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DONALD A.NORMAN, THINGS THAT MAKE US SMART – Teil 7, Epilog

Diesem Beitrag ging voraus Teil 6.

BISHER
(ohne kritische Anmerkungen)

In den vorausgehenden Teilen wurden bislang zwei Aspekte sichtbar: einmal die ‚Menschenvergessenheit‘ in der Entwicklung und Nutzung von Technologie sowie die Einbeziehung von ‚wissensunterstützenden Dingen‘ sowohl außerhalb des Körpers (physisch) wie auch im Denken selber (kognitiv). Ferner hatte Norman die Vielfalt des Denkens auf zwei ‚Arbeitsweisen‘ reduziert: die ‚erfahrungsorientierte‘ Vorgehensweise, ohne explizite Reflexion (die aber über ‚Training‘ implizit in die Erfahrung eingegangen sein kann), und die ‚reflektierende‘ Vorgehensweise. Er unterschied ferner grob zwischen dem Sammeln (‚accretion‘) von Fakten, einer ‚Abstimmung‘ (‚tuning‘) der verschiedenen Parameter für ein reibungsloses Laufen, Schreiben, Sprechen, usw., und einer Restrukturierung (‚restructuring‘) vorhandener begrifflicher Konzepte. Ferner sieht er in der ‚Motivation‘ einen wichtigen Faktor. Diese Faktoren können ergänzt werden um Artefakte, die Denkprozesse unterstützen. In diesem Zusammenhang führt Norman die Begriffe ‚Repräsentation‘ und ‚Abstraktion‘ ein, ergänzt um ‚Symbol‘ (nicht sauber unterschieden von ‚Zeichen‘) und ‚Interpreter‘. Mit Hilfe von Abstraktionen und Symbolen können Repräsentationen von Objekten realisiert werden, die eine deutliche Verstärkung der kognitiven Fähigkeiten darstellen. Allerdings, und dies ist ein oft übersehener Umstand, durch die Benutzung eines Artefaktes werden nicht die kognitiven Eigenschaften des Benutzers als solchen geändert, sondern – bestenfalls – sein Zugang zum Problem. Wenn in einem solchen Fall zwischen den wahrnehmbaren Eigenschaften eines Artefakts und den korrelierenden ‚Zuständen‘ des Problems ein Zusammenhang nur schwer bis gar nicht erkennbar werden kann, dann führt dies zu Unklarheiten, Belastungen und Fehlern. Norman wiederholt dann die Feststellung, dass die Art wie das menschliche Gehirn ‚denkt‘ und wie Computer oder die mathematische Logik Probleme behandeln, grundlegend verschieden ist. Im Prinzip sind es drei Bereiche, in denen sich das Besondere des Menschen zeigt: (i) der hochkomplexe Körper, (ii) das hochkomplexe Gehirn im Körper, (iii) die Interaktions- und Kooperationsmöglichkeiten, die soziale Strukturen, Kultur und Technologie ermöglichen. Die Komplexität des Gehirns ist so groß, dass im gesamten bekannten Universum nichts Vergleichbares existiert. Mit Bezugnahme auf Mervin Donald (1991) macht Norman darauf aufmerksam dass die auffälligen Eigenschaften des Menschen auch einen entsprechenden evolutionären Entwicklungsprozess voraussetzen, innerhalb dessen sich die heutigen Eigenschaften schrittweise herausgebildet haben. Nach kurzen Bemerkungen zur Leistungsfähigkeit des Menschen, der schon mit wenig partiellen Informationen aufgrund seines Gedächtnisses übergreifende Zusammenhänge erkennen kann (was zugleich ein großes Fehlerrisiko birgt), legt Norman dann den Fokus auf die erstaunliche Fähigkeit des Menschen, mit großer Leichtigkeit komplexe Geschichten (’stories‘) erzeugen, erinnern, und verstehen zu können. Er erwähnt auch typische Fehler, die Menschen aufgrund ihrer kognitiven Struktur machen: Flüchtigkeitsfehler (’slips‘) und richtige Fehler (‚mistakes‘). Fehler erhöhen sich, wenn man nicht berücksichtigt, dass Menschen sich eher keine Details merken, sondern ‚wesentliche Sachverhalte‘ (’substance and meaning‘); wir können uns in der Regel nur auf eine einzige Sache konzentrieren, und hier nicht so sehr ‚kontinuierlich‘ sondern punktuell mit Blick auf stattfindende ‚Änderungen‘. Dementsprechend merken wir uns eher ‚Neuheiten‘ und weniger Wiederholungen von Bekanntem. Ein anderes typisches Fehlerverhalten ist die Fixierung auf eine bestimmte Hypothese. Am Beispiel von Flugzeugcockpits (Boeing vs. Airbus) und Leitständen großer technischer Anlagen illustriert Norman, wie eine durch die gemeinsam geteilte Situation gestützte Kommunikation alle Mitglieder eines Teams auf indirekte Verweise miteinander verbindet, sie kommunizieren und verstehen lässt. In einer simulierten Situation müsste man die impliziten Gesetze der realen Welt explizit programmieren. Das ist nicht nur sehr aufwendig, sondern entsprechend fehleranfällig. Ein anderes großes Thema ist das Problem, wie man Wissen so anordnen sollte, dass man dann, wenn man etwas Bestimmtes braucht, dieses auch findet. Es ist ein Wechselspiel zwischen den Anforderungen einer Aufgabe, der Struktur des menschlichen Gedächtnisses sowie der Struktur der Ablage von Wissen. Nach Norman ist es generell schwer bis unmöglich, die Zukunft vorauszusagen; zu viele Optionen stehen zur Verfügung. Andererseits brauchen wir Abschätzungen wahrscheinlicher Szenarien. Dazu präsentiert er zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit (Privater Hubschrauber, Atomenergie, Computer, Telephon), anhand deren das Versagen von Prognose illustriert wird. Der größte Schwachpunkt in allen Voraussagen ist immer der Bereich der sozialen Konsequenzen. Auffällig in den neuen Entwicklungen ist der Trend, den Menschen im Handeln durch künstliche Charaktere zu ersetzen. Weitere Themen sind ‚Neurointerface‘, kollaborativesArbeiten, Viel ‚Hype‘ um Visionen, wenig Erfolg in der tatsächlichen Realisierung.

WEICHE UND HARTE TECHNOLOGIE

1) Auf den Seiten 221-242 wiederholt Norman Themen, die er auch schon vorher angesprochen hat. Es geht um die Grundeinsicht, dass der Mensch typische Stärken und Schwächen hat, die zu den heute bekannten Fähigkeiten der Maschinen weitgehend komplementär sind (zusammengefasst in einer Tabelle auf S.224).(vgl. SS.221-224) Statt maschinenorientiert zu denken, indem man den Menschen an Maschinen anzupassen versucht und dadurch den Menschen in für Menschen ungünstige Situationen zu pressen (mit entsprechend großem Fehlerpotential), sollte wir eher versuchen, die Maschinen an die Menschen anzupassen. Im Grunde sind beide komplementär und Maschinen könnten den Menschen hervorragend ergänzen.(vgl. SS.224-227)
2) Er stellt dann nochmals gegenüber die Logik, die in den Maschinen zum Tragen kommt, und die Logik des menschlichen Gehirns, die sich vorwiegend in der Art und Weise äußert, wie wir sprechen, wie wir unsere Sprache benutzen.(vgl. SS.227-232). Er illustriert die Gegenüberstellung von ‚maschinenorientierter (harter)‘ zu ‚menschenorientierter (weicher)‘ Technologie an den Beispielen ‚Telephon‘, ‚Briefmarkenautomat‘ sowie einer wissensunterstützenden Software genannt ‚Rabbit‘. (vgl. SS.232-242)

TECHNIK IST NICHT NEUTRAL

3) Auch auf den Schlussseiten SS.243-253 wiederholt Norman nur Thesen, die er zuvor schon mehrfach besprochen hat. Zentral sind ihm die Themen, dass das Medium für ihn im Gegensatz zu Marshall McLuhan nicht die Botschaft ist, wenngleich das Medium durch seine Eigenschaften einen spezifischen Effekt haben kann.(vgl.S.243f)
4) Er verdeutlicht dies (wiederholt) an der Gegenüberstellung von ‚Text lesen‘ und ‚Fernsehen schauen‘. Letzteres ist passiv und lässt in der Regel keine Zeit zur Verarbeitung. Die enorme Fähigkeit des menschlichen Gehirns, Dinge auf unterschiedliche Weise zu verarbeiten und zu gewichten wird durch das Fernsehen neutralisiert und führt nach jahrelanger mehrstündiger Praxis täglich zu deutlich negativen Effekten.(vgl. SS.244-246)
5) Eine Behebung dieses Problems sieht er (wiederholt) in der Einbeziehung des menschlichen Denkens durch eine Einbettung von Fernsehen in einer interaktive Version, bei der die Darbietung jederzeit unterbrochen werden kann.(vgl. S.248f)
6) Seine Schlusszeile lautet: „Menschen schlagen vor, Wissenschaft untersucht, Technologie macht verfügbar (‚conforms‘)“.(S.253)

EPILOG

ZERFLEDDERT

7) Hat man sich durch das ganze Buch durchgekämpft, dann kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Gesamtheit der Themen nicht sehr streng systematisch organisiert worden sind. Viele Themen kommen immer wieder vor, mal mehr, mal weniger durchanalysiert. Dazu kommt, dass die Reflexion über Beispiele nicht konsequent durchgeführt erscheint. Reflexionsansätze werden immer wieder durchbrochen durch eine Vielzahl von Beispielen, die in sich zwar interessant und lehrreich sind, aber letztlich nicht wirklich in einer kohärenten Theorie aufgefangen werden.

GRUNDLEGENDE EINSICHTEN

8) Dieser negative Eindruck wird aber durch zwei positive Aspekte ausgeglichen: (i) die vielen ausführlichen Beispiele (die ich hier nicht im einzelnen beschrieben habe) illustrieren sehr schön den Reichtum seiner praktischen Erfahrungen; (ii) seine Grundthesen erscheinen mir tatsächlich fundamental, grundlegend, auch nach nunmehr 20 Jahren seit dem ersten Erscheinen des Buches.
9) Zwar nimmt in der Wirtschaft das Bewusstsein für bessere Bedienbarkeit von Geräten deutlich zu, aber eher weniger durch theoretische Einsicht sondern vielmehr durch die Realität des Marktes: schlechte Bedienbarkeit führt zu realen wirtschaftlichen Verlusten oder kann bei Zulassungsverfahren zum Ausschlusskriterium werden.
10) Das grundsätzliche Verhältnis von Menschen vs. Maschinen hat sich im Bewusstsein der Mehrheit deswegen nicht unbedingt zugunsten des Menschen verschoben. Die Unterhaltungsindustrie lebt jedenfalls extensiv von der immer wieder neuen Variierung des Themas ‚Intelligente Maschinen bedrohen die Existenz der Menschen‘.
11) Ich finde, dass Norman zurecht die Stärken und Schwächen des Menschen thematisiert und dass er im großen und ganzen die Möglichkeiten einer technischen Intelligenz demgegenüber als potentiell komplementär skizziert. Aus eigener Erfahrung im Hochschulbetrieb weiß ich, dass im Bereich der Informatik und Ingenieurwissenschaften das explizite Bewusstsein vom ‚Faktor Mensch‘ höchstens bei jenen wenigen Professoren gegeben ist, die das Thema ‚Mensch-Maschine-Interaktion‘ explizit betreuen; aber selbst in dieser verschwindend kleinen Gruppe gibt es noch genügend, die das Fach ‚maschinenorientiert‘ verstehen: wie kann ich den Menschen am besten an die Gegebenheiten eines bestimmten technischen Systems anpassen?‘.
12) Seine letztlich tiefgreifenden Einsichten in den Fundamentalzusammenhang zwischen Menschen und Technologie berühren allerdings ein Thema, das weit über die Disziplin Mensch-Maschine Interaktion hinausgeht. Es berührt den grundsätzlichen Wertekanon einer informationstechnologisch geprägten Gesellschaft, berührt die grundsätzlichen Fragen nach dem ‚Selbstbild des Menschen‘, die Frage, wie wir als Menschen uns selbst sehen, begreifen, verstehen angesichts einer immer mehr beschleunigten Komplexität.
13) Und in diesem Bereich der übergreifenden ‚Weltbilder‘ erleben wir neben einer großen Ungleichzeitigkeit zwischen unterschiedlichen Regionen und Kulturen auf der Erde im Bereich der stark wissenschaftlich geprägten Gesellschaften ein gefährliches denkerisches Vakuum: Bis zum Beginn der Entwicklung neuzeitlicher experimenteller und formal-mathematischer Wissenschaften verbanden die Menschen das ‚Lebendige‘, speziell den ‚Menschen‘ – also sich selbst – mit der Kategorie, etwas ‚Besonderes‘ zu sein, und die unterschiedlichen Manifestationen dieser Besonderheiten im Verhalten nannte man – im weitesten Sinne – z.B. ‚intelligent‘, ‚vernunftbegabt‘, ‚geistig‘, bis dahin, dass man einem Menschen einen ‚Geist‘ unterstellte (was immer dies auch im einzelnen war), der einen Menschen genau zu diesem wunderbaren Verhalten befähigt. Dieser unterstellte ‚Geist‘ war eine beliebte Projektionsfläche für sehr vieles, u.a. auch für religiöse Vorstellungen. Mit dem Fortschreiten der experimentellen und formalen Wissenschaften begann aber eine zunehmende ‚Durchleuchtung‘ der empirischen Welt, auch des menschlichen Körpers einschließlich Gehirn, auch des Universums, und überall fand man immer nur noch Kleineres, Zellen, Moleküle, Atome, Quanten, aber eben keinen ‚Geist‘. Diese zunehmende Zerkleinerung mit Verlust der Sicht auf potentielle Zusammenhänge oder Hervorbringungen haben die Aura des ‚Besonderen‘ denkerisch ausgetrocknet. Die ‚Rückbesinnungen‘ auf das typisch, ursprünglich Menschliche, auf immer buntere Formen von Religiosität, wirken in diesem Zusammenhang wie Verzweiflungsaktionen, eher emotional, wenig rational, kaum erhellend, auf keinen Fall kraftvoll genug, um die Stellung des Menschen (und überhaupt des Lebens) im Kosmos nennenswert zu stärken. In einer solchen denkerisch ausgehöhlten, ausgelutschten Situation gibt es keine wirklichen Argumente für den Menschen. Philosophie und Religion sind sprachlos, die Wissenschaft gefangen in ihre einzelwissenschaftlichen Zerkleinerungen eines großen Ganzen, das dem Blick entschwunden ist. Die Lücke füllen Fantasien aller Arten.
14) Das schon mehrfach erwähnte ‚Emerging Mind Project‘ stellt in diesem Zusammenhang einen Versuch dar, den Zusammenhang wieder zurück zu gewinnen und das Phänomen des ‚Lebens‘ (einschließlich des Menschen) in seiner spezifischen Rolle neu sichtbar zu machen. Technologie wird hier dann zu einem genuinen Teil des Lebens, nicht als Gegensatz, sondern als ‚genuiner Teil‘!

