Archiv der Kategorie: Militär

DENKEN: FLUCH UND SEGEN – DENKSCHEMATA– SOZIALE DIKTATUREN – KASERNIERUNG DES LEBENS

DENKEN VIELSCHILLERND

  1. Wer sich auf diesen Blog einlässt (siehe z.B. die Themenüberblicke von Autor cagent oder von der Philosophiewerkstatt), der kann sehen, wie vielfältig Denken sein kann (obwohl auch dieser Blog nur ein winziger Ausschnitt aus dem Denkbaren ist), und ein solcher Sucher wird viele Einträge finden, in deren Überschrift das Wort Denken vorkommt.

RAUM DES DENKENS

  1. Im Raum des Denkens steigen Gedanken auf wie Gasbläschen in einer Flüssigkeit; irgendwie sind sie da, werden sichtbar, erstaunen, verwundern, erschrecken, machen erregt, beängstigen; vielleicht kann man abschalten, vielleicht kann man sich still stellen, abblocken, sich verweigern, das innere Auge schließen. Dann wird es ruhig, still. Eine trügerische Ruhe, eine tödliche Stille, eine Dunkelheit, die verdorren lässt. Macht man nicht zu, schaltet man nicht ab, lässt man es geschehen, entstehen Bilder, Szenarien, Ereignisketten, Strukturen, die die Dinge des Alltags möglicherweise in ein anderes Licht tauchen können; die die Gegenwart von einer Vergangenheit her beleuchten (oder umgekehrt); Bilder in denen mögliche Alternativen sichtbar werden zum Hier und Jetzt… Die Ruhe ist dann dahin. Das Gegebene ist nicht mehr einfach selbsterklärend, selbstverständlich.

PHILOSOPHIE ALS ROTER FADEN

  1. In Hegels Phänomenologie beginnt das Denken die aktuelle sinnliche Erfahrung zu befragen, zu hinterfragen, das konkrete Hier und Jetzt auf ein Allgemeineres hin zu befragen; immer mehr Strukturen zu entdecken und damit einen Raum aufzuspannen, der weiter, tiefer, lebendiger, dynamischer ist als alles, was das Auge uns so jeden Moment liefert. Alle Philosophen vor und nach Hegel haben das Gleiche erlebt und in ihrem Denken und Sprechen-Schreiben versucht fest zu halten. Dass sie sich im Detail unterscheiden und zugleich in den Strukturen gleichen enthält den Hauch von Wahrheit, die in allem anwesend ist, untötbar, unzerstörbar, allem Denken voraus, alles Denken begleitend und darin auch unsere einzige Zukunft im Denken…

DENKSCHABLONEN

  1. Was passiert, wenn ein Islamist einen anderen Menschen als Nicht-Menschen erklärt, ihm Gewalt antut, ihn tötet? Was geschieht, wenn ein jüdischer Orthodoxer einem anderen jüdischen Bürger das Recht abspricht, in Israel außerhalb der religiösen Institutionen zu heiraten? Was geschieht, wenn ein fundamentalistischer Christ den Worten der Bibel nur eine einzige Bedeutung zugesteht, eben seine eigene, aktuelle, unter Absehung all der anderen bisherigen und sonstigen möglichen Bedeutungen? Was geschieht wenn russische Propaganda über Medien Sachverhalte behaupten, die so nicht stattgefunden haben? Was geschieht, wenn eine US-Regierung die internationale Gemeinschaft mit gefälschten Beweisen in einen Krieg lockte, der bislang unendliches Leid hervor gebracht hat, ohne Sicht auf Besserung? Was geschieht, wenn ein Arzt die Symptome eines Körpers falsch deutet? Was geschieht, wenn internationale Autokonzerne Autos als umweltfreundliche deklarieren und Millionen von Autobesitzern hochgiftige Abgase in die Luft blasen, weil sie falsche Informationen haben? Was geschieht, wenn Heerscharen von Lobbyisten täglich Mitglieder von Parlamenten und Regierungen belagern, um ihnen ihre spezielle Sicht der Welt zu vermitteln? Was geschieht, wenn die Hochschullehrer und Forscher nicht das erforschen können, was sie als wichtig erkannt haben, weil es Forschungsgelder nur von Förderprogrammen gibt, in denen Interessenvertretern forschungsfremde Vorgaben machen? Was geschieht mit Menschen, wenn sie ihr ganzes Leben immer nur trainiert werden, immer und überall Feinde zu sehen … und diesen Menschen immer mehr Macht gegeben wird? ….

ORT DS DENKENS

  1. Ja, Menschen können die Welt, ihren Alltag, andere Menschen in vielerlei Weise betrachten, einschätzen, bewerten, mit ihnen umgehen. Und ja, der Ursprung dieser verschiedener Sehweisen liegt in ihrem Denken, das im Körper stattfindet, im Gehirn. Und ja, dieses Gehirn ist beeinflussbar, in jedem Moment, von jedem Ereignis: jedes Ereignis hinterlässt eine Spur von Veränderung im Gehirn. Liebevolle Situationen versammeln sich genauso wie Gewalt, Schönes wie Schreckliches; Worte verfangen sich im Gehirn mit den Situationen ihres Auftretens; das gleiche Wort ‚Hi‘ kann freundlich sein, ängstlich, aggressiv, gefährlich. Was auch immer, es tritt ein in uns, in unser Gehirn, in die Maschinerie unsres Denkens und färbt uns. Und wenn wir handeln wollen, dann handeln wir auf der Basis unseres Gehirns: sind wir angefüllt mit Freundlichkeiten, sehen wir die Welt, den anderen, freundlich, hoffnungsvoll, einladend. Wurden wir vollgepumpt mit Gewalt, Betrug, Krieg, Hass, dann überlagert dies alles andere, füllt uns aus, treibt uns an; dann können wir immer weniger Freunde sehen, dafür immer mehr Feinde.

UMGEBUNGEN KÖNNEN KONSERVIEREN – UND ZERSTÖREN

  1. Die Bilder in unserem Kopf – sie sind weitgehend zufällig angeregt von der Umgebung, in der wir leben. Wenn man in Umgebungen lebt, die gleichförmig sind, die sich gegenseitig bestärken, dann kann man dies positiv sehen als Wahrung der Tradition. Doch wir wissen, dass Traditionen wie stehende Gewässer sind: sie stehen still, bewegen sich nicht mehr, verrotten, ihre Bilder werden im Laufe der Zeit schal und falsch; in einer Tradition können falsche Bilder lange leben, können falsche Bilder viel Unheil anrichten, ohne gestört zu werden. Das Leben selbst, das biologische, ist anders, ist explosiv, ist risikofreudig, ist spielerisch kreativ, wer es ausklammert, betrügt sich selbst, verweigert Leben. Abschottungen jeglicher Art – ob ethnisch, religiös, politisch, kastenbedingt, vermögensbedingt … – sind in sich Verweigerungen und Orte anwachsender Lügen.. Sie zerstören das Leben, das ihnen anvertraut wurde.

