Archiv der Kategorie: Kultur – Typen

PARISATTENTAT – PANZERPOLITIKER – KULTURREVOLUTION. Impressionen von einem nicht ganz gewöhnlichen Sonntag

  1. Die folgenden Notizen sind das Echo auf einen nicht ganz normalen Sonntag mit intensiven Gesprächen mit FreundenInnen, mit Fernsehberichten, Abhängen und dem Abschluss einer Buchlektüre.

PARISATTENTATE

  1. Am Freitag den 13.November 2015 hat eine Gruppe junger Männer mit ihren Gewaltaktionen eine Blutspur erzeugt, die Angst, Entsetzen, und Horror unter den Menschen verbreitet hat.
  2. Wie sich jetzt herausschält, sind mindestens vier davon Franzosen. Einer ist noch flüchtig, und der Rest noch unbestimmt. Von einem wurde ein Pass gefunden, der ihn angeblich als Flüchtling ausweist. Experten deuten aber an, dass es sich hier um eine bewusste Fälschung handeln könnte, um Gastländer und Flüchtlinge zu entzweien.

HINTERGRÜNDE

  1. Von den identifizierten Tätern weiß man, dass sie allesamt Franzosen sind mit Aufenthalten in einem seit langem bekannten sozialen Spannungsgebiet in der Region Brüssel, Moolenbeek. Moolenbeek gilt seit vielen Jahren als Sammelbecken für radikale Islamisten; die Polizei hat hier seit langem kapituliert, weil die Politik Nichtstun verordnet hat.
  2. Ebenso wie in Frankreich, wo es viele soziale Brennpunkte mit vielen tausend jungen Leuten aus Flüchtlingsbewegungen gibt, die kaum Schulbildung haben, keine Arbeit, gesellschaftlich abgehängt sind, so ist auch Moolenbeek z.T. bevölkert von Menschen – so scheint es –, die nicht wirklich integriert sind, und die ihre Identität aus ihrer Spielart von Islam ziehen, der ein starkes Hassmoment gegen die westliche Kultur enthält (das Konzept der freien westlichen Gesellschaften wird von vielen radikalen Islamisten interpretiert als direkter Widerspruch zu ihrem Verständnis des Islam).
  3. Diese Probleme sind seit vielen Jahren sehr gut bekannt. Funktionierende Lösungen hat bislang niemand erfunden. In Teilen der Bevölkerung gibt es (rechtsnationale) Strömungen, die aus dieser sozialen und kulturellen Disfunktionalität Kapital für Ressentiments zu schlagen versuchen. Dies funktioniert umso besser, als es vielen anderen Franzosen aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation auch nicht gut geht. Die aktuelle Regierung kann bislang wenig (oder gar keine?) Erfolge vorweisen. Der Wahlkampf ist schon im Gange. wetterwendisch, wie viele Politiker leider sind, versuchen Sie sich jetzt auch einen rechtsradikalen-nationalen Touch zu geben, um sich diese irrationale Stimmung zu nutze zu machen (wobei die Regierung mit verantwortlich ist sowohl für das Nichtstun im sozialen Bereich wie auch für die schlechte wirtschaftliche Situation; man kann es auch Unfähigkeit nennen).
  4. Jetzt passiert ein Attentat, das unmenschlich und grausam unverstellt Hass sichtbar werde lässt, Hass einer jungen Generation, die in einem Land lebt, das nicht ihr eigenes geworden ist. Hass, der sich Anleihen genommen hat bei einer radikal-islamischen Bewegung genannt ‚Islamischer Staat‘, der aus den Trümmern des verunglückten US-amerikanischen Irakkriegs hervorgegangen ist. Diese Bewegung stellt – verglichen mit der überwältigenden islamischen Kultur von 700 – 1400 – nur ein Zerrbild des Islams dar, eine rudimentäre Form, die alle tötet, vergewaltigt, foltert, die nicht IS sind, auch solche, die Muslime sind, die sich ihnen aber nicht unterwerfen wollen.

RADIKALISIERTER ISLAM

  1. Ein wichtiges Motivationselement des IS ist der Hass auf alles andere, natürlich und besonders auch auf alles Westliche. Das Konzept einer aus Aufklärung, Wissenschaft, Menschenrechte, Demokratie hervor gegangenen westlichen Gesellschaft ist für IS-Mitglieder reines Gift, da es ihre eigenen Werte im Kern ablehnt und verurteilt. Der Islam als solcher ist – betrachtet man seine Blütezeit – nicht notwendigerweise ein Gegensatz zur westlichen Moderne (viele Kernelemente der westlichen Moderne gibt es nur, weil die islamische Kultur sie gegen die Barbarei der westlichen Papstkirche über Jahrhunderte gerettet hatte!), aber der Islam in der Spielart von IS hat alles aus sich selbst ausgeschieden, was auch nur den leisesten Ansatz zu einer Menschen- und Weltoffenheit liefern könnte.
  2. Der IS steht damit nicht alleine. Radikale Formen des Islam gab es schon immer, und sie finden sich in allen großen islamischen Strömungen (wie übrigens auch analog innerhalb des Hinduismus, des Judentums, des Christentums und des Buddhismus!) wie den Schiiten (Anhänger der Schia) und den Sunniten, insbesondere in Gestalt des Wahabisus. Gegenüber der goldenen Zeit des Islam stellen sie alle Vereinfachungen dar, sind im Kern wissenschaftsfeindlich, sind Radikalisierungen, sind ausgrenzend, abgrenzend, bei gleichzeitigem Totalanspruch an ihre Mitglieder.

