Archiv der Kategorie: Gehirnwäsche

WORTE ANLÄSSLICH VON 30 JAHREN EHE VON FREUNDEN …

Letzte Änderungen: 6.Dez.2014, 15:30h

Liebe G, lieber P,

1. Euer besonderes Geheimnis wurde zum Anlass, dass wir uns hier eingefunden haben. Motiviert durch eure lieben Worte sind wir hierher geeilt, Erwartungen in den Augen ….. und dann steht man vor der Entscheidung: Sage ich etwas oder sage ich nichts?

2. Alle, die mich kennen, wissen, dass ich meist dazu neige, eher etwas zu sagen, als zu schweigen …. und dass ich die weitere Neigung habe, die Worte mit Musik – manche nennen es ‚Lärm‘ – zu verpacken. Die lärmende Musik fällt heute aus; zu wenig Zeit, keine hinreichende Transportkapazität, ein entzündeter Finger, die zusammengezogenen Augenbrauen meiner Frau … alles Faktoren die nicht sehr förderlich sind… Doch es bleibt das Wort ….

3. Gestern Abend, schon leicht erschöpft von der zurückliegenden Woche, bemerkte ich folgenden Sachverhalt: Wir schreiben das Jahr 2014. Ihr feiert euer 30-Jähriges. In der Schule habe ich gelernt, dass 2014 – 30 = 1984 ergibt. Ein Zahlendreher führt von 1984 zum Jahr 1948; dies ist nicht nur das Jahr, in dem ich geboren wurde, sondern 1948 ist das Jahr, in dem George Orwell (1903 – 1950) seinen berühmten Roman ‚1984‘ abschloss (veröffentlicht ein Jahr später, 1949).

4. Jetzt werden sich vielleicht einige fragen, was hat solch ein düsterer Roman eines totalen Überwachungsstaates mit dem menschlich berührenden Ereignis eines 30-jährigen Ehejubiläums zu tun, speziell bei G & P, die doch sowohl einzeln wie zusammen so viel Positives ausstrahlen und auch in der Vergangenheit ausgestrahlt haben?

5. Nun, es gäbe mehrere Antworten: die eine findet sich schnell. In diesem eigentlich düster-bedrückenden Roman sind die beiden Hauptpersonen ein Mann und eine Frau, die trotz aller Überwachung und Angst ihre Menschlichkeit, ihre Gefühle und Emotionen so stark spüren, dass sie einen Weg zueinander finden und ihr individuell-einzelnes Leben stückweise miteinander teilen und sich darin gegenseitig Mut machen, sich bestärken, sich beflügeln, um den Dunkelheiten und Widrigkeiten des Alltags besser trotzen zu können.

6. Dies ist ein Motiv, das wir oft bei Liebenden finden können, auch bei jenen, die ihre Liebe über die Jahre retten, bewahren, möglicherweise weiter entwickeln können, so, wie wir es bei G & P wahrnehmen. Sicher, G & P hatten — wie viele andere auch — ihre ganz speziellen Krisen, aber Krisen, die man gemeinsam durchsteht, daran lernt, lassen alle Beteiligte reifen, führen näher zusammen als vorher, lassen alles in einem noch nachhaltigeren Rot erstrahlen, erweitern das Verstehen, stärken das Vertrauen, bauen mit an der gemeinsamen Hoffnung auf ein Gelingen.

7. Im Roman ‚1984‘ endet die Geschichte leider – wie ihr wisst — unschön. Die Liebe der beiden wird von der Geheimpolizei – die vordergründig als Gesinnungsgenossen auftraten — aufgedeckt und mit Folter und Gehirnwäsche werden die beiden zuvor Liebenden dazu gebracht, sich wechselseitig zu verraten und dann in der Liebe zum ‚Großen Bruder‘, der Ausgeburt des Bösen, ihren letzten Sinn zu finden. Dies ist hart, tut weh, ist sehr traurig, schneidet ein in unser Bild von einer sinnvollen liebenden Welt.

8. Und doch hat diese Geschichte eine Wahrheit, der wir ins Auge schauen sollten, um die dann jeweils größere und tiefere Wahrheit und Liebe überhaupt verstehen zu können.

