Archiv der Kategorie: Kunst – interaktive

INFORMATIK & GESELLSCHAFT – Kurzbericht

Änerung: 19.März 2015 (Die Künslergruppe Reul & Härtel hat das Foto mit Ihnen durch ein Bild aus ihr Performance (‚visualexploration‘) ersetzen lassen)
Änderung: 20.Nov.2014 (Einfügung Videoschnappschuss von der Uraufführung des Eingangereignisses)

Wie schon zuvor in diesem Blog darauf hingewiesen gab es am 8.November 2014 in der Frankfurt University of Applied Sciences eine recht interessante Veranstaltung INFORMATIK & GESELLSCHAFT. Computer und Geist. Aspekte einer Standortbestimmung. Im Folgenden ein kurzer Bericht mit einigen Schnappschüssen. Alle Bilder sind von Dominik Wolf, dem es gelungen ist, unter schwierigen Lichtverhältnissen doch das eine oder andere Bild zu schiessen. Die beiden ersten Bilder sind allerdings von Anita Henisch, die dann wegen der schwierigen Lichtverhältnisse aufgegeben hatte. Von Dominik Wolf selbst gibt es leider kein Foto, was schade ist, da er die Hauptlast der Organisation getragen hat.

13.20 Uhr Eingangsereignis Computermediated Sound/Images 1
(cagentArtist & Guido May)

cagentartist im Gespräch mit Guido May vor der Uraufführung von 'Little CRUNCS symphony No.1'
cagentartist im Gespräch mit Guido May vor der Uraufführung von ‚Little CRUNCS symphony No.1‘
Jazz-Schlagzeuger Guido May während der Uraufführung von 'Little CRUNCS symphony No.1'
Jazz-Schlagzeuger Guido May während der Uraufführung von ‚Little CRUNCS symphony No.1‘

Hier ein Video Schnappschuss von Dominik Wolf. Dies war nicht als Dokumentation geplant; aber da der geplante Tonmitschnitt leider nicht verfügbar ist, ist dies nun das einzige Zeugnis der 20 Minuten-Uraufführung.

Das Stück ‚Little CRUNCS symphony No.1‘ wirkte auf den ersten Blick wie sinfonische Musik, war aber vollständig im Computer generiert worden. Sieben verschiedene Eingangsklänge wurden auf unterschiedliche Weise algorithmisch bearbeitet und miteinander verzahnt. Viele Zuhörer sagten anschliessend, dass für sie das Schlagzeugspiel sehr wichtig gewesen sei. Ohne dieses hätten sie sich mit dem reinen Soundtrack schwer getan. So aber war es ein Erlebnis. Auch für den erfahrenen Jazz-Schlagzeuger Guido May war das Stück, wie er sagte, eine besondere Herausforderung. Alle ihm bekannten Muster passten bei diresdem Stück nicht. Er musster sich die Rolle des Schlagzeugs hier speziell erarbeiten.

13.45 Uhr Begrüßungen
(Moderator Prof. Doeben-Henisch, Sprecher ForschungsCampus FC3 & Informatik Cluster Fb2 Prof. Schäfer, Dekan Fb2 Prof. Morkramer, Vizepräsident Wissenschaft Infrastruktur Forschungstransfer der Frankfurt University of Applied Sciences Prof. Schrader)

Begrüssung und Moderation von Prof.Dr.Gerd Doeben-Henisch
Begrüssung und Moderation von Prof.Dr.Gerd Doeben-Henisch

Prof.Doeben-Henisch bei der Begrüßung. Es war die erste Veranstaltung dieser Art für die Informatik an der Hochschule. So war es sehr erfreulich, dass so viele sich aktiv und engagiert bei dieser Veranstaltung beteiligt haben.

Sehr persönliche Grußworte vom Dekan des Fb2 Prof. Achim Morkramer
Sehr persönliche Grußworte vom Dekan des Fb2 Prof. Achim Morkramer

Prof. Morkramer,  der Dekan des Fb2, verstand es, am Beispiel seiner eigenen Familie lebendig werden zu lassen, wie schnell die Computer innerhalb von zwei  Generationen aus dem Nichts aufstiegen und heute alles durchdringen. Erst jetzt beginnen wir Menschen scheinbar zu begreifen, welche große Folgen dies für uns alle haben kann, nicht nur positiv, sondern auch negativ.