INTEGRATION – JA, ABER

  1. Wenn jetzt zehntausende von jungen Menschen in einem Land wie Frankreich sozial nicht integriert werden und sie zugleich in geistiger Verbindung zu solchen radikal-islamischen Weltanschauungen stehen, deren simples Weltmodell sowohl direkt ‚Bruderschaft‘ verheißt wie auch eine einfache Logik für ihren Hass liefert, dann folgt daraus zwar nicht automatisch ein menschenverachtender Terror, aber die Tendenz dahin wird doch massiv unterstützt. Die Tatsache, dass allein aus Frankreich viele tausend junge Franzosen sich freiwillig dem IS angeschlossen haben, dort sogar als Selbstmordattentäter bekannt geworden sind, zeigt, dass das Konzept funktioniert. Das französische Lebensmodell hat sie nicht überzeugt. Hat die Politik versagt oder hat jeder Staat heute seine obligatorische Verliererquote, die im Fall von Frankreich (und Belgien, und England, und Spanien, und Deutschland, und …) nur so tragisch endet, weil ein IS die Verlierer psychisch zu Terroristen umprogrammieren kann?
  2. Die martialischen Worte des Staatspräsidenten als Reaktion auf die Attentate, die Ausrufung des Notstands, das Paktieren mit allen Rechten, die Ausrufung des Krieges gegen den IS (der ja schon längst stattfindet), dies alles wirkt nicht nur hilflos und kopflos, sondern erscheint sogar gefährlich. Das tatsächliche Problem IN Frankreich, die Existenz einer verunglückten Generation, der starke Einfluss einer spezifischen Weltanschauung, wird weder durch diese Worte noch durch diese Taten auch nur ansatzweise adressiert. Es erscheint eher als ein kopfloses, sinnloses um sich Schlagen mit Luftraketen, die die Verursacher nur jubeln lassen kann: der dumme Westen, er lässt sich ärgern, er zeigt Emotionen, er schränkt genau die Freiheiten ein, die dem IS ein Dorn im Auge sind; und die Flüchtlinge, die vor genau dem IS-Terror fliehen, werden jetzt auch noch verdächtigt (Söder, diese politische Lichtgestalt, hat vornweg – als noch gar nichts wirklich klar war – sofort erklärt, jetzt müsse man den Flüchtlingsstrom wegen potentieller Bedrohung, erst recht stoppen). Bomben auf den IS schüren die Emotionen unter der verlorenen Generation IN Frankreich weiter; noch mehr werden sich dem IS anschließen, noch mehr werden Attentate in Frankreich ausüben, und in der kopflosen politischen Reaktionen wird die freie Gesellschaft in Frankreich weiter gedrosselt, werden die rechten Ressentiments geschürt, die im Endeffekt einem IS näher sind als einer modernen Demokratie. Gut gemacht Hollande!

INTEGRATION MODELL DE

  1. Als in Deutschland die Flüchtlingszahlen sprunghaft anstiegen und die Kanzlerin spontan ausrief: Das schaffen wir, blitzte für einen Moment ein großes Deutsches Herz auf, alle waren begeistert, weil die Mehrheit der Deutschen tatsächlich so ist. Man ist sich bewusst, dass wir als Deutschland nicht isoliert leben, sondern vielfältig verflochten sind: wirtschaftlich, ethnisch, kulturell, wissenschaftlich. Für sich alleine könnte Deutschland überhaupt nicht mehr existieren (wozu auch, welchen Sinn sollte dies machen?). Aber schon in kurzer Zeit wurde dann klar, dass der Zustrom ein Ausmaß annahm, das real immer weniger zu bewältigen war, jedenfalls nicht ohne erhebliche Belastungen und Einschränkungen der eigenen Bevölkerung. Dazu kam, dass die Deutsche Regierung in den Jahren zuvor die Hilferufe der Italiener und Griechen geflissentlich überhört hatte, dass Europa die vielen Millionen Flüchtlinge an den Grenzen Syriens nicht (!) unterstützt hatte (die waren ja weit weg), dass die EU seit Jahren mit ihrer Wirtschaftspolitik in vielen Ländern Afrikas die einheimische Industrie und Landwirtschaft derart zerstört hat, dass ganze Landstriche verarmt sind, und ihr Heil nur noch in einer Flucht nach Europa sahen, und schließlich, dass Merkel mit ihrem spontanen Ausruf nicht nur geltendes EU-Recht schlicht außer Kraft gesetzt hat ohne die anderen zu fragen, ob sie mitmachen. Natürlich erscheint die Reaktion vieler östlicher EU-Staaten dann ‚primitiv‘, die Flüchtlingsfrage dann einfach an Merkel und Deutschland zurück zu spielen (denn die Flüchtlingsfrage als solche ist ja unabhängig von Deutschland), aber es zeigt einen eher erschreckend unfähigen Politikstil in Europa.
  2. War das Bild von der europäischen Wertegemeinschaft schon die letzten Jahre durch die diversen Finanzkrisen, speziell auch im Fall Griechenlands, als eigentlich nicht vorhanden demaskiert worden, zeigt die Uneinigkeit im Umfeld der Flüchtlingsproblematik tiefe Diskrepanzen auf. Wo sind die gemeinsamen Werte? Worin bestehen sie? Warum lohnt es sich, Europäer zu sein?
  3. Von deutschen Kindergärten wird berichtet, dass die Zahlen an Kindern aus anderen Kulturen stark angestiegen sind, oft die Mehrheit bilden, und dass es die Eltern dieser Kinder sind, die Abgrenzung und Unfrieden in die Kinder hineintragen: mit dem darfst Du auf keinen Fall spielen; das sind ganz Schlimme; das darfst Du auf keinen Fall essen….. Die Erzieherinnen fühlen sich überfordert; die neuen Eltern sprechen meist nicht genügend Deutsch; bis zu fünf verschiedene Mahlzeiten müssen gekocht werden, um der Vielfalt gerecht zu werden …. Von immer mehr jungen Erzieherinnen hört man, dass sie sich angesichts dieser schwer zu handhabenden Alltagsrealität von der Politik allein gelassen fühlen und sich rechtem Gedankengut zuwenden (wenn man erlebt, wie die Bundesvorsitzende der Grünen, Simone Peter in einer Talkshow auf die konkreten Erfahrungen eines Bürgermeisters letztlich immer nur Durchhalteparolen anzubieten hatte ohne wirklich konkreten Bezug, dann kann man zumindest nachvollziehen, warum überlastete Erzieherinnen kein wirkliches Zutrauen zu dieser Art von Parolen-Politik finden können).
  4. Ähnliches berichtete der Schulleiter einer großen Gesamtschule, die für ihre hervorragende, auch soziale, Arbeit bekannt ist. Mittlerweile muss die Schulordnung neben Deutsch auch in Englisch und Arabisch vorliegen, weil die Eltern sie sonst nicht verstehen. Auch hier ist analog zu beobachten, wie es die Eltern der Kinder sind, die Animositäten, Feindschaften zwischen unterschiedlichen Volksgruppen über ihre Kinder in die Schule hineintragen. Nicht in Gegenwart von Lehrern, aber in der übrigen Zeit. Alle konstatieren eine deutliche Verschlechterung des Schulklimas. Mögliche Sanktionen gegen solche Einflüsse stehen der Schule nicht zur Verfügung; notwendige Kommunikation kann mangels Fachkräften und Sprachkenntnissen offensichtlich nicht genügend stattfinden.
  5. Dies führt zum Faktor Zeit: aus der Psychologie und aus der Geschichte wissen wir, dass Assimilationsprozesse (ein anderes Wort für Integrationsprozesse) Zeit brauchen, sehr viel Zeit. Und auch viel Zeit garantiert gar nichts (man betrachte nur das Problem des Rassismus in den USA und Brasilien; offiziell gibt es dies nicht, faktisch, im Alltag, aber auf Schritt und Tritt; oder man betrachte das Thema Mann – Frau; bis heute nur in wenigen Ländern dieser Welt ansatzweise gelöst; oder das Problem der verschiedenen Religionen, die ja immerhin schon über 1300 Jahre koexistieren, usw.) In der Theorie geht alles, im Wunschdenken retten wir die Welt, im konkreten Alltag mit realen Menschen und deren realen Weltbildern im Kopf geht erst einmal nur soviel, wie die realen Menschen sowieso können und wollen. Wer hier über die Köpfe anderer hinweg Formen des Zusammenlebens voraus nimmt, die es so – zumindest nicht ganz schnell – nicht geben kann, der überfordert Menschen, spielt mit dem Leben von Menschen, setzt den sozialen Frieden aufs Spiel.
  6. Damit kommen wir zum möglicherweise entscheidenden Knackpunkt unserer Gegenwart.

