiegende Mehrzahl der Menschen bis zu ihrem Tode diese Empfindungen nehmen als ‚die Welt selbst‘.
KOORDINATE KÖRPER – GEHIRN
Erst seit wenigen Jahrzehnten, vielleicht seit ca. 100 Jahren, konnte ein Teil der Menschheit lernen, dass die Welt der bewussten Empfindungen nicht isoliert ist und auf keinen Fall identisch ist mit der realen Welt; keine 1-zu-1 Abbildung!
Die Entdeckung dass der menschliche Körper – und auch das Gehirn – aus einzelnen Zellen besteht, ermöglichte eine neue Sicht auf den Körper und seine internen Abläufe. Man erkannte immer mehr, dass das bewusste Erleben nicht losgelöst ist von den Vorgängen im Körper, noch spezieller: stark korreliert erscheint mit den physikalisch-chemischen-molekularbiologischen Prozessen in den Milliarden von Zellen, die das Gehirn und das ganze Nervensystem bilden. Die Frage nach den neuronalen Korrelaten des Bewusstseins bildet mittlerweile sogar einen riesigen Forschungszweig in den Wissenschaften.
Wissend um diesen grundlegenden Zusammenhang [Anmerkung: der bis heute allerdings noch nicht wirklich befriedigend geklärt werden konnte] ermöglicht dies einen ganz neuen Blick auf die mögliche evolutionäre Rolle des homo sapiens nicht nur auf der Erde, sondern für den ganzen Bereich des heute bekannten Universums.
Während das physikalische Universum ohne die Exemplare des biologischen Lebens ein Ereignis ist, das zwar passiert, aber ‚rein für sich ist‘, ohne jede Resonanz außerhalb des Ereignisses selbst (sozusagen ein kognitives schwarzes Loch), kommt mit dem Auftreten des homo sapiens (ca. 13.8 Mrd Jahre nach dem sogenannten Big Bang) etwas völlig Neuartiges ins Spiel. Der homo sapiens verfügt über die revolutionäre Fähigkeit, die physikalischen Eigenschaften des Universums durch Transformationsprozesse im Körper in eine virtuelle Welt von 1-0-Signalereignissen zu transformieren, die Aspekte des physikalischen Universums damit in jedem einzelnen Individuum im Mikromaßstab modellhaft neu entstehen zu lassen. Der Körper mit Gehirn und Bewusstsein überführt damit die physikalische – erste – Welt in eine virtuelle – zweite – Welt, in der sich die Eigenschaften der ersten Welt widerspiegeln, aber nicht nur.
In der zweiten virtuellen Welt im Innern des homo sapiens geschieht eine zweite Revolution: die internen Verarbeitungsprozesse des Gehirns — vor allem in jenen Bereichen, die man Gedächtnis nennt – werden die sensorischen Einzelereignisse in vielfacher Weise transformiert, abstrahiert, miteinander verrechnet, assoziiert und – das ist das Revolutionäre – werden aktuelle Ereignisse von einem Jetzt über die Speicherung mit aktuellen Ereignissen aus einem späteren Jetzt miteinander vergleichbar. Damit kann das Gehirn des homo sapiens das Phänomen von Veränderung wahrnehmen und sichtbar machen. Das ist die Entdeckung der Zeit und damit die Entdeckung von Entwicklung und möglicherweise von einer Gerichtetheit von Entwicklung.
Während also das physikalische Universum sich ‚vor sich hin ereignet‘ und ’sich selbst‘ keinerlei Gesetzmäßigkeiten ‚bewusst‘ ist — es findet einfach nur statt –, ermöglicht die biologische Lebensform des homo sapiens eine Transformation der physikalischen Ereignisse in einer Weise, die das Innere des physikalischen Universumssichtbar macht, und damit die Möglichkeit bietet, in seine Abläufe einzugreifen. Die zweite virtuelle Welt im Innern des homo sapiens ermöglicht nicht nur die Repräsentation gewisser Eigenschaften der ersten physikalischen Welt, sondern neben der Sichtbarmachung der Veränderungen kann das Gehirn des homo sapiens in der virtuellen Welt auch spielen: es kann Varianten spielerisch ausprobieren, die es so in der ersten physikalischen Welt bislang nicht gibt. Der homo sapiens kann dadurch grundsätzlich die vorfindliche erste physikalische Welt modulieren, verändern, und damit auch sich selbst als Teil der physikalischen Welt. Dies ist nicht nur einfach revolutionär, es ist eigentlich ungeheuerlich, es ist ein zweiter Big Bang: nach der Entstehung des ersten physikalischen Universums (auf eine Weise, die wir bis heute noch nicht ganz verstehen), entstand mit dem homo sapiens ein zweites virtuelles Universum, das das erste physikalische Universum in sich aufsaugen kann und zugleich in zuvor unvorstellbarer Weise verändern kann.
Das Wort ‚Geist‘ ist durch viele tausend Jahre Philosophiegeschichte zwar mehrfach belastet, aber als Metapher könnte – und müsste man? – vielleicht sagen, dass das erste physikalische Universum parallel in ein zweites (virtuelles) Universum des Geistes transformiert wurde (und wird), das das erste physikalische Universum als Spielmaterial benutzt.