DENKEN ALS MÖGLICHE ZUKUNFT

  1. Was immer von außen auf uns eindringt, in uns hinein, in unser Gehirn, in unser Fühlen, Erinnern und Denken, es trifft auf einen potentiell elastischen Raum. Unser Gehirn mit seinen Fähigkeiten kann die Ereignismengen auf vielfältige Weise abstrahieren, assoziieren, transformieren, bewerten, abändern, neu anordnen, … es kann die Bilder verändern. Wenn unsere Umgebung uns bestimmte Menschen als Feinde verkauft, kann unser Denken diese Interpretation grundsätzlich in Frage stellen. Wenn unsere Umgebung die Versklavung von Menschen als normal hinstellt, dann können wir dies in Frage stellen. Wenn unsere Umgebung behauptet, die Sonne drehe sich um die Erde, so können wir dies hinterfragen. Wenn die Reichen behaupten, die krasse Umverteilung der Vermögen sei schon OK, dann kann man dies hinterfragen. Wenn globale IT-Unternehmen ihre Kunden gegen ihren Willen immer mehr in digitale Abhängigkeiten zwingen, so kann man dies hinterfragen…

ANDERS DENKEN – SOZIALER WIDERSTAND

  1. Anders denken ist meistens anstrengend. Man erntet soziale Ablehnung, sozialen Widerstand: man lächelt, man regt sich auf, man wird gemobbed, oder gar verfolgt, verhört, eingesperrt, bedroht, verliert seine Arbeit …. Eine Gesellschaft kann sich auf diese Weise selbst ersticken, sich selbst fesseln, sich selbst einfrieren, sich selbst töten …. oder man hört einfach nicht zu, hält die Medien klinisch rein, druckt nur Gefälligkeiten und bezahlte Botschaften …
  2. Wenn also das menschlich-soziale Umwelt Denk-unfreundlich ist, negativ reagiert, gleichgültig, dann gibt es wenig Unterstützung für die Nutzung des potentiell elastischen Raum des Denkens, der Alternativen, der kreativen Experimente. Es braucht keinen Diktator, um ein Volk in Denkstarre zu versetzen; der Mainstream, der allgemeine Way-of-Life, die Volksmeinung, die gemachten Modetrends, die Macher von Medienkanälen, die von partikulären Interessen gesteuerten Webseiten, …. alle sind dann kleine Diktatoren, die darüber wachen, dass nur ja keiner anders ist als man selbst, als die Art und Weise, die üblich ist. Die anderen sind dann aus Gewohnheit die Bösen, die Feinde, oder die Guten, die Freunde.
  3. Wir sind gewohnt, dass es z.B. in jedem nationalen Haushalt einen Posten für Militär gibt (Im Jahr 2014 sollen die USA einen Militärhaushalt von 610 Mrd US-Dollar gehabt haben bei einem Bruttosozialprodukt von ca. 1.600 Mrd, das wären 38%, also mehr als ein Drittel). Ein Militärhaushalt macht aber nur Sinn, wenn man unterstellt, dass es potentielle Feinde gibt. Andererseits können wir wissen, dass der Mensch grundsätzlich beides sein kann: Freund oder Feind. Das, was einen Menschen zu einem Feind macht, sind sehr spezielle Bedingungen. Es könnte also auch Sinn machen, neben einem Militärhaushalt einen Freundschaftshaushalt zu haben, der dazu dient, jene Faktoren zu überwinden, die aus Menschen Feinde machen. Einen offiziellen Freundschaftshaushalt findet sich nirgends. Private Spenden von US-Amerikanern und gemeinnützigen Institutionen beliefen sich in 2013 auf ca. 2 Mrd US-Dollar, das wären ca. 1.2% vom Bruttosozialprodukt 2013. Diese Zahlen müssen nichts besagen. Man könnte sie aber versuchsweise interpretieren als Indikatoren für eine Einstellung zum Umgang mit anderen: der Glaube an den Feind im Anderen wäre dann im politischen System der USA ca. 30x stärker als der Glaube an den potentiellen Freund. Was lässt dies hoffen?
  4. Ich hatte noch mehr Punkte, aber die sind spezieller und sollten dann vielleicht besser in einem anderen Blogeintrag behandelt werden.

 

DEMOKRATIE IM ABHÖRTEST (2) – Imperialismus, Tarnkappenpolitik, Aufrüstung, oder nicht ?