KOOPERATION, KOMMUNIKATION, KOMPLEXITÄT

  1. Wir haben gesehen, welch großartige Leistungen wir Menschen seit den letzten 10.000 Jahren zuwege gebracht haben: vom Jäger und Sammlerdasein zu Handwerk, Landwirtschaft, Städtebau, Rechtswesen, Sprachen, Philosophie, Mathematik, Religionen, Literatur, Theater, Musik, Architektur, Infrastrukturen, Bibliotheken, Schulen, Krankenhäusern, Technik, … immer komplexeren sozialen Formen sind entstanden. Zugleich allerdings auch immer viele Kriege, immer größere Schlachten, bis hin zu Weltkriegen von unvorstellbaren Ausmaßen.
  2. ALLE diese Leistungen sind kopfgesteuert, hängen davon ab, dass Menschen in der Lage sind, Dinge zu abstrahieren, zu erinnern, in Regeln zu fassen, nach Regeln zu handeln, mit Sprachen zu kommunizieren,Wissen aufzuschreiben und zu speichern. Wäre es möglich, all das erarbeitete Wissen der Menschheit auf einen Schlag auszulöschen, würden alle Menschen mehr oder weniger nackt wieder da stehen und wären nicht in der Lage, sich zu ernähren und miteinander in komplexen Stadtgesellschaften zu leben. In kürzester Zeit würde die gesamte menschliche Population zusammenbrechen durch Gewalt, Hunger, Krankheiten.
  3. Das, was die Menschheit zu dem macht, was sie heute ist, ist ein komplexes Netzwerk von Erfahrungen, von Wissen, von Technologien, die auf Wissen beruhen. Oder am Beispiel von Religionen: wenn sie einige überzeugte Hinduisten, Buddhisten, Juden, Christen, Muslime nebeneinander stellen, dann sind dies alles Menschen mit der gleichen biologischen Herkunft und Ausstattung. Das einzige, was sie unterscheiden kann, das ist die Art und Weise, wie sie die Welt anschauen. Die Grundstrukturen, wie Menschen die Welt wahrnehmen und verarbeiten, sind allen Menschen angeboren. Innerhalb dieser Grundstrukturen gibt es aber viele Variationsmöglichkeiten. Diese werden von den einzelnen Menschen ausgestaltet; nicht isoliert, sondern als Teil einer sozialen Gemeinschaft, d.h. der normale Mensch übernimmt erst mal, was seine Umgebung ihm vorlebt. Würden alle Menschen als Hinduisten aufwachsen, wären sie erst einmal im Denken ‚gleichgeschaltet‘, ebenso als Juden oder Christen oder Muslime. Würde ein so aufgewachsener Muslim auf einen Hinduisten treffen, hätten sie ein grundlegendes Problem, desgleichen ein Jude mit einem Christ, ein Buddhist mit einem Hinduisten, usw. Aus der Geschichte kennen wir genügend Beispiele, wie solche Situationen zu Verteuflungen, Verfolgungen, Unterdrückungen Mord und Totschlag geführt haben. Gleichzeitig zeigt die Geschichte, dass es aber Menschen gab, die ihre eigene Überzeugung kritisch hinterfragen konnten, die sich der Relativität ihrer aktuellen Position bewusst wurden, und die dann über die eigene Anschauung hinaus mit Menschen anderer Anschauung sprechen konnten, gesprochen haben, und voneinander sehr viel gelernt haben. Alle großen Kulturen Europas waren von dieser Art: Toleranz gegenüber speziellen Weltsichten innerhalb eines größeren sozialen Gebildes (das römische Reich, das islamische Reich, die EU) war immer ein Erkennungszeichen für blühende Staatswesen.
  4. Dies ist heute nicht anders: alle ca. 7 Milliarden Menschen sind grundsätzlich gleich, gleich fähig. Dass sie als Kinder unterschiedliche Sprachen lernen, in unterschiedlichen kulturellen Regelsystemen aufwachsen, ist eher Zufall. Zugleich zeigt diese Vielfalt, wie anpassungsfähig und flexibel Menschen sein können, aber nicht beliebig. Menschen brauchen viele Jahre bis sie die jeweilige Kultur vollständig gelernt haben. Umlernen in eine andere Kultur geht grundsätzlich, aber nur mit viel Anstrengung und ebenfalls vielen Jahren Dauer. Außerdem gibt es Kulturen, die von sich her eher aufgeschlossen sind und Lernen erleichtern im Gegensatz zu Kulturen, die abgeschlossen wirken, statisch, wenig lernförderlich. Nicht wenige sehen daher heute eine Art Weltkrise, da die anwachsende Zahl der Menschen mit ihrer Vielfalt für viele bedrohlich wirkt. Immer wieder fallen ganze Gruppen dann zurück in eine Art Regression zum scheinbar Einfachen, Natürlichen, Reinen, …