9. Es ist sehr natürlich dass Menschen menschliche Wärme, Liebe, Vertrauen und Treue suchen, und es ist sehr schön, wenn man dies erleben kann. Der Gang des Lebens auf dieser Erde seit ca. 3.8 Milliarden Jahren zeigt aber auch, dass ein gemeinsames, friedliches, erfülltes Zusammenleben zu den großen geschenkten Momenten eines Lebens auf dieser Erde zählt. Damit wir friedlich, sicher, angenehm irgendwo leben können, müssen jeden Tag unglaubliche Dinge geschehen, die nicht ‚einfach so‘ geschehen. Ohne Menschen, die täglich neu den Kampf aufnahmen, die täglich neu arbeiten, leiden, ringen, hoffen, vertrauen und lieben, ohne diese kann kein einziger von uns friedlich leben. Und auch, wenn jeder einzelne nur leben kann, weil so viele andere täglich neu für sich den Kampf aufnehmen, ist es wiederum die Entscheidung und der Beitrag jedes einzelnen von uns, die ein Gesamtkunstwerk von Leben möglich macht.

10. Vor diesem Hintergrund freue ich mich – und ich denke wir alle zusammen – dass G & P für sich in den letzten 30 Jahren einen Weg gegangen sind, der für viele andere eine Quelle von Inspiration, Vertrauen und Liebe war – und hoffentlich bleibt.

11. Doch, bei aller Glückseligkeit im Moment, sollten wir wachsam bleiben und uns bewusst sein, dass es seit George Orwells Roman ‚1984‘ weiterhin gesellschaftliche Prozesse gab und weiterhin zu geben scheint, in denen Machtgruppen versuchen, die Mehrheit der Bürger über eine Bedrohungspropaganda in eine gefügige ängstliche Masse zu verwandeln, die ihre eigenen Überzeugungen, Wahrheiten, Hoffnungen — und womöglich sogar ihre eigene Liebe — vergisst, aus Angst, sie könnten etwas verlieren, was sie aber in diesem Moment der Angst schon längst verloren haben.

12. Wahre Liebe zeigt sich nicht nur in einer Zweierbeziehung gerade in Zeiten der Krise, der Infragestellungen. Wenn wir zu Zweit lieben wollen, dann brauchen wir auf Dauer auch eine Gemeinschaft von Menschen um uns herum, die liebesfähig ist.

13. Ich wünsche G & P ganz besonders, aber auch uns allen, dass wir gemeinsam eine solche ‚liebesfähige‘ Gesellschaft auch in der Zukunft leben können.

Einen Überblick über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

DONALD A.NORMAN, THINGS THAT MAKE US SMART – Teil 2

Letzte Änderung:21.Mai 2013

Diesem Beitrag ging voraus Teil 1.

1) Im Teil 1 hatte ich bislang nur auf den Aspekt abgehoben, dass Norman auf die ‚Menschenvergessenheit‘ im Design und Gebrauch von Technologie aufmerksam macht mit der anschließenden Reflexion, dass seine mahnenden Worte 20 Jahre später ihre Aktualität leider noch nicht eingebüßt haben.