1) in einem vorausgehenden Beitrag DEMOKRATIE IM ABHÖRTEST – Nationale Sicherheit, Tarnkappenpolitik, Transhumanismus, und so… hatte ich auf der Basis von mehr als 90 Artikeln am 28.Dez.2013 eine kleine Zusammenschau gewagt im Umfeld Abhören durch die NSA, Reaktionen der Politik und Einschätzung der politischen Situation in der USA. Ich kann nicht sehen, dass sich seitdem irgend etwas Nennenswertes geändert hat.
2) In einem neueren Beitrag von Contanze Kurz mit dem Titel „Vom Mythos der Selbstreinigung“ (FAZ 10.Jan.2014, S.32) versucht sie zwar anhand des historisch berühmten Beispiels von Geheimdienstmissbrauch in der Vergangenheit zu verdeutlichen, dass die Geheimdienste von sich aus sich nicht reformieren werden, aber wer hört ihre Stimme? In Deutschland ist die neue Regierungsmannschaft weitgehend mit sich selbst beschäftigt und in den USA kann man in der offiziellen Politik keine Kräfte erkennen, die sich für das Thema verantwortlich fühlen. Wie Andrea Peterson am 27.Dezember 2013 in der Washington Post zu berichten weiß, hat jetzt ein anderer Richter das Abhören doch wieder für legal erklärt, nachdem zuvor ein Richter dies in Frage gestellt hatte (siehe vorausgehenden Beitrag); dazu erscheinen die Fronten zwischen Demokraten und Republikaner so verhärtet, dass aktuell nicht zu erkennen ist, dass hier noch irgendein sinnvoller politischer Dialog stattfinden kann. Das politische System in den USA erscheint ‚paralysiert‘.
3) Ein aus der Kontrolle geratenes System von Geheimdiensten, die keinerlei Beschränkungen mehr unterliegen und jeden potentiellen politischen Gegner quasi nach Belieben ’neutralisieren‘ können hat in einer solchen Situation nichts zu befürchten.
4) Vor diesem dunklen Bild einer außer Kontrolle geratenen Regierung gibt es in den USA aber zahlreiche beeindruckende Initiativen, Bewegungen. Eine davon ist die Amerikanische Bürgerrechtsvereinigung (American Civil Liberties Union, ACLU), die auf vielfältige Weise und engagiert die Rechte der Bürger gegen die Regierung vertritt (u.a. führt sie offiziell einen Prozess gegen die US-amerikanische Regierung wegen der Abhörtätigkeiten der NSA (siehe unten). Unter anderem hat die UCLA auch die Überlegungen der präsidialen Arbeitsgruppe zur Reform der Geheimdienste kommentiert und konkrete Vorschläge unterbreitet, was bei dieser Reform zu beachten wäre. Sehr bemerkenswert finde ich den Punkt 4. Hier wird ganz klar gesagt (eine Position, die ich hier im Blog auch vertrete), dass die Frage des Abhörens ein grundsätzliches Menschenrecht berührt, das auch jenseits der politischen Grenzen der USA gilt und das dementsprechend auch von einer Behörde eines demokratischen Staates zu respektieren ist. Diese Position der UCLA markiert die Wurzel für die Idee einer nicht nur nationalen, sondern internationalen Bürgerrechtsbewegung, da die Menschenrechte nun mal ihrer Natur nach allen Menschen zukommen. So wenig wie in den USA die Abspaltung der ‚farbigen‘ Bevölkerung von den ‚weißen‘ vor diesem Denken Bestand haben konnte (es brauchte allerdings einen blutigen Bürgerkrieg und einen gewaltsam getöteten Martin Luther King), so wenig kann eine Beschränkung der Bürgerrechte auf nur ein Land bestand haben.
5) Jedes Land auf unserem Planeten Erde kann zu diesem Thema eine lange, und leider meist sehr blutige, Geschichte erzählen. Letztlich laufen die Fäden zusammen bei uns selbst, uns Menschen, in der Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, wie wir lernen oder nicht lernen, wie wir unser Leben organisieren, was wir glauben und nicht glauben, zulassen oder verhindern.
6) Angeregt durch das Buch von Tom Engelhardt, The World According To TomDispatch habe ich begonnen, von Jonathan Schell ‚The Unconquerable World. Power, Nonviolence, And the Will of The People‘ zu lesen. Im Kapitel 1 beschreibt er den Aufstieg der Verteidigungssysteme weltweit. Als theoretischen Bezugspunkt für seine Überlegungen benutzt er vornehmlich die Anschauungen von Carl Philipp Gottlieb von Clausewitz (1780–1831) , wie er sie in seinem unvollendeten Hauptwerk Vom Kriege niedergelegt hat.
7) Danach gibt es eine implizite Logik für die Ausgestaltung des militärischen Apparates, die darin gründet, dass militärische Macht als ein Mittel der Politik dazu dienen soll, entweder dem anderen den eigenen Willen auf zu zwingen oder zumindest einen anderen daran hindern zu können, dies umgekehrt zu tun. Jede Gruppierung, die durch eigenes Aufrüsten gepaart mit der Absicht, die eigene militärische Macht auch einzusetzen, bildet für jede andere Gruppierung per se eine potentielle Bedrohung, die nur ’neutralisiert‘ werden kann, wenn man das ‚Gleichgewicht‘ der Kräfte herstellt. Wer ’nicht dagegen‘ hält, stellt eine ‚Einladung‘ für den potentiellen Aggressor dar. Erst mit der Verfügbarkeit der Kernwaffen (und biologisch-chemischen Waffen) erreichte das Aufrüsten einen Punkt, wo ein potentieller Aggressor im Falle eines Krieges seine eigene Existenz riskieren würde. Anstatt dass dann ein ‚Zeitalter des Friedens ausbrach, beobachten wir weltweit eine Fülle von ‚lokalen‘ Kriegen mit ‚konventionellen‘ Waffen, die in ihrer Summe nichtsdestoweniger verheerend sind.
8) Am Ende des ersten Kapitels kann man den Eindruck haben, als ob der Prozess des beständigen Hochrüstens und Krieg Führens etwas ‚Unausweichliches‘ ist, unaufhaltsam. Hier muss man aber einhaken und fragen, ob dies nicht ein gehöriger Schuss ‚Ideologie‘ ist? Denn letztlich ist jegliche Militärtechnologie ein ‚Werkzeug‘, das von Menschen, von uns, genutzt wird. Es sind unsere Entscheidungen, ob und wie wir sie nutzen. Niemand zwingt uns unabwendbar, andere Menschen anzugreifen, Gefangen zu nehmen, zu töten. Letztlich bleibt es unsere Entscheidung. Wenn diese Entscheidung trotz aller Schrecklichkeit dennoch immer wieder und so häufig getroffen wird, dann sollten wir nicht über Kriegstechnologie und immer bessere Waffen diskutieren, sondern darüber, wer WIR Menschen denn eigentlich sind. Warum neigen wir zu diesen Gewaltausbrüchen? Warum sind wir so oft bis zum Rand mit Misstrauen angefüllt? Warum erklären wir so schnell andere zu ‚Feinden‘? usw.
9) Im Prinzip kennen wir die Antworten schon, zumindest zu großen Teilen. Eine mögliche Zukunft der Menschheit wird nicht nur eine verbesserte, leistungsfähigere Technologie brauchen. Wir brauchen dringend auch eine ‚Verbesserung‘ von ‚uns selbst‘. Und die Tatsache, dass seit den Anfängen des Judentums, des Christentums und des Islams diese Religionen auch dauerhaft mit Hass, Verfolgungen, Kriegen, Machtmissbrauch und Unwissenheit vielerlei Arten gepaart waren (nicht nur, aber zu großen Teilen) sollte uns eine Warnung sein, dass diese Art von Religion möglicherweise noch nicht die Religion ist, die wir brauchen, um diese tiefgreifenden Unmenschlichkeiten nachhaltig zu überwinden. Eine Religion, die auch nur ansatzweise zulässt, das andere Menschen verachtet, verfolgt, unterdrückt, getötet werden, ist keine Religion für eine bessere Zukunft. Für solch eine bessere Zukunft sind wir aber berufen; nur dazu sind wir da. Die Bosheit anderer kann niemals eine Ausrede sein, selbst das Gute nicht zu tun.