HOLOBIONTEN

  1. An dieser Stelle kann es vielleicht helfen, sich bewusst zu machen, dass die Natur, und innerhalb der Natur ganz besonders der homo sapiens, also wir, eine ganz andere Geschichte erzählen!
  2. Wie die Biologie seit etwa 15 Jahren gelernt hat, gibt es nicht nur generell die Idee der Evolution von einfachen Zellen zu immer komplexeren Zellverbänden über die Gene mitsamt einer Epigenetik, sondern schon von Anfang an seit 4 Milliarden Jahren gibt es eine immer komplexer werdende Kooperation von jeder Zelle mit jeder Zelle, was zum Begriff des Holobionten führt.
  3. Wie ich in einem vorausgehenden Blogeintrag beschrieben habe, bildet jeder einzelne Mensch eine Lebensform, die in der Kooperation von ca.37 Billionen (= 10^12) einzelnen Körperzellen besteht, dazu IN unserem Körper nochmals ca. 100 Milliarden (=10^9) Bakterien, und auf unserer Haut ca. 220 Milliarden Bakterien. Die Viren sind dabei noch nicht berücksichtigt. Das ist die unvorstellbare Zahl von 814*10^43 einzelnen Elementen, die alle einerseits selbständig agieren, andererseits kooperieren. Jede einzelne Pflanze, jedes Insekt, jeder Vogel, jedes andere Tier, alle Lebewesen sind so organisiert. Ohne die Bakterien und Viren würde jedes Lebewesen auf der Stelle sterben, weil die Bakterien komplexe chemische Prozesse beisteuern, ohne die der jeweilige Organismus nicht existieren könnte. Das Gleiche gilt für die Kooperation der Zellen im Körper untereinander. Dass also das Leben auf der Erde es aus dem Meer auf das Land geschafft hat, dass es überhaupt auch im Meer überlebt hat, ca 300 Millionen Jahre Vereisung der Erde, und vieles mehr, liegt nur daran, dass im Laufe von 4 Milliarden Jahren die einzelnen Zellen gelernt haben, immer mehr, immer vielfältiger, immer komplexer zu kooperieren. Kooperation und Kommunikation sind die Zauberworte de Lebens.
  4. Betrachtet man sich die aktuelle Weltsituation ist klar, dass eine weitere gemeinsame Zukunft nur über noch mehr Kooperation und Kommunikation gelingen kann. Alle Weltanschauungen, die von Aus- und Abgrenzung zu leben scheinen, von Wissensfeindlichkeit, erscheinen hier wie Bremsklötze des Lebens. Einen Automatismus zum Besseren gibt es aber wohl nicht.
  5. Klar dürfte nur sein, dass eine Panzerpolitik dort fehl am Platze ist, wo es um Anschauungen in den köpfen geht. Nicht mehr Panzer sind gefragt, sondern mehr Lehrer, mehr Diskussion, mehr Kommunikation, mehr Aufklärung, mehr Wissen um das, was das Leben im Innersten zusammenhält und ermöglicht. Der Text eines Faust ist wenig hilfreich, um die Zukunft zu gestalten. Eine Kulturrevolution tut Not! Eine Kulturrevolution des mehr Wissens und mehr wechselseitigen Verstehens. Denn auch ein Industrie 4.0 wird zerstören, wenn sie nicht gesellschaftlich integriert wird. Auch hier muss in den Köpfen mehr geschehen als nur ein Denken in betriebswirtschaftichen Effizienzen. Das wäre zu einfach.

Einen Überblick über alle Einträge von cagent im Blog nach Inhalten findet sich HIER.

MEMO PHILOSOPHIE-WERKSTATT 14.Juni 2015 in der DENKBAR FRANKFURT

KONTEXT

Die Philosophiewerkstatt am 14.Juni 2015 – begleitet von einem wunderbaren Sommerwetter und eingebettet in kulinarische Produktionen von Reinhard Graef – folgte dem Programmentwurf der Einladung vom 8.Juni 2015.

Thematischer Ausgangspunkt für den 14.Juni war die Philosophiewerkstatt vom 10.Mai 2015 gewesen. In dieser hatte es unter dem Titel „ENTSCHEIDEN IN EINER MULTIKAUSALEN WELT?“ ein gemeinsames Gespräch gegeben, das sehr viele Zusammenhänge zutage gefördert hatte. Die Rolle der Politik blieb aber relativ unbestimmt; verkürzt: eine Art Lobbyistenverein, der sich nur noch bei den Wahlen um Wähler kümmert.

KURZEINFÜHRUNG

Dies animierte Reinhard Graef – ein ausgebildeter Ökonom (mit starkem Soziologieanteil) – zu einem Input für das Treffen am 14.Juni 2015: Ausgehend von dem Buch ‚Postdemokratie‘ (DE: 2008, EN: 2004) des Politikwissenschaftlers Colin Crouch fasste er die wichtigsten Thesen von Crouch zusammen und ermöglichte uns allen einen neuen Einstieg in das Thema (siehe Bild).

Memo Philosophiewerkstatt vom 14.Juni 2015 - Colin Crouch referiert von Graef - Gruppengespräch
Memo Philosophiewerkstatt vom 14.Juni 2015 – Colin Crouch referiert von Graef – Gruppengespräch

Crouch – in der Sicht von Reinhard Graef – spannt in seinen Thesen die drei Pole auf: (i) die Bevölkerung (als apathische Masse), (ii) die Wirtschaft (heute globalisiert und anonymisiert), und (iii) die Politik (von wirtschaftlichen Interessen dominiert, Demokratie nur noch als vom Marketing gesteuerte Wahlen). Dieses Bild wurde anhand von weiteren Thesen differenziert, gelegentlich auch ergänzt um Parallelen zwischen England und der Deutschen Politik.