Allerdings, ein weiterer Umstand muss noch bedacht werden. Ein einzelnes Exemplar eines homo sapiens, ein Individuum, ein einzelner Mensch, ist mit seinem Innenleben, mit seinen bewussten Empfindungen, mit seiner spezifischen zweiten virtuellen Welt im Kopf, isoliert. Was immer in einem einzelnen Menschen geschieht, andere Menschen können dies nicht wissen. Die inneren Prozesse sind nicht direkt einsehbar; sie sind privat.
KOORDINATE SPRACHE
Diese inhärente Privatheit jedes einzelnen Exemplars eines homo sapiens ist aber, wie schon die ersten beiden Koordinaten Körperwelt und Innenwelt andeuten, kein unüberwindlicher Zustand. Es gibt nicht nur die kontinuierliche Transformation von Ereignissen der ersten physikalischen Welt in die innere virtuelle Welt, sondern es gibt auch die Möglichkeit, dass das Gehirn auf vielfältige Weise auf die Zustände des Körpers einwirken kann, und indirekt über die Körperzustände auch in die Zustände der makro-physikalischen Körperwelt.
So kann ein Mensch sowohl Körperbewegungen erzeugen wie auch durch Körperwegungen die Luft zum Schwingen bringen, wodurch dann das möglich wird, was wir Sprache nennen. Durch dieses Wechselspiel zwischen Transformation von Außen nach Innen und von Innen nach Außen besteht die grundsätzliche Möglichkeit, dass Menschen sich auf bestimmte Laute einigen, um dann mit diesen Lauten Bezug zu nehmen zu irgendwelchen Elementen, die im virtuellen Erfahrungsraum repräsentiert werden. Diese Elemente durch Bezug bilden dann das, was gewöhnlich Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken genannt. Je klarer sich diese im Bezug ausgewählten Elemente mit Eigenschaften der ersten physikalischen Welt in Verbindung bringen lassen, um so klarer ist die intendierte Bedeutung. Je schwieriger eine solche Bezugnahme zwischen verschiedenen Individuen ist – z.B. im Fall von individuellen Empfindungen, die im Körper selbst entstehen (z.B. Hunger, Durst), nicht hereintransformiert von der Außenwelt –, desto schwieriger ist eine Bedeutungsklärung.
Grundsätzlich gilt allerdings, dass jedes sprachliches Ereignis, sofern es mit einem Bedeutungsanspruch daherkommt, durch diesen Bedeutungsanspruch auf interne Prozesse des Sprechers verweist, die direkt nicht zugänglich sind. Es ist also immer wichtig, zu klären, was der Sprecher tatsächlich meint. Dies ist allemal aufwendig und anstrengend.
Im Alltag haben sich viele Abläufe eingespielt, die diese grundsätzliche Bedeutungsklärung ‚automatisieren‘, ‚umgehen‘. Aber dies darf nicht darüber hinweg täuschen, dass jegliche Bedeutungsbildung ein Experiment ist, eine Hypothesenbildung, die aufwendige wechselseitige Abstimmungen bedingen. Selbst bei Menschen, die über viele Jahre miteinander eng vertraut sind, kann es zu Missverständnissen kommen. Überraschend ist, wie viele Menschen sich schwer tun, mit diesen Bedeutungsunterschieden und potentiellen Missverständnissen umzugehen. Es scheint, dass den meisten Menschen nicht bewusst ist, wie fragil die Bedeutungszuordnungen in gemeinsam genutzten Sprachen sind.
GESPRÄCHSRUNDE
Das gemeinsame Gespräch verlief dieses Mal in einer anderen Anordnung: direkt nach den Impulsen gab es eine erste Gesprächsrunde, die sich aus einem speziellen Informationsbedürfnis herleitete, und dann, nach der Meditation gab es eine zweite Runde.
Wie man aus den beigefügten Stichworten erkennen kann, gab es grob die Schwerpunkte ‚Interpretation‘, sowohl individuell wie auch im sozialen Kontext, und dann die mögliche Rolle von ‚Emotionen‘ im Kontext.
INTERPRETATIONEN
Das In-der-Welt-sein erzwingt quasi von selbst die Suche nach passenden Erklärungsmustern, nicht nur wegen der Vielfalt, sondern auch wegen der unaufhaltsamen Veränderungen, die überall stattfinden.
Die Warum-Fragen der Kinder manifestieren dieses Bedürfnis nach Interpretationen auf eigene Weise. Für Kinder ist zunächst alles neu und ohne Zusammenhang. Sie brauchen viele Jahre, bis sie mit den wichtigsten Aspekten ihres Lebens vertraut sind und bis sie erste Zusammenhänge sehen können. Das Meiste übernehmen sie wohl von den Menschen ihrer Umgebung. Glück, wenn sie mit Menschen aufwachsen, die ihnen die richtigen Interpretationen liefern.