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Treffen Café Siesmayer 15.Dez.2012 – ‚Geist‘-Sichtbarmachungs-Experiment

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Der universale Weltprozess, der Geist, und das Experiment

Zur Erinnerung, Auslöser für die Idee mit dem Experiment war das Nachtgespräch im INM……

  1. Am 15.Dez012 11:00h gab es ein denkwürdiges Treffen im Café Siesmayer (Frankfurt, neben dem Palmgarten). Für mich war es das erste Mal dort; ein angenehmer Ort, um zu reden (und natürlich auch, um Kaffee zu trinken).
  2. Die ‚Besetzung‘ ist kurz beschrieben: einer mit Schwerpunkt Soziologie, einer mit Schwerpunkt Physik, einer mit Schwerpunkt Informatik, Psychologie und Erkenntnistheorie.
  3. Nachdem die Gedanken mehrere Kreise, Ellipsen, Achten und diverse Verschlingungen gezogen hatten näherten wir uns dem zentralen Knackpunkt: wie lokalisieren wir den ‚Geist‘ und worin soll das ‚Experiment‘ bestehen?
  4. Der Referenzpunkt der Überlegungen wurde gebildet von der Annahme, dass wir zu Beginn des Universums einen Übergang von ‚Energie‘ zu ‚Materie‘ haben, nicht als das ‚ganz Andere‘, sondern als eine andere ‚Zustandsform‘ von Energie.
  5. Und dann beobachten wir einen weiteren Übergang von Energie in materielle Strukturen‘, nämlich dort, wo die Energie als sogenannte ‚freie Energie‘ den Übergang von einfachen chemischen Verbindungen zu immer komplexeren chemischen Verbindungen begünstigt, zu Zellen, zu mehrzelligen Systemen, bis hin zu den Pflanzen, Tieren und dem homo sapiens sapiens, einer Lebensform, zu der wir ‚als Menschen‘ gehören.
  6. Und es sieht so aus, als ob diese komplexen biologischen Strukturen eine fast ‚triebhafte‘ Tendenz besitzen, die biologische motivierte Strukturbildung beständig zu bestärken, zu beschleunigen, zu intensivieren.
  7. Die beobachtbare Strukturbildung folgt allerdings bestimmten ‚Vorgaben‘: Im Falle biologischer Systeme stammen diese Vorgaben aus den Nervensystemen bzw. genauer den Gehirnen. Allerdings, und dies ist der entscheidende Punkt, es sind nicht die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Gehirne als solche, die die Vorgaben ‚kodieren‘, sondern es ist ein Netzwerk von ‚Informationen‘ bzw. ‚Bedeutungen‘ , die zwar mit Hilfe der der physikalisch-chemischen Eigenschaften realisiert werden, die aber nicht aus diesen direkt abgeleitet werden können!!!!!! Die informatorisch-semantische Dimension biologischer Systeme ermöglicht all das, was wir als ‚intelligent‘ bezeichnen bzw. all das, was wir als ‚Ausdruck des Geistes‘ notieren. Für diese informatorisch-semantische (= geistige!?) Dimension gibt es aber — bisher! — keine Begründung in der bekannten physikalischen Welt.
  8. Hat man diesen Faden erst einmal aufgenommen, dann kann man den Weg der Entwicklung weiter zurück gehen und wird feststellen, dass es diese geheimnisvolle informatorisch-semantische Dimension auch schon auf der Ebene der Zelle selbst gibt. Denn die ‚Steuerung‘ der Proteinbildung bis hin zur Ausformung kompletter Phänotypen erfolgt über ein Molekül (DNA (auch RNA und andere)), das als solches zwar komplett über seine physikalischen Eigenschaften beschrieben werden kann, dessen ’steuernde Wirkung‘ aber nicht direkt von diesen physikalischen Eigenschaften abhängt, sondern (wie Paul Davies ganz klar konstatiert), von etwas, was wir ‚Information‘ nennen bzw. was ich als ‚Bedeutung‘ bezeichnen würde, eben jene (semantische) Beziehung zwischen einem Materiekomplex auf der einen Seite und irgendwelchen anderen Materiekomplexen auf der anderen Seite. Und diese semantischen Beziehungen sind ’spezifisch‘. Wo kommen diese her? Die physikalischen Eigenschaften selbst liefern dafür keinerlei Ansatzpunkte!!!!
  9. Interessant ist auf jeden Fall, dass die zentrale Rolle der semantischen Dimension im Bereich entwickelter Nervensysteme sich schon bei der ersten Zelle findet, und zwar an der zentralen Stelle, an der bislang die Wissenschaft das Spezifikum des Biologischen verortet. Strukturell ist die semantische Dimension in beiden Fällen völlig identisch und in beiden Fällen physikalisch bislang unerklärlich.
  10. Nach allem, was wir bis heute wissen, ist das, was wir mit ‚Geist‘ meinen, genau in dieser semantischen Dimension zu verorten. Dies aber bedeutet, der Geist ‚erscheint‘ nicht erst nach ca. 13 Milliarden Jahren nach dem Big Bang, sondern mindestens mit dem Entstehen der ersten Zellen, also vor ca. 3.8 Mrd Jahren.
  11. Betrachtet man die ’semantische Dimension‘ aus einem gewissen ‚gedanklichen Abstand‘, dann kann man auch formulieren, dass das ‚Wesen des Semantischen‘ darin besteht, dass eine Materiestruktur das Verhalten anderer Materiestrukturen ’steuert‘. In gewisser Weise gilt dies letztlich auch für die Wechselwirkungen zwischen Atomen. Fragt sich, wie man die Beziehung zwischen Energie ‚als Energie‘ und Energie ‚als Materie‘ betrachten kann/ muss. Die Ausbildung von immer mehr ‚Differenzen‘ bei der Abkühlung von Energie ist jedenfalls nicht umkehrbar, sondern ‚erzwungen‘, d.h. Energie als Energie induziert Strukturen. Diese Strukturen wiederum sind nicht beliebig sondern induzieren weitere Strukturen, diese wiederum Strukturen bei denen immer mehr ‚zutage‘ tritt, dass die Strukturbildung durch eine semantische Dimension gesteuert wird. Muss man annehmen, dass die ’semantische Struktur‘, die auf diesen verschiedenen Niveaus der Strukturbildung sichtbar wird, letztlich eine fundamentale Eigenschaft der Materie ist? Dies würde implizieren (was ja auch schon nur bei Betrachtung der materiellen Strukturen deutlich wird), dass Energie ‚als Energie‘ nicht neutral ist, sondern eine Form von Beziehungen repräsentiert, die im Heraustreten der Strukturen sichtbar werden.
  12. Sollten alle diese Überlegungen treffen, dann kann man mindestens zwei Hypothesen formulieren: (i) das, was wir mit ‚Geist‘ benennen, das ist kein ’spätes‘ Produkt der Evolution, sondern von allem Anfang das innere treibende Prinzip aller Strukturbildungen im Universum; (ii) das, was wir mit ‚Geist‘ benennen, ist nicht gebunden an die biologischen Körper, sondern benötigt als Vorgabe nur etwas, das die notwendigen ‚Unterschiede‘ repräsentiert.
  13. Der heute bekannte ‚digital elektronisch realisierte Computer‘ ist ein Beispiel, wie man semantische Dimensionen ohne Benutzung biologischer Zellen realisieren kann. Wie viel der bekannten menschlichen Intelligenz (und damit des unterstellten ‚Geistes‘) mit dieser Technologie ’simulierbar‘ ist, ist umstritten. Die Experten der Berechenbarkeit — und dazu zählt auf jeden Fall auch Turing, einer der Väter der modernen Theorie der Berechenbarkeit — vermuten, dass es keine Eigenschaft der bekannten Intelligenz gibt, die sich nicht auch mit einer ‚technologisch basierten‘ Struktur realisieren lässt. Die Schwierigkeiten bei nichtbiologisch basierten Intelligenzen im Vergleich zu biologisch basierten Intelligenzen liegen ‚einzig‘ dort, wo die Besonderheiten des Körpers in die Bereitstellung von Ereignissen und deren spezifische Verknüpfungen eingehen (was direkt nachvollziehbar ist). Diese spezifische Schwierigkeit stellt aber nicht die Arbeitshypothese als solche in Frage.
  14. Die ‚Besonderheiten des biologischen Körpers‘ resultieren aus spezifischen Problemen wie Energiebeschaffung und Energieverarbeitung, Bewegungsapparat, Anpassung an Umgebungsbedingungen, Fortpflanzung, Wachstumsprozesse, der Notwendigkeit des Individuellen Lernens, um einige der Faktoren zu nennen; diese körperlichen Besonderheiten gehen der semantischen Dimension voraus bzw. liegen dieser zugrunde. Die technisch ermöglichte Realisierung von ‚Intelligenz‘ als beobachtbarer Auswirkung der nicht beobachtbaren semantischen Dimension ist als nicht-biologische Intelligenz auf diese Besonderheiten nicht angewiesen. Sofern die nicht-biologische Intelligenz aber mit der biologischen Intelligenz ‚auf menschenähnliche Weise‘ interagieren und kommunizieren soll, muss sie von diesen Besonderheiten ‚wissen‘ und deren Zusammenspiel verstehen.
  15. Das oft zu beobachtende ’sich lächerlich machen‘ über offensichtliche Unzulänglichkeiten heutiger nicht-biologischer Intelligenzen ist zwar als eine Art ‚psychologischer Abwehrreflex‘ verständlich, aber letztlich irreführend und tatsächlich ‚verblendend‘: diese Reaktion verhindert die Einsicht in einen grundlegenden Sachverhalt, der uns wesentliche Dinge über uns selbst sagen könnte.
  16. Zurück zum Gespräch: aus den oben formulierten Hypothesen (i) und (ii) kann man unter anderem folgendes Experiment ableiten: (iii) Wenn (i) und (ii) stimmen, dann ist es möglich, durch Bereitstellung von geeigneten nicht-biologischen Strukturelementen ‚Geist‘ in Form einer ’semantischen Dimension‘ (! nicht zu verwechseln mit sogenannten ’semantischen Netzen‘!) als ’nicht-biologische Form von ‚Geist‘ ’sichtbar und damit ‚lebbar‘ zu machen. Dies soll durch Installierung einer offenen Arbeitsgruppe am INM Frankfurt in Angriff genommen werden. Offizieller Start 2014. Wir brauchen noch einen griffigen Titel.
  17. Anmerkung: ich habe den Eindruck, dass die Verschiebung der Begrifflichkeit (‚Information‘ bei Paul Davies, ’semantische Dimension‘ von mir) letztlich vielleicht sogar noch weiter geführt werden müsste bis zu ’semiotische Dimension‘. Dann hätten wir den Anschluss an eine sehr große Tradition. Zwar haben nur wenige Semiotiker in diesen globalen und universellen Dimensionen gedacht, aber einige schon (z.B. Peirce, Sebeok). Außerdem ist die ‚Semantik‘ von jeher eine Dimension der Semiotik. Den Ausdruck ‚Semiotische Maschine‘ für das ganze Universum hatte ich ja auch schon in früheren Blogeinträgen benutzt (siehe z.B.: http://cognitiveagent.org/2010/10/03/die-universelle-semiotische-maschine/). Allerdings war mir da der Sachverhalt in manchen Punkten einfach noch nicht so klar.
  18. Natürlich geht dies alles weiter. In gewisser Weise fängt es gerade erst an. Ich habe den Eindruck, dass wir in einer Zeitspanne leben, in der gerade der nächste große Evolutionssprung stattfindet. Jeder kann es spüren, aber keiner weiß genau, wie das ausgeht. Klar ist nur, dass wir uns von den Bildern der letzten Jahrtausende verabschieden müssen. Die Worte und Bilder aller großen Religionen müssen ‚von innen heraus‘ dramatisch erneuert werden. Es geht nicht um ‚weniger‘ Religion, sondern um ‚mehr‘. Thora, Bibel und Koran müssen vermutlich neu geschrieben werden. Was kein grundsätzliches Problem sein sollte da wir als Menschen dem, was/wen wir ‚Gott‘ nennen, nicht vorschreiben können, was und wie er etwas mitteilen möchte. Die ‚Wahrheit‘ geht immer jeglichem Denken voraus, ohne diesen Zusammenhang verlöre jegliches Denken seinen ‚Halt‘ und damit sich selbst. Und weil dies so ist, kann man einen alten Ausspruch ruhig weiter zitieren. „Die Wahrheit wird euch frei machen.“

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EIN ABEND MIT DEM SALON SLALOM

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 8.Dezember 2012
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

Letzte Änderung: Postscript 23.Febr.2021

Loser Kontakt

Seit dem Frühjahr 2012 habe ich einen losen Kontakt mit dem Salon Slalom (URL: http://salonslalom.wordpress.com/salon-slalom/). Ein Team von aktuell fünf Personen organisiert gemeinsame Veranstaltungen zu allen möglichen Themen, meist aus den Reihen der Salon-Mitglieder. Das Besondere daran ist, dass es keinen festen Ort gibt. Die Veranstaltungen sind je nach Thema irgendwo, teilweise auch draußen. Ich war z.B. einmal bei einer sehr inspirierenden Veranstaltung mit einem Holzkünstler im Taunus. Irgendwann hatte ich auch mal zugesagt, einen Abend zu gestalten. Die Ankündigung findet sich hier:

http://salonslalom.wordpress.com/termine/hinter-dem-phanomen-lauert-das-ich-aber-was-kommt-dann/. Der Ort war also, wie man aus der Ankündigung entnehmen kann, im INM (Institut für Neue Medien, url: http://www.inm.de), da einige Mitglieder explizit das INM mal kennen lernen wollten (in Frankfurt nicht ganz unbekannt).

