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REVIEW: THE WORLD ACCORDING TO TOMDISPATCH – Teil 5

T.Engelhardt (ed), „The World Acording to TomDispatch. America in the New Age of Empire“, London-New York: Verso, 2008

Diesem Text ging voraus: Teil 4 und eine Zwischenreflexion.

ZWISCHENERGEBNISSE NACH Teilen 1-4

1) Fassen wir kurz zusammen, was sich bisher ergeben hat: ausgehend von den philosophischen Reflexionen zum Phänomen einer markanten emergenten Komplexität des biologischen Lebens zeigte sich Kommunikation und eine funktionierende Öffentlichkeit als zentrale Bedingungen für das Funktionieren dieser Komplexität. Um dies gesellschaftlich zu ermöglichen wurden in modernen Demokratien Verfassungen geschaffen, in denen weitgehende Freiheitsrechte zum Schutze des Individuums verankert wurden (z.B. USA, Deutschland). Begleitet von heftigen Diskussionen wurden in Deutschland unter speziellen Bedingungen (‚Lauschangriff‘) eine Aufhebung solcher Rechte durch Regierungsstellen erlaubt; in den USA gibt es eine lange Geschichte von Ausdeutungen zum vierten Zusatz der Verfassung, die Stand 2013 — zwar nicht dem Wortlaut nach, aber faktisch — einer fast vollständigen Aufhebung dieser Freiheitsrechte gleichkommt. Engelhardt skizziert in der Einleitung zu seinem Buch die Entwicklung in den USA nach 9/11 als dramatische Verstärkung von Geheimdiensten und Militär in einer ‚unipolaren Welt‘. Dies wird begleitet durch eine weitgehende Abschottung der Regierung nach außen. Im ersten Kapitel zeigt Engelhardt anhand konkreter Daten auf, wie die Ereignisse von 9/11 auf eine medial imprägnierte Öffentlichkeit treffen, die — geprägt von den tiefsitzenden Bildern der Medien der letzten Jahrzehnte — die Ereignisse in einer bevorzugten Weise deuten; in einer Weise, die von der Regierung mitgesteuert wird und für bestimmte Pläne ausgenutzt werden. Engelhardt kann dann anhand einiger Fakten zum neuen Ground-Zero Mahnmal aufzeigen, dass es hier nicht um ein ’normales‘ Denkmal geht, sondern dass das Gedenken an das Ereignis und die Toten von 9/11 für eine bestimmte Politik in einer Weise ‚instrumentalisiert‘, die viele ernsthafte Fragen aufwirft.

VERWANDLUNG DER USA IN EINE IMPERIALISTISCHE WELTMACHT?