Zwar als Monster hingestellt beeindruckten Personen wie Hitler, Mussolini und Stalin die westlichen Politiker (und Firmenchefs) doch darin, wie man ‚die Massen‘ für etwas begeistern kann. Die Steuerung der Medien und die Verflachung der Inhalte sind mittlerweile ‚Standard‘ auch in westlichen Demokratien. Der westlich-demokratische Politikbetrieb (speziell in den USA) tendiert immer mehr zu einer Propagandaschlacht, in der Marketingspezialisten den obersten Ton angeben. Differenzierte politische Diskurse sind ‚unpassend‘.

Dieser marketingorientierte Politikbetrieb beherrscht mittlerweile auch immer mehr den Alltag. Pressekonferenzen leben vom Verschweigen, Abwiegeln, Verweigern, Dementis, Floskeln. Hier manifestiert sich eine Verachtung des Wählerwillens und zugleich ein Verbergen von politischer Unfähigkeit hinter Floskeln.

Durch die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft entziehen sich die großen Firmen einerseits dem Einfluss nationaler Politik, zugleich versuchen sie aber die nationalen Infrastrukturen (Verkehr, Recht, Arbeitskräfte, …) für ihre Marktaktivitäten zu nutzen bei minimalen Steuern. In den letzten Jahren versucht die Politik durch eine vermehrte internationale Kooperation den globalen Ausbeutungen nationaler Ressourcen entgegen zu steuern, aber durch die starken Bindungen einzelner Politiker an große Konzerne fehlt diesen Maßnahmen bislang der richtige ‚Biss‘.

Colin Crouch sieht die Bevölkerung als apathische Masse, die das alles mit sich geschehen lässt. Andererseits deutet sich an, dass mit einem wachsenden Bildungs- und Aufklärungsniveau die Wahrnehmung geschärft werden kann und dass sich partielle Widerstände ausbilden, die sich dann doch über die Wahlen direkt auf die Politik auswirken können.

GESPRÄCH

Im Gespräch wurden alle diese Punkte aufgegriffen und vertieft. Das Gespräch nahm dann aber seine ganz eigene Richtung.

BEVÖLKERUNG

Das Gespräch hakte bei der Bevölkerung ein. Was ist mit dieser apathischen Masse? Haben wir apathische Jugendliche mit einer Sinnkrise? Sind die sozialen Stellungen tatsächlich mittlerweile eher fest, weniger durchlässig? Wachsende Ungleichheit, speziell beim Vermögen ist aktenkundig. Was macht dies mit der Gesellschaft? Haben wir eine ‚Kultur der Abrichtung‘, die im Kindergarten beginnt, sich in der Schule fortpflanzt und bei den Studenten nur noch willenlos-apathische Mehrheiten hinterlässt?

Ein Vertreter der jüngeren Generation (Student) widersprach diesem Bild. Die Jugendlichen sind nicht grundsätzlich apathisch, aber ihnen fehlen kritische Leitbilder, an denen sie ihr Verhalten ausrichten können. Er kritisierte seine Eltern, dass sie ihn eigentlich nicht zu einer Haltung des kritischen Hinterfragens erzogen haben.

Dies führte zu der Arbeitshypothese, dass die Menschen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene) heute nicht schlechter sind als zu früheren Zeiten, dass aber die allgemeine Bildung und Ausbildung zu wenig Anreize liefert, sich kritisch und kreativ mit der Gesellschaft, der Politik und der Wirtschaft aktiv auseinander zu setzen.

FAKTOREN

Dies kann viele Gründe haben. Einmal natürlich die Arbeitswelt selbst, die durch ihre Anforderungen wenig Zeit und wenig Kraft übrig lässt, sich daneben noch aktiv mit Fragen des Lebens zu beschäftigen. Zum anderen die Medienwelt, die kritische Informationen, gedankliche anfordernde Inhalte eher meiden (Einschaltquoten).[Anmerkung: bei dem zweitgrößten Radiosender Europas darf keine Sekunde gesendet werden, die nach dem empirisch ermittelten Bild der Hörer des Senders den Eindruck erwecken könnten, das Wohlbefinden des Hörers zu stören. Es werden Millionen Euros nur dafür ausgegeben, zu wissen, wie der Hörer fühlt, denkt, und handelt]. Die Frage der ‚Wahrheit‘ der Quellen stellt sich: Wem kann man noch vertrauen? Ferner die gesamte Kultur samt ihren Bildungseinrichtungen, die eher zur ‚Anpassung‘ erzieht, zum ‚Wohlverhalten‘, zum ‚Nichtfragen‘ (‚Kultur der Abrichtung‘) als zum kritischen Hinterfragen, zum Widerstand, zur jugendlichen Revolte, um sich im Gegensatz neu finden zu können. Schließlich die Politik, die sich über Wählermüdigkeit beklagt, aber selbst ein massive Politikverweigerung täglich demonstriert: Wähler nicht ernst nehmen, statt fachlich-kundige Expertise Schlagworte, Floskeln, Pressekonferenzen als Aussageverweigerung, extremer Lobbyismus ohne offizielle Transparenz, usw.

ALTERNATIVE DURCH AUFKLÄRUNG

Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage nach einer Alternative zu einer ‚Kultur der Abrichtung‘.

Das Wort ‚Aufklärung‘ kam ins Spiel, eine Kultur der Aufklärung. Hier stellten sich viele Fragen: Woher soll die Zeit kommen, die man braucht, sich kritisch verhalten zu können? Das Effizienz- und Leistungsdenken steht dem bislang diametral entgegen. Und wenn aufklärendes Wissen und Handeln zu einer Veränderung führen könnte, wie viel Zeit muss man realistisch veranschlagen, bis Veränderungen greifen? Wichtige Prozesse brauchen Jahre, Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte. Wer hat soviel Geduld?