Wintereinbruch

Durch einen akuten Wintereinbruch mit starkem Schneefall wurde die Anreise für alle TeilnehmerInnen an diesem Abend zu einem kleinen Abenteuer. Dazu noch die Lage des INM im Osthafen, zwischen lauter Logistikunternehmen, im vierten Stock auf dem Dach eines alten Bunkers, ohne Aufzug (die Städte nehmen es in ihren eigenen Gebäuden mit der Barrierefreiheit nicht so genau…). Aber der Raum füllte sich dann doch.

Harakiri?

Angeregt durch die offene Atmosphäre des Salons hatte ich mir vorgenommen, meine aktuellen Gedanken zum neuen Welt- und Menschenbild so zusammen zu stellen, dass man zumindest ahnen konnte, wie das Wissen um den Menschen, die Evolution, und die Computer sich wechselseitig verschränken. Angereichert wurde das Ganze noch durch kurze Schilderungen meiner Radically Unplugged Music Selbstversuche mit Klangbeispielen (Startseite für die RUM-Experimente ist: http://www.doeben-henisch.de/sounds/index.html). Die Stücke, die ich für diesen Abend ausgewählt hatte, stammten von meiner provisorischen ‚Playlist‘: http://www.doeben-henisch.de/sounds/playlist). Natürlich weiß man vorher nie, wie die TeilnehmerInnen auf das alles reagieren.

Nach der Begrüßung und einigen einleitenden Worten habe ich erst mal ein Stück zur Einstimmung gespielt:

Thunderstorm Dancing Ahead of (Version c) Interesting, somehow I was nearly sleeping after a long day, but when I started the recorder and started playing I became awake again….somewhere in the night…

Fügte noch hinzu, dass ich im Sommer 2010 kurz vorher ein kleines Aufnahmegerät gekauft hatte, mit dem ich im Juli einen kleinen Sturm aufgenommen hatte. Den Sound von diesem Sturm hatte ich in diesem Stück als Ausgangspunkt benutzt.

Phänomene und hinter den Phänomenen

Hauptproblem bei allen Vorträgen ist immer, wie fange ich an. Ermutigt durch die positive Resonanz im Münchner Vortrag bei der YPO-Jahresveranstaltung wählte ich die Vielschichtigkeit des Menschen als Ausgangspunkt,

Vielschichtigkeit des Menschen (vier verschiedene Bilder von Wikipedia (en) zusammengesetzt (siehe Quellenangaben unten)

um davon ausgehend deutlich zu machen, dass alle unseren bewussten Bilder von einem Gehirn stammen, das im Körper sitzt und selbst keinen direkten Kontakt mit der Welt hat.

Daraus ergeben sich allerlei Konsequenzen dazu, wie wir mit den Bildern, die unser Gehirn von der Welt produziert, umgehen sollten. So wunderbar unser Gehirn arbeitet, so wenig darf man ihm blindlings trauen. Dazu habe ich ein paar Beispiele erzählt.

Die Philosophen in Europa haben sich mindestens seit der Zeit der griechischen Philosophie beständig damit beschäftigt, wie sie die Erscheinungsformen der Phänomene analysieren und bewerten sollten. Einige der letzten großen Heroen der bewusstseinsbasierten Philosopien waren Descartes, Kant, Hegel, Hume, Locke, Berckeley, Husserl, Hartmann, um nur einige zu nennen. Sie alle erkannten in den Phänomenen des Bewusstseins zwar gewisse Regelhaftigkeiten, sie blieben aber notgedrungen im Bewusstsein ‚gefangen‘. Erst die neuen Erkenntnisse zum Gehirn (ab Beginn 20.Jahrhundert) sowie zur Evolution (ab Ende 19.Jahrhundert) ermöglichten uns, die ‚Rahmenbedingungen der Entstehung der Phänomene‘ neu zu verstehen (was sich u.a. im Aufblühen neuer an den Naturwissenschaften orientierten Erkenntnistheorien manifestiert).

Die neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse lieferten aber nicht nur einen Schlüssel zum Paradox des Bewusstseins in der Weise, dass wir jetzt die Dynamik unseres Bewusstseins in Beziehung setzen können zur Arbeitsweise des Gehirns , sondern wir bekommen damit einen weiteren Schlüssel dafür, warum wir überhaupt ein so unglaubliches Gehirn in einem nicht weniger unglaublichen Körper haben. Die Evolutionsbiologie kann uns in eindrücklicher Weise aufzeigen, wie dieses unser heutiges Gehirn mit dem Körper sich in einer langen 4 Milliarden Jahre dauernden mühevollen Geschichte herausbilden mussten. Wir Menschen haben eine Geschichte, eine reale Geschichte. Wir haben reale Vorfahren, die in unglaublichen erfinderischen Prozessen mit extrem hohen ‚Verlusten‘ das ermöglicht haben, was wir heute sind. Und wir sind kein Endpunkt, sondern – soweit wir sehen können – eine Durchgangsstation zu einem Zustand, den keiner aktuell genau beschreiben kann (obwohl es Menschen gab wie der französische Jesuit Teilhard de Chardin, der als weltweit geachteter Paläontologe sein von der Theologie und Philosophie inspirierte Visionen über das wahre Wesen des Menschen und des Kosmos in wortgewaltigen Texten niedergeschrieben hat; gegen das Lehramt der katholischen Kirche, mit mehrfachen Verboten mundtod gemacht, aber dann doch durch seine vielen Freunde der Öffentlichkeit gerettet).

Mit diesen neuen Erkenntnissen ergaben sich neue Fragen: wie ist diese atemberaubende ‚Gestaltwerdung‘ im Biologischen möglich?

Am Beispiel der Interaktion zwischen Genotyp und Phänotyp versuchte ich dann deutlich zu machen, wie hier ein lokaler Veränderungsmechanismus, der in sich völlig ‚blind‘ für den Kontext ist, mögliche Gestaltungsräume absucht, die dann über Wachstum und Körper mit der Umgebung Erde in Interaktion treten. Es ist dann die konkrete Erde, die quasi als ‚Schiedsrichter‘ auftritt, welche der versuchten Strukturen ‚es schaffen‘ und welche nicht (die Darwinsche Selektion). Man kann hier auch das fundamentale Wertesystem erkennen (wenn man will), das alles andere übertönt: Erhaltung des Lebens unter den Bedingungen der Erde. Allerdings, und darauf habe ich dann im weiteren Verlauf hingewiesen, hat die Evolution selbst die Bedingungen im späteren Verlauf tiefgreifend verändert.

Massstäbliches Diagramm zur Geschichte des Universums; Hervorhebung wichtiger Meilensteine für die Entstehung des Biologischen

Können diese Überlegungen noch sehr abstrakt wirken, so macht uns der reale Gang der universalen Genese seit dem Big Bang klar, dass wir es mit einem überaus realen Prozess zu tun haben, von dem wir ein Teil sind. Die geradezu dramatische Weise der Entstehung des Lebens seit ca. 4 Mrd.Jahren, die unglaublichen Vorgänge im Rahmen der chemischen Evolution, die zur ersten Zelle führten und die bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt sind, dann die ca. 2.8 Milliarden dauernde Zeitspanne (!!!!!!!!), bis es von den einzelligen zu mehrzelligen Lebensformen kam, usw. usw. Wer sich dies bewusst anschaut und nicht in ergriffener Bewunderung endet, dem ist schwer zu helfen.

Bemerkenswert ist, dass nach heutigen Kenntnisstand bis zur Ausdehnung der Sonne noch ca. 1 Mrd Jahre Zeit haben, bis die mit der Aufblähung der Sonne einhergehende Temperaturerhöhung alles Leben auf der Erde unmöglich machen wird. Gemessen an der bisherigen Zeit unseres bekannten Universums von ca. 13.7 Mrd Jahren macht dies etwa 1/15 aus. Gemessen an der Evolution des Lebens von ca. 3.8 – 4 Mrd etwa 1/5. Wenn man sieht, welche ungeheure Beschleunigung die Evolution des Lebens auf der Erde allein in den letzten 100 Jahren genommen hat, können die verbleibenden 1 Mrd Jahre mehr als ausreichend sein, um eine Lösung für die Erhaltung des Lebens zu finden. Vorausgesetzt, wir nutzen unsere Möglichkeiten entsprechend.

Es gab dann einen Einschub mit Gedanken zu meinen Radically Unpluggd Music Selbstversuchen.

Schilderte kurz die Entstehungsgeschichte, die Auflehnung dagegen, nur passiver Konsument zu sein, die Versuchsanordnung, wie ich mit Musik experimentieren kann ohne Noten zu benutzen und ohne vorher üben zu können.

Die klassische Musikproduktion und Rezeption wird heute ergänzt durch eine technische Muskproduktion auf der Basis der Mathematik. Damit dehnen sich die potentiellen Klangräume schier unendlich aus.

Dazu ein paar Gedanken zur Frage, was denn ein ‚Ton‘ ist und wie die Mathematik und die moderne Technik es erlaubt, den klassischen Produktions- und Reproduktionszusammenhang aufzubrechen und in schier unendliche Räume auszuweiten. Der ‚reale‘ menschliche Musiker und Komponist wird dadurch nicht ‚überflüssig‘, aber er kommt in eine neue Rolle. In gewisser Weise eröffnet die Mathematik in Kombination mit der Technik ein Universum an Instrumenten und Klängen und die Frage, was Musik ist, was wir mit ihr tun, stellt sich völlig neu. Auch hier, im Segment der Musik, wirkt sich die fortdauernde Evolution aus.

Es kam dann als nächstes Stück ‚Die Wahrheit spielt vor den schwarzen Riesen (The truth plays before the black giants‘).

The Truth Plays Before the Black Giants I have experimented with some abstract ‚dark‘ sound in the back and a very crisp and clear oboe-sound in the foreground. I am still curious about the many libraries of ableton. But besides this ’sound curiosity‘ I gave some space for inspirations. There was the picture of the ‚(seemingly) tiny truth‘ playing before the large dark giants of the ‚all earth’… The tiny small truth got their hearts and the darkness was rumbling, but in comfort…

Mathematik und Computer

Übersicht über eine formale Theorie und ihre Elemente nach Hilbert und Ackermann

Versuchte deutlich zu machen, dass nahezu alles, was wir heute im Alltag an Technologie benutzen, ohne die Entwicklung der modernen Mathematik unmöglich wäre. Die Mathematik ist das zentrale Instrument des modernen Geistes, um sich in der überwältigenden Vielfalt der Realität zurecht zu finden und es ist geradezu bizarr wie eine Gesellschaft, die nahezu vollständig auf er Mathematik basiert, in ihrem öffentlichen Leben, im öffentlichen Bewusstsein, in den Medien dies nahezu vollständig ausblendet, verdrängt. Dies grenzt an eine kollektive Neurose, die sich wie eine Gehirnwäsche über alles legt und schon die kleinsten Regungen, dass jemand irgendetwas Mathematisches äußert, zeigt, tut sofort negativ abstraft oder ins Lächerliche zieht.

Ich habe dann versucht, deutlich zu machen, dass die Technologie des Computers, die heute nahezu alle Winkel unseres alltäglichen Lebens erobert, durchdringt und damit mitgestaltet, ihren Ausgangspunkt in den Grundlagendiskussionen der Mathematiker kurz vor der Wende zum 20.Jahrhundert wie dann in den ersten Jahrzehnten eben dieses Jahrhunderts hatte.

Nach den ersten großen Formalisierungserfolgen entstand die Idee – insbesondere bei David Hilbert – ob sich nicht alle Fragen mathematischer Theorien völlig ‚automatisch‘ mittels eines endlichen Kalküls entscheiden lassen.

Es dauerte zwar ca. 30 Jahre von den ersten Vermutungen dieser Art bis zum Beweis von Kurt Gödel 1931, aber dafür war das Ergebnis um so schockartiger.