PS: Zur Metaphysik von Avicenna (Ibn Sina) werde ich demnächst etwas schreiben.

Einen Überblick über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

QUELLENNACHWEIS (unvollständig)

ACLU (American Civil Liberties Union), The Nine Things You Should Know About the NSA Recommendations From the President’s Review Group, 20.Dez.2013, online:https://www.aclu.org/print/blog/national-security-technology-and-liberty/10-things-you-should-know-about-nsa-recommendations

ACLU (American Civil Liberties Union) vs. Clapper – challenge to NSA Mass Call-Tracking Program, online: https://www.aclu.org/national-security/aclu-v-clapper-challenge-nsa-mass-phone-call-tracking

AFP, Ermittlungen gegen 37.000 Funktionäre in China, FAZ 6.Jan.2014, S.20

Markus Bickel, Auf Unterdrückungskurs (Innenpolitik Bahrein, Sunniten – Schiiten), FAZ 30.Dez.S.6

Timm Beichelt, Von steinen und Glashäusern (Was die EU tun kann, wenn in Mitgliedsstaaten die demokratie in Gefahr erscheint), FAZ 30.Dez.2013, S.7

Ann-Dorit Boy, Revolution und Routine. Seit mehr als 6 Monaten gibt es in Bulgarien täglich Proteste…, FAZ 6.Jan.2014, S.3

Carl von Clausewitz, Vom Kriege, Berlin: Dümmlers Verlag, 1832, online: http://www.clausewitz.com/readings/VomKriege1832/

Andrea Diener, Abhören auf Chinesisch, FAZ 30.Dez.2013, S.27

dpa/Reuters (ursprünglich ‚Spiegel‘), NSA zapft Datenkabel an, FAZ 30.Dez.S.6

Rainer Hermann, Erfolgspartei mit Grauschleier. Der türkische Ministerpräsident Erdogan und seine AKP haben den Zenit überschritten, FAZ 2.Jan.2014, S.3

Max Horten, Die Metaphysik Avicennas Enthaltend Die Metaphysik, Theologie, Kosmologie Und Ethik. Halle a.S. + New York: Verlag Rudolf Haupt, 1907

Contanze Kurz, Vom Mythos der Selbstreinigung, FAZ 10.Jan.2014, S.32

Robert von Lucius, Todeszone Naher Osten. Die Morde an Journalisten nehmen weltweit zu, FAZ 2.Jan.2014, S.27

Michael Martens, Die letzte Wacht (Zum Machtkampf in der Türkei), FAZ 30.Dez.2013, S.3

Andrea Peterson, The NSA seems to really enjoy exploiting high profile tech companies, WP, 30.Dez.2013, online: http://www.washingtonpost.com/blogs/the-switch/wp/2013/12/30/the-nsa-seems-to-really-enjoy-exploiting-high-profile-tech-companies//?print=1

Andrea Peterson, NSA phone records spying is constituional, judge says. WP, 27.Dez.2013, online: http://www.washingtonpost.com/blogs/the-switch/wp/2013/12/27/nsa-phone-records-spying-is-constitutional-judge-says//?print=1

Michael Reinsch, Die werte des Sports (Diskriminierungen im europäischen Profifußball), FAZ 7.Januar 2014, S.24

Jonathan Schell, The Unconquerable World. Power, Nonviolence, And the Will of The People. New York: Henry Holt and Company, 2003

Michaela Wiegel, Macht und Machenschaften (Senat verhindert Prozess wegen Bestechung gegen Serge Dassault), FAZ 10.Jan.2014, S.32

REVIEW: THE WORLD ACCORDING TO TOMDISPATCH – Teil 5

T.Engelhardt (ed), „The World Acording to TomDispatch. America in the New Age of Empire“, London-New York: Verso, 2008

Diesem Text ging voraus: Teil 4 und eine Zwischenreflexion.

ZWISCHENERGEBNISSE NACH Teilen 1-4

1) Fassen wir kurz zusammen, was sich bisher ergeben hat: ausgehend von den philosophischen Reflexionen zum Phänomen einer markanten emergenten Komplexität des biologischen Lebens zeigte sich Kommunikation und eine funktionierende Öffentlichkeit als zentrale Bedingungen für das Funktionieren dieser Komplexität. Um dies gesellschaftlich zu ermöglichen wurden in modernen Demokratien Verfassungen geschaffen, in denen weitgehende Freiheitsrechte zum Schutze des Individuums verankert wurden (z.B. USA, Deutschland). Begleitet von heftigen Diskussionen wurden in Deutschland unter speziellen Bedingungen (‚Lauschangriff‘) eine Aufhebung solcher Rechte durch Regierungsstellen erlaubt; in den USA gibt es eine lange Geschichte von Ausdeutungen zum vierten Zusatz der Verfassung, die Stand 2013 — zwar nicht dem Wortlaut nach, aber faktisch — einer fast vollständigen Aufhebung dieser Freiheitsrechte gleichkommt. Engelhardt skizziert in der Einleitung zu seinem Buch die Entwicklung in den USA nach 9/11 als dramatische Verstärkung von Geheimdiensten und Militär in einer ‚unipolaren Welt‘. Dies wird begleitet durch eine weitgehende Abschottung der Regierung nach außen. Im ersten Kapitel zeigt Engelhardt anhand konkreter Daten auf, wie die Ereignisse von 9/11 auf eine medial imprägnierte Öffentlichkeit treffen, die — geprägt von den tiefsitzenden Bildern der Medien der letzten Jahrzehnte — die Ereignisse in einer bevorzugten Weise deuten; in einer Weise, die von der Regierung mitgesteuert wird und für bestimmte Pläne ausgenutzt werden. Engelhardt kann dann anhand einiger Fakten zum neuen Ground-Zero Mahnmal aufzeigen, dass es hier nicht um ein ’normales‘ Denkmal geht, sondern dass das Gedenken an das Ereignis und die Toten von 9/11 für eine bestimmte Politik in einer Weise ‚instrumentalisiert‘, die viele ernsthafte Fragen aufwirft.

VERWANDLUNG DER USA IN EINE IMPERIALISTISCHE WELTMACHT?