Man kann dann (leider?) beobachten, dass Kinder mit fortschreitendem Alter ihre Neugierde und ihre Warum-Fragen verlieren. Es scheint eine Verfestigung einzutreten. Durch die (oft zwangsweise) Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen (Familie, Peer-Groups, Kindergarten, Schule, Betriebe, Vereine, …) wird soziale Zugehörigkeit und eine damit verbundene Sicherheit mit einem gewissen Maß an Unfreiheit erkauft: man darf nur dazugehören, wenn man die Ziele, Werte und Anschauungen der jeweiligen sozialen Gruppierungen teilt. Ein abweichendes Verhalten wird überwiegend nicht honoriert, eher bestraft. Man ist nur wer, wenn man innerhalb der Gruppierung die gesetzten Anforderungen erfüllt (politische Parteien, Gewerkschaften, Firmen, Behörden, …).
Dieser starke, alle erfassende Trend ist für die Optimierung von Weltinterpretationen, für die Gewinnung neuer, alternativer Sichten, unfreundlich bis gefährlich. Die wichtigste Errungenschaft des ganzen Universums, die Fähigkeit zu einer kontinuierlichen neuen Sicht der Dinge, wird damit durch die Gesellschaft stark behindert, wenn nicht gar unterbunden und ausgetrocknet. Die Geschichte zeigt zwar unmissverständlich, dass nur jene Gesellschaften überleben bzw. ‚gewinnen‘, die vergleichsweise mehr innere Kreativität, Innovation zugelassen haben, aber die jeweilige Gegenwart zeigt immer wieder, dass diese Erkenntnisse aus der Vergangenheit wenig Wirkung für alltägliche Abläufe haben. Der Mensch hat eine sehr starke Tendenz, sich im Hier und Jetzt einzurichten, Veränderungen zu verteufeln, sich selbst gegenüber dem Ganzen zu überhöhen. Die Vision einer offenen Gesellschaft, die sich im Modell demokratischer Gesellschaften manifestiert, verlangt ein hohes Maß an Bildung aller und an Vertrauen in jeden einzelnen. Ohne Vertrauen keine wirkliche Kommunikation; ohne Kommunikation keine gemeinsamen Bilder einer zukünftigen lebensstarken Gesellschaft.
EMOTIONEN
Die offensichtliche Rolle von Emotionen (Gefühlen, Stimmungen, …) im täglichen Handeln wurde auch immer wieder angesprochen. Es zeigte sich aber, dass eine genauere Bestimmung der jeweiligen Rollen von Emotionen einerseits, Wollen und Wissen/ Erfahrung andererseits nur schwer zu fassen war. Irgendwie geht ohne Emotionen nichts, aber es ist nicht so, dass Emotionen alles erklären. Man kann auch Wollen ohne Emotionen, oder man kann auch Wissen haben ohne Emotionen. Und doch, irgendwie scheinen die Emotionen überall zu sein und sie scheinen unser Handeln entweder ‚zu beflügeln‘, wenn wir uns ‚gut‘ fühlen, oder zu ‚behindern‘, zu ‚hemmen‘, wenn sie ’schlecht‘ sind.
Jemand der andere Menschen als Bedrohung ansieht, sich vor ihnen fürchtet, wird kaum die Begegnung und das Gespräch suchen. Genau dieses aber könnte unter Umständen neue Erfahrungen ermöglichen, die wiederum die Emotionen ändern könnten.
Noch schwieriger wird es bei Emotionen, die unverarbeitet sind, oder gar verdrängt (im Unterbewussten) in einem schlummern. Diese sind da, können wirken, ohne dass es dem/ der Betroffenen bewusst ist, dass er/ sie diese Emotioenn hat und diese z.B. dazu führen, dass man bestimmte Situationen meidet oder, umgekehrt, sie immer wieder sucht.
MEDITATION
Seit mehreren Treffen gibt es während des Treffens, die Möglichkeit, eine Meditation zu machen. Jedem ist dies freigestellt; die Form ist nicht festgelegt; man muss auch nichts berichten. Mittlerweile meditieren alle, je auf ihre Weise; immer wieder und immer mehr berichten auch einzelne von bestimmten Erlebnissen und Einsichten während der Meditation.
Ein Psychotherapeut bemerkte, dass die grundsätzliche Einstellung eines Therapeuten, nämlich die ‚gleich schwebende Aufmerksamkeit‘, eigentlich auch eine gute Einstellung bei der Meditation sein könne (er meditiert bislang nicht). Andere berichteten von der grundsätzlichen Schwierigkeit, sich überhaupt auf eine Meditation einzulassen. Tut man es dann, entdeckt man, dass man in der neuen Ruhe mit einem Male von ganz vielen alltäglichen Erinnerungen, ungelösten Problemen usw. praktisch ‚überrannt‘ wird (Unruhe durch Ruhe). Eine andere Teilnehmerin, die auch ziemlich neu ist im Bereich Meditation, berichtete, dass ihr das gleichmäßige Atmen und das Fokussieren auf den Atem geholfen hat, sich nicht ablenken zu lassen. Sie konnte die Zeit sehr entspannt genießen.