Zu Aufklärung gehören auch Fragen wie die nach dem ‚richtigen Wissen‘, nach den ‚angemessenen Werten‘. Woher soll das kommen? Wer kann es wissen? Muss man sich dazu nicht mit anderen zusammen tun? Woher weiß eine Gruppe, ob sie nicht als Gruppe irrt? In der Geschichte gibt es genügend Beispiele, dass Gruppen sich in eine Idee verrannt hatten und dann scheiterten? Andererseits, wenn etwas wirklich ’neu‘ und ‚innovativ‘ ist, dann ist es fremd, unbekannt, erzeugt Irritation und Ängste, fördert Ablehnung. Kritisch-innovativ sein heißt dann nicht, dass man unbedingt ‚gesellschaftlich erfolgreich‘ ist. Kann oder muss man diese Ablehnung trainieren? Muss man das ‚Anderssein‘ üben? Einige berichteten, dass sie tatsächlich so etwas wie einen gesellschaftlichen Erwartungsdruck spüren, dass man bestimmte Dinge so und so tut. Sich anders ernähren, sich anders bewegen, sich anders kleiden usw. geht nicht ohne eine gewisse Anstrengung und Überwindung. Zusätzlich stellt man fest, dass man zwar A als eigentlich besser erkannt hat, dass man persönlich aber noch an Nicht-A hängt (Bedürfnisse, Gewohnheiten, Leidenschaften, Ängste, …). Dies verhindert eine Änderung.

In diesem Zusammenhang kam auch der Hinweis auf das hohe Potential an Selbsttäuschung, das jeder in sich trägt. Das ‚bewusste Wissen‘ ist ja nur ein winziger Ausschnitt aus dem riesigen Raum des ‚Nicht-Bewussten‘, der angefüllt ist mit einem komplexen Netzwerk an Bedürfnissen, Emotionen, Gefühlen, Ängsten und komplexen Denkprozessen. Wenn man nicht lernt, diese nicht-bewussten Anteile ein wenig einzuschätzen, dann meint man zwar, A zu tun wegen B, aber im nicht-bewussten Teil von einem selbst tut man A wegen C. Und dann wundert man sich, warum die Dinge dann anders laufen, als man wollte oder warum man auf Dauer krank wird.

Schließlich ist auch noch zu erwähnen, dass die besten Ideen nichts nützen, wenn man etwas plant und einfach nicht über die notwendigen Voraussetzungen verfügt. Ein Schuss Realismus bei der Übernahme von Aufgaben – speziell bei der Einschätzung der notwendigen Zeit – ist wichtig.

FORTSETZUNG DER PHILOSOPHIEWERKSTATT IN DER DENKBAR?

Wie beim letzten Treffen angekündigt, sollte bei dem letzten Treffen vor der Sommerpause auch darüber gesprochen werden, ob man das Experiment Philosophiewerkstatt in der DENKBAR fortsetzen soll oder nicht. Falls Ja, wie weiter?

Es gab ein überraschend einhelliges sehr klares Votum aller TeilnehmerInnen, dass diese Form des gemeinsamen Sprechens und Einsichten Findens von allen als sehr positiv, hilfreich, anregend usw. erlebt wird. Alle votierten für eine Fortsetzung im Herbst, wieder jeder 2.Sonntag im Monat, 16:00h, Start So 11.Oktober 2015. Ergänzung oder Verzahnung mit anderen Veranstaltungen ist möglich. Allerdings wurde von allen auch betont, dass diese Gesprächsform keine zu großen Teilnehmerzahlen verträgt.

BUCH ZUM BLOG cognitiveagent.org

Gerd Doeben-Henisch wies daruf hin, dass er bis Ende August versucht, auf 100 Seiten die ca. 1500 Seiten seines Blogs ‚lesbar‘ zusammen zu fassen. Eine Veröffentlichung ist für November 2015 geplant. Bis dahin gibt es einen Vorabdruck für jedes Kapitel im Blog selbst.

INFORMATIK & GESELLSCHAFT – Kurzbericht

Änerung: 19.März 2015 (Die Künslergruppe Reul & Härtel hat das Foto mit Ihnen durch ein Bild aus ihr Performance (‚visualexploration‘) ersetzen lassen)
Änderung: 20.Nov.2014 (Einfügung Videoschnappschuss von der Uraufführung des Eingangereignisses)

Wie schon zuvor in diesem Blog darauf hingewiesen gab es am 8.November 2014 in der Frankfurt University of Applied Sciences eine recht interessante Veranstaltung INFORMATIK & GESELLSCHAFT. Computer und Geist. Aspekte einer Standortbestimmung. Im Folgenden ein kurzer Bericht mit einigen Schnappschüssen. Alle Bilder sind von Dominik Wolf, dem es gelungen ist, unter schwierigen Lichtverhältnissen doch das eine oder andere Bild zu schiessen. Die beiden ersten Bilder sind allerdings von Anita Henisch, die dann wegen der schwierigen Lichtverhältnisse aufgegeben hatte. Von Dominik Wolf selbst gibt es leider kein Foto, was schade ist, da er die Hauptlast der Organisation getragen hat.

13.20 Uhr Eingangsereignis Computermediated Sound/Images 1
(cagentArtist & Guido May)

cagentartist im Gespräch mit Guido May vor der Uraufführung von 'Little CRUNCS symphony No.1'
cagentartist im Gespräch mit Guido May vor der Uraufführung von ‚Little CRUNCS symphony No.1‘
Jazz-Schlagzeuger Guido May während der Uraufführung von 'Little CRUNCS symphony No.1'
Jazz-Schlagzeuger Guido May während der Uraufführung von ‚Little CRUNCS symphony No.1‘

Hier ein Video Schnappschuss von Dominik Wolf. Dies war nicht als Dokumentation geplant; aber da der geplante Tonmitschnitt leider nicht verfügbar ist, ist dies nun das einzige Zeugnis der 20 Minuten-Uraufführung.