WISSENSUNTERSTÜTZENDE DINGE

2) Doch gibt es noch einen weiteren Aspekt in seinem Buch, mindestens genau so gewichtig, und das ist der Aspekt der ‚Verteiltheit von Wissen/ Erkennen‘. Der Aufhänger für diesen Aspekt von Wissen/ Erkennen sind all die vielen Dinge im Alltag, die letztlich unser ‚Wissen/ Erkennen‘ (‚cognition‘) irgendwie ‚unterstützen‘ (‚aiding the mind‘). Er nennt diese das-Wissen-unterstützende Dinge ‚kognitive Artefakte‘ (‚cognitive artefacts‘).(vgl. S.4).
3) Er meint damit aber nicht nur ‚physische‘ Dinge wie Notizbücher, in denen man sich etwas notiert, Monitore, über die man Daten lesen kann, Leuchtschriften, die einem etwas mitteilen, sondern sehr wohl auch solche ‚gedankliche‘ Hilfsmittel wie Mathematik, Logik und Sprache. Auch diese gedanklichen Hilfsmittel haben Menschen ‚erfunden‘ und nutzen sie, um ihr Wissen zu organisieren. Also sowohl physische wie auch gedankliche Mittel gibt es, die der Mensch erfunden hat, um ihm in seinem ‚Wissen‘ zu unterstützen. Physische wie gedankliche Hilfsmittel sind ‚künstlich‘ – im Sinne von ‚erfunden‘ und speziell ‚zubereitet‘, ‚konstruiert‘ – und Norman fasst sie unter dem Begriff ‚Artefakte’/ ‚Werkzeuge‘ zusammen, die in ihrer Gesamtheit eine ‚Technologie der Artefakte‘ repräsentieren.(vgl. S.4f)
4) Ein wichtiger Aspekt in dieser ‚Technologie der wissensunterstützenden Werkzeuge‘ ist, dass sie ’nicht geplant‘ waren, sondern sich ‚ergeben‘ haben; irgendwann hat jemand ‚entdeckt‘, dass es eine weitere ‚Möglichkeit‘ gibt, etwas ‚anders‘ zu tun als ‚bisher‘. (vgl. S.7)
5) [Anmerkung: An diesem Punkt sehe ich eine Querbeziehung zu Kauffmans ‚autokatalytischen‘ Modellen (siehe vorausgehende Blogeinträge). Diese modellieren den Aspekt, dass in einer gegebenen Situation einerseits nicht alles möglich ist, da der aktuelle Zustand durch sein Gegebensein vieles ausschließt, andererseits bietet er in seiner Konkretheit eine definierte Menge von Möglichkeiten, aus denen man konkrete Werte auswählen kann. Es liegt aber nicht fest, welche dies sind. Also, einerseits gibt es ein IST, das als ‚Tradition‘ fungiert, das bestimmte ‚Tendenzen‘ ’nahelegt‘, andererseits gibt es einen MÖGLICHKEITSRAUM, der groß genug ist, so dass nicht klar ist, ob und wann eine bestimmte Konstellation ausgewählt werden wird oder nicht. Von daher kann es hunderte, tausende, zehntausende Jahre dauern, bis bestimmte Erfindungen gemacht wurden. Und am ‚Anfang‘, als noch wenig erfunden war, war es am ’schwersten‘, d.h. es dauert besonders lang, bis etwas ‚Interessantes‘ erfunden wurde, da es wenig ‚Hinweise‘ aus der Gegenwart in eine ‚bestimmte Art von Zukunft‘ gab.]
6) Jedes neu erfundenes wissensunterstützendes Werkzeug erhöht die Wissensmöglichkeiten einer Population, und schafft damit einen kleinen Ausgleich zu den ‚Grenzen des menschlichen Wissens‘. Dabei ist jedes solches wissensunterstützendes Werkzeug ambivalent: es schafft neue Möglichkeiten, aber damit auch neue Abhängigkeiten; das Benutzen eines wissensunterstützenden Werkzeugs wird zu einem ‚Teil‘ des aktiven Wissens; ohne dieses ‚Teil‘ gibt es diese Form von wissen nicht; je mehr Menschen es benutzen, verändert es die Art und Weise, wie alle Wissen aktiv leben.(vgl.S.8)
7) [Anmerkung: im Jahr 2013 ist für sehr viele Menschen der Computer, das Smartphone mit dem zugehörigen Netzwerk zu einer Art ‚Dauerbegleiter‘ geworden; ein Arbeiten ohne diese ist für die meisten praktisch nicht mehr möglich. …]