Das Bild zeigt verschiedene frühe Formalisierungsbeiträge zum Thema ‚endliches Verfahren‘

Kurt Gödel konnte beweisen, dass es schon bei den ‚einfachen‘ mathematischen Theorien nicht möglich ist, sowohl ihre ‚Widerspruchsfreiheit‘ als auch ihre ‚Vollständigkeit‘ zu beweisen. Der Beweis von Gödel konnte bis heute nicht widerlegt werden, aber Gödel selbst war mit ihm nicht ganz zufrieden. Ein Beweis bezieht seine Überzeugungskraft ja daher, dass er im Beweis nur solche Mittel benutzt, die ‚aus sich heraus‘ ‚zweifelsfrei‘ sind. Im Konkreten heißt dies, diese Mittel müssen – um der einfachen Struktur des menschlichen Gehirns zu entsprechen – durchweg ‚endlich‘ sein und nach ‚endlich vielen Schritten‘ einen klaren ‚Endzustand‘ erreichen. Was für die meisten Menschen im Alltag eher als Banaliät erscheinen mag (ist doch im Alltag alles sehr deutlich und konkret ‚endlich‘) war für den Bereich mathematischer Beweise offensichtlich nicht so trivial. Es war dann Alan Matthew Turing, ein genialer Engländer, der den Beweis von Gödel quasi mit anderen Mitteln wiederholte und der es auf eine Weise tat, die Gödel begeisterte. Diese Art des Beweises akzeptierte Gödel sofort.

Das Konzept der Turingmaschine (rechts oben im Bild) als Teil eines Theoriebildungsprozesses

Schaut man sich das Verfahren von Turing näher an, ist man zuerst einmal überrascht. Das Verfahren, das Turing beschreibt, sieht so einfach aus, dass man sich im ersten Moment gar nicht vorstellen kann, dass man damit irgend etwas Ernsthaftes machen könnte. Turings Vorbild war ein Büroangestellter, der mit einem Schreibstift auf einem Blatt Papier Zahlen schreibt. Wie sich dann aber in den Jahren nach Turing herausstellte, ist es genau dieses Verfahren, was sich bislang als ‚das‘ Konzept, als der ‚Maßstab‘ für einen ‚endlichen berechenbaren Prozess‘ erwiesen hat, denn von allen anderen Formalisierungsvorschlägen, die nach ihm gemacht wurden (oder zeitgleich oder kurz vorher) konnte bewiesen werden, dass sie höchstens ‚gleichwertig‘ sind oder schwächer. Damit dürfte dieses Konzept von Turing, das später und heute allgemein als ‚Turingmaschine‘ benannt wird, als das fundamentalste philosophische Konzept des 20.Jahrhunderts erscheinen (fragt sich natürlich, welche anderen Bereiche man noch hinzunehmen möchte. Im Bereich Naturwissenschaft gab es im 20.Jahrhundert viele bahnbrechende Erkenntnisse. Eventuell müsste man die dann dazurechnen). Jeder konkrete Computer heute kann nicht mehr als das, was das mathematische Konzept der Turingmaschine verkörpert (leider gibt es immer wieder Leute, die das mathematische Konzept der Turingmaschine als Beschreibung einer konkreten ’sequentiellen‘ Rechnerarchitektur missverstehen. Das führt dann natürlich zu allerlei logischen Ungereimtheiten).

Intelligenz bei Tieren und Computern

Dass das Prinzip der Turingmaschine umgesetzt in der Technologie heutiger Computer extrem vielseitig ist, das erleben wir heute in unserem Alltag (falls man sich überhaupt noch bewusst macht, dass nahezu in jedem Gerät heute mindestens ein Computer steckt (allein in einem einzigen Autositz können z.B. bis zu 7 kleine Computer vor sich hinwerkeln, ohne dass sich jemand dessen bewusst ist). Dennoch kann man die Frage stellen, wieweit die prinzipiellen Fähigkeiten dieser Technologie reichen.

Turing selbst dachte laut darüber nach (und hat dies auch in sehr vergnüglicher Weise beschrieben), dass das Prinzip der Turingmaschine eigentlich so universal ist, dass eine Maschine, die nach diesen Prinzipien gebaut würde (ein Computer, ein Roboter), mit der entsprechenden Ausstattung an Sensoren und bei Teilnahme an allen Lernprozessen, die auch ein Kind durchläuft, in der Lage sein müsste, alles lernen zu können, was auch ein Kind lernt. Turing selbst konnte es nicht erleben, ob dies tatsächlich geht.

Aber spätestens seit ihm wird immer wieder laut darüber nachgedacht, ob ein Computer so intelligent sein kann wie ein Mensch, oder gar noch intelligenter.

Ich habe dann kurz die Entwicklung der wissenschaftlichen Psychologie zu Beginn des 20.Jahrhunderts in den USA eingeblendet. Bekannt unter dem Schlagwort ‚verhaltensbasierte Psychologie‘ (‚Behaviorismus) versuchten in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts (aufgrund starker Anregungen von europäischen Psychologen) Psychologen zu empirisch begründeten Aussagen über beobachtbares Verhalten zu kommen. Das vorherrschende Versuchsparadigma waren damals Ratten, die in einem Labyrinth nach Futter (oder Wasser) suchen mussten.

Ein Experiment von Tolman (und anderen), das ihm lange Zeit eine gewisse Berühmtheit bescherte, war die Beobachtung, dass nicht nur Ratten (i) die hungrig waren, nach einer Anzahl von Versuchen das Futter immer schneller fanden, sondern (ii) auch Ratten, die viele Versuche ohne Hunger im Labyrinth herumlaufen konnten, ab dem Zeitpunkt, wo sie dann ‚hungrig gemacht wurden‘, ziemlich direkt das Futter ansteuerten. Tolman & Co folgerten daraus, dass die Ratten offensichtlich während der ’nicht-Hunger-Zeit‘ trotzdem ‚gelernt‘ haben, wie das Labyrinth angeordnet ist, so dass sie in dem Moment, wo sie das Futter wirklich brauchten, dieses aufgrund des zuvor ‚erworbenen Wissens‘ direkt ansteuern konnten.

Die Psychologen dieser Zeit versuchten also aus den beobachtbaren Verhaltensdaten auf ‚Regelmäßigkeiten‘ ‚in‘ der Ratte zu schließen. Da man in dieser Zeit noch nicht so richtig in ein Rattengehirn hineinschauen konnte (übrigens auch heute ist das, was die Neurowissenschaften im Kontext von Rattenexperimenten zu Tage fördern, äußerst unbefriedigend!) , war der Interpretationsspielraum recht groß. Die Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Interpretationsschulen (z.B. das Lager um Hull mit dem ‚Reward-learning‘ und das Lager um Tolman mit den ‚cognitive maps‘) erscheinen aus heutiger Sicht merkwürdig (zumal man zeigen kann, dass sich cognitive maps mit neuronalen Netzen nachbilden lassen, die ziemlich genau den Annahmen von Hull entsprechen). Entscheidend ist nur, dass man aufgrund des Verhaltens eindeutig ausschließen konnte, dass die Ratten ‚zufällig vorgehen.

Zentrale Komponenten eines minimalen lernenden Classifier Systems (ohne Anzeige des Bedürfnisses Hunger). Mit Hilfe des Fitnesswertes können alle jene Komponenten hervorgehoben werden, die im Zusammenwirken einen Pfad generieren. Fitnessgeber können auch ‚eingebaut‘ sein

Mittlerweile können wir – mittels Computern! – beliebige Typen von ‚virtuellen‘ Ratten simulieren. Das Bild zeigt die Struktur des Programms einer virtuellen Ratte basiert auf dem Konzept der Classifier Systeme, allerdings hier abgewandelt), die das Erlernen eines Weges im Labyrinth zum Futter sehr schnell erledigt. Was dieser einfache Typ aber nicht kann, ist das ‚Umlernen‘, falls das Futter nicht mehr am alten Ort ist, sondern an einem neuen Ort. Durch geringfügige Änderungen kann man dies aber ‚einbauen‘.

Die Frage ist, was man aus diesen Befunden folgern kann bzw. sollte. Hat die virtuelle Ratte die ‚gleiche Intelligenz‘ wie die reale Ratte, wenn die beobachtbaren Verhalten messtechnisch ‚gleich‘ sind (Eine Fragestellung, die in den berühmten Turing-Tests auch beständig diskutiert wird)?

Würde man ‚Ja‘ sagen, dann würde dies bedeuten, dass ‚Intelligenz‘ etwas ist, was nicht an die biologische Struktur als Körper gebunden ist, sondern mit jeder Struktur realisiert werden kann, die die entsprechenden ’strukturellen Eigenschaften‘ aufweist. Zwar ist damit nicht gesagt, dass man damit das Phänomen des biologischen Lebens ‚als solchem‘ reproduziert, aber die Eigenschaft der Intelligenz, die sich uns ursprünglich an, mit und durch die biologischen Strukturen ‚zeigt‘ (‚enthüllt‘, ‚offenbart‘, ‚emergiert’…).

Links im Bild ein Ribosom, das Proteine zusammenbaut, und rechts das Schema einer Turingmaschine

Ich habe dann einen weiteren ‚Schwenk‘ gemacht und versuchte zu verdeutlichen, dass sich die Strukturen der Turingmaschine im Kern des Biologischen selbst finden. Am Beispiel des Übergangs vom Genotyp (die Gene) zum Phänotyp (die Körper) kann man sehen, dass die Prozesse, die hier ablaufen, strukturell identisch sind mit der Arbeitsweise einer Turingmaschine, im Prinzip sogar einer abgeschwächten Turingmaschine. Der molekulare Input für das Ribosom repräsentiert die ‚Bandinhalte‘, die ‚Gelesen‘ werden, und der molekulare Output des Ribosoms repräsentiert den Bandinhalt, der ‚geschrieben‘ wird.

Noch wichtiger aber ist vielleicht der Sachverhalt (von dem der Physiker Paul Davies anmerkte, dass er sich bislang jeder physikalischen Theorie widersetzt), dass der Input von einem Molekül kommt (DNA), dessen ‚Bedeutung‘ nicht durch seine primären physikalischen Eigenschaften gegeben ist, sondern durch einen Informationskode, für den es keinerlei physikalische Notwendigkeit gibt. Überhaupt ist das Auftreten von ‚Information‘ in diesem Kontext geradezu aberwitzig. Jeder Kode setzt das Zusammenspiel von einem Sender und Empfänger voraus. Wenn wir also hier , an der Wurzel des Biologischen unübersehbar einen Kode vorfinden, der Bau- und Wachstumsprozesse steuert, und es keine dritte Instanz gibt, die diesen Kode vereinbart hat (und eine solche Instanz ist nicht bekannt), dann muss die Struktur des Kodes schon im Ausgangsmaterial als physikalische Eigenschaft angelegt sein. Das würde aber bedeuten, dass diese eindeutigen Eigenschaften von Intelligenz und Geist inhärente Eigenschaften der Materie selbst sein müssen. Eine andere Erklärung ist aktuell rein logisch nicht möglich (Plato und die Neuplatoniker haben so etwas beispielsweise auch schon gedacht, allerdings ohne explizites Wissen um die Strukturen des Lebens und der Materie).

Zusammenfassung aller wichtigen Eckdaten zum Biologischen. Im Bild fehlt allerdings der Aspekt der Tendenz zum Aufbau komplexer Strukturen, und zwar tendenziell immer komplexerer Strukturen

versucht man alle bekannten Fakten zusammen zu fassen, dann kann man zu folgendem eindrücklichen Bild kommen: das Phänomen des Biologischen im Universum resultiert zunächst einmal aus der Tatsache, dass sich das Universum laut Aussagen der Physik noch in einem Zustand unterhalb des Maximums der Entropie befindet. Dadurch gibt es noch ‚Energieunterschiede‘ im Universum, die sich in Form ‚frei verfügbarer Energie‘ nutzen lassen. Alle bekannten biologische Phänomene tun genau dies: sie nutzen freie Energie um – im Widerspruch zum Entropiegesetz der Physik!!! – immer komplexere Strukturen hervor zu bringen. Ab einem bestimmten Komplexitätspunkt (Tiere, insbesondere dann wir als homo sapiens sapiens) sind diese Strukturen in der Lage, Modell der Umgebung und von sich selbst zu erstellen, die für das eigene Handeln genutzt werden können. Damit hat sich die Evolution einen erweiterten Handlungsspielraum geschaffen, der die Geschwindigkeit der Lernprozesse um geschätzt den Faktor 10^7 zu beschleunigen (weitere Steigerungen nicht ausgeschlossen). Gleichzeitig gibt es im Konzept der Turingmaschine eine ‚technische Kopie‘ jener Struktureigenschaften, die wir mit Intelligenz verknüpfen. Die Evolution hat sich also neben den ‚intelligenten biologischen Strukturen‘ auch noch einen ‚Intelligenzverstärker‘ geschaffen, der sich unabhängig von den biologischen Strukturen entwickeln und nutzen lässt.

In diesem Zusammenhang fundamental bedeutsam ist auch der Umstand, dass alle biologischen Strukturen ‚wertabhängig‘ sind, d.h. Alle (!!!) Wachstums- und Lernprozesse setzen voraus, dass es messbare ‚Präferenzen‘ (Fitness, Werte) gibt, an denen sich diese Prozesse orientieren. Bislang ist dies die Erde selbst in ihrer Konkretheit. In dem Masse, wie die Evolution aber Strukturen geschaffen hat, die in ihrer Erkenntnisfähigkeit über die Erde ‚hinaus schauen‘ können, wird dies primäre Wertsystem ‚Leben unter den Bedingungen der Erde‘ abgelöst durch ein Wertesystem ‚Leben unter den Bedingungen des Universums‘. Eine solche Erweiterung des Wertesystem ist auch dringend notwendig, da mit den verbleibenden 1 Mrd Jahre bis zum Wärmtod durch die Sonne einiges getan werden muss, um diesem Wärmetod zu entgehen. Hierin deutet sich an, dass das Leben seinen ‚Sinn‘ ‚in sich selbst‘ hat. Dies alles zu verstehen stehen wir vermutlich erst ganz am Anfang.