IDEEN FÜR NÄCHSTES TREFFEN
Angesichts der vielen interessanten Gedanken bei diesem Treffen gelang es nicht, in der kurzen verbleibenden Zeit, konkrete Vorschläge für das nächste Treffen zu formulieren. Wir sind so verblieben, dass jede(r) TeilnehmerIn nach Erhalt des Protokolls Vorschläge per Email schicken kann. Entweder ergibt sich daraus dann ein konkreter Vorschlag oder der Koordinator muss halt wieder ran 🙂
Der Termin für das nächste Treffen ist So, der 11.Juni 2017 (und dann nochmals am So 16.Juli 2017; danach Pause bis Oktober).
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Vor fast drei Wochen gab es im Freundeskreis ein Gespräch, zu dem ein Artikel von Simon Jacob im Heft 8 (2016) der Zeitschrift CICERO Anlass gab.
Aus meiner Sicht würde ich die Gedanken des Artikels zu folgenden Arbeitshypothesen umformulieren: (i) Angesichts der historischen Entwicklung und der heutigen Vielfalt gibt es nicht DEN Islam, sondern eine VIELFALT von Interpretationen des Islam. (ii) Für viele Menschen, die sich Muslime nennen, ist die Hauptquelle für ihr VERHALTEN nicht der Koran selbst, sondern es sind bestimmte KULTURELLE MUSTER, in denen sie leben. Sie glauben, dass die konkrete Art und Weise, wie sie leben, der Lehre des Korans entspricht. Dazu zählt nach Jacob das PATRIARCHAT. Ferner (iii) gibt es nach Jacob neben den kulturellen Muster MACHTINTERESSEN, die sich der Religion und der kulturellen Muster bemächtigen, sie instrumentalisieren, um sie für die eigenen politischen Ziele nutzbar zu machen. Und (iv) in Europa haben die Gesellschaften die direkte Bindung an die Lehren der Religionen aufgehoben, um dadurch quer zu ALLEN Religionen und für ALLE Menschen (auch die nichtreligiösen) einen gemeinsamen WERTERAUM zu ermöglichen, in dem ALLE ohne Gewalt friedlich und respektvoll miteinander leben können.
Daraus folgert Jacob, dass eine Diskussion um die Rolle der Frauen in Deutschland NICHT so sehr mit Argumenten der islamischen Religion geführt werden sollte (was auch die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit ihrem Grundgesetz in Frage stellen würde), sondern mit Bezug auf das kulkturell-soziologische Muster eines Patriarchats, das dem Deutschen Werteraum widerspricht.
In dem lebhaften, streckenweise sehr emotional-intensivem Gespräch, flammte all dies und noch viel mehr auf.
Auf der einen Seite zeigte sich immer wieder, dass das allgemeine Wissen um den Islam (aber auch der christlichen und jüdischen Traditionen) kaum vorhanden ist (was bei Muslimen nicht unbedingt viel anders ist), auf der anderen Seite standen sich unterschiedliche deutsche (und westliche) Verhaltensmodelle und eben sehr patriarchalisch oder salafistisch anmutende Verhaltensweisen gegenüber. Ganz klar, für eine Frau, die in Deutschland aufgewachsen ist, wo der Einfluss eines (tendenziell) fundamentalistischen Christentums aus der Vergangenheit stark rückläufig ist, wo die Rechte der Frauen sowohl per Gesetz als auch im Alltag enorm zugenommen haben, wirken patriarchalische Verhaltensmuster und Werteüberzeugungen, wie sie von außen nach Deutschland hineingetragen werden, mindestens befremdlich, wenn nicht angsteinflößend, provozierend und rückwärtsgewandt.
Wenn nun im deutschen Alltag Verhaltensmuster und Symbole aus eher muslimischen Kontexten auftreten (die christlichen sind seit Jahrzehnten verblasst und verschlissen; das Christentum der letzten 150 Jahre hatte viele Ähnlichkeiten mit dem heutigen Islam im gesellschaftlichen Auftreten, was gerne vergessen wird), so wird dies zusätzlich dadurch verkompliziert, weil diejenigen Menschen, die solche Verhaltensmuster haben, sehr oft keine klare Zuordnung zulassen.