Das Stück ‚Little CRUNCS symphony No.1‘ wirkte auf den ersten Blick wie sinfonische Musik, war aber vollständig im Computer generiert worden. Sieben verschiedene Eingangsklänge wurden auf unterschiedliche Weise algorithmisch bearbeitet und miteinander verzahnt. Viele Zuhörer sagten anschliessend, dass für sie das Schlagzeugspiel sehr wichtig gewesen sei. Ohne dieses hätten sie sich mit dem reinen Soundtrack schwer getan. So aber war es ein Erlebnis. Auch für den erfahrenen Jazz-Schlagzeuger Guido May war das Stück, wie er sagte, eine besondere Herausforderung. Alle ihm bekannten Muster passten bei diresdem Stück nicht. Er musster sich die Rolle des Schlagzeugs hier speziell erarbeiten.

13.45 Uhr Begrüßungen
(Moderator Prof. Doeben-Henisch, Sprecher ForschungsCampus FC3 & Informatik Cluster Fb2 Prof. Schäfer, Dekan Fb2 Prof. Morkramer, Vizepräsident Wissenschaft Infrastruktur Forschungstransfer der Frankfurt University of Applied Sciences Prof. Schrader)

Begrüssung und Moderation von Prof.Dr.Gerd Doeben-Henisch
Begrüssung und Moderation von Prof.Dr.Gerd Doeben-Henisch

Prof.Doeben-Henisch bei der Begrüßung. Es war die erste Veranstaltung dieser Art für die Informatik an der Hochschule. So war es sehr erfreulich, dass so viele sich aktiv und engagiert bei dieser Veranstaltung beteiligt haben.

Sehr persönliche Grußworte vom Dekan des Fb2 Prof. Achim Morkramer
Sehr persönliche Grußworte vom Dekan des Fb2 Prof. Achim Morkramer

Prof. Morkramer,  der Dekan des Fb2, verstand es, am Beispiel seiner eigenen Familie lebendig werden zu lassen, wie schnell die Computer innerhalb von zwei  Generationen aus dem Nichts aufstiegen und heute alles durchdringen. Erst jetzt beginnen wir Menschen scheinbar zu begreifen, welche große Folgen dies für uns alle haben kann, nicht nur positiv, sondern auch negativ.

Grussworte mit einer Vision: Vizepräsident für Infrastruktur, Weiterbildung  und Forschung, Prof.Dr. Ulrich Schrader
Grussworte mit einer Vision: Vizepräsident für Infrastruktur, Weiterbildung und Forschung, Prof.Dr. Ulrich Schrader

Der Vizepräsident für Weiterbildung, Infrastruktur und Forschung, Prof. Dr. Schrader, griff sich aus den vielfältigen Entwicklungen jenen Bereich heraus, der ihn selbst besonders betrifft, den Bereich neuer Unterrichtstechnologien. So wunderbar diese neue Welt auch erscheint, er machte darauf aufmerksam, dass der Aufwand für eine volle Nutzung dieser neuen technologischen Möglichkeiten, von einer einzelnen Hochschule kaum gestemmt werden kann. Er wagte einen visionären Ausblick dahingehend, ob nicht Hochschule, Behörden und Wirtschaft zusammen ein ‚Leuchtturmprojekt‘ gemeinsamer neuer digitaler interaktiver Lernräume stemmen sollten. Eine Frage, die noch immer weiterhallt, auch nach der Veranstaltung.

14.00 Uhr Geist zum Nulltarif? Philosophische Aspekte zur Herkunft und zur Zukunft der Informatik. Vortrag und Diskussion
(Prof. Dr. phil. Dipl. theol G. Doeben-Henisch)

Eine Folie aus dem Vortrag von Prof. Doeben-Henisch
Eine Folie aus dem Vortrag von Prof. Doeben-Henisch

Unter dem Titel ‚Geist zum Nulltarif‘ ordnete Prof. Doeben-Henisch   den Menschen mit seiner ‚Geistigkeit‘ ein in die Ideengeschichte (‚Geist‘ in der antiken griechischen Philosophie, hier verankert im Phänomen des ‚Atmens‘ (Verb: ‚pneo‘) erweitert zum Lebensprinzip (Substantiv ‚pneuma‘)) und in die Evolution des Lebendigen (‚Geist‘ als eine inhärente Eigenschaft des Biologischen selbst). Die strukturellen Übereinstimmungen zwischen dem Prinzip Computer und biologischen Zellen bis hin zum Gehirn lassen heute nicht erkennen, warum der Computer den Menschen in seinen Fähigkeiten nicht übertreffen können sollte. Die – besonders in den USA – vertretene Hypothese von der kommenden ‚technologischen Singularität‘ geht schon ganz selbstverständlich davon aus, dass die Tage der Menschen gezählt sind; die ‚intelligenten Maschinen‘ werden ‚übernehmen’…

15.00 Uhr Informatik und Gesellschaft Soziologische und kulturanthropologische Aspekte der neuen Informationstechnologien. Vortrag und Diskussion
(Prof. Dr. habil. Dipl. soz. Manfred Faßler)

Reflexion im Vollzug: Prof.Dr.habil Manfred Fassler (Goethe Universität)
Reflexion im Vollzug: Prof.Dr.habil Manfred Fassler (Goethe Universität)

Dass diese ‚Anpassbarkeit‘ des Computers an gesellschaftliche Abläufe und psychischen Bedürfnissen massive Rückwirkungen auf das Verhalten der Menschen und viele soziale Strukturen hat, thematisierte Prof. Fassler. Er identifizierte in den beobachtbaren Veränderungen einen großen Forschungsbedarf: wie können wir verhindern, dass die Menschen zu bloßen ‚Anhängsel‘ eines einzigen großen kybernetischen Systems werden, das  einer ’smarten Humanität‘ zuwider läuft? Und in der Tat, der Reflexionsbedarf der heutigen Informatik gerade mit Blick auf Soziologie und Kulturanthropologie ist drängend; wo aber sind die zugehörigen Forschungsgruppen und Forschungsprogramme?