Grussworte mit einer Vision: Vizepräsident für Infrastruktur, Weiterbildung  und Forschung, Prof.Dr. Ulrich Schrader
Grussworte mit einer Vision: Vizepräsident für Infrastruktur, Weiterbildung und Forschung, Prof.Dr. Ulrich Schrader

Der Vizepräsident für Weiterbildung, Infrastruktur und Forschung, Prof. Dr. Schrader, griff sich aus den vielfältigen Entwicklungen jenen Bereich heraus, der ihn selbst besonders betrifft, den Bereich neuer Unterrichtstechnologien. So wunderbar diese neue Welt auch erscheint, er machte darauf aufmerksam, dass der Aufwand für eine volle Nutzung dieser neuen technologischen Möglichkeiten, von einer einzelnen Hochschule kaum gestemmt werden kann. Er wagte einen visionären Ausblick dahingehend, ob nicht Hochschule, Behörden und Wirtschaft zusammen ein ‚Leuchtturmprojekt‘ gemeinsamer neuer digitaler interaktiver Lernräume stemmen sollten. Eine Frage, die noch immer weiterhallt, auch nach der Veranstaltung.

14.00 Uhr Geist zum Nulltarif? Philosophische Aspekte zur Herkunft und zur Zukunft der Informatik. Vortrag und Diskussion
(Prof. Dr. phil. Dipl. theol G. Doeben-Henisch)

Eine Folie aus dem Vortrag von Prof. Doeben-Henisch
Eine Folie aus dem Vortrag von Prof. Doeben-Henisch

Unter dem Titel ‚Geist zum Nulltarif‘ ordnete Prof. Doeben-Henisch   den Menschen mit seiner ‚Geistigkeit‘ ein in die Ideengeschichte (‚Geist‘ in der antiken griechischen Philosophie, hier verankert im Phänomen des ‚Atmens‘ (Verb: ‚pneo‘) erweitert zum Lebensprinzip (Substantiv ‚pneuma‘)) und in die Evolution des Lebendigen (‚Geist‘ als eine inhärente Eigenschaft des Biologischen selbst). Die strukturellen Übereinstimmungen zwischen dem Prinzip Computer und biologischen Zellen bis hin zum Gehirn lassen heute nicht erkennen, warum der Computer den Menschen in seinen Fähigkeiten nicht übertreffen können sollte. Die – besonders in den USA – vertretene Hypothese von der kommenden ‚technologischen Singularität‘ geht schon ganz selbstverständlich davon aus, dass die Tage der Menschen gezählt sind; die ‚intelligenten Maschinen‘ werden ‚übernehmen’…

15.00 Uhr Informatik und Gesellschaft Soziologische und kulturanthropologische Aspekte der neuen Informationstechnologien. Vortrag und Diskussion
(Prof. Dr. habil. Dipl. soz. Manfred Faßler)

Reflexion im Vollzug: Prof.Dr.habil Manfred Fassler (Goethe Universität)
Reflexion im Vollzug: Prof.Dr.habil Manfred Fassler (Goethe Universität)

Dass diese ‚Anpassbarkeit‘ des Computers an gesellschaftliche Abläufe und psychischen Bedürfnissen massive Rückwirkungen auf das Verhalten der Menschen und viele soziale Strukturen hat, thematisierte Prof. Fassler. Er identifizierte in den beobachtbaren Veränderungen einen großen Forschungsbedarf: wie können wir verhindern, dass die Menschen zu bloßen ‚Anhängsel‘ eines einzigen großen kybernetischen Systems werden, das  einer ’smarten Humanität‘ zuwider läuft? Und in der Tat, der Reflexionsbedarf der heutigen Informatik gerade mit Blick auf Soziologie und Kulturanthropologie ist drängend; wo aber sind die zugehörigen Forschungsgruppen und Forschungsprogramme?