VIELFALT IM ALLTAG
Ich arbeite an einer Universität, an der junge Menschen aus über 100 Nationen studieren. Junge Frauen mit Hintergründen im Hinduismus, Buddhismus, Islam, Judentum, Christentum, dazu mit sehr vielen Spielarten in jeder Richtung, aus unterschiedlichen Ländern, in unterschiedlichen familiären Zusammenhängen, meist noch berufstätig, um das Geld für ihr Studium zu verdienen, in ganz verschiedenen Berufen, in allen Varianten von Kleidung, auch viele mit Kopftüchern; z.T. als Gaststudierende, meistens aber als Deutsche mit Eltern aus verschiedenen Ländern. Warum trägt die eine ein Kopftuch, die andere nicht? Warum bilden Deutsche im Ausland ‚Deutsche Kolonien‘ in denen man deutsches Brauchtum pflegt und primär Deutsch spricht? Aus religiöser Überzeugung oder vielleicht eher, weil man etwas soziale Nähe in einer fremden Kultur sucht? Warum laufen Fußballfans mit ihren Schals herum? Warum müssen Mitglieder christlicher Orden (heute weniger, bis vor wenigen Jahrzehnten immer und überall) eine Ordenskleidung tragen? Warum tragen Frauen fast zwanghaft das, was die jeweilige Mode gerade diktiert? Was ist, wenn man dem Trend nicht folgt? Warum kreieren mittlerweile immer mehr muslimische Frauen (aus vielen verschiedenen Ländern) eine eigene Mode? Mit Religion und Politik hat dies in der Regel nichts zu tun. Wäre das nicht auch eine eigene Form von Revolution und Emanzipation, dass junge muslimische Frauen die Insignien des Patriarchats und des fundamentalistischen-politischen Islams durch eigene Modepraktiken schlicht unterlaufen, umwerten, verändern, dieser Tradition ihren eigenen Stempel aufdrücken? Vielleicht sollten sich eingefleischte Feministen mal direkt mit den jungen muslimischen Frauen auseinandersetzen; möglicherweise könnten alle etwas lernen.
VERSCHIEDENE GENERATIONEN
Interessant waren in unserem Gespräch auch die Unterschiede zwischen jüngeren Frauen (23-28) und älteren (über 50). Während die älteren Frauen zuerst die Abweichungen und möglichen Bedrohungen sahen, erlebten die jüngeren Frauen die muslimischen Frauen in ihrem Alltag als jene, die sich bemühen, in ihrem Alltag mit Kindern, Familie und Arbeit klar zu kommen, und die Schwierigkeiten weniger im Umgang mit der Deutschen Gesellschaft erleben, sondern mit den vielen Unterschieden innerhalb der anderen Kulturen und ihren z.T. rigorosen Wertesystemen.
VERÄNDERUNGSPROZESSE BRAUCHEN ZEIT
Mit Blick auf die Veränderungsprozesse in Deutschland und Europa in den letzten Jahrhunderten wurde auch darauf aufmerksam gemacht, dass man möglicherweise die aktuellen Anpassungsprozesse als langatmige Prozesse sehen muss, als eine Angelegenheit von Generationen. Die Gastarbeiter von vor ca. 50 Jahren sind heute normaler Teil der Deutschen Gesellschaft; in weiteren 50 Jahren wird es vermutlich eine weitere Normalisierung geben.
MEHRHEITSGESELLSCHAFT IM WANDEL
Allerdings, dies wurde auch bemerkt, erfordern solche Anpassungsprozesse Engagement auf allen Seiten. Auch die, die zur Zeit die Mehrheiten in Deutschland bilden, müssen sich immer wieder neu selbst die Frage stellen, was sind da genau die Werte, die im Gesetz, in der Verfassung stehen? Was heißt Menschenwürde und Religionsfreiheit heute? Dies ist eine Chance, die Verfassung in den Köpfen und Herzen lebendig zu halten. Der leichthändige Rückzug einer CSU auf die sogenannte Leitkultur mit christlichen Werten ist so, wie er bislang propagiert wird, historisch und inhaltlich schlicht falsch. Statt einfach Parolen in die Welt zu setzen sollte die CSU die historische Gelegenheit ergreifen, und einen entsprechenden gesellschaftlichen Diskurs beflügeln, in dem die Werte des Grundgesetzes neu erlebt und verstanden werden, statt eine kaum verstandene Leitkultur mit christlichem Standards einfach roboterhaft zu deklamieren. Das hilft niemandem.
Auch unabhängig von religiösen Einflüssen befindet sich die industrialisierten Länder in einem dramatischen Struktur- und Wertewandel, der NICHT von den Religionen kommt, sondern von den empirischen Wissenschaften und den aktuellen Technologietrends. Während die Religionen sich oft bizarre Wortwechsel über Nebensächlichkeiten leisten, gibt es in der modernen Wissenschaft momentan weit und breit überhaupt keine Werte mehr, weil die Rolle des Menschen als möglichem Träger von Werten sich völlig aufgelöst hat. Der Mensch kommt wissenschaftlich so gut wie nicht mehr vor (und Religionen damit automatisch auch nicht). Zugleich lösen sich die demokratischen Strukturen von innen her auf, da technologische Entwicklungen viele klassische Grundwerte (z.B. Privatheit, individuelle Freiheit) weitgehendschon aufgelöst haben, und die Politik unter dem Motto ‚Sicherheit‘ dabei ist, mehr und mehr Freiheiten zu opfern. Zugleich grassiert ein Lobbyismus, der die normalen demokratischen Prozesse ab absurdum führt. Das ist ein Wertewandel, der an die Substanz geht; ob Religion hier eine Rolle spielen könnte, ist fraglich; sicher nicht in jener Form der Vergangenheit, die sich durch Machtintrigen und fundamentalistisches Denken unglaubwürdig gemacht hat…. (ein gewisser Jesus von Nazareth starb damals (so heißt es) freiwillig am Kreuz, ohne Rekurs auf Machtmittel …)
DEN BLICK ETWAS AUSWEITEN
Vielleicht könnte es in solch einer Situation auch hilfreich sein, nicht immer nur über Details einer Religion zu sprechen, ohne historische Kontexte. Stattdessen könnte man mal die Gesamtheit der Religionen in den Blick nehmen (siehe vereinfachendes Schaubild), ihre Entstehungen, die Vielzahl an Motiven, die bei der Gründung und den vielen Aufspaltungen eine Rolle gespielt haben. Auffällig ist auf jeden Fall, dass alle diese vielen Formen und Regeln kaum etwas mit Gott zu tun haben scheinen, dafür aber sehr viel mit menschlichen Ängsten, Wünschen, Fantasien, Bedürfnissen, vor allem mit blanker Macht.