2) Im folgenden Kapitel mit dem Titel ‚The Empire that Fell as it Rose‘ gibt es einen Briefdialog zwischen Tom Engelhardt und Jonathan Schell, dem Autor des beeindruckenden Buches The Unconquerable World (bei dem Tom Engelhardt Lektor war). In diesem Buch untersucht Schell das Phänomen der Macht in der Geschichte, mit seinen vielen Spielarten, wie sie entsteht, sich organisiert, und wie sie zerfällt. Diese geschichtlichen Ereignisse vor Augen kommt er zu dem Schluss, dass die USA sich nach dem zweiten Weltkrieg scheinbar unaufhaltsam in eine imperiale — alles beherrschende — Macht entwickelt hat. Dass ihre Regierungsvertreter, gestützt auf ein alle Massen sprengendes Militär im Verein mit einem Netzwerk von nicht mehr kontrollierbaren Geheimdiensten, sich in ein imperiales Machtdenken hinein gesteigert haben, das für die Realität weitgehend ‚erblindet‘ ist. Jede Form kritischen Denkens scheint abhanden gekommen zu sein. Der desaströse Irakkrieg (sowohl für die USA wie für die Menschen im Irak) ist eine einzige Demonstration einer Macht, die auf Bomben, Panzer, Raketen, brutale Gewalt (und vieles mehr dieser Art) baut, aber politisch völlig entleert erscheint.(vgl. SS.25-31)
3) In seiner Antwort sagt Engelhardt, dass er die Einschätzung von Schell zwar nicht historisch-wissenschaftlich verifizieren kann, da er selbst kein Historiker ist, aber dass sein Wissen um die aktuellen Fakten in den USA das Bild von Schell ohne weiteres stützt. Da sind die ungeheuerlichen finanziellen Aufwendungen von ca. einer halben Billion US-Dollar für Militär, Geheimdienste und verdeckte Operationen; da ist die Einteilung der ganzen Welt in fünf amerikanische Militärbezirke, denen die regionalen Diplomatem wie imperialen Statthaltern zu berichten haben (!); da sind die ca. 700 Militärbasen weltweit, die in den einzelnen Ländern jeweils einen Sonderstatus beanspruchen, von denen aus die USA ohne Rücksicht auf die lokalen regionalen politischen Institutionen nach eigenem Gutdünken operieren; da ist das Faktum, dass der größte Teil der staatlichen Forschung nur über das Verteidigungsministerium läuft, die z.B. auch eine geplante Militarisierung des Weltraums mit Superwaffen einschließt, die alles beherrschen sollen. usw.(vgl. S.32)
4) Diese Verwandlung der Welt in amerikanische Militärbezirke, wo die ‚Achse des Bösen‘ scheinbar zufällig übereinstimmt mit jenen Ländern, in denen es die meisten Ölbezirke gibt, hält Engelhardt für ganz und gar un-amerikanisch. Das ist nicht der Geist der Verfassung von 1776.(vgl. S.33) Zwar besetzt die USA nicht mehr direkt Länder so wie frühere Kolonialmächte, aber die vielen Militärbasen mit extra territorialen Rechten und die direkte Kooperation mit den Machteliten der jeweiligen Regionen führen zum ähnlichen Effekt: die totale Kontrolle der ganzen Welt und zugleich die wirtschaftliche Ausbeutung durch amerikanische Firmen. (vgl. S.33f)
5) So sehr viele sehen, dass der Weg des Imperialismus eigentlich kein brauchbares Konzept für die Zukunft ist, so sehr sind aber selbst die (amerikanischen?) Kritiker von diesem imperialen Denken ‚verseucht‘ (‚brainwashed‘), dass sie sich nicht vorstellen können, wie denn ein nicht-imperiales Modell real funktionieren kann. (vgl. S.34f)
6) Engelhardt verweist in diesem Zusammenhang auf das Buch Bury the chains (2005) von Adam Hochschild, in dem er die Geschichte der Abschaffung der Sklaverei im imperialen britischen Weltreich beschreibt. Zunächst völlig undenkbar, dass Sklaverei abgeschafft wurde, führte ein 75 Jahre dauernder Kampf vieler einzelner und vieler Bewegungen dann schließlich zu einem Umschwung in der Öffentlichkeit, der dazu führte, dass Sklaverei tatsächlich abgeschafft wurde.(vgl.S.35)
7) [Anmerkung: Und hier ist es wieder, das Zauberwort ‚Öffentlichkeit‘. Nur in einer funktionierenden Öffentlichkeit können sich politisch wirksame Meinungen bilden, und es ist kein Zufall, dass machtorientierte menschenverachtende Regierungen vor allem immer eins versuchen, die Öffentlichkeit unter ihre Kontrolle zu bringen, und wenn schon nicht Kontrolle, dann wenigstens eine spezifische Manipulation ihrer Äußerungen. Beliebt ist, gar nichts zu sagen oder nur Andeutungen zu machen, die vieldeutig sind, vorzugsweise in jene Richtungen ausdeutbar, die den Regierungen passen, aber letztlich Realität verzerren und verunstalten. ]
8) [Anmerkung: Wir erleben seit Wochen in Deutschland das Schauspiel, dass die Regierung der Bundesrepublik Deutschland auf die zunehmenden Informationen über die bedingungslose grenzüberschreitenden Ausspähaktionen der US-amerikanischen Regierungsstellen immer nur abwiegelnd reagiert. Nicht der leiseste Ansatz zur Kritik an einem maßlosen Verhalten der US-amerikanischen Regierung, nicht der leiseste Ansatz, die Verantwortung für die Bürger, denen dieses Regierung ‚dienen‘ soll, erkennbar zu machen. Dies ist das Verhalten von Monarchen, die sich weit erhaben fühlen über ihre ‚Untertanen‘. Das ist Verweigerung politischer Verantwortung in Reinkultur (möglicherweise gepaart mit viel Unfähigkeit). In einer Diktatur ’normal‘, in einer Demokratie ein Skandal. ]

Fortsetzung folgt

Einen Überblick über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

Hier wieder ein Hörstück: 9/11 – Die Anderen sterben Lautlos.

USA – DEMOKRATIE IM SCHWEBEZUSTAND?

Vorausgehende Beiträge zum Thema: Der letzte war dieser.

Letzte Änderung: 31.Aug.2013, 18:08h, Song im Anschluss an den Text.

RÜCKBLICK: PRIVATSPHÄRE GEFÄHRDET?