16.00 Uhr Pause Computermediated Sound/Images 2
(Philip Reul & Markus Härtel)

Momentaufnahme von der Performance Haertel-Reul
Momentaufnahme von der Performance Haertel-Reul

Die wunderbaren Bilder von Härtel/ Reul, die auf der digitalen Verarbeitung von analogen Prozessen in verschiedenen Flüssigkeiten beruhten, ließen in der ersten Pause  dann etwas Leichtigkeit aufblitzen, einen Hauch von Schönheit. Zu erwähnen ist, dass Philip Reul auch Absolvent des Bachelor-Studiengangs Informatik der Hochschule ist sowie des interdisziplinären Masterstudiengangs ‚Barrierefreie Systeme‘ (BaSys).

visualexploration-8nov2014
visualexploration-8nov2014 von Härtel & Reul

16.30 Uhr Verkehr von morgen. Total umsorgt, total verkauft? Über Uber, Überwachung, und die neue Mobilität. Vortrag und Diskussion
(Prof. Dr. Jörg Schäfer)

Klar und direkt: Prof.Dr. Jörg Schäfer zur Missachtung der Privatsphäre
Klar und direkt: Prof.Dr. Jörg Schäfer zur Missachtung der Privatsphäre

Prof. Schäfer demonstrierte dann am Beispiel der Mauterfassung, wie das vorhandene Knowhow der Informatik von der Politik nicht genutzt wird, um  die Privatsphäre bei der Mauterfassung zu wahren. Stattdessen wird direkt auf die Privatheit zugegriffen. Am Beispiel des neuen  Fahrgastvermittlungssystem Uber illustrierte Schäfer, wie einige wenige Kapitalgeber mit einer einfachen, billigen Software weltweit hohe Vermittlungsgebühren einziehen können, ohne juristische Verantwortung für das Fahrgastgeschäft selbst zu übernehmen. Er fragte, warum die Bürger dies nicht selbst organisieren, z.B. mit einer  ‚genossenschaftlichen Bürgerplattform‘. Noch weiter gedacht: warum sollten Studierende, Professoren und Bürger nicht solch eine Genossenschaft gründen?

17.30 Uhr Robot-Fabriken. Erhöhung der Produktivität; wo bleibt die Arbeit? Vortrag und Diskussion
( Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke)

Konnte begeistern: Prof.Dr. Oliver Schocke (Fb3) zur Notwendigkeit der Automatisierung
Konnte begeistern: Prof.Dr. Oliver Schocke (Fb3) zur Notwendigkeit der Automatisierung

Das Thema ‚Automatisierung‘ bzw. ‚Roboter-Fabriken‘ ist in der Öffentlichkeit wegen unterstelltem Arbeitsplatzverlust schon mit Vorbehalten verhaftet. Prof. Schocke verstand es aber, in einem sehr engagierten Vortrag zunächst einmal die Notwenigkeit einer Produktivitätssteigerung durch weiter automatisierte Fabriken zu klären. Der internationale Konkurrenzdruck zwingt Deutschland, hier an vorderster Stelle mit zu halten. Allerdings zeigte die lebhafte Diskussion, dass damit das Problem der oft zitierten Arbeitsplatzvernichtung möglicherweise noch nicht völlig beantwortet ist. In der Diskussion wurde klar, dass hier alle betroffenen gesellschaftlichen Kräfte herausgefordert sind nach Lösungen zu suchen. den Unternehmen alleine kann man dies nicht anlasten.

18.30 Uhr Pause Computermediated Sound/Images 3
(acrylnimbus)

Tobias Schmitt nach seiner Performance im Gespräch mit einer Teilnehmerin
Tobias Schmitt nach seiner Performance im Gespräch mit einer Teilnehmerin

Tobias Schmitt, ehemaliger Absolvent der Informatik – noch mit dem klassischen Diplom –, der zugleich seit gut 20 Jahren auch experimentelle Musik produziert, komponiert, performed, zeigte ein eigens Kunstvideo parallel zu einem eigenen Soundtrack, den er live spielte.

19.30 Uhr Video Slam zum Thema Informatik und Gesellschaft (Länge eines Videos maximal 7-Min, künstlerisch oder wissenschaftlich, Publikumspreise für die zwei besten Beiträge)

 Video--Slam Preisverleihung: Wie man sieht, herrschte eine gute Stimmung. Von links nach rechts: die Professoren Schäfer und Doeben-Henisch mit den Preisträgern Siegfried Kärcher und Tom Pluemmer
Video–Slam Preisverleihung: Wie man sieht, herrschte eine gute Stimmung. Von links nach rechts: die Professoren Schäfer und Doeben-Henisch mit den Preisträgern Siegfried Kärcher und Tom Pluemmer

Obgleich die Vorlaufzeit für den Videowettbewerb vergleichsweise sehr kurz war hatte es Einsendungen gegeben und es war möglich, den vom Förderkreis der Hochschule gestifteten Preis an zwei Preisträger zu überreichen. Sowohl Siegfried Härtel wie auch Tom Pluemmer sind profiliert Kunstschaffende. Während Tom Pluemmer seinen Schwerpunkt im Bereich Film hat, hat Siegfried Kärcher in seinem Leben schon eine ganze Bandbreite von künstlerische Aktivitäten aufzuweisen. Darin kommt eine intensive Auseinandersetzung mit Computern in ihren vielschichtigen Einsatzmöglichkeiten ebenso vor wie Lichttechnik, Sounddesign und Videokunst, um nur einiges zu nennen.