Falls Religion irgendwie für die Menschen (und das Leben überhaupt wichtig sein sollte), dann wäre heute ein guter Zeitpunkt, sich dieser Frage unvoreingenommen zu widmen, quer zu ALLEN Religionen, unter Einbeziehung ALLER wissenschaftlicher und kultureller Erkenntnisse. Dass die aktuellen Religionen möglicherweise NICHT authentisch sind, kann man daran ablesen, wie wenig sie bereit und fähig sind, eine friedliche Zukunft für ALLE Menschen zu denken und zu praktizieren, in der der Respekt vor JEDEM Menschen grundlegend ist. Es gibt keinen Automatismus für eine gelungene Zukunft. Aber ohne eine gemeinsame Lösung jenseits von Diktaturen, Gewalt und dogmatischem Wissen wird die Zukunft nicht gelingen.
Was ist mit jenen gesellschaftlichen Systemen mit selbsternannten großen Anführern, wenn diese (in absehbarer Zeit) sterben? Eine Gesellschaft, die auf der Vergöttlichung einzelner sterblicher Individuen setzt hat keine wirklich nachhaltige Lebenskraft, und Sicherheit ohne Freiheit gleicht einer Todeszelle; das Ende ist sehr absehbar.
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In einem vorausgehenden Blogeintrag hatte ich die Fernsehserie Person of Interest mit diskutiert. Zu dem Zeitpunkt kannte ich nur Staffel 3; mittlerweile kenne ich auch Staffel 4, die aktuell letzte Staffel der Serie. Wie schon zuvor angemerkt, kann man eine Fernsehserie nicht mit einem normalen Kinofilm vergleichen; die Spielregeln für die Anordnung der Bilder und Inhalte sind anders. Eine Serie lebt von ihren Episoden, zwischen denen Pausen liegen, und eine Serie scheut ein klares Ende, lauern doch wirtschaftliche Interessen im Hintergrund, die ein Hinauszögern so lange wie möglich aufrechterhalten wollen. Neben der Story ist eine Serie ein Unterhaltungsmedium und eine Geldquelle, die möglichst lange erhalten bleiben soll.
MAKRO-MIKRO-EBENE
Fragt man also nach dem möglichen Inhalt der Serie Person of Interest, muss man wenigstens zwischen einer Makro- und einem Mikroebene unterscheiden (schließt weitere Ebenen nicht aus): auf der Makroebene werden Geschichten erzählt, die sich über mehrere Episoden erstrecken; auf der Mikroebene liegt das Geschehen, was sich auf eine Episode beschränkt. Das Verhältnis zwischen Makro-Geschichte(n) und Mikro-Geschichten könnte man als einen Indikator für die Kompaktheit einer Serie ansehen: wie intensiv wird eine Geschichte erzählt. Im Fall von Person of Interest Staffeln 3+4 würde ich das Verhältnis von Makro zu Mikro-Geschichten auf etwa 1:3 bis 1:4 ansetzen. Die Kompaktheit kann auch etwas mit der Aufnahmefähigkeit der Zuschauer zu tun haben; je kompakter, um so ansruchsvoller.
MAKRO-GESCHICHTE
In der Makrogeschichte, die nur häppchenweise enthüllt wird, geht es um zwei Computerprogramme, die die Datenströme in den verschiedenen Netzen aufnehmen und verarbeiten können; darüber hinaus konstruieren diese Programme eigene Modelle, mit denen diese Daten interpretiert werden und – vor allem – Schlüsse gezogen werden, was zu tun ist. Dieses Tun geschieht direkt über Manipulation von Datenströmen in den Netzen oder über Interaktion mit realen Menschen, die über die Kommunikation mit der Maschine ihre Meinungen bilden und sich in ihrem Verhalten beeinflussen lassen.
