Archiv der Kategorie: Klassischer physikalischer Raum

EMERGENTE PHÄNOMENE, BEOBACHTER, GEIST -Teil 2

(Dieser Beitrag bildet die Forsetzung von Überlegungen aus einem vorhergehenden Beitrag)

Eine Schema, wie Leben im Universum entstehen konnte (in späteren Blogeinträgen weiter verfeinert)
Eine Schema, wie Leben im Universum entstehen konnte (in späteren Blogeinträgen weiter verfeinert)

UPDATE EVOLUTION

In einem Diagramm vom Dezember 2009 (siehe Bilde oben) hatte ich eine ‚Gesamtschau‘ der Evolution ‚in einem Bild‘ versucht. Dabei hatte ich eine Aufteilung in ’subatomar‘ und ‚atomar und komplexer‘ vorgenommen. Die Überlegungen kreisten seitdem meistens um die Phänomene oberhalb der atomaren Komplexitätsebene. Dabei schälten sich dann diverse interessante Problemstellungen heraus. In den letzten Monaten war es vor allem das Problem der ‚Emergenz‘, das mich mehr und mehr beschäftigte (sofern die normale Arbeit dazu überhaupt Zeit lies). In mehreren Anläufen, Texten und Vorträgen kam ich bis zu dem Punkt, dass die sich in den emergenten Phänomenen zeigende Funktionalität in keiner Weise durch Rekurs auf die beteiligten Komponenten alleine erklärbar ist (kein ‚Reduktionismus‘, (z.B. der molekulare Prozess der Selbstreproduktion in struktureller Entsprechung zum mathematischen Konzept einer Turingmaschine)) sondern eine Funktionalität auf einer ‚höheren Ebene‘ voraussetzt. Als möglicher ‚Raum für Funktionalitäten‘ bietet sich hier aber nur jener ‚Raum‘ an, innerhalb dessen es zu diesen Prozessen kommt. Hier gibt es nur den Raum der Atome bzw. den subatomaren Bereich. Die heutige Physik beschreibt diesen Raum u.a. mit den Mitteln der Quantenphysik. Als Nichtphysiker hält man dazu gewöhnlich einen gebührenden Abstand (die für die Beschreibung quantenphysikalischer Phänomene benutzte Mathematik ist für einen Nicht-Quantenphysiker in der Regel ‚unverdaulich‘; Ausnahme aber z.B. die Vorlesungen von Feynman (siehe Lit. unten).

QUANTENPHYSIK

An dieser Stelle kam eine entscheidende Anregung bei der fortdauernden Lektüre (jetzt wieder) von Kauffman (‚Reinventing…). Im Kap.13 des Buches referiert er wichtige Positionen der Philosophie des Geistes (einschließlich neurobiologischer Interpretationen), zeigt deren logischen Aporien bei der Erklärung von ‚Geist‘ und ‚Bewusstsein‘ durch Reduktion auf neuronale Aktivitäten auf und spielt dann diverse theoretische Szenarien durch, für die er Erkenntnisse der Quantenphysik benutzt. Zuerst fand ich dies eigentümlich, aber bei weiterem Lesen und Nachdenken habe ich den Eindruck, dass diese Überlegungen höchst interessant sind und nach allem, was ich bislang weiß, den einzig erkennbaren theoretischen Ansatzpunkt liefern, der im Einklang mit den empirischen Wissenschaften steht und doch der Besonderheit der emergenten Phänomene Bewusstsein und Geist eventuell gerecht werden könnte.

Quantum space and Classical Space; Below bodies being open in the direction of quantum space
Quantum space and Classical Space; Below bodies being open in the direction of quantum space

Die Grundidee ist recht simpel. Die empirisch-mathematischen Details beliebig schwierig. Ich habe folgendes verstanden (siehe Handskizze):