2) Im folgenden Kapitel mit dem Titel ‚The Empire that Fell as it Rose‘ gibt es einen Briefdialog zwischen Tom Engelhardt und Jonathan Schell, dem Autor des beeindruckenden Buches The Unconquerable World (bei dem Tom Engelhardt Lektor war). In diesem Buch untersucht Schell das Phänomen der Macht in der Geschichte, mit seinen vielen Spielarten, wie sie entsteht, sich organisiert, und wie sie zerfällt. Diese geschichtlichen Ereignisse vor Augen kommt er zu dem Schluss, dass die USA sich nach dem zweiten Weltkrieg scheinbar unaufhaltsam in eine imperiale — alles beherrschende — Macht entwickelt hat. Dass ihre Regierungsvertreter, gestützt auf ein alle Massen sprengendes Militär im Verein mit einem Netzwerk von nicht mehr kontrollierbaren Geheimdiensten, sich in ein imperiales Machtdenken hinein gesteigert haben, das für die Realität weitgehend ‚erblindet‘ ist. Jede Form kritischen Denkens scheint abhanden gekommen zu sein. Der desaströse Irakkrieg (sowohl für die USA wie für die Menschen im Irak) ist eine einzige Demonstration einer Macht, die auf Bomben, Panzer, Raketen, brutale Gewalt (und vieles mehr dieser Art) baut, aber politisch völlig entleert erscheint.(vgl. SS.25-31)
3) In seiner Antwort sagt Engelhardt, dass er die Einschätzung von Schell zwar nicht historisch-wissenschaftlich verifizieren kann, da er selbst kein Historiker ist, aber dass sein Wissen um die aktuellen Fakten in den USA das Bild von Schell ohne weiteres stützt. Da sind die ungeheuerlichen finanziellen Aufwendungen von ca. einer halben Billion US-Dollar für Militär, Geheimdienste und verdeckte Operationen; da ist die Einteilung der ganzen Welt in fünf amerikanische Militärbezirke, denen die regionalen Diplomatem wie imperialen Statthaltern zu berichten haben (!); da sind die ca. 700 Militärbasen weltweit, die in den einzelnen Ländern jeweils einen Sonderstatus beanspruchen, von denen aus die USA ohne Rücksicht auf die lokalen regionalen politischen Institutionen nach eigenem Gutdünken operieren; da ist das Faktum, dass der größte Teil der staatlichen Forschung nur über das Verteidigungsministerium läuft, die z.B. auch eine geplante Militarisierung des Weltraums mit Superwaffen einschließt, die alles beherrschen sollen. usw.(vgl. S.32)
4) Diese Verwandlung der Welt in amerikanische Militärbezirke, wo die ‚Achse des Bösen‘ scheinbar zufällig übereinstimmt mit jenen Ländern, in denen es die meisten Ölbezirke gibt, hält Engelhardt für ganz und gar un-amerikanisch. Das ist nicht der Geist der Verfassung von 1776.(vgl. S.33) Zwar besetzt die USA nicht mehr direkt Länder so wie frühere Kolonialmächte, aber die vielen Militärbasen mit extra territorialen Rechten und die direkte Kooperation mit den Machteliten der jeweiligen Regionen führen zum ähnlichen Effekt: die totale Kontrolle der ganzen Welt und zugleich die wirtschaftliche Ausbeutung durch amerikanische Firmen. (vgl. S.33f)
5) So sehr viele sehen, dass der Weg des Imperialismus eigentlich kein brauchbares Konzept für die Zukunft ist, so sehr sind aber selbst die (amerikanischen?) Kritiker von diesem imperialen Denken ‚verseucht‘ (‚brainwashed‘), dass sie sich nicht vorstellen können, wie denn ein nicht-imperiales Modell real funktionieren kann. (vgl. S.34f)
6) Engelhardt verweist in diesem Zusammenhang auf das Buch Bury the chains (2005) von Adam Hochschild, in dem er die Geschichte der Abschaffung der Sklaverei im imperialen britischen Weltreich beschreibt. Zunächst völlig undenkbar, dass Sklaverei abgeschafft wurde, führte ein 75 Jahre dauernder Kampf vieler einzelner und vieler Bewegungen dann schließlich zu einem Umschwung in der Öffentlichkeit, der dazu führte, dass Sklaverei tatsächlich abgeschafft wurde.(vgl.S.35)
7) [Anmerkung: Und hier ist es wieder, das Zauberwort ‚Öffentlichkeit‘. Nur in einer funktionierenden Öffentlichkeit können sich politisch wirksame Meinungen bilden, und es ist kein Zufall, dass machtorientierte menschenverachtende Regierungen vor allem immer eins versuchen, die Öffentlichkeit unter ihre Kontrolle zu bringen, und wenn schon nicht Kontrolle, dann wenigstens eine spezifische Manipulation ihrer Äußerungen. Beliebt ist, gar nichts zu sagen oder nur Andeutungen zu machen, die vieldeutig sind, vorzugsweise in jene Richtungen ausdeutbar, die den Regierungen passen, aber letztlich Realität verzerren und verunstalten. ]
8) [Anmerkung: Wir erleben seit Wochen in Deutschland das Schauspiel, dass die Regierung der Bundesrepublik Deutschland auf die zunehmenden Informationen über die bedingungslose grenzüberschreitenden Ausspähaktionen der US-amerikanischen Regierungsstellen immer nur abwiegelnd reagiert. Nicht der leiseste Ansatz zur Kritik an einem maßlosen Verhalten der US-amerikanischen Regierung, nicht der leiseste Ansatz, die Verantwortung für die Bürger, denen dieses Regierung ‚dienen‘ soll, erkennbar zu machen. Dies ist das Verhalten von Monarchen, die sich weit erhaben fühlen über ihre ‚Untertanen‘. Das ist Verweigerung politischer Verantwortung in Reinkultur (möglicherweise gepaart mit viel Unfähigkeit). In einer Diktatur ’normal‘, in einer Demokratie ein Skandal. ]

Fortsetzung folgt

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Hier wieder ein Hörstück: 9/11 – Die Anderen sterben Lautlos.

REVIEW: THE WORLD ACCORDING TO TOMDISPATCH – Teil 2

T.Engelhardt (ed), „The World Acording to TomDispatch. America in the New Age of Empire“, London-New York: Verso, 2008

Diesem Text ging voraus: Teil 1.

Letzte Änderung: 31.Aug.2013, 17:58h, Musikstück (im Anschluss an den Text)

EIN UNIPOLARER IMPERIALISTISCHER PLANET?