Das Cafe1 während der Pausen - Essen, Trinken, Kommunizieren
Das Cafe1 während der Pausen – Essen, Trinken, Kommunizieren

21.30-23.00 Uhr Ausgangsereignis Computermediated Sound/Images 4
(Werkstattgespräch mit den Künstlern; Digital Jam-Session)

Digitale Jam-Session: Tobias Schmitt und Guido May nach dem Video-Slam
Digitale Jam-Session: Tobias Schmitt und Guido May nach dem Video-Slam

Hier eine Momentaufnahme von der inspirierenden Improvisation Tobias Schmitt & Guido May. Leider viel zu kurz …

Weitere Berichte, Kommentare können möglicherweise noch folgen. Insbesondere sollen noch Links auf die beiden prämierten Videos folgen.

Eine erste Nachreflexion von cagent zur Tagungfindet sich HIER.

Einen Überblick über alle Einträge in diesem Blog nach Titeln findet sich HIER.

BLOG – IN EIGENER SACHE (3)

ENTSCHULDIGUNG…

Ja, fast möchte ich um Entschuldigung bitten, dass sich so schnell schon wieder einen Eintrag ‚in eigener Sache‘ mache (der letzte war jener:
BLOG – IN EIGENER SACHE (2)). Aber die Jahreswende 2013 zu 2014 überschneidet sich mit mit einem Umbruch im Umfeld des Blogs.

UMBRUCH IM UMFELD

Was die Leser dieses Blogs betrifft, ist es schwer zu sagen, ob und wie der Blog sie betrifft und verändert; es werden nur beständig mehr. Was mich als bisherigen Autor betrifft, so kann ich sagen, der Blog hat mich im Laufe der Jahre verändert, sehr verändert. Zwei von diesen Auswirkungen möchte ich hier bekannt geben, da Sie auch allen anderen offenstehen; mehr noch, ich lade hiermit offiziell ein, sich zu beteiligen (wie auch natürlich weiterhin jeder eingeladen ist, durch Kommentare oder eigene Beiträge bei diesem Blog mit zu wirken).

KÜNSTLERLABEL ‚cagentArtist‘

Wie mancher Leser bemerkt haben wird, erwähne ich im Blog immer wieder — und immer mehr — auch die ‚Kunst‘ als jene Verhaltensweise, die abseits der eingefahrenen Bahnen von Alltag und Wissenschaft wesentlich dazu beitragen kann, die Erkundung dieser Welt durch ein verändertes Verhalten zu vertiefen, zu erweitern (Kunst hier also nicht als ‚Kunstfertigkeit‘, so sehr dies in sich beeindrucken kann, sondern als andere Weise des Umgangs mit Wirklichkeit).

Dazu muss man wissen, dass ich selbst mich lange Zeit nicht als Künstler verstanden hatte. Parallel zum Blog, sogar noch einige Monate früher, hatte ich aber, ein anderes ‚Experiment‘ gestartet, das unter dem Label ‚Radically Unplugged Music (RUM)‘ lief. Es war der Versuch, einen Zugang zur Welt der Klänge finden zu können ohne besonders musikalisch zu sein, ohne Instrumente spielen zu können (ein bisschen Violine und Gitarre), ohne Musiktheoretische Ausbildung, ohne eine brauchbare Stimme, ohne …. vor allem ohne Zeit zu haben, etwas zu üben oder Stücke lange zu bearbeiten. Nach ca. 6 Jahren und über 340 aufgenommenen Musikstücken würde ich sagen, es ist mir gelungen, mein Hören zu verändern, mein Gestaltung von Klangereignissen; ich kann nach Wunsch komplexe Musikstücke erzeugen (habe sogar einige Musikvideos produziert, just for fun; sehr anregend; aber hier fehlte dann einfach die Zeit für mehr….). Sicher, die Klänge sind nicht unbedingt etwas für jedermann, aber diese Experimente haben mich in gewisser Weise dazu gebracht, meine Existenz auch aus der Perspektive eines künstlerischen Verhaltens betrachten zu können. Mir ist klar geworden, dass ein ‚Bündnis‘ zwischen Philosophie, Wissenschaft und Kunst nicht nur möglich ist, sondern von der ureigenste Intention und Sache her geradezu notwendig ist.