AUTOMATION und REFLEXION

8) Norman führt dann eine Unterscheidung ein im Bereich des aktiven Erkennens bzw. des aktiven Wissens (wobei er im Englischen das Wort ‚cognition‘ benutzt): er spricht von einem ‚Erfahrungsmodus‘ (‚experiential mode‘) und einem ‚Reflexionsmodus‘ (‚reflective mode‘) des Erkennens. Dabei wird der Erfahrungsmodus letztlich definiert über die Abwesenheit von Reflexion: wir nehmen wahr und verstehen und reagieren unmittelbar, ohne Anstrengung, direkt. Während im Reflexionsmodus des Erkennens ein explizites Nachdenken stattfindet, explizit Begriffe benutzt werden, explizite Entscheidungen gefällt werden. Beide Modi hält er für wichtig wenngleich sie ganz unterschiedliche Hilfsmittel verlangen.(vgl. S.15f)
9) [Anmerkung: so intuitiv diese beiden Begriffe ‚Erfahrungsmodus’/ ‚Reflexionsmodus‘ im ersten Moment klingen mögen, bei genauerem Hinsehen und beim Durchführen von Experimenten wird man schnell feststellen, dass diese beiden Begriffe sehr vage und schwer entscheidbar sind. Die Wirklichkeit des Erkennens ist im Vollzug viel komplexer. Für die weiteren Betrachtungen zu den wissensunterstützenden Werkzeugen spielt es keine so zentrale Rolle; erst dann, wenn man die Bedeutung und Wirkungsweise der wissensunterstützenden Werkzeugen genauer gewichten wollte. Und tatsächlich, Norman bemerkt diese Unzulänglichkeit:]
10) Er stellt dann selbst fest, dass die Reduktion menschlichen Erkennens auf nur zwei Aspekte gefährlich sei, da menschliches Erkennen eine multidimensionale Angelegenheit sei. Er behält diese Vereinfachung aber dennoch bei, da er meint, dadurch bestimmte Dinge besser verdeutlichen zu können. Außerdem treten beide Modi nicht notwendigerweise isoliert auf, sondern auch ‚gemischt‘ oder wechseln sich ab.(vgl. S.16) In vielen Fällen wird ein erfahrenes Verhalten verlangt, in dem die betroffenen Personen nicht ständig erst nachdenken müssen, sondern in denen sie sofort, spontan wissen müssen, was zu tun ist. Andererseits sind diese Arbeitsweisen gefährlich, weil dann der (falsche) Eindruck entstehen kann, Wissen bestände aus Handlungen.(vgl. S.17)
11) [Anmerkung 1: 20 Jahre nach dem Erscheinen von Normans Buch gibt es viele hundert verschiedene interaktive Computerspiele mit z.T. Millionen von ‚Fans‘, die spielen. Die Interaktivität dieser Spiele garantiert aber keinesfalls, dass die Benutzer der Spiele ‚echtes Wissen‘ erwerben, da die Inhalte weitgehend ‚Fantasiewelten‘ repräsentieren. Allerdings eröffnet das Spielen in großen Gruppen spezifische Erfahrungen, ob und wie man zusammen mit anderen im Team gemeinsam Aufgaben lösen kann.]
11) [Anmerkung2: Wir wissen, dass ein scheinbar schwereloses spontanes Verhalten (Lesen, Schreiben, Sprechen, Autofahren, ein Instrument Spielen, Turnen, Tanzen, Programmieren, …) in der Regel ein sehr langes, mühevolles Training voraussetzt, in dem viele kleine Schritte bewusst ‚geübt‘ werden müssen, bis sie dann irgendwann scheinbar ‚von selbst‘ ablaufen. Ein solches Trainieren ist ein komplexes Geschehen.]
12) Am Beispiel eines Museumsbesuches macht er darauf aufmerksam, dass der Erfahrungsmodus alleine, in dem man Dinge spontan wahrnimmt, keine neue ‚Erkenntnisse‘ garantiert. Noch so attraktive Exponate als solche erzeugen zwar eine gewisse ‚Anziehung‘, beanspruchen die ‚Aufmerksamkeit‘, sie führen aber nicht notwendigerweise zu ‚Erkenntnissen‘. Dem gegenüber verweist er auf die Arcade Videospiele; in diesen gibt es einen ‚Aufmerksamkeitsmodus‘ , in dem man zunächst etwas spontan erleben kann (Erfahrungsmodus), und dann gibt es einen ‚Interaktionsmodus‘, durch den man mit dem Erfahrenen bewusst interagieren kann; auf diese Weise kann man dann zu expliziten neuen Erkenntnissen gelangen (Reflexionsmodus).(vgl. SS.19-22)
13) Der Vorteil eines eingeübten Erfahrungsmodus ist seine Schnelligkeit und die scheinbare Mühelosigkeit. Allerdings findet im Erfahrungsmodus tendenziell keine Reflexion statt. Die Dinge ändern sich nicht mehr, sie stehen fest. Wer im Erfahrungsmodus verweilt – Norman zählt dazu auch das Fernsehen – der ist zwar sensorisch und erlebnismäßig in eine ‚Realiät‘ eingehüllt‘, aber diese kann unzulänglich oder falsch sein. Eine kritische Bewertung würde den Übergang in den ‚Reflexionsmodus‘ voraussetzen, der hinterfragt, vergleicht, Schlüsse zieht. Der Reflexionsmodus ist viel langsamer, kann aber beliebig an jeder Stelle vertiefen. Und hier sieht Norman auch die größte potentielle Gefahr: die immer mehr um sich greifende reine ‚Unterhaltung‘ über Massenmedien können einen Dauerzustand des sich ‚denkfreien Hingebens‘ an eine Realität begünstigen, die notwendiges kritisches Verstehen ausschaltet. (vgl. SS.22-28)
14) [Anmerkung: im Kalten Krieg war die ‚Gehirnwäsche‘ als Foltermethode und ‚Umprogrammierung‘ eines Menschen berühmt berüchtigt. Wenn über viele TV-Kanäle heute mehr und mehr nur noch quasi Fantasy-Serien oder manipulierte Alltagsserien laufen und Menschen nachgewiesenermaßen diese mehrere Stunden am Tage sehen, dann führt dies unweigerlich zu einer ‚Umprogrammierung‘ ihres Wissens, dem sie sich – auch wenn sie wollten – nicht mehr entziehen können. Das ist nichts anderes als eine gesellschaftlich erlaubte Form von Gehirnwäsche, die hier nicht stattfindet,weil die Fernsehsender primär irgendwie auch politisch ‚indoktrinieren‘ wollen (wenngleich es Sender gibt, die Personen gehören, die ganz klare politische Ziele verfolgen), sondern weil sie schlicht und einfach Geld verdienen wollen: alles, was Menschen dazu bringt, sich vor den Fernsehsender zu setzen, nicht mehr abzuschalten, das wird gemacht. ]

Zur Fortsetzung siehe Teil 3

Eine Übersicht über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.