16.00 Uhr Pause Computermediated Sound/Images 2
(Philip Reul & Markus Härtel)

Momentaufnahme von der Performance Haertel-Reul
Momentaufnahme von der Performance Haertel-Reul

Die wunderbaren Bilder von Härtel/ Reul, die auf der digitalen Verarbeitung von analogen Prozessen in verschiedenen Flüssigkeiten beruhten, ließen in der ersten Pause  dann etwas Leichtigkeit aufblitzen, einen Hauch von Schönheit. Zu erwähnen ist, dass Philip Reul auch Absolvent des Bachelor-Studiengangs Informatik der Hochschule ist sowie des interdisziplinären Masterstudiengangs ‚Barrierefreie Systeme‘ (BaSys).

visualexploration-8nov2014
visualexploration-8nov2014 von Härtel & Reul

16.30 Uhr Verkehr von morgen. Total umsorgt, total verkauft? Über Uber, Überwachung, und die neue Mobilität. Vortrag und Diskussion
(Prof. Dr. Jörg Schäfer)

Klar und direkt: Prof.Dr. Jörg Schäfer zur Missachtung der Privatsphäre
Klar und direkt: Prof.Dr. Jörg Schäfer zur Missachtung der Privatsphäre

Prof. Schäfer demonstrierte dann am Beispiel der Mauterfassung, wie das vorhandene Knowhow der Informatik von der Politik nicht genutzt wird, um  die Privatsphäre bei der Mauterfassung zu wahren. Stattdessen wird direkt auf die Privatheit zugegriffen. Am Beispiel des neuen  Fahrgastvermittlungssystem Uber illustrierte Schäfer, wie einige wenige Kapitalgeber mit einer einfachen, billigen Software weltweit hohe Vermittlungsgebühren einziehen können, ohne juristische Verantwortung für das Fahrgastgeschäft selbst zu übernehmen. Er fragte, warum die Bürger dies nicht selbst organisieren, z.B. mit einer  ‚genossenschaftlichen Bürgerplattform‘. Noch weiter gedacht: warum sollten Studierende, Professoren und Bürger nicht solch eine Genossenschaft gründen?

17.30 Uhr Robot-Fabriken. Erhöhung der Produktivität; wo bleibt die Arbeit? Vortrag und Diskussion
( Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke)

Konnte begeistern: Prof.Dr. Oliver Schocke (Fb3) zur Notwendigkeit der Automatisierung
Konnte begeistern: Prof.Dr. Oliver Schocke (Fb3) zur Notwendigkeit der Automatisierung

Das Thema ‚Automatisierung‘ bzw. ‚Roboter-Fabriken‘ ist in der Öffentlichkeit wegen unterstelltem Arbeitsplatzverlust schon mit Vorbehalten verhaftet. Prof. Schocke verstand es aber, in einem sehr engagierten Vortrag zunächst einmal die Notwenigkeit einer Produktivitätssteigerung durch weiter automatisierte Fabriken zu klären. Der internationale Konkurrenzdruck zwingt Deutschland, hier an vorderster Stelle mit zu halten. Allerdings zeigte die lebhafte Diskussion, dass damit das Problem der oft zitierten Arbeitsplatzvernichtung möglicherweise noch nicht völlig beantwortet ist. In der Diskussion wurde klar, dass hier alle betroffenen gesellschaftlichen Kräfte herausgefordert sind nach Lösungen zu suchen. den Unternehmen alleine kann man dies nicht anlasten.

18.30 Uhr Pause Computermediated Sound/Images 3
(acrylnimbus)

Tobias Schmitt nach seiner Performance im Gespräch mit einer Teilnehmerin
Tobias Schmitt nach seiner Performance im Gespräch mit einer Teilnehmerin

Tobias Schmitt, ehemaliger Absolvent der Informatik – noch mit dem klassischen Diplom –, der zugleich seit gut 20 Jahren auch experimentelle Musik produziert, komponiert, performed, zeigte ein eigens Kunstvideo parallel zu einem eigenen Soundtrack, den er live spielte.

19.30 Uhr Video Slam zum Thema Informatik und Gesellschaft (Länge eines Videos maximal 7-Min, künstlerisch oder wissenschaftlich, Publikumspreise für die zwei besten Beiträge)

 Video--Slam Preisverleihung: Wie man sieht, herrschte eine gute Stimmung. Von links nach rechts: die Professoren Schäfer und Doeben-Henisch mit den Preisträgern Siegfried Kärcher und Tom Pluemmer
Video–Slam Preisverleihung: Wie man sieht, herrschte eine gute Stimmung. Von links nach rechts: die Professoren Schäfer und Doeben-Henisch mit den Preisträgern Siegfried Kärcher und Tom Pluemmer

Obgleich die Vorlaufzeit für den Videowettbewerb vergleichsweise sehr kurz war hatte es Einsendungen gegeben und es war möglich, den vom Förderkreis der Hochschule gestifteten Preis an zwei Preisträger zu überreichen. Sowohl Siegfried Härtel wie auch Tom Pluemmer sind profiliert Kunstschaffende. Während Tom Pluemmer seinen Schwerpunkt im Bereich Film hat, hat Siegfried Kärcher in seinem Leben schon eine ganze Bandbreite von künstlerische Aktivitäten aufzuweisen. Darin kommt eine intensive Auseinandersetzung mit Computern in ihren vielschichtigen Einsatzmöglichkeiten ebenso vor wie Lichttechnik, Sounddesign und Videokunst, um nur einiges zu nennen.

Das Cafe1 während der Pausen - Essen, Trinken, Kommunizieren
Das Cafe1 während der Pausen – Essen, Trinken, Kommunizieren

21.30-23.00 Uhr Ausgangsereignis Computermediated Sound/Images 4
(Werkstattgespräch mit den Künstlern; Digital Jam-Session)

Digitale Jam-Session: Tobias Schmitt und Guido May nach dem Video-Slam
Digitale Jam-Session: Tobias Schmitt und Guido May nach dem Video-Slam

Hier eine Momentaufnahme von der inspirierenden Improvisation Tobias Schmitt & Guido May. Leider viel zu kurz …

Weitere Berichte, Kommentare können möglicherweise noch folgen. Insbesondere sollen noch Links auf die beiden prämierten Videos folgen.

Eine erste Nachreflexion von cagent zur Tagungfindet sich HIER.

Einen Überblick über alle Einträge in diesem Blog nach Titeln findet sich HIER.