Ich habe daher einen weiteren Blog ‚gegründet‘, einen ‚kooperierenden‘ Blog, den ich — in ermangelung einer besseren Idee‘ — cagentArtist genannt habe, also der ‚cagent‘ von diesem Blog plus der Kunst (‚art‘, ‚artist‘). Im Rahmen dieses Blogs sollen die Ideen von cognitiveagent.org auf künstlerische Weise variiert, weiter untersucht, tiefer entwickelt usw. werden. Die dort angegebenen Ausdrucksformen/ Vermittlungsformen/ Kommunikationsformen sind grobe Eckwerte. Jeder ist eingeladen, dort mit zu wirken. Im Falle von ‚cagentArtist‘ ist auch nicht ausgeschlossen, dass sich das Konzept mit einer kommerziellen Komponente verknüpft (eShop?), um Gelder für die Unterstützung gewinnen zu können. Aber auch dort soll es primär um die Sache der Erkenntnis, des Lebens, von tragfähigen Zukunftskonzepten für uns alle gehen. ‚Kommerz an sich‘ gibt es genug; wir brauchen ein Interesse am Leben selbst, realisiert von denen, die ‚lebendig sind‘ und ein Gespür für das ‚Kosmische Humanum‘ haben oder entwickeln wollen. Das Leben muss sich praktisch für sich selbst interessieren; keine Ersetzung von Leben durch Automaten, sondern Erweiterung des Lebens durch Automaten… das ist nicht dasselbe.

WISSENSCHAFTSPROJEKT ‚uffmm.org‘

Seit ca. 12 Jahren betreibe ich eine Webseite, die mit einer großen ‚Vision‘ anfing, sich dann aber unter den Bedingungen des Alltags auf das fokussiert hat, was all die Jahre mein ‚Kerngeschäft‘ war (und noch ist), Vorlesungen und Forschungen im Umfeld verschiedener Themen zu organisieren.

Ursprünglich stand uffmm für ‚University for the Future of Modern Mankind‘ (größer geht’s natürlich kaum, aber man darf ja mal träumen :-)). Während ich keine Gelegenheit gefunden habe (auch wegen noch anderer Projekte), diese Vision auszufüllen, ist aber Wikipedia entstanden; das Wikipedia-Projekt kommt dieser Vision sehr nahe und ist in seiner Art mit Sicherheit unvergleichlich (verschiedene Versuche von Verlagen oder Professorenzirkel, daneben eigene ‚privilegierte Wissenszirkel‘ aufzubauen, halte ich für schlechte Strategien und haben bislang in der Regel nicht wirklich Mehrwerte erzeugen können; allerdings könnte Wikipedia sich noch weiter entwickeln….).

Nachdem ich in den vergangenen Jahren berufsbedingt mehr als nur ein Thema betreuen musste, möchte ich mich in den kommenden Jahren mehr und mehr auf ein Thema konzentrieren, das nach meiner Einschätzung das zentrale Forschungsthema der nächsten Jahrzehnte sein wird: die Entstehung eines künstlichen Geistes, der mindestens so viel kann, wie der ‚Geist‘ den wir am Beispiel des Menschen zu erkennen meinen.

Dieses Thema bewegt die Literatur besonders die Science-Fiction Literatur seit mehr als 100 Jahren, mehr und mehr aber auch viele Filme, Comics, und zunehmend unseren Alltag. Dabei fällt ein krasses Missverhältnis auf zwischen dem, was in den Filmen als selbstverständlich möglich vorausgesetzt wird und dem, was wir bislang technologisch tatsächlich können. Tatsache ist, dass wir alle wirklich intelligenten Eigenschaften noch nicht beherrschen.