1) In den vorausgehenden Blogeinträgen zum Thema hatte sich herauskristallisiert, dass der vierte Zusatz zur US-Amerikanischen Verfassung als Grundpfeiler des Schutzes der Privatsphäre durch Gesetzgebung und nachfolgenden Praktiken der jeweiligen Regierungen in einem Maß geschwächt erscheint, das dass man tatsächlich besorgt die Frage stellen kann — oder sogar muss! –, ob die Demokratie in den USA überhaupt noch lebensfähig ist.
2) Bislang wurden als größte Bruchstellen des vierten Zusatzes zur US-Amerikanischen Verfassung jene Regelungen identifiziert, die die Einhaltung des Gesetzes auf handelnde Regierungsstellen beschränkt (was zum unkontrollierten Wachstum privater Dienstleister im Auftrag der Regierung geführt hat), sowie die Erlaubnis der Kontrolle auch von US-Amerikanern, sofern diese mit dem Feind kollaborieren. Damit verschiebt sich das Problem zu jenen Institutionen, die definieren, ‚wer‘ oder ‚was‘ ein ‚Feind‘ ist. Wenn nun die Geheimdienste selbst in Kooperation mit dem Präsidenten frei definieren können (was sie auch ausgiebig tun), wer oder was ein ‚Feind‘ ist, OHNE dass sie dies mit demokratisch gewählten Institutionen abstimmen müssen, und Geheimdienste und Präsident ihr Vorgehen als ‚geheime Verschlusssachen‘ beliebigen Grades deklarieren können, dann ist der vierte Zusatz in der gelebten Welt faktisch aufgehoben. Geheimdienste und Präsident können jederzeit JEDEN (auch jeden US-Amerikaner) nach Belieben zum Feind erklären und jenseits aller üblichen Rechtsregeln ‚behandeln‘.
3) Das Ganze wird noch zusätzlich dadurch verschärft, dass Geheimdienste und Militär über EIGENE Prozeduren verfügen, wie sie mit Angeklagten umgehen, die neben und UNABHÄNGIG von den NORMALEN Gerichten operieren (Der Fall Manning war dafür ein eindrucksvolles negatives Beispiel).

NICHT DIE BÜRGER, ABER DIE US-INSTITUTIONEN?
FEIND WIDER WILLEN?

4) Jetzt muss man klar trennen zwischen den US-Amerikanischen Bürgern und seinen staatlichen Einrichtungen. Betrachtet man nur die Regierung, die Geheimdienste und das Militär, dann muss man sagen, dass die bekannten Sachverhalte einen Eindruck generieren, der folgende Deutung nahelegt: wir haben es mit einem System zu tun, das sich jeder demokratischen Kontrolle entzogen hat, das für sein eigenes Handeln keinerlei bekannte Moral mehr berücksichtigt und sich das Recht nimmt, jeden jederzeit zum Feind erklären zu können (auch wenn die US-Amerikanischen Bürger dies vielleicht gar nicht so wollen würden) um die ‚Feinde‘ (die vielleicht gar keine sind, vielleicht gar keine Feinde sein wollen, oder es nicht einmal wissen, dass sie zu Feinden erklärt worden sind) mit allen denkbaren Mitteln zu verfolgen, zu foltern, und zu vernichten. Dass bei der Tötung eines einzigen erklärten Feindes oft Dutzende, manchmal hunderte andere Unschuldiger zu Tode kommen oder schwer verletzt werden, wird billigend in Kauf genommen (Stichwort: Drohnenkrieg). Das Gefühl für den Wert eines Menschen gibt es nicht mehr. Es gibt keine Institution dieser Welt außerhalb von Militär, Geheimdienste und Regierung, die von diesen als Kontrollinstanz anerkannt werden (nicht die UN und nicht der internationale Gerichtshof). Dies geht einher mit einer ungeheuren Menschenverachtung, die selbst vor ihren eigenen Mitgliedern nicht halt macht (z.B. all die Kriegsveteranen, die aus den Unrechtskriegen hervorgegangen sind, Soldaten, die schon im Einsatz mit menschenverachtenden Methoden in den Einsatz geschickt werden, oder auch die ‚Whistleblower‘, die lange Zeit geehrt wurden als besonders verantwortliche und mutige Menschen, aber mittlerweile (seit Obama!) wie Verbrecher behandelt werden).

GIBT ES NOCH ÖFFENTLICH WIRKSAME MEDIEN?

5) Angesichts dieser (vielfach dokumentierten) Fakten fragt man sich, was kommt als Nächstes? Was kann ein demokratischer Bürger angesichts dieser vollständig außer Kontrolle geratenen Maschinerie tun? Noch sind einige öffentlichen Medien in den USA intakt. Noch gibt es ansatzweise öffentliche kritische Stimmen. Allerdings gibt es nicht wenige Fernsehsender, Radiostationen und Zeitungen, die ganz bestimmten Interessengruppen so zugeordnet sind, dass sehr tendenziell berichtet wird. Dazu kommt das Vorrücken von Milliardären als Eigentümer von Traditionsblättern wie nun (siehe FAZ vom 7.Aug.2013) Jeff Bezos (Amazon) bei der Washington Post (bei der zuvor schon Warren Bufett Aktionär war), wie Chris Hughes (vormals facebook) bei der Zeitung ‚The New Republic‘, wie Carlos Slim (mexikanischer Milliardär) bei der New York Times, und wie John Henry beim Boston Globe. Nun muss dies nicht notwendigerweise etwas Schlechtes bedeuten. Jeder Eigentümer verkörpert Interessen, und jene, die finanziell unabhängig sind, könnten theoretisch mehr Unabhängigkeit ermöglichen, als andere. Aber es gibt auch keine Alternative: will man keine staatliche Presse, braucht es Bürger, die unternehmerisch-publizistisch aktiv werden. Das ist und bleibt ein Abenteuer. Demokratie muss immer wieder neu stattfinden, auch in den Medien. Kein Journalist ist ein guter Journalist, nur weil er sich so nennt (oder z.B. bei einem staatlichen deutschen Fernsehsender arbeitet…).