Es gab dann noch ein paar Bilder und Bemerkungen zur Beschreibung von Vielfalt durch die Mathematik oder den direkten Strukturvergleich zwischen Menschen als selbsmodifizierendem System und der universellen Turingmaschine:

Verhaltensformel Mensch: phi: I x IS —> IS x O

Verhaltensformel UTM: phi: I x IS —> IS x O

Ich habe die Präsentation beendet mit dem Hinweis darauf, dass wir hier in Frankfurt, und zwar genau in diesem INM, wo an diesem Abend der Vortrag stattfand, zusammen mit der FH Frankfurt und der Goethe-Uni Frankfurt und allen, die mitmachen wollen, im Frühjahr 2014 das große ‚Geist-Sichtbarkeitsmachung-Projekt‘ starten wird. Rund um die Uhr, jeden Tag des Jahres, wird man zuschauen können, wie der künstliche Geist unter den Augen der Öffentlichkeit entstehen wird. Die Vorbereitungen dazu laufen schon. Noch im Dezember wird es eine erste Gründungsversammlung mit einer ersten Webseite geben. Wir werden auch Sponsorengelder einsammeln, da wir ganz ohne ein Minimalteam zum Management des Ganzen nicht auskommen werden.

Es folgte abschließend ein weiteres Musikstück, inhaltlich passend zum neuen Welt- und Menschenbild. ‚Du bist die Botschaft des Universums‘, womit jeder gemeint ist; jeder verkörpert – ob er/ sie will oder nicht – eine Botschaft, in der das Ganze des Universums enthalten ist. Wir müssen diese Botschaft nur lesen lernen:

You are the message of the universe (Rap-like…)  Hatte nur so gespielt. Erst ein paar Drum-Clips arrangiert. Dann eine verfremdete Flöte als Hauptmotiv. Dazu dann einen Bass. Als mir dann keine geeignete weitere Stimme mehr einfiel, habe ich mich an einen Text erinnert, den ich vor Monaten schon in einem Musikvideo verarbeitet hatte ‚You are the message of the universe‘. Ich finde, im aktuellen Arrangement passt er ganz gut. Eine Art Anti-Rap Rap….oder auch nicht. Es gibt so unendlich viele Sichten zu jeder Sache. Die immanente Unendlichkeit ist der eigentliche ‚Hit‘, natürlich hervorgebraht vom Gehirn, dieses selbst aber ist eine Hervorbringung aus dem Innern der Materie, und damit aus der Mitte der Energie… diese wiederum ist — physikalisch betrachtet — ‚unsterblich‘. Wir sind alle viel mehr, als wir ahnen, geschweige denn denken können…letztlich ist es egal, was wir denken, bevor wir denken sind wir schon das, was wir sind… das ist unser Glück. Aber natürlich, warum können wir dann überhaupt denken? Wozu? Gute Frage… wer die Antwort findet, braucht sie nicht mehr….Good Luck..

PS: Ursprünglich hatte ich noch einen Abschnittt über die zentrale Rolle von Künstlern zusammen mit Wissenschaftlern; aber der blieb auf der Strecke, es war dann doch zu viel Stoff….

PS2: Es gab noch eine recht intensive Diskussion.

PS3: Am Tag drauf hatte ich eine lange, sehr inspirierende Besprechung mit einem guten Bekannten aus der Szene der experimentellen Musik, wo wir die verschiedenen Aspekte des kommenden Projektes zur ‚Sichtbarmachung von Geist‘ durchsprachen. Von den vielen Punkten, die wir demnächst auch entsprechend kommunizieren werden, war einer für den Zusammenhang hier besonders interessant: da der Begriff ‚Geist‘ (Englisch oft ‚mind‘) extrem vage ist und bis heute in keiner Wissenschaft eine operationale Definition existiert, die diesen Begriffen irgendwie fassbar macht (nur sehr viele blumige Beispiele), sollten wir uns in der Diskussion und Weiterentwicklung zunächst an den Begriff ‚Intelligenz‘ halten. Für diesen Begriff haben die experimentellen Psychologen eine sehr brauchbare operationale Definition entwickelt, die in Gestalt des IQ (Intelligenzquotienten) weit verbreitet ist. Was immer ‚Geist‘ sein mag, insofern er sich im Verhalten manifestiert, das man beobachten und messen kann, kann man die sich ‚im Verhalten zeigende Intelligenz‘ in ihren unterschiedlichen Ausprägungen ‚messen‘, d.h. mit vorgegebenen Standards ‚vergleichen‘. Für diese ‚Messungen‘ spielt es keine Rolle, ob es sich bei dem beobachteten System um eine Pflanze, ein Tier, einen homo sapiens sapiens oder um eine Maschine handelt. Der psychologische Intelligenzbegriff ist insofern ‚invariant‘ bzgl. derjenigen Struktur, die das zu messende Verhalten hervorbringt. Insofern ist dieser Intelligenzbegriff geeignet, ‚Intelligenz‘ so zu messen, dass man all die verschiedenen ‚Hervorbringungsstrukturen‘ vergleichen kann. Präzisierend müsste man von daher vielleicht sagen, dass wir in diesem Experiment zeigen wollen, dass die Entstehung und Anwendung von Intelligenz nicht an eine biologische Trägerstruktur gebunden ist, sondern nur an Strukturmerkmalen, die in nahezu beliebiger materieller Beschaffenheit auftreten können. Der philosophische ‚Druck‘ auf das Selbstverständnis von uns Menschen bleibt damit sehr wohl erhalten: Wer sind wir wirklich? Was soll das Ganze? Sind wir überflüssig? Haben wir eine spezielle Mission? Haben wir trotz allem eine Verantwortung für das Ganze? usw.

PS4: In einem privaten Kreis mit vielen Freunden flammten diese Diskussionen auch wieder auf, da im Kreis außer mir zwei da waren, die auch bei dem Salon waren. Diese Themen bewegen…

Literaturnachweise

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Doeben-Henisch, G.; Beschreibung TM auf der Seite: http://www.doeben-henisch.de/fh/I-TI04/VL/VL3/i-ti04-vl-vl3.html
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Gödel, K. Remarks before the princeton bicentennial conference on problems in mathematics, 1946. In: Martin Davis, 1965: pp.84-87
Hilbert, D.; Ackermann, W. Grundzüge der theoretischen Logik, Berlin. J.Springer, 1928
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Hilbert, D. Mathematische Probleme, Vortrag, gehalten auf dem internationalen Mathematiker-Kongreß zu Paris 1900, Göttinger Nachrichten 1900, S.253-297, URL: http://www.mathematik.uni-bielefeld.de/ kersten/hilbert/rede.html, und http://www.mathematik.uni-bielefeld.de/ kersten/hilbert/ (Last Access Sept-30, 2012)
Holland, J.H. Hidden Order. How adaptation Builds Complexity, New York: USA, Basic Books, 1995
Hull, C.L. Principles of Behavior, New York: Appleton-Century-Crofts, 1943
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Kandel, E.R.; Schwartz, J.H.; Jessell, T.M.; Siegelbaum, S.A.; Hudspeth, A.J.; (Eds.) Principles of Neural Science, 5th.ed., New York et.al: McGrawHill, 2012
Tolman E.C., Purposive behavior in animals and men, New York: Appleton-Century-Crofts, 1932 (repr. 1949 by University of California Press)Tolman, E. C. (1948). Cognitive maps in rats and men, Psychological Review, 55, 189-208 (online version at: http://psychclassics.yorku.ca/Tolman/Maps/maps.htm ; last ascess: 14.Nov.2012)Tolman E.C., Collected Papers in Psychology, Berkeley: University of California Press, 1951
Tolman E.C., Principles of purposive behavior, in: Koch, S. (Ed.), Psychology: A study of a science. Vol.2, New York: McGraw-Hill, 1959 (repr. 1949 by University of California Press)
Turing, A.M.; Intelligence Service. Schriften, ed. by Dotzler, B.; Kittler, F.; Berlin: Brinkmann & Bose, 1987, ISBN 3-922660-2-3
Turing, A. M. On Computable Numbers with an Application to the Entscheidungsproblem. In: Proc. London Math. Soc., Ser.2, vol.42(1936), pp.230-265; received May 25, 1936; Appendix added August 28; read November 12, 1936; corr. Ibid. vol.43(1937), pp.544-546. Turing’s paper appeared in Part 2 of vol.42 which was issued in December 1936 (Reprint in M.DAVIS 1965, pp.116-151; corr. ibid. pp.151-154).(an online version at: http://www.comlab.ox.ac.uk/activities/ieg/e-library/sources/tp2-ie.pdf, last accesss Sept-30, 2012))
Wilson, S.W. ZCS: a zeroth level classifier system, Evolutionary Computation, 2(1), 1-18 (1994)

POSTSCRIPT 23.Februar 2021

8 Jahre und drei Monate später … es hat etwas Berührendes, nach einer so langen Zeit einen eigenen Text samt Musikbeispielen nochmals zu lesen (und zu hören). Alles gesagte würde ich auch heute wieder unterschreiben. Es ist sehr ‚zum Punkt‘; besonders das Rapp-artige Musikstück ‚You are the message of the universe‘ geht mir noch immer ‚unter die Haut‘. Das im Text angekündigte Experiment am INM hatte tatsächlich unter dem Label ‚emerging-mind‚ stattgefunden. Aber es ist wieder versandet… Seit ca. 2018/19 ist ein neues Projekt entstanden, nicht wirklich geplant, aber irgendwie auch nicht planlos, und gewinnt immer mehr Fahrt. Der innere Motor ist der Gedankenkomplex ‚Kollektive Mensch-Maschine Intelligenz. Der treibende Motor ist die Vereinigung von Philosopie, Engineering und Gesellschaft. Ausgang offen, aber die Dynamik ist stark. Das Thema ‚You are the Message of the Universe‘ schwingt in allem weiter …

Eine Übersicht über alle Beiträge anhand der Titel findet sich HIER

KANN ES DOCH EINEN KÜNSTLICHEN GEIST GEBEN?

Vorgeschichte

Dieser Blogeintrag geht zurück auf einen Vortrag, den ich auf der Jahrestagung der deutschen Sektion von YPO (Young Presidents Organization) gehalten habe. Der ursprüngliche Titel lautete „Das Digitale als Synomym für berechenbare Prozesse“. Als der Text zu diesem Vortrag fertig war (am Tag davor) deutete sich schon an, dass der Vortrag eigentlich eine weitere, sogar eine weiterführende Botschaft enthielt, die sich im ursprünglichen Titel nicht so widerspiegelte. Während ich den Vortrag dann hielt wurde mir klar, dass – in der Tat – der eigentliche Inhalt ein anderer war; der ursprüngliche Titel war nicht falsch, aber zu ‚eng‘.

Da ich jeden Vortrag nur einmal halte und mir für den Vortrag immer eine Problemstellung vornehme, die ich selber gerne geklärt haben möchte ohne zum Zeitpunkt er Themenstellung schon zu wissen, ob es wirklich so gehen wird, gibt es immer diese fluktuierenden Überlegungen und Formulierungen vorher, in denen das mögliche Thema um seine finale Gestalt ringt. Bislang war es immer so, dass es unmittelbar vor dem Vortrag eine starke Klarheit gab, im Vortrag selbst und in den anschließenden Fragen das Ganze nochmals heftig ‚aufleuchtete‘ und in den nachebbenden Gedanken und Gesprächen sich dann der ‚finale Gedanke‘ gezeigt hat.

So auch hier. Die benutzten Diagramme sind mit denen im Vortrag identisch, der Wortlaut nicht genau, aber dem Inhalt nach.

Ankündigungstext ohne Leser

Der folgende Text wurde von mir als Ankündigungstext verfasst, wurde dann aber doch nicht publiziert. Er gibt so ein wenig den ‚Flair‘ im Vorfeld wieder:

Wir leben in einer Zeit, in der die Computertechnik immer mehr Bereiche des täglichen Lebens durchdringt, uns in eine Symbiose mit dem Digitalen zwingt, der wir uns nur schwer bis gar nicht entziehen können: Im Haushalt, in der Haustechnik, beim Entwerfen und Bauen von Häusern, in der Musik, beim Fernsehen, bei der Filmproduktion, in den Verwaltungen, in der industriellen Produktion, bei der Verkehrssteuerung, in jedem Auto, in jedem Flugzeug, bei der täglichen Kommunikation,…und, und, und,…. Wie ist dies möglich? Wie kann eine Technologie für uns zu einer Art ‚zweiten Natur‘ werden? Wie kann eine einzige Technologie nahezu alle Lebensbereiche durchdringen? Wie kann Technik Eigenschaften annehmen, die wir eigentlich nur dem Menschen zuschreiben: Wahrnehmen, Begriffe bilden, Schlüsse ziehen, Wiedererkennen, Kreativ sein, Gefühle haben, Ansätze von Selbstbewusstsein? Wo führt dies hin? Wird uns die Computertechnik irgendwann doch überflüssig machen?

In seinem Vortrag wird Prof. Doeben-Henisch diesen Fragen nachgehen. Er führt zurück zum Ursprung des Computers, ins Zentrum der mathematischen Dispute um die Jahrhundertwende, die dann in den Personen von Kurt Goedel und Alan Matthew Turing zum neuen philosophisch-mathematischen Begriff ‚endlicher Prozess‘ bzw. zum Begriff der ‚Berechenbarkeit‘ führten. Der Mensch selbst stand Modell für das mathematische Konzept der Turingmaschine (1936/7), das dann wenige Jahre später zu realen Maschinen führte, die mit Relais, dann Röhren, schließlich mit Halbleitern demonstrierten, dass und wie man ‚rechnende Maschinen‘ bauen kann. Innerhalb von 60 Jahren eroberte diese Technologie die ganze Welt. Die binären Zustände der Computer zeigten sich mächtig genug, sich nahezu alles einzuverleiben: Zahlen, Texte, Bilder, Geräusche, Musik, Objekte, Gebäude, Pflanzen, Tiere, Abläufe, ganze Städte. Zur Zeit versuchen Forscher weltweit, Maschinen mit ‚künstlichem Geist‘ zu schaffen. Als Vorlage dient das menschliche Gehirn. Prof. Doeben-Henisch wird zeigen, warum wir im Moment keine Argumente haben, warum dies nicht gehen könnte.