Interessant ist der soziale-politische Kontext dieser Programme: das erste Programm, genannt die Maschine, wurde ursprünglich von der Regierung beauftragt und eingesetzt, um Bedrohungen für den Staat frühzeitig zu entdecken und abzuwehren. Sein Hauptentwickler E1 hatte es mit einigen ethischen Prinzipien ausgestattet, die den schlimmsten Missbrauch verhindern sollten. Das zweite Programm, parallel entwickelt von einem Freund von E1, nennen wir ihn E2, war unvollendet geblieben und besaß keine ethischen Vorgaben. Dieses Programm wurde von einem machtbewussten Geschäftsmann – nennen wir ihn G1 – gewaltsam in eigenen Besitz gebracht. Zusätzlich konnte er Regierungsvertreter überzeugen, dass er im Auftrag der Regierung – aber in eigener Regie – die verschiedenen Netze anzapfen durfte, um für die Regierung eine Überwachung der Welt durchführen zu können, deren Ergebnisse dann der Regierung übermittelt werden. Vorbereitend zum Start des neuen Programms mit Namen Samaritan hatte der Geschäftsmann G1 eine Terrorgruppe gesteuert, die die Regierung unter Druck gesetzt hatte, das alte Programm, die Maschine, zu stoppen. Wie sich im Verlaufe von Staffel 3+4 herausstellte, hatte es die Maschine aber geschafft, sich mittlerweile als verborgenes Add On in jeden Computer und in das öffentliche Stromnetz einzunisten. Dort war es für das neue Programm Samaritan lange Zeit unsichtbar und arbeitete parallel zum neuen Programm weiter.
MIKRO-GESCHICHTEN
Der hohe Anteil an Mikro-Geschichten, oft sehr fragmentarisch, ist unterhaltsam gemacht, trägt aber wenig zur Hauptgeschichte bei. Allerdings bieten die Mikrogeschichten Raum um die Hauptpersonen häppchenweise ein wenig mehr auszuleuchten, die Verwicklungen ihrer Psyche, ihrer Motive und Emotionen sichtbar zu machen. Die dominierenden Muster von Gewalt, Action und Erschießung anderer Menschen werden hier ansatzweise durchbrochen, um die individuellen Menschen hinter den abstrakten Rollen etwas sichtbar zu machen. Doch ereignet sich die Handlung meistens in extremen Milieus mit extremen Typen; Normalität, Alltag, reale Gesellschaft kommt in dieser Serie so gut wie nicht vor. Die Mikrogeschichten könnten auch in jeder anderen Serie vorkommen.
MAKRO-GESCHICHTE: FRAGEN
Die Makrogeschichte, sofern sie stattfindet, bietet viele interessante Fragestellungen. Die eine Frage (F1) ist jene nach der Reichweite einer autonomen selbstlernenden künstlichen Intelligenz [KI]: wie weit kann diese sich der Kontrolle von Menschen entziehen und sich vom Diener zum Herren des Geschehens entwickeln? Zusätzlich kann man fragen (F2), welche Ziele solch eine autonome selbstlernende KI entwickeln wird? Was werden die Präferenzen solcher Programme sein? Was finden sie gut, was schlecht? Dazu viele weitere spezielle Fragen im Detail.
Während das erste Programm, die Maschine, den Eindruck erweckt, als ob es, trotz seiner Autonomie, gewisse ethische Prinzipien einhält (es ist nicht ganz klar, welche und warum), erweckt das zweite Programm, Samaritan, den Eindruck, als ob es sich sehr schnell zum Herren des Geschehens entwickelt und von einem reinen Dienstleister zum kreativen Machthaber mutiert, der nach einigen gezielten Experimenten planvoll in das Weltgeschehen eingreift. Am Schluss von Staffel 4 sieht es so aus, als ob Samaritan direkt eine Weltherrschaft in seinem Sinne anstrebt. Das erste Programm, die Maschine, wurde schließlich doch aufgespürt und in buchstäblich letzter Minute konnte es aus dem öffentlichen Stromnetz auf einen tragbaren Computer heruntergeladen und mit seinen Kernalgorithmen gesichert. Wie es jetzt weitergeht, ist offen.
DISKURS
Die technischen Details dieses Plots sind nicht wichtig, wohl aber die großen Linien. Beide Computerprogramme entwickeln ihre Kraft erst, als ihre Algorithmen an entsprechende Netze mit Datenströmen angeschlossen wurden. Ohne Daten laufen alle Algorithmen leer, und ohne Daten würde auch ein menschliches Gehirn verkümmern und der Körper absterben.
Da Algorithmen aus sich heraus nicht wissen können, was Wahr in der Welt ist, brauchen sie reale Daten der realen Welt, anhand deren sie entscheiden können, was Wahr in der Welt ist. Wenn diese Daten korrupt sind, gefälscht, Täuschungen, dann läuft der Algorithmus ins Leere (das geht unserem Gehirn nicht besser: unser Gehirn ist nur über Sinnesorgane mit der Welt da draußen verbunden; wenn wir die Welt falsch oder unvollständig wahrnehmen, sind auch die Weltbilder des Gehirns falsch oder unvollständig). Daher die Tendenz, immer mehr Datennetze anzuzapfen, immer mehr Überwachung von realen Personen zu ermöglichen, bis dahin, dass (für Samaritan) realen Personen Sonden einoperiert werden, die wichtige Zustände dieser Personen direkt an den Algorithmus übermitteln.