SORGEN REAL BEGRÜNDET

6) Die Sorge um den Zustand der Demokratie in den USA ist absolut real. Der massive Verlust demokratischer Kontrolle (zusammen mit einer kaum noch zu überbietenden Missachtung von moralischen Werten), beunruhigt selbst eingefleischte konservative Republikaner wie den Richter John Bates, der offiziell feststellen musste, dass die Regierung beim Ausspähen von US-amerikanischen Bürgern mehrfach die Gesetze übertreten hat und dies bis zum Schluss mehrfach geleugnet hatte (siehe z.B. den Beitrag von Ruth Marcus (22.Aug.2913), die sich auf ein Dokument des FISA-Gerichtes vom April 2011 stützt (ein Dokument, das erst aufgrund der öffentlichen Diskussion frei gegeben wurde!)). Vor diesem Hintergrund wirken die Äußerungen von Präsident Obama (23.Aug.2013 zu möglichen Maßnahmen einer verbesserten Kontrolle nicht wirklich beruhigend, da er nicht erkennen lässt, dass er die Tragweite des Problems erkannt hat. Auch die anderen Ankündigungen zu einem möglichen No-Spy Abkommen — so revolutionär sie an sich sein mögen und so sehr sie an sich begrüßenswert sind — bleiben an der Peripherie und berühren das Kernproblem in keiner Weise. Wenn man Obahama heute so hört, mag man gar nicht glauben, was er als Präsident 2009 kritisch und visionär zugleich zu den Aktivitäten der Geheimdienste und des Mlitärs gesagt hatte. Er wirkt heute nur noch wie ein Schattenmann der Geheimdienste, der jegliche eigene Werteposition verloren zu haben scheint. Unwillkürlich fragt man sich, ob er sich im Amt ‚geändert‘ hat oder ob er damals etwas vorgegaukelt hatte, was er nicht wirklich war? Wissen kann er das nur selbst.

SCHWEBEZUSTAND ZWISCHEN DEMOKRATIE UND DIKTATUR?

7) Die Frage ist, wie lange die US-Amerikanische Demokratie diesen Schwebezustand zwischen einer ‚institutionellen Diktatur‘ einerseits und noch intakten demokratischen Organen wie Kongress, Senat und Oberstem Gerichtshof andererseits aushalten wird. Die wachsende Diskussion zu einer möglichen Amtsenthebung des Präsidenten durch ‚Impeachement‘ (vgl. Verfassung der USA) passt zwar irgendwie in das Gesamtbild eines Präsidenten, der in seinen Taten den Geist der US-Amerikanischen Verfassung immer weniger erkennen lässt, doch der Kontext dieser Diskussion ist irritierender Weise weniger der weitgehende Kontrollverlust im Privaten, sondern eher andere gesellschaftspolitische Themen.

KEINE VERSCHWÖRUNSTHEORIEN, SONDERN SOZIOLOGIE UND PSYCHOLOGIE

8) Die — auch hier im Blog — geäußerte Kritik an den US-Amerikanischen Sicherheitsdiensten sollte man nicht als ‚Verschwörungstheorie‘ abtun (da kann sicher jeder seine wilden Geschichten erfinden, wie er will), sondern beziehen sich auf offizielle öffentliche Daten und Untersuchungen (siehe vorausgehende Blogeinträge). Und sie haben eher mit organisations-soziologischen und psychologischen Überlegungen zu tun. Sobald die Zahl der beteiligten Akteure in einem Prozess sowie die Komplexität der Kommunikationsakte eine gewisse Schranke (und die ist bei Menschen erwiesenermaßen ziemlich niedrig) überschreitet, ist diese Organisation nicht mehr verstehbar und nicht mehr kontrollierbar (auch nicht von ihren eigenen Mitgliedern). Hinzu kommt, dass die Mitglieder einer Organisation, wenn ihre persönliche Existenz von der Existenz dieser Organisation abhängt, wenig geneigt sind, Schwächen und Grenzen ihrer Organisation zu benennen. Dies alles trifft mehrfach auf das System der US-Amerikanischen Geheimdienste zu (wie u.a. die zwei-jährige Recherche der Washngton Post aufzeigte). Dazu kommt verschärfend die berufsspezifische Mentalität von Geheimdiensten und Militär: sie existieren, weil es die gesellschaftliche Annahme gibt, dass es da draußen ‚Feinde‘ gibt und ‚alles‘ getan werden muss, um diese ‚Feinde‘ zu kontrollieren oder zu ‚paralysieren‘ oder zu ‚vernichten‘. Alle Abläufe sind auf dieses Ziel ausgerichtet! Die gesamte Ausbildung, alle täglichen Abläufe, alle Vorschriften sind einzig darauf orientiert. Wer hier überleben will (oder gar Karriere machen will) muss lernen, optimiert zu denken. Mögliche Kritik oder gar Alternativen im Sinne eines radikal veränderten Feindbildes haben hier wenig Chancen. Dazu kommen die massiven monetären Interessen nicht nur der eigenen Mitglieder oder der eigenen Institution gegenüber dem Staat, sondern auch die massiven monetären Interessen der kooperierenden Firmen. Zweifel an ‚bestehenden Feindbildern‘ widersprechen sowohl der Grundlogik dieses Systems wie auch der grundlegenden finanziellen Bedürfnisse. Außerdem gibt es die üblichen Machtbedürfnisse und Eitelkeiten. [Anmerkung: Im Zusammenhang mit großen öffentlichen Protesten konnte ich mit einem hohen Beamten der Polizei sprechen. Persönlich war er sehr nett, wirkte kompetent und verantwortungsvoll. Angesprochen auf diese Proteste war für ihn aber von vornherein klar, dass diese Proteste ‚gesteuert‘ waren von extremen Gruppen; nicht einmal im Ansatz sah er hier die Protestierende als Bürger, die für demokratische Belange ihres Staates eintraten. Zufällig kannte ich mehrere Jugendliche, die sich bei diesen Protesten erstmalig beteiligt hatten, da sie sich von der allgemeinen Situation der Gesellschaft herausgefordert fühlten. Das wollte dieser persönlich nette hohe Polizeibeamte aber nicht akzeptieren. Psychologisch verständlich: sein Job ist schwer genug. Würde er jetzt auch noch real akzeptieren, dass er da nicht nur üble Protestierer vor sich hat, sondern reale Bürger mit realen Anliegen, es würde für ihn auf jeden Fall viel schwerer, damit umzugehen. Dies hat nichts mit ‚Moral‘ zu tun. Dies sind die primäen Überlebensreaktionen von Beteiligten. Und wir sollten uns eingestehen, dass es so ist.]

USA = RUSSLAND = CHINA = … ???