Die Überlegungen zu den Grundlagen des menschlichen Geistes führen auch hinein in die Frage nach der Natur des Menschen, in seine Geschichte, in die Geschichte der Entstehung des Menschen, in die innere Logik der Evolution des Lebens auf der Erde. Die Forschung hat uns in den letzten 80 Jahren aufregende neue Einblicke in die Struktur des Lebens vermittelt, die wiederum verschränkt sind mit der Entwicklung des bekannten Universums selbst. Man kann sehen, dass das Digitale als lingua universalis berechenbarer Prozesse sich schon im Inneren des Biologischen selbst als ‚Sprache des Lebens‘ findet. Das Leben selbst als großer ‚Computer‘ oder, umgekehrt, der ‚Computer‘ als neue Spielart jenes Prinzips, das wir als Leben bezeichnen?

Dies sind einige der zentralen Themen, die im Vortrag angesprochen werden. Der Vortrag endet mit dem offensichtlichen Faktum der Ko-Evolution von Universum – Erde – biologischem Leben und digitaler Technologie. Was bedeutet dies für uns?

 

VORTRAG

(Anmerkung: Der geschriebene Text entspricht natürlich nicht exakt dem Wortlaut des frei vorgetragenen Vortrags)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

nachdem Sie in den vorausgehenden Vorträgen schon einiges gehört haben zu den vielfältigsten Phänomenen, die das Digitale in unserem heutigen Alltag hervorbringt, möchte ich mich in meinem Vortrag mehr der Frage  nach der Maschinerie hinter diesen Phänomenen widmen. Was sind das für Strukturen, die all dies möglich machen? Welches Prinzip ist so mächtig, dass es all diese verschiedenartigen Phänomene hervorbringen kann, die dem Menschen in seinen Lebensvollzügen immer näher kommen, ja, bisweilen sogar schon zu inneren Bestand von diesen werden?

Für die Beantwortung dieser Frage werde ich Sie mit drei Konzepten bekannt machen, die auf erstaunliche Weise untereinander zusammenhängen: das Konzept der rechnenden Maschine, das neue Bild des Menschen und die Einbettung beider Konzepte in den Gang der Evolution. Und sie werden dann sehen, dass diese Zusammenschau der drei Konzepte etwas ganz Neues aufscheinen lässt, nämlich das Konzept ‚Geist‘ als jene Größe, die in all diesen Prozessen als etwas ‚aufscheint‘, was ’schon immer da ist‘. Würde dieser erste Eindruck zutreffen, dann würde es bei den Versuchen der ‚Erschaffung‘ eines ‚künstlichen‘ Geistes weniger darum gehen, etwas ‚Neues‘ zu ‚erschaffen‘, sondern mehr darum, etwas, das ’schon immer da ist‘, mit neuen Methoden ’sichtbar‘ zu machen.

Ich werde zum Ende daher auch kurz auf ein Experiment hinweisen, in dem wir genau dies tun: den ‚Geist‘ in Form eines ‚künstlichen‘ Geistes sichtbar machen.

Beginnen wir mit uns selbst, dem dem Menschen, dem homo sapiens sapiens.

DER MENSCH

VIELSCHICHTIG

 

Vielschichtigkeit des Menschen (Quellen: Synthese aus vier Bildern von Wikipedia (en), siehe Literaturnachweise)

[Bild: vier Sichten des Menschen] Ich möchte mit einem Schaubild beginnen, das zeigt, wie vielschichtig wir Menschen bei näherer Betrachtung sind. Sie sehen einmal links die Oberfläche des Menschen, wie sie sich uns darbietet, wenn wir uns nackt zeigen. Doch bei der Frage, ob wir den Menschen mit dieser Oberfläche gleich setzen sollen, werden wir dies verneinen müssen. Wir wissen heute, dass hinter bzw. unter dieser Oberfläche eine Fülle von hochkomplexen Organen zu finden ist, die durch ihre kontinuierliche Arbeit alle unsere Lebensprozesse ermöglichen. Was wären wir ohne Herz, Nieren, Lunge, Leber, Magen, Darm usw.? Zugleich wissen wir, dass all diese wunderbaren Organe im Chaos enden würden, gäbe es nicht das Nervensystem mit dem Gehirn, das all diese Tätigkeiten – ergänzend zum Blutkreislauf und zum Immunsystem –– koordiniert, anregt, steuert. Und dann noch das augenfällige System von Knochen und Gelenken, in sich ein überaus lebendes System, ohne das alle Haut und Organe in einen Zellklumpen zusammenstürzen würden, der alsbald verenden würde. Vier überaus komplexe Systeme, die vielfach ineinander greifen und in diesem Zusammenwirken das Gesamtkunstwerk menschlicher Körper in seiner Grundstruktur ermöglichen. Wissen wir damit, was und wer der Mensch ist? Haben wir die Psyche, den Geist, die Seele vergessen?

Bevor ich darauf eine Antwort versuche, hier ein kurzer Szenenwechsel. Im Film würden man sagen, ein harter Schnitt.

FORMALISIERUNG DER VIELFALT ALS  SYSTEM

Formalisierung des Menschen als System mit Input und Output

[Bild: Box mit Eingang/ Ausgang und Verhaltensfunktion] Was Sie auf diesem Bild sehen können, ist ein Diagramm und eine kleine Formel.

Dieses Diagramm und diese Formel entspricht ein wenig der Art, wie ein mathematisch geschulter Ingenieur die zuvor präsentierte Vielfalt des Menschen hinschreiben könnte.

 

Die Box mit Überschrift ‚System‘ kann einen Menschen repräsentieren, der aus seiner Umgebung Stimuli – abgekürzt ‚S‘ – als Input ‚I‘ empfangen kann (also Augen, Ohren, Tastempfindungen usw.) und der über seinen Output ‚O‘ Reaktionen ‚R‘ an die Umgebung abgeben kann, also diverse Bewegungen, Schallereignisse, usw. Im Innern des Systems gibt es verschiedene interne Zustände (internal states, IS), die zum Funktionieren des Systems wichtig sind. Z.B. die diversen Organe, das Nervensystem, die Knochen, usw. Und zwischen all diesen Elementen, dem Input, den internen Zuständen und dem Output, gibt es einen funktionalen Zusammenhang, der im Bild einfach mit dem griechischen Buchstaben ‚phi‘ (Φ, φ) benannt wird.

 

Alternativ zu solche einem Diagramm würde man aber auch einfach die kürzere Formel hinschreiben, die genau das gleiche zum Ausdruck bringt: der funktionale Zusammenhang ‚phi‘ nimmt Inputwerte und aktuelle Zustände als Ausgangspunkt und berechnet daraus mögliche Änderungen der inneren Zustände und einen Output. Also, Beispiel, sie sitzen in einem Auto und sehen (=Input) eine rote Ampel. Da sie gelernt haben, bei Rot tunlichst stehen zu bleiben (=IS), verändern sie ihre Fußstellung und bremsen (=IS, O).

Dieses kleine Beispiel mag auch ein wenig verdeutlichen, wie Ingenieure vorgehen, wenn sie die vielfältige Wirklichkeit mit der Sprache der Mathematik vereinfachen und dadurch all die wunderbaren Dinge bauen können, die Sie jeden Tag wie selbstverständlich benutzen. Ohne diese mathematische Sprache würden wir noch immer steinzeitlich leben.

Betrachten wir noch ein weiteres Beispiel im Kontext des Menschen, das uns helfen wird, die Brücke zur rechnenden Maschine zu bauen.

 

GEHIRN UND NERVENZELLE

Gehirn als Teil der menschlichen Organe; daneben ein einzelnes Neuron (Quelle: zwei Bilder aus Wikipedia komponiert, aus Wikipedia (en), siehe Literaturnachweise)

[Bild: Gehirn links, Nervenzelle rechts] Werden wir ein wenig bescheidener und nehmen uns nur einen Teil des Menschen vor, sein Gehirn. Nach neuen Schätzungen umfasst ein Gehirn etwa 100 Mrd Neuronen (Kandel et al. 2012:S.21). Diese sind in der Regel nicht direkt miteinander verbunden.

 

Die typische Struktur eines Neurons sieht man rechts vom Gehirn. Es gibt genau einen Ausgangs (das Axon), der sich vieltausendfach verzweigen kann, sowie viele tausend Eingänge. In dem kleinen hervorgehobenen Kreis kann man die Eigenart der neuronalen Verbindungen erkennen: das Endstück eines Axons endet kurz vor der Oberfläche des Neurons; es bleibt ein kleiner synaptischer Spalt.

NERVENZELLE UND MEMBRAN

Neuron links mit Vergrößerung einer Synapse rechts. Neuronbild aus Wikipedia (en). Quelle siehe Literaturverzeichnis

[Bild: Neuron und Membran schematisiert] In dem nachfolgenden Bild ist dies schematisierend und vergrößert dargestellt. Die Oberfläche der empfangenden Zelle stellt eine Membran dar, die man postsynaptische Membran nennt, die zusammen mit dem Endstück des Axons eine Synapse bildet. Die Kommunikation zwischen Endstück und potsysnaptischer Membran wird über Moleküle (Transmittermoleküle) realisiert, die beim Auftreten eines elektrischen Potentials im Axon aus den Vesikeln entlassen werden. Diese diffundieren durch den synaptischen Spalt und können dort, falls sie ‚passen‘ an Rezeptormolekülen von Ionenkanälen andocken. Jede postsysnaptische Membran hat mehrere Tausend solcher Ionenkanäle. Docken diese Transmittermoleküle an den Rezeptoren an, öffnen sich die Ionenkanäle. Es findet dann ein schlagartiger Austausch von Ionen in und außerhalb der Membran statt. Dieser schlagartiger Austausch hat einen ebenso plötzlichen Wechsel des elektrischen Potentials zur Folge, was dann zu dem bekannten Ein-Aus-Signal eines Neurons führen kann.

 

Gäbe es nur Ionenkanäle, dann wäre mit dem einmaligen Öffnen der Kanäle – bildlich gesprochen – alles Pulver verschossen. Diese Membran würde nie mehr ein weiteres Signal erzeugen können. Das aber ist eigentlich ihre Aufgabe. Zu diesem Zweck gibt es noch einige tausend Ionenpumpen. Diese sind in der Lage Ionen gegen ein Konzentrationsgefälle von außen nach Innen oder umgekehrt zu pumpen. Dazu benötigen sie Energie. Da sie insgesamt langsamer arbeiten als der Ionenaustausch durch die Kanäle stattfindet, entstehen zwischen den einzelnen Signalereignissen Refraktionszeiten, in denen keine Schaltvorgänge möglich sind.

 

Sie sehen also, schon die vielen tausend Membranen einer einzigen Nervenzelle (es können bei einer Zelle mehr als 1 Mio sein!) bilden kleine, komplexe Maschinen, deren Funktion Signalerzeugung und Signalfluss im Gehirn ermöglicht.

 

Während ein Neurowissenschaftler zur Beschreibung einer Nervenzelle und des Gehirns auf alle diese unfassbar komplexen Details eingehen muss, kann ein Ingenieur, der ein künstliches Gehirn bauen möchte, sich fast entspannt zurücklehnen und die Frage stellen, welche Eigenschaften an einem Neuron denn wesentlich sind, um sein Schaltverhalten zu erfassen.

Eine typische Antwort würde so aussehen:

 

NERVENZELLE MATHEMATISCH

Formalisierung eines Neurons durch Konzentration auf die Schalteigenschaften

[Bild: Nervenzelle mathematisch] Sie sehen wieder ein Box, dieses Mal ‚Neuron‘ genannt. Der ‚Input‘ zu dieser Box bilden die Endstücke von anderen Neuronen. Im Bild sind es drei Eingänge, es könnten aber n-viele sein. Dazu ein Ausgang, das Axon, das sich auf n-viele viele andere Neuronen – letztlich auch auf sich selbst – verteilen kann. In der Box können Sie drei einfache Formeln erkennen, die drei aufeinander folgende Verarbeitungsstufen repräsentieren. In der ersten Stufe werden die mit wij gewichteten Aktionspotentiale aij der einzelnen Eingänge summiert zum Wert net_j. Dann wird mittels der Aktivierungsfuntkion f_act berechnet, ob diese summierten Eingangssignale zusammen mit dem letzten Aktionspotential a_j einen vorgegebenen Schwellwert theta (θ) überschreiten oder nicht. Falls der Schwellwert überschritten wird, wird ein neues Aktionspotential a_j erzeugt, das dann schließlich mit der Ausgabefunktion f_out in einen geeigneten Ausgabewert umgerechnet wird.

 

Genauso wenig wie eine einzelne Schwalbe bekanntlich einen Frühling macht, genauso wenig kann man mit einem einzelnen Neuron etwas interessantes anfangen. Der Ingenieur muss sich also noch etwas einfallen lassen, wie er die vielen Neuronen zusammenbringt. Vielleicht ahnen Sie schon, was jetzt kommt:

 

KÜNSTLICHES GEHIRN

Übergang von einm Zeitpunkt zum nächsten, beschrieben mit Vorschrift ’syn‘

[Bild: Mengen von Neuron-Verbindungen] Eine einfache Möglichkeit, die Gesamtheit aller Neuronen zu betrachten, besteht darin, jeweils zwei, die miteinander in Verbindung stehen, als ein Paar zu betrachten, das bestimmte Verbindungswerte besitzt, und dann die Menge aller dieser Paare als eine Einheit zu einem bestimmten Zeitpunkt. Im Bild ‚CON‘ genannt, die Menge aller Connections.