Am Ende von Staffel 4 wird der Zuschauer in einer diffusen Vielfalt von technischen Möglichkeiten, potentiellen Bedrohungen, und vagen Heilsversprechen zurück gelassen. Was die Bedrohungen angeht, so sind diese heute schon sehr real. Nach verfügbaren Informationen muss man davon ausgehen, dass die US-Regierung seit mindestens fünf Jahren mit solchen totalen Überwachungsprogrammen experimentiert; komplementiert werden diese Algorithmen durch die geschäftlichen Interessen global operierender Firmen, die mit den Verhaltensdaten von Privatpersonen und Firmen real Geld verdienen. Um an diese Daten heran zu kommen, gibt es nicht nur die öffentliche Überwachung durch immer mehr Videokameras und Überwachung von Datenverkehr in den Netzen und durch Satelliten, sondern zusätzlich immer mehr Sensoren in den Alltagsgeräten und privaten Kommunikationsgeräten. Ergänzt um Datenbrillen bei jedem ist schon jetzt die Überwachung fast total.
Sieht man diese Entwicklung parallel zur Tatsache, dass nur wenige Staaten dieser Erde demokratisch genannt werden können und dass diese wenigen demokratischen Staaten deutliche Tendenzen aufweisen, zur Aushöhlung aller demokratischen Mechanismen der Machtkontrolle, dann ist diese Entwicklung verheerend. Die Kontrolle des Datenraums ist mittlerweile weit schlimmer als der Einmarsch einer Armee mit Panzern. Bei den verantwortlichen Politikern kann man dafür praktisch kein Problembewusstsein erkennen. Speziell im Fall der US-Regierung muss man sich sogar fragen, ob die jeweiligen Präsidenten nicht schon längst nur Marionetten eines außer Kontrolle geratenen Sicherheitsapparates sind.
Die Staffeln 3+4 illustrieren diese Tendenzen und Möglichkeiten durch Inszenierung entsprechender Situationen und Handlungssequenzen. Sie bieten aber keine wirkliche theoretisch-technische Erklärungen, liefern keine Denkansätze in Richtung politischer Systeme oder Wirtschaftsmodelle. Der Zuschauer verbleibt in der Rolle des passiven, dummen Konsumenten, dem das Schauspiel einer Machtübernahme geboten wird, ohne Ansatzpunkt, was er selber denn tun könnte. Die einzigen Hacker, die in der Serie auftauchen, waren böse und letztlich gesteuert von anderen Bösen. Die wenigen Guten, die zumindest das Wort Individuum und Wert des Einzelmenschen im Munde führen, wirken wie ein Häuflein verirrter Privatpersonen im Format von Profikillern, keine normalen Bürger, und die Moral von der Geschichte lautet eher: schließe dich dem allgemeinen Trend an. Widerstand zwecklos. Dann wäre das ganze ein Werbefilm für die Einführung der totalen Kontrolle zum angeblichen Nutzen für die ganze Menschheit.
Betrachtet man den evolutionären Zusammenhang der Geschichte des Lebens auf der Erde, dann erscheint eine zunehmende Vernetzung und Einsatz von Algorithmen zur Unterstützung der Menschen in der rapide anwachsenden Komplexität in der Tat unausweichlich. Allerdings kann man sich fragen, ob dieser evolutionärer Schub darin bestehen soll, die fantastische Kreativität menschlicher Gehirne zu eliminieren durch Versklavung an einen unkontrollierten Algorithmus, dessen Dynamiken noch keiner wirklich erforscht hat, oder aber dass man diese neuen digitalen Technologien nutzen würde, um die Kreativität der Menschen für die Gesamtheit des Lebens noch mehr nutzen zu können. Bei ca. 100 x 10^9 Nervenzellen in einem einzelnen Gehirn würde eine Verknüpfung dieser Gehirne bei z.B. 7 x 10^9 Menschen auf der Erde zu einem Zusammenwirken – im optimalen Fall – von 7 x 10^20 Nervenzellen führen können. Diese können alle, wenn man es erlaubt und unterstützt, kreativ sein. Welch ungeheure Kraft um die Zukunft zu gestalten. Stattdessen hat man den Eindruck, dass viele Mächtige heute versuchen, diese große Kreativität zu normieren, zu eliminieren, unter Kontrolle zu bringen, nur, um die mehrfach beschränkten und auf Konkurrenz und Freund-Feind-Schema getrimmten Weltmodelle einzelner Sicherheitsleute, Militärs, Politiker und Kapitaleigner in den Köpfen der Menschen zu implantieren. Man kann nicht erkennen, dass irgendwelche Werte, geschweige den die Menschenrechte, dabei eine Rolle spielen.
Unter dem Schlagwort Sicherheit ist mittlerweile alles erlaubt. Warum also noch Sicherheit, wenn gerade sie alles zerstört, was man vielleicht schützen wollte? Wie viel Sicherheit verträgt eine Demokratie?
Die Geschichte des Lebens auf der Erde enthält eine klare unmissverständliche Botschaft: Leben kann es nachhaltig nur geben, wenn die die Kreativität stärker ist als die Sicherheit! Totale Sicherheit führt direkt zum Tod des Systems.