Zugleich gibt es quer durch alle Medien die Befürchtung, dass die ‚intelligenten Maschinen‘ uns Mensch ‚ersetzen‘ werden bis dahin, dass sie aktiv gegen uns ‚Krieg‘ führen werden (bisher, das sollten wir nie vergessen, sind wir selbst es, wir Menschen, die Kriege gegen andere Menschen führen, und wir instrumentalisieren Technologie zu diesem Zweck!). Zugleich haben wir eine große Kluft zwischen dem, was man in der Öffentlichkeit weiß und den vielen Forschungslabors weltweit, die — meist finanziert vom Militär oder Geheimdiensten — an jenen Technologien arbeiten, die einen vermeintlichen strategischen Vorteil gegenüber den vermeintlichen Feinden bringen sollen (würde man darin investieren, Freunde zu gewinnen, wäre dies nicht nur billiger, sondern noch weit produktiver; aber dazu bräuchte man ein politisches Bewusstsein, das vielen Regierungen dieser Erde abgeht).

Ich habe daher beschlossen, aus den Forschungen zur Entstehung eines ‚menschengleichen‘ künstlichen Geistes ‚öffentlich‘ zu machen. Ich werde versuchen, im Laufe des Jahres 2014 eine öffentliche Forschungsplattform aufzusetzen, über die alle zuschauen können, wie solch ein künstlicher Geist entsteht. Jeder kann mit diskutieren, jeder kann mitarbeiten; das ist das Ziel. Zur Zeit sammle ich Kooperationspartner und Gelder, um dies zu realisieren. Allerdings, auch ohne zusätzliches Geld werden wir zeigen, wie dies geht. Denn um einen künstlichen Geist herzustellen braucht man nur ein funktionierendes Gehirn, einen Laptop, viel Wissen und genügend Zeit (das 1 Milliardenprojekt der EU mit dem künstlichen Gehirn ist in meinen Augen nicht völlig sinnlos, aber fast…). Die größten Wahrheiten sind immer die einfachsten …..

OK

Ich hoffe, dass es jetzt mit den Mitteilungen in eigener Sache bis auf weiteres genug ist. Die Sache des Lebens steht im Vordergrund, unser Leben. Wenn wir selbst uns nicht ernst nehmen, wer soll es dann tun?????????

Einen Überblick über alle bisherigen Blogeiträge nach Titeln findet sich HIER.