 

Was dann noch bleibt ist die Beschreibung der Dynamik dieser Zellen, die Art der Veränderungen von einem Zeitpunkt zum nächsten. Dieser Veränderungszusammenhang wird im Bild ‚dyn‘ genannt, eine mathematische Vorschrift, die sagt, wie ich vom Zustand der Zellen zu einem Zeitpunkt zum Zustand der Zellen beim nächsten Zeitpunkt komme.

 

Damit ist für den Ingenieur alles gesagt, was gesagt werden muss. Ob dieses künstliche Gehirn Bilder erkennen soll, Sprache sprechen, sich erinnern können soll, usw. all dies ist damit erfasst. Sollte der Ingenieur in der Praxis feststellen, dass er wichtige Eigenschaften übersehen hat, dann fügt er sie einfach in seine Formeln ein.

Gehen wir nach diesem Ausflug ins Gehirn nochmals zur Ausgangsbox mit dem Menschen zurück.

 

NOCHMALS SYSTEMBOX

Integration des Teilomodells ‚Gehirn‘ in das allgemeine Systemmodell vom ‚Menchen‘

[Bild: Nochmals die Systembox, jetzt mit Verfeinerungen] Soeben haben wir das Gehirn als eine Teilbereich des Körpers näher betrachtet. Wollen wir diese Erkenntnisse in der allgemeinen Box verorten, dann müssen wir sagen, dass die Menge CON eine Teilmenge der Menge IS der internen Zustände ist, und die Verarbeitungsvorschrift ‚dyn‘ ist ein Teil der allgemeinen Verhaltensfunktion φ des Menschen.

 

Sie können an diesem Beispiel einmal sehen, wie man mit der Sprache der Mathematik komplizierteste Sachverhalte auf einfache Strukturen zurückführen kann, und – und darauf kommt es in unserem Zusammenhang besonders an – dass der Mensch – also wir selbst – bei dieser Betrachtungsweise eine Struktur besitzt, die uns durch diese Struktur vergleichbar macht mit allen anderen Strukturen.

Eine der Strukturen, mit denen ich die Struktur des Menschen vergleichen möchte, ist die Struktur eines endlichen Prozesses.

Um zu beschreiben und zu erklären was ‚berechenbare Prozesse‘ sind, müssen wir einen kleinen Ausflug in die Welt der Logik und Mathematik machen.Ich hoffe dann zeigen zu können, warum die berechenbaren Prozesse und wir Menschen mehr gemeinsam haben, als die meisten vermuten, und warum das Reden vom ‚Geist‘, auch vom ‚künstlichen Geist‘ heute eine ganz andere Bedeutung bekommen hat, als es bislang üblich war.

 

DIGITALE MASCHINE

DISKUSSION DER MATHEMATIKER

Übersicht über eine formale Theorie und ihre Elemente nach Hilbert und Ackermann

[Bild: Schema einer formalen Theorie] Natürlich werde ich hier nicht auf die Details der Diskussionen im Kontext der sogenannten Grundlagenkrise der Mathematik zum Ende des 19. und zu Beginn des 20.Jahrhunderts eingehen können. Nur so viel sei hier gesagt, dass die Logiker und Mathematiker dieser Zeit ein Problem damit hatten, die Grundlagen der Mathematik so zu beschreiben, dass keine Paradoxien entstehen konnten, erst recht keine direkten Widersprüche in den formalen Systemen und natürlich wünschte man sich vollständige Systeme, d.h. formale Systeme, in denen man alle Aussagen, die im Sinne des Systems wahr sein sollen, auch beweisbar sind.

 

Eine der wichtigsten mathematischen Schulen innerhalb dieser Diskussionen war die Schule um David Hilbert, der die Lösung des Problems einer befriedigenden Darstellung der Mathematik darin sah, eine Reihe von möglichst einfachen formalen Systemen zu schaffen (basierend auf einer endlichen Menge von Axiomen), deren Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit mit sogenannten ‚endlichen Mitteln‘ gezeigt werden kann. Alle komplizierteren Theorien sollten dann auf diese einfachen Systeme zurückgeführt werden.

Im Alltag mag es uns nicht als Problem erscheinen, von ‚endlichen Mitteln‘ zu sprechen. Aber wenn es darum geht, allgemein zu beschreiben, was hinreichend geeignete endliche Mittel sind, um eine mathematische Theorie als widerspruchsfrei und vollständig zu erweisen, dann zeigt sich plötzlich, dass dies nicht so einfach ist, wie sich dies Hilbert und seine Schule erhofft hatten.

GOEDEL – TURING

Das Bild zeigt verschiedene frühe Formalisierungsbeiträge zum Thema ‚endliches Verfahren‘

[Bild: Goedel und Turing historisch] Es war Kurt Goedel, der 1930-31 zeigen konnte, dass das Grundlagenprogramm von Hilbert und seiner Schule prinzipiell unmöglich war. Er zeigte, dass eine mathematische Theorie, die mindestens so stark wie die Arithmetik ist, aus prinzipiellen Gründen nur eines von beiden sein kann: entweder widerspruchsfrei (konsistent) oder vollständig, aber nicht beides zugleich. Dieses Ergebnis trifft in das Herz jeder mathematischen Theorie, bis heute. Es zeigt, dass es prinzipielle Grenzen in der Beweisbarkeit von mathematischen Wahrheiten gibt.

Diese Probleme treten immer dann auf, wenn es darum geht, innerhalb (!) einer formalen Theorie (mindestens so stark wie eine Prädikatenlogik erster Stufe) die Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit zu beweisen. Natürlich kann man das Problem dadurch zu umgehen versuchen (was sehr viele versucht haben), eine zusätzliche ‚Beschreibungsebene‘ einzurichten, von der aus sie dann ‚über‘ (Griechisch ‚meta‘) die Objekte der anderen ebene ‚reden‘. Solche Art von Hierarchisierungen oder Typisierungen oder Metaebenen entsprechen der üblichen Arbeitsweise des menschlichen Gehirns. Allerdings bildet diese Strategie bei näherem Hinsehen keine wirkliche Lösung. Zwar verschwinden in der Objekttheorie all jene Elemente, die ‚über sich selbst‘ reden können, aber die Metaebene selbst, die ja auch den Berechenbarkeitsforderungen mathematischer Beweise genügen müssen, enthalten dann genau all jene Elemente wieder, die zu der von Kurz Goedel aufgedeckten Schwachstelle führen.

Eine letzte philosophische Würdigung dieser Sachverhalte scheint mir noch auszustehen.

Mit diesen Überlegungen sind wir beim Thema Berechenbarkeit angekommen.

Die Diskussion unter Mathematikern hängt von Beweisen ab, die geführt werden. Diese Beweise müssen mit sogenannten endlichen Mitteln geführt werden, damit sie nachvollziehbar sind. Goedel selbst hatte ein geniales Verfahren ersonnen, um unter Benutzung von natürlichen Zahlen seine Beweise zu führen. Aber er war von seinem eigenen Beweis nie begeistert, obgleich niemand ihn bis heute widerlegen konnte.

Es war dann einem gewissen Alan Matthew Turing vorbehalten fünf Jahre später die Beweise von Goedel nochmals mit anderen Mitteln zu führen. Und diese Beweismittel – später Turingmaschine genannt – fanden nicht nur die Zustimmung von Goedel, sondern von nahezu allen nachfolgenden Generationen. Bis heute ist die Turingmaschine das wichtigste mathematische Konzept für alle Berechenbarkeitsbeweise – und damit der mathematische Referenzpunkt für alles, was wir heute Computer nennen.

Weil dem so ist, weil das Konzept der Turingmaschine eine solch eminente philosophische und mathematische Bedeutung zukommt, lassen Sie mich dieses Konzept kurz vorstellen. Es ist so einfach, dass die meisten, die es zum ersten Mal kennen lernen, sofort fragen: und das soll alles sein? Ich versichere Ihnen, das ist alles und – und das möchte ich dann zum Abschluss zeigen – das Konzept der Turingmaschine findet sich auch schon im Kern von allem Biologischen. Ein Befund, den man nun nicht unbedingt erwarten muß.

TURINGMASCHINE

Das Konzept der Turingmaschine (rechts oben im Bild) als Teil eines Theoriebildungsprozesses

[Bild: Theorieprozess TM] So wie Newton angeblich beim Fallen eines Apfels seine entscheidende Einsicht in das Wesen des Gravitationsgesetzes bekommen haben soll, so beschreibt Turing selbst in dem entscheidenden Artikel von 1936-7, dass es die Arbeit eines Buchhalters im Büro war, die ihn inspiriert hat. So, wie der Buchhalter mit einem Stift auf einem Blatt Papier Zahl an Zahl fügt, so stellte er sich eine ideale Maschine vor (siehe im Bild rechts oben), die auf einem Band mit lauter Kästchen, entweder über ein Schreib-Lese-Fenster lesen kann, was in dem Kästchen geschrieben ist oder ein neues Zeichen in das Kästchen schreiben kann. Darüber hinaus kann die ideale endliche Maschine den Schreib-Lesekopf nur um ein Feld nach links oder rechts bewegen. Das ist alles. Das Verhalten der idealen endlichen Maschine wird gesteuert über eine endliche Liste von Befehlen

TM BEISPIEL

Bild einer 4-zeiligen Turingmaschine, Vereinfachung eines Beispiels von einer Webseite (Quelle: siehe Literaturvereichnis). Auf der Webseite kann man dieses Beispiel sowohl erweitern als auch real ausführen.

[Bild: TM mit vier Zeilen] In einem einfachen Beispiel einer TM können Sie solche Befehlszeilen erkennen: in der ersten Spalte steh der Name eines Zustandes (z0), dann folgt ein Feld mit dem Zeichen, das gelesen werden kann, dann eine Feld mit dem Namen des Folgezustandes (z0), dann das Zeichen, das in diesem Fall geschrieben werden soll, und schließlich ein Zeichen, welche Bewegung ausgeführt werden soll.

Im Beispiel würde man die erste Zeile etwa wie folgt lesen: Im Zustand z0 wird beim Lesen des Zeichens ‚#‘ der Zustand z0 beibehalten, für das Zeichen ‚#‘ würde das neue Zeichen ‚1‘ geschrieben und der Schreib-Lesekopf wird um 1 Feld nach rechts bewegt.

Im Beispiel umfasst das ganze Verhaltens-Programm 4 Zeilen.

Das ist alles. Das ist die berühmte Turingmaschine, die sich als weltweiter Standard zur Prüfung der Berechenbarkeit eines Prozesses durchgesetzt hat. Was immer bislang an anderen Formalismen gefunden wurde, sofern solch ein Formalismus endliche Berechenbarkeit beschreiben soll, war er niemals stärker als eine Turingmaschine.

Oder anders ausgedrückt:

Sofern es nicht möglich ist, zu zeigen, dass eine Turingmaschine, angesetzt auf ein Problem, nach endlichen vielen Schritten zu einem Ergebnis kommt, solange kann man nicht behaupten, dass dieses Problem (Turing-)berechenbar ist.

Auf der Basis der Turingmaschine wurden in den vergangenen Jahrzehnten eine ganze Reihe interessanter Unentscheidbarkeitsresultate bewiesen. Auf die kann ich hier jetzt nicht eingehen. In meinen Augen habe diese Ergebnisse alle eine sehr hohe philosophische Relevanz.

Wie eingangs festgestellt, sehe ich einen interessanten Zusammenhang zwischen der Turingmaschine, dem Menschen und der Evolution des Biologischen. Lassen Sie uns daher einen kurzen Blick darauf werfen.

EVOLUTION, KOEVOLUTION, …

GENOTYP UND PHÄNOTYP

Wechselwirkung zwischen Genotyp und Phänotyp einerseits und Phänotyp mit umgebender ökologischer Nische andererseits

[Bild: Genotyp und Phänotyp] Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist das erstaunliche Faktum, dass die Vielfalt und Komplexität der Körper – der sogenannte Phänotyp – zurückführbar ist auf die zugrunde liegenden genetischen Informationen – auf den sogenannten Genotyp –. In einem Wachstumsprozess wird – ausgehend von einer einzigen Zelle – ein Körpergebilde mit vielen Billionen Zellen aufgebaut, die alle in einem sinnvollen funktionalen Zusammenhang enden.

Es lohnt, sich klar zu machen, dass dieses unfassbare Wunderwerke eine sehr lange, komplexe Entstehungsgeschichte hat, die selbst im universalen Maßstab ihresgleichen sucht.

EVOLUTION ALS TEIL DER ENTWICKLUNG DES UNIVERSUMS

Massstäbliches Diagramm zur Geschichte des Universums; Hervorhebung wichtiger Meilensteine für die Entstehung des Biologischen

[Bild: Entwicklung des Universums mit Evolution] Das Schaubild zeigt maßstabsgetreu wichtige Entwicklungsstationen im bekannten Universum an. Unsere Position auf der Zeitachse ist unmittelbar dort, wo das grüne Dreieck endet. Das grüne Dreieck zeigt an, ab wann zellbasiertes Leben auf der Erde nachweisbar ist. Die Erde begann ca. vor 4.55 Mrd Jahren. Die chemische Evolution, die dann zu ersten einfachen Zellen führte, setzte ungefähr vor 4 Mrd. Jahren ein, 200 Mio Jahre später eben erste einfachste Zellstrukturen. Es dauerte dann etwa 2.8 Mrd Jahre bis es zu ersten multizellulären Lebensformen kam, die dann einige hundert Mio Jahre später zur Besiedlung des Landes führte. Von diesem Zeitpunkt bis zu uns dauerte es nochmals 700 Mio Jahre.