1) Es war diese ungeheuerliche Verwandlung der amerikanischen Öffentlichkeit — natürlich auch zusammen mit den entsprechenden Maßnahmen des Regierungsapparates samt kooperierender Institutionen — nach 9/11, die Tom Engelhardt und seine Freunde mehr und mehr herausforderte. Und einleitend zum Buch versucht er die eigene Wahrnehmung in einer Art Kurzfassung vorzustellen, und er benutzt als Kurzformel den Ausdruck ‚a mad unipolar imperial planet‘. (vgl. S.xi).
2) Noch am Tag vor 9/11 war die öffentliche Meinung laut Umfragen über die Regierung und den Präsidenten denkbar schlecht. Doch das Attentat erwies sich — vom Nachhinein betrachtet — als ein ‚Katalysator‘, der den Plänen der Regierung direkt in die Hände zu spielen schien. (vgl. S.xiv)
3) Die neokonservativen Anhänger sprachen öffentlich und begeistert von den USA nach dem Ende des kalten Krieges als dem ’neuen Rom‘, dem ’neuen imperialen Großbritannien‘, der ’neuen einzigen Supermacht‘ auf der Erde.(vgl.S.xii)
4) Die Bush-Administration erhöhte drastisch die Macht der Geheimdienste und des Pentagons bei gleichzeitiger Schwächung von Diensten für die Allgemeinheit. Die Regierung verkörperte eher einen aggressiven, militanten Isolationismus, für den das Konzept der ‚Partnerschaft‘ keine Rolle spielte, weder im Land noch weltweit. Der Rest der Welt hatte sie zu akzeptieren oder wurde in das Lager der Terroristen eingereiht (nicht nur weltweit sondern auch im eigenen Land). (vgl. S.xiii)
5) Diese Regierung etablierte die Administration mit den meisten und höchsten Sicherheitsstufen in der Geschichte der USA. Diese Regierung hatte ihre eigenen Medien und praktizierte die größte ‚Medien-Phobie‘ seit Bestehen der USA. Viele Medien gaben es schlicht auf, Termine mit Regierungsstellen zu machen, weil sie keine bekamen.(vgl. S.xiiif)
6) Der dominante Regierungsstil bestand darin, regelmäßig ‚Angst‘ in die Öffentlichkeit zu pumpen bei gleichzeitiger Dominanz in einem zunehmend geschwächten Kongress.(vgl. S.xiv)
7) Ungeachtet der Diskussion um einen möglichen christlichen Fundamentalismus am Beispiel der Person des Präsidenten gab es einen ungebrochenen (und unkritischen) Glauben an die ‚Macht des Militärs‘ als weltweit stärkste Kraft ohne Konkurrenz. Nicht ‚Demokratie‘ oder ‚Freiheit‘ waren die Markenzeichen dieser Regierung, sondern die ferngesteuerten Drohnen, die jederzeit überall zuschlagen konnten. Dazu passt, dass die gesamte Welt in amerikanische Militärbezirke eingeteilt wurde, ausgestattet mit amerikanischen Garnisonen (und die USA selbst wurden letztlich auch zu solch einem Militärbezirk, unterstellt dem ‚Heimatschutzministerium‘!). Und das Ganze lief unter dem Titel der ‚Befreiung der Menschheit‘ (vom Bösen)! Eine solche Haltung und Zielsetzung gab es nie zuvor in der Geschichte der USA, allerdings im Nazi-Deutschland, im imperialistischen Japan und in Stalins Russland.(vgl. SS.viv-xvi)
8) Begleitet wurde dieser ungehemmte Glaube an die nackte Macht und die eigene Sonderstellung mit einer vollständigen Entledigung von rechtlichen Fesseln: nicht nur nahm diese Regierung für sich in Anspruch, selbst definieren zu können, was ‚Gut‘ und ‚Böse‘ ist, sondern sie nahm sich das generelle Recht, jeden jederzeit angreifen zu dürfen, wenn sie es für richtig fand, unter Anwendung aller Mittel, natürlich auch Folter; Alles war erlaubt! (vgl. S.xvi)
9) [Anmerkung: Diese Zusammenfassung kann die poetische Kraft des Textes wie auch seine viel differenzierteren Details nur ansatzweise wiedergeben; letztlich sollte man den Text selber lesen. ]
10) [Anmerkung: Es ist nicht nur erschreckend, wie schwach und unkritisch die amerikanischen Medien mit diesem außer Kontrolle geratenen Monsterapparat umgegangen sind, sondern nicht weniger unkritisch und ‚wegduckend‘ haben sich die Europäer verhalten. Nirgendwo gab es Politiker, die öffentlich und beherzt dieses Verhalten hinterfragt haben. Letztlich waren es die amerikanischen Bürger selbst, die dieser Regierung ein Ende gesetzt haben. Aber dieses ‚Ende‘ erscheint ‚halbherzig‘: die ungeheuerlichen Rechtsbrüche dieser Regierung wurden niemals ernsthaft diskutiert oder gar untersucht. Und der aktuelle Präsident findet als Erbe eine Monsterstruktur von Geheimdiensten und Militär vor, die sich der Doktrin der vorausgehenden Regierung voll verschrieben hatte (und noch immer hat?). Dass der aktuelle Präsident — obgleich zuvor schärfster Kritiker — im Alltagsgeschäft den monsterhaften Apparat einfach weiterführt, seine ursprünglichen Kritiken vergessen zu haben scheint, und er selbst die dahinter steckende Ideologie nicht öffentlich hinterfragt, das ist erschreckend. Genauso ist erschreckend, dass das politische Amerika seine tiefgreifende Verwandlung und seine mögliche Zukunft in einer Welt mit ‚Partnern‘ nicht aktiv, offen diskutiert. Wie soll sich diese Politik ändern, wenn niemand darüber spricht, wie es alternativ sein könnte bzw. vielleicht sein sollte. Die Webseite TomDispatch bildet hier einen kleinen ‚Leuchtturm‘ (und zum Glück gibt es noch weitere….).]

Fortsetzung folgt mit Teil 3.

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Hier ein Blues-ähnliches Musikstück The Power Boys … zum Thema dieses Blogeintrags