NACHTGESPRÄCH im INM (Frankfurt) oder REENGINEERING VON GOETHES FAUST

  1. Heute vor 20 Jahren begannen zwei junge Wissenschaftler ihre Arbeit in einem 1992 weltweit bekannten Institut, dem Institut für Neue Medien, damals Teil der Städelschule, der Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt ( auf ihrer Webseite http://www.staedelschule.de/ zeigt sich die Städelschule heute bar jeder Geschichte, völlig aseptisch, meinungslos…). Die beiden hießen Dr. Michael Klein (Physiker) und Dr. Gerd Doeben-Henisch (Philosoph, Theologe, Wissenschaftstheoretiker).
  2. In einem bunten Haufen von Künstlern und unterstützenden Technikern entstanden in der Zeit 1989 – 1994 am INM viele bahnbrechende interaktive Kunstwerke, die über berühmte Ausstellungen schließlich ihren Weg in die Museen der Welt fanden. Zehn der damals aktiven Künstler endeten als ProfessorenInnen (meist an Kunsthochschulen).
  3. Das Medium des Computers (zu der Zeit die sehr seltenen, weil sehr teuren, Silicon Graphics Computer) (und eine üppige finanzielle Ausstattung) lies die Künstler-Techniker-Wissenschaftler Teams den Raum der interaktiven Bilder und Töne und Handlungen kreativ erforschen. Vieles, was heute als selbstverständlich erscheint (z.B. das Morphing von Bildern, Interaktion von Tönen/ Geräuschen mit Bildern, spezielle Interface) wurde im INM erstmalig erforscht und neuartig ausprobiert. Reale Pflanzen wurden zu Schnittstellen zu interaktiven Pflanzen-Bild-Grafiken; Atmung wurde als Steuerungsparameter für großflächige bewegte Grafiken genutzt; Gehirnströme dienten der Steuerung von Scharen kleiner Roboter; der Zugang zu einer Ausstellung wurde durch Steuerpulte ersetzt; drei-dimensionale Klangräume steuerbar über eine bewegliche Bühne; und, und, und….
  4. Als das Institut der Städelschule wegen Kürzung der Zuschüsse geschlossen werden musste (Okt.1994), wurde es am gleichen Tag von den beiden Wissenschaftlern, unterstützt von der Stadt Frankfurt und der Kulturstiftung der Deutschen Bank, neu gegründet, als INM e.V.. Mit Unterstützung der ars electronica (Linz, Österreich) konnte dann u.a. das Großprojekt ‚Blind’s World I‘ (Doeben-Henisch und Team) realisiert werden.
  5. Es folgte eine bewegte Zeit mit vielen Aufs und Abs. Aus dem INM e.V. gingen allein 5 Startups hervor, die aber alle mit dem Platzen der sogenannten ‚Internetblase‘ mit in den Strudel von Insolvenzen gerissen wurden (Im Falle der Knowbotic Systems GmbH mussten die Geschäftsführer die Insolvenz zwei Tage nach dem Gewinn des ersten Preises der Stadt Frankfurt für die beste Gründung bekannt geben… welch Ironie). Allein diese Gründungsphase wäre ein eigener Roman wert.
  6. Dies und vieles mehr kam am Abend des 9.Oktobers 2012 im Rahmen der Veranstaltung ‚unplugged heads 2.0‘ des INM e.V. zur Sprache. Michael Klein zeigte eine Auswahl aus den vielen spannenden Videofilmen dieser Zeit; Gerd und Michael kommentierten.
  7. Es entwickelte sich dann ein intensives Gespräch mit allen über Kunst, Videokunst, Computerkunst, Kommerz, institutionelle Zwänge, neue Bewegungen, Lehren aus der Vergangenheit…bis sich Gerd Doeben-Henisch mit zwei der Besucher in Fortspinnung des ars electronica Experimentes The Blinds World I in das Thema des lernenden künstlichen ‚Geistes‘ verbiss.
  8. In einem gedanklichen ‚cross over‘ von Computerspielen, künstlicher Intelligenz,Kognitionswissenschaft, Entwicklungspsychologie, Linguistik, Netzcommunity entstand dann im Gespräch die Vision eines künstlerisch-wissenschaftlichen experimentellen Universum von künstlichen Strukturen, die immer mehr ‚geist-ähnliche‘ Eigenschaften in sich versammeln, in einem web- und real-öffentlichem Raum, bei dem alle zuschauen können, wo viele mit-experimentieren können. In Interaktion mit einem künstlichen Raum und realen Menschen entsteht ein künstlicher Geist, der aber nicht an die Spielregeln eines realen Körpers gebunden ist. Wie wird dieser künstliche Geist Musik machen, Bilder malen, Tanzen, Mathematik machen, sprechen? Wie werden wir uns ändern, wenn wir einem künstlichen Geist gegenüberstehen, der ‚anders‘ ist/ sein kann?
  9. In der Stadt Goethes, in Frankfurt, kann dies nur bedeuten, dass wir zum ‚Reengineering von Goethes Faust‘ aufrufen. ‚Faust III‘ wird sich ganz anders lesen als ‚Faust I/II‘. Sicher wird es irgendwann dann auch einen ‚Faust IV‘ geben. Wir denken erst mal an ‚Faust III‘. Zum 25.jährigen Jubiläum des INM im Jahr 2014 wäre dies ein gutes Thema: Im künstlerischen Gewandte versucht die Wissenschaft den Pseudo-Mythos von der Notwendigkeit des Teufels zur Wissensanreicherung als literarisches Verwirrspiel zu entlarven, und dies in einer vollständigen öffentlichen Inszenierung, mit einem ‚realen künstlichen‘ Geist.

Der Vortrag am 16.Nov.2012 in München liefert einige Argumente, warum das Experiment mit dem künstlichen Geist sehr wohl Sinn macht. Das ‚Schlimmste‘, was passieren kann, ist ja nur, dass wir u.U. besser verstehen, was wir noch übersehen haben. Das aber wäre im Sinne der Forschung ein sehr gutes Ergebnis. Bekanntlich kann man nur durch Fehler wirklich lernen! Fehlerfreiheit bestätigt immer nur den letzten Stand der aktuellen Un-Wahrheit…

 

LITERATURNACHWEISE

G.Döben-Henisch,The BLIND’s WORLD I. Ein philosopisches Experiment auf dem Weg zum digitalen Bewußtsein, In: K.Gerbel/ P.Weibel (eds.), Mythos Information. Welcome to the wired world. @rs electronica 95, Springer-Verlag, Wien, pp.227-244, 1995. Online at THE BLIND’s WORLD I (only German, without the English translation, without the fancy figures.

 

Einen Überblick über alle bisherigen Beiträge findet sich HIER.