Nach heutigem Wissensstand wird es nur ca. 1 Mrd Jahre dauern, bis in der Zukunft das Leben auf der Erde wegen der beginnenden Aufblähung der Sonne praktisch unmöglich werden wird.

Sind schon diese zeitlichen Verhältnisse atemberaubend, so ist es noch spannender, wenn man der Frage nachgeht, wie es denn überhaupt zur Ausbildung dieser extrem komplexen Strukturen kommen konnte.

Das Schwierigste ist dabei nicht einmal die biologische Evolution, die mit dem Auftreten der ersten Zellen vor ca. 3.8 Mrd. Jahren begann, sondern die härteste, bis heute nicht geknackte Nuss, ist eine Erklärung, wie es überhaupt zu den ersten Zellen kommen konnte. Denn selbst bei den einfachsten Zellen wirken schon so viele komplexe Strukturen zusammen, dass eine Erklärung der schrittweisen Entstehung dieser Strukturen im Rahmen der sogenannten chemischen Evolution bislang nicht völlig aufgehellt ist.

Kehren wir zu den ersten Zellen zurück.

Ich hatte angekündigt, dass die TM als Grundmodell der Berechenbarkeit sich im Herzen des Biologischen wiederfindet.

RIBOSOM ALS TURINGMASCHINE

Links im Bild ein Ribosom, das Proteine zusammenbaut, und rechts das Schema einer Turingmaschine

[Bild: links Ribosom, rechts Turingmaschine] Dies können Sie hier sehen:

Links sehen sie das Prozeßmodell, wie ein Ribosom – ein spezielles RNA-Molekül – Proteine erzeugt, indem es Informationen von einem Boten-RNA-Molekül bekommt und zugleich Aminosäurebasteine von Transfer-RNA-Molekülen. Der Dirigent im Hintergrund ist ein DNA-Molekül, dessen Bausteine als Informationseinheiten auf das Ribosom einwirken.

Was sie hier sehen ist das Herzstück allen biologischen Lebens und – möglicherweise – eines der wahren Wunder des ganzen Universums. Das, was allen bekannten Gesetzen der Physik zuwiderläuft und sich jeder anderen bekannten Erklärung entzieht das ist dieses DNA-Molekül. Das DNA-Molekül repräsentiert eine frei kombinierbare Anordnung von Aminosäuren, für die es in den möglichen Kombinationen keinerlei zwingende Gründe gibt. Durch die Verknüpfung mit dem proteinerzeugenden Mechanismus mittels mRNA, tRNA und Ribosom stellt die DNA aber eine Quelle von unerschöpflich vielen Bauplänen für Körperstrukturen dar.

Im Lichte des Konzepts der Turingmaschine bieten sich folgende Interpretationen an. Wie im Bild eingezeichnet lässt sich das Ribosom als eine Turingmaschine interpretieren, die als Input Eingaben von der mRNA und der tRNA bekommt und diese dann in eine Ausgabe als Protein verwandelt. Da das Ribosom, wie wir wissen, aber bzgl. seiner Eingaben nicht rückwärts gehen kann, sondern immer nur vorwärts, schöpft es die Möglichkeiten einer Turingmaschine nicht einmal ganz aus; es entspricht damit eher noch einer abgeschwächten TM mit Namen ‚endlicher deterministischer Automat‘.

Zentral bleibt das Faktum, dass wir im innersten Kern des Biologischen berechenbare Prozesse finden, die von einem DNA-Molekül gesteuert werden, das mit seinen Eigenschaften dem Konzept eines Zeichens sehr nahe kommt.

QUINTESSENZ des BIOLOGISCHEN

Zusammenfassung aller wichtigen Eckdaten zum Biologischen. Im Bild fehlt allerdings der Aspekt der Tendenz zum Aufbau komplexer Strukturen, und zwar tendenziell immer komplexerer Strukturen

[Bild: Zusammenfassung Biologisches] Fassen wir diese verschiedenen Aspekte des Biologischen nochmals zusammen:

Ausgangspunkt aller biologischer Phänomene ist das kosmische Faktum, dass die Entropie bislang noch nicht maximal ist. Aus den lokalen Entropiegefällen ist daher ‚freie Energie‘ verfügbar, die in Gestalt von chemischen, biochemischen und dann biologischen Prozessen lokal Strukturen entstehen lassen, die immanent in Richtung immer größerer Komplexität drängen. Dafür gibt es bislang keine befriedigende naturwissenschaftliche Theorie.

In Gestalt der zellbasierten biologischen Evolution können wir ein komplexes Zusammenspiel zwischen Genotyp und Phänotyp einerseits beobachten, aber simultan genauso wichtig das Zusammenspiel zwischen Phänotyp und umgebender Welt. Während der zufallsgesteuerte Genotyp den Raum möglicher Strukturen frei absuchen kann, führt die Bindung des Genotyps an den Phänotyp über die Interaktion mit der umgebenden Welt zu einem übergeordneten Selektionsprozess, der nur jene Phänotypen und damit daran gekoppelte Genotypen akzeptiert, die zur Umgebung passen. Daraus ergibt sich, dass die biologische Evolution simultan und unausweichlich immer nur als Ko-Evolution funktionieren kann.

Damit stellt sich die Frage, ob wir es bei der Emergenz des Geistigen als Eigenschaft des Biologischen mit einer Neuerschaffung des Geistes zu tun haben, oder ’nur‘ mit der Sichtbarmachung des stehts schon vorhandenen ‚Geistigen‘?

Hält man sich diesen Gesamtzusammenhang vor Augen, dann kann der direkte Vergleich zwischen dem Menschen und einer Turingmaschine in einem neuen Licht erscheinen.

MENSCH und KÜNSTLICHER GEIST

MENSCH TURINGMASCHINE

Oben Systemformel Mensch, unten Systemformel Turingmaschine (TM) und dann Universelle Turingmaschine (UTM)

[Bild: Formel Mensch und (U)TM] Sie sehen auf diesem Schaubild nochmals die schon bekannte Verhaltensformel des Menschen, die sich dadurch auszeichnet, dass wir vom Menschen annehmen können, dass er sich innerhalb seines wissensbasierten Verhaltens bis zu einem gewissen Grade kontinuierlich verändern kann. Man nennt dies Lernen.

Die ’normale‘ Turingmaschine kann dies zunächst nicht. Sie ist vollständig determiniert. Allerdings nur auf den ersten Blick.

Schon Turing hat gezeigt, dass man eine deterministische Turingmaschine sehr leicht zu einer universellen sich selbst modifizierenden Maschine ‚umbauen‘ kann, indem man einen Teil des Bandes dazu benutzt, dort die Beschreibung einer beliebigen Turingmaschine (oder eines Gehirns, oder…) zu speichern. Die ursprüngliche deterministische Turingmaschine kann dann diese andere Turingmaschine simulieren bis dahin, dass sie diese andere Beschreibung in Abhängigkeit von Umgebungsereignissen abändern kann. Damit ist eine universelle Turingmaschine (UTM) voll lernfähig.

Zieht man diese Möglichkeit in Betracht, dann gibt es weder strukturell noch verhaltensmässig einen wesentlichen Unterschied zwischen einem Menschen (sofern er mit der obigen Formel adäquat erfasst wird) und einer universellen Turingmaschine.

Bei solch einer Betrachtungsweise verwundert es dann nicht, dass Turing selbst in verschiedenen Aufsätzen offen darüber spekuliert hatte, dass eine universelle Turingmaschine im Prinzip die vom Menschen her bekannte Geistigkeit nicht nur nachzuahmen sondern in bestimmten Bereichen sogar übertreffen könnte. Letztlich sah er nur praktische Hindernisse auf dem Weg dahin, insbesondere die Schwierigkeit, eine Maschine an all den Lernprozessen teilhaben zu lassen, die Menschen normalerweise durchlaufen.

Künstlicher Geist?

Wenn man sich all diese Gedanken in einer Gesamtschau nochmals vor Augen stellt, dann kann man den Eindruck gewinnen, dass all das, was wir traditionell ‚Geist‘ nennen, also diverse Eigenschaften, die wir mit dem Verhalten des Menschen zusammen bringen, möglicherweise so zu verstehen ist, dass hier Eigenschaften ’sichtbar‘ werden von jenen ‚impliziten‘ Eigenschaften der dynamischen Materie, aus dem alles ist. Die mit den bisherigen Gesetzen der empirischen Wissenschaften nicht erklärbaren biologischen Phänomene wären dann ’nur‘ ‚Ausfaltungen‘ von empirischen Eigenschaften, die genau wie alles andere impliziten ‚Gesetzen‘ folgen.

Wenn dies stimmen würde, dann müsste die ‚Konstruktion‘ eines künstlichen Geistes immer dann möglich sein, wenn man die ‚Randbedingungen‘ für das ‚Aufscheinen‘ (Emergenz?) der geistigen Phänomene bereitstellen würde.

In einer Diskussion in der Nacht des 9.Oktobers dieses Jahres entstand angesichts dieser Sachlage die Idee, in der Stadt Goethes, den künstlichen Geist unter Beteiligung der Öffentlichkeit offiziell entstehen zu lassen.

In einer öffentlich kontrollierten Entstehung des künstlichen Geistes hätten alle eine Chance, ein wesentliches Prinzip dieses unseres Universums und deren Anwendung bzw. Nutzung besser verstehen zu können.

Es geht nicht darum, den Geist neu zu erfinden, sondern das, was vor allem Denken schon da ist, sichtbar zu machen.

Erkennnis ist nicht nur ein Wissensproblem, sondern auch ein Akzeptanzproblem: sind wir bereit zu akzeptieren wer wir wirklich sind: Teil eines universalen Geistwerdungsprozesses, der uns eine immer größere Mitwirkungsmöglichkeit zuweist (womit nicht ausgeschlossen ist, dass es irgendwo in den unendlichen Weiten des Universums ähnliche Prozesse gibt).

An dieser Stelle höre ich jetzt auf, obgleich es ja gerade erst anfängt…

[Anmerkung (11.April 2015): Nach zwei Jahren Diskussion konnte im April die Webseite zum Emerging Mind Projekt eröffnet werden. Offizieller Start ist der 10.November 2015. In diesem Projekt geht es genau um das, was in dem vorausgehenden Beitrag diskutiert wurde, die öffentliche Erzeugung eines Künstlichen Geistes samt den dazugehörigen begleitenden philosophischen Diskussionen und künstlerischen Aktionen.]

LITERATURVERWEISE

 

  1. Davis, M. Computability and Unsolvability, New York – Toronto – London: McGraw-Hill Book Company, Inc.,1958
  2. Davis, M. (Ed.). (1965). The Undecidable. Basic Papers On Undecidable Propositions, Unsolvable Problems And Computable Functions. Hewlett (NY): Raven Press.
  3. Doeben-Henisch, G.; Beschreibung TM auf der Seite: http://www.doeben-henisch.de/fh/I-TI04/VL/VL3/i-ti04-vl-vl3.html
  4. Gödel, K. Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I, In: Monatshefte Math.Phys., vol.38(1931),pp:175-198
  5. Gödel, K. Remarks before the princeton bicentennial conference on problems in mathematics, 1946. In: Martin Davis, 1965: pp.84-87
  6. Hilbert, D.; Ackermann, W. Grundzüge der theoretischen Logik, Berlin. J.Springer, 1928
  7. Hilbert in Wikipedia (en): Hilbert’s problems, URL: http://en.wikipedia.org/wiki/Hilbert%27sproblems (Last access Sept-30, 2012)
  8. Hilbert, D. Mathematische Probleme, Vortrag, gehalten auf dem internationalen Mathematiker-Kongreß zu Paris 1900, Göttinger Nachrichten 1900, S.253-297, URL:
    http://www.mathematik.uni-bielefeld.de/ kersten/hilbert/rede.html, und
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  9. Kandel, E.R.; Schwartz, J.H.; Jessell, T.M.; Siegelbaum, S.A.; Hudspeth, A.J.; (Eds.) Principles of Neural Science, 5th.ed., New York et.al: McGrawHill, 2012
  10. TM – Beispiel aus dem Internet, vereinfacht. Siehe http://keinerspieltmitmir.de/turing/ (letzter Besuch: 12.Nov.2012)
  11. Turing, A.M.; Intelligence Service. Schriften, ed. by Dotzler, B.; Kittler, F.; Berlin: Brinkmann & Bose, 1987, ISBN 3-922660-2-3
  12. Turing, A. M. On Computable Numbers with an Application to the Entscheidungsproblem. In: Proc. London Math. Soc., Ser.2, vol.42(1936), pp.230-265; received May 25, 1936;
    Appendix added August 28; read November 12, 1936; corr. Ibid. vol.43(1937), pp.544-546. Turing’s paper appeared in Part 2 of vol.42 which was issued in December 1936 (Reprint
    in M.DAVIS 1965, pp.116-151; corr. ibid. pp.151-154).(an online version at:
    http://www.comlab.ox.ac.uk/activities/ieg/e-library/sources/tp2-ie.pdf, last accesss Sept-30, 2012)
  13. Wikipedia (en): Body Surface at http://en.wikipedia.org/wiki/Human body (letzter Besuch: 12.Nov.2012)
  14. Wikipedia (en). Brain at http://en.wikipedia.org/wiki/Human brain (letzter Besuch: 12.Nov.2012)
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  16. Wikipedia (en):  Organs beyond the Body Surface at http://en.wikipedia.org/wiki/Human anatomy (letzter Besuch: 12.Nov.2012)
  17. Wikipedia (en): Neuron at http://en.wikipedia.org/wiki/Neuron (letzter Besuch: 12.Nov.2012)

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