1. Im Bereich der subatomaren Teilchen (Quanten) lässt sich nur noch messen, wenn man dabei das zu messende Objekt verändert (Heisenberg, Unschärferelation). Viele kreative Experimente (siehe dazu z.B. das Büchlein von Feynman) legen die Interpretation nahe, dass die Teilchen sich in einem kontinuierlichen Raum möglicher Zustände aufhalten, in dem sie alle Zustände (aus unserer Sicht) quasi ‚gleichzeitig‘ einnehmen (mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten). Alles, was ‚geht‘ (Freiheitsgrade), ‚wird gemacht‘. Durch Versuchsanordnungen wird der Möglichkeitsraum punktuell ‚eingeengt‘ und der Raum ‚passt sich‘ den Versuchsanordnungen ‚an‘. Man ‚misst als Phänomen, was sich bei Unterstellung der wahrscheinlichen Verteilungen ergeben würde. Dazu gehören viele spezielle Effekte, die ich hier beiseite lasse.
2. Neben diesem Quantenraum als ‚grundlegender Realität‘ für die messbaren Phänomene gibt es aber auch den konkret realisierten physikalischen Zustand, wie wir ihn als ‚real uns umgebende Welt‘ erfahren. Dieser ‚klassische physikalische Raum‘ erscheint von dem Quantenraum mit seinen floatenden Möglichkeiten ‚abgekoppelt‘ (‚decoherent‘). Er stellt genau eine von unzählig vielen Möglichkeiten dar, was ‚hätte passieren können‘. Abkopplung heißt hier u.a. ‚Verlust an Informationen‘, herausgenommen aus dem ‚Phasenraum‘ der floatenden Möglichkeiten.
3. Trotz der Realität des konkreten klassischen physikalischen Raumes müssen wir annehmen, dass damit der parallel bestehende Quantenraum nicht vollständig aufgehoben wird; er besteht weiter, wahrt eine Kontinuität, bildet weiter die ‚Grundlage‘ für neue ‚Realisierungen‘.
4. Soweit ich bislang sehe ist diese ‚Koexistenz‘ von Quantenraum und konkreter Realisierung bislang nicht vollständig geklärt, speziell nicht die Frage, wie beständig Realisierungen (Dekohärenzen) stattfinden können, ohne den Quantenraum aufzuheben. Darüberhinaus ist nicht wirklich klar, warum es genau zu den bestimmten Realisierungen kommt, die aus unserer Beobachtersicht gewisse ‚Regeln‘ einhalten, obgleich der Quantenraum aus sich heraus nicht auf eine bestimmte Realisierungen abonniert ist.

META-FUNKTIONALITÄT

Die vorausgehenden Überlegungen sind natürlich extrem vereinfachend, lassen dadurch aber vielleicht die großen Linien hervortreten.

Bezogen auf die von mir geäußerte Vermutung, dass die emergenten Phänomene durch vorauszusetzende Funktionalitäten erklärt werden müssen würde durch Einbeziehung des Quantenraums zumindest dahingehend eine Verstärkung erfahren, dass der Quantenraum beliebig komplexe Funktionalitäten ‚beherbergen‘ kann. Aber hier stehen wir noch ziemlich am Anfang.

Kauffman bringt in seinem Buch mehrere Beispiele (z.B. S.210f, Photosynthese), wo anhand konkreter biologischer (chemischer, physikalischer) Prozesse nachgewiesen werden konnte, wie diese konkreten Prozesse nur erklärbar sind durch die Annahme des zugleich bestehenden Quantenraumes.

GEFANGEN IM KÖRPER ALS KOGNITIVE TÄUSCHUNG

Macht man sich diese Fundierung aller Makrophänomene im Quantenraum klar, dann folgt daraus, dass die scheinbare ‚Gefangenheit‘ unseres ‚Geistes‘ in einem konkreten, endlichen Körper, nur eine scheinbare ist. Der Körper ist (mit viel Fantasie auf der Handskizze in der unteren Hälfte erkennbar) in dieser Sicht nur so eine Art ‚Ausstülpung‘ des Quantenraumes an einem bestimmten Punkt in eine ‚vorübergehende Konkretisierung‘ bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Einbettung in den Quantenraum. Dies bedeutet, bei näherer Betrachtung, dass jeder Mensch ‚in Richtung des Quantenraumes‘ ‚offen‘ ist. Dies wiederum bedeutet, dass jeder Mensch durch seine Einbettung in den Quantenraum mit jedem Punkt des bekannten Universums direkt kommunizieren kann. Diese Kommunikation — so sie stattfindet — verläuft mindestens mit Lichtgeschwindigkeit. Anders gewendet, sofern wir in den Quantenraum ‚eingebettet‘ sind ist jeder von uns zum übrigen Raum hin ‚vollständig offen‘. Im Quantenraum gibt es keine lokale Abgrenzung. Diese wird nur mit Hilfe des transienten Körpers für eine verschwindend kurze Zeit künstlich eingerichtet, um punktuell ‚Individualitäten‘ sichtbar zu machen.

Warum der Quantenraum diese punktuellen transienten ‚Ausstülpungen‘ vornimmt erschließt sich uns bislang nicht. Aber wir stehen ja auch mit dem Erkennen hier erst ganz am Anfang.

LITERATURHINWEISE
Richard P. Feynman (Author), A. Zee (Introduction), „QED: The Strange Theory of Light and Matter“, Publisher: Princeton University Press (April 4, 2006), ISBN-10: 0691125759, ISBN-13: 978-0691125756

Gerd Doeben-Henisch, Kurze Review online: http://www.amazon.com/gp/cdp/memberreviews/A1D6994DSB8K4M/ref=cm_cr_dp_auth_rev?ie=UTF8&sort_by=MostRecentReview

Kauffman, S.A., Reinventing the Sacred. A new View of Science, Reason, and Religion. New York: Basic Books, 2008 (Paperback 2010)

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