9) Dies sind, wie gesagt, allgemeine soziologische und psychologische Überlegungen. Sie gelten für US-Amerikanische Einrichtungen genauso wie für russische, chinesische, brasilianische oder welche auch immer. Der US-Amerikanische Geheimdienst unterscheidet sich vom Russischen oder Chinesischen nur darin, dass er sich zufällig in den USA befindet, und umgekehrt. Die einzelnen Mitgliedern mögen privat nette Familienmitglieder sein und kinderlieb (von den meisten Nazi-Größen wird dies auch berichtet), als Mitglieder ihrer Institutionen unterliegen sie aber Regeln und Normen, die sie nicht selbst bestimmen. Sie werden darauf gedrillt, jederzeit jeden zu töten, wenn nur der richtige ‚Befehl‘ vorliegt, und den kann im Prinzip jeder geben. Hitler und Stalin kann man im Nachhinein leicht kritisieren, aber zu erkennen, dass ein aktuelles System sich letztlich davon nicht notwendigerweise unterscheidet (und bei einem bestimmten ‚Design‘ sich auch nicht unterscheiden kann!), ist möglicherweise — zumindest für die unmittelbaren Akteure — nicht leicht bis sehr schwer faßbar. Und da die US-Amerikanischen Geheimdienste und das Militär anerkanntermaßen eine Größe, Komplexität und ein waffentechnisches Potential erreicht haben, was alles bis dahin Bekannte, sprengt, ist die Frage einer möglichen und effizienten demokratischen Kontrolle mit möglichst großer Beteiligung der Öffentlichkeit eine zentrale Frage des Fortbestandes einer US-Amerikanischen Demokratie.

OHNE EINHEIT ZERMALMEN SICH DIE GRUPPEN GEGENSEITIG

10) Eine zentrale Voraussetzung wäre eine lebendige Öffentlichkeit, die transparent ist, vital, informiert, in der aktive Politiker und Wähler einen realen Austausch führen. Die Bush-Administration galt in diesem Punkt als ein gewisser Tiefpunkt. Obama, der Rhetor, lässt hier bislang mehr Schwächen erkennen, als gut ist. Ein Öffentlichkeitsdefizit haben jedoch alle aktuellen demokratischen Staaten, mehr oder weniger. Es gehört zum historischen Prozess, dass sich die demokratischen Systeme immer wieder neu ‚beleben‘ und Erosionsprozessen entgegen wirken müssen. Alle Arten von ‚Klassen-‚ und ‚Kastenbildungen‘ sind hier im Ansatz kontraproduktiv und deutliche Anzeichen für ein Versagen einer gemeinsam geteilten Öffentlichkeit. Der ‚Rückzug‘ in seine ‚eigene Gruppe‘ ermöglicht nur zu Beginn Vorteile; im nächsten Schritt wird jede Gruppe gegen die andere kämpfen, und dann gibt es nichts mehr, worauf man sich gemeinsam beziehen kann. Das Ergebnis ist eine mehr und mehr unlebbare Gesellschaft, Chaos, Bürgerkrieg.

Eine Übersicht zu allen bisherigen Blogeinträgen nach Titeln findet sich HIER.

Ein Song zum Thema wurde hinzugefügt Democracy (entstanden auf einem Laptop in Campinas irgendwann nachts).

PHILOSOPHIE TRIFFT DAS SNOWDON SYNDROM – Teil 3: Der US-amerikanische Patient

Diesem Beitrag ging voraus Teil 2.

1) Die Diskussionen im Umfeld der US-amerikanischen Abhöraktionen und die damit zusammenhängenden Whistleblower-Aktivitäten gewinnen eine Breite, Tiefe, auch Schärfe, die nicht ohne weiteres absehbar war. Obwohl mir selbst viele Jahre vorher bekannt war, dass täglich ungeheuerliche Abhöraktionen weltweit von allen möglichen Gruppierungen stattfinden, war mir das reale Ausmaß der Aktivitäten US-amerikanischer Geheimdienste in dieser Konkretheit nicht bewusst. Allerdings hätte man auch ohne die Auskünfte der Whistleblower (im Amerikanischen oft auch ‚information leakers‘, etwa ‚die, die Informationslöcher geschaffen haben‘) Manning und Snowdon gewarnt sein können, da die Washington Post im Jahr 2010 eine umfangreiche Recherche veröffentlicht hatte, in der nach zwei Jahren intensivster Recherche alles zusammengetragen worden war, was man öffentlich in Erfahrung bringen konnte (dazu gehörten auch Gespräche mit Mitarbeitern der verschiedenen geheimen Dienste wie auch solchen Personen, die diese Dienste überwachen sollen). Das Projekt trug den Titel „Top Secret America“ und versuchte den Aufbau der nationalen Sicherheitsstruktur seit den Anschlägen vom 11.Sept. 2011 zu beschreiben. Wer diesen Bericht mit den weiterführenden Webseiten liest, der konnte schon 2010 merken, dass es hier um eine sehr ungewöhnliche Aktivität geht, die man eigentlich nur mit dem Adjektiv ‚monsterhaft‘ beschreiben kann; nicht nur, dass dieses ‚Monsterwesen‘ aus unendlich vielen, vielfältigst miteinander vernetzten Diensten besteht, es wächst beständig unkontrolliert weiter, gefüttert vom Wohlwollen und dem Geld der Regierung.
2) Was an diesem Bericht erschreckend ist, ist die Tatsache, dass eigentlich alle Quellen, die mit der Qualität und der Kontrolle dieser Dienste beauftragt sind, erhebliche Kritiken äußern: die tatsächliche ‚Wirkung‘ dieser Dienste ist nicht evaluierbar (die nach außen behaupteten Fälle von Entdeckungen möglicher Attentate kann niemand unabhängig und objektiv nachprüfen (sie erfüllen aber den Zweck, Angst zu verbreiten, um noch mehr Gelder locker zu machen)); in vielen Fällen fand eine gigantische Geldverschwendung statt; vielfache Überschneidungen zwischen den Diensten (wer schreibt eigentlich von wem ab?); Abschottung der Dienste untereinander (Kampf um Gelder und Machtverteilung); verworrene Gesetzeslage (wer darf wen informieren oder kontrollieren); Taktik der ‚Unsichtbarmachung‘ von Aktionen durch ‚Geheimerklärungen‘, damit niemand Einsicht nehmen kann; die schiere Menge der Geheimberichte jeden Tag (im Jahr 2010 mehrere hundert Dokumente, gedruckt, viele hundert Seiten), die zur Kenntnis zu nehmen und auszuwerten faktisch unmöglich ist; durch die zunehmende Automatisierung Tendenz zu abstrakter schematischer Wahrnehmung, die mit realen konkreten Vorgängen oft gar nichts mehr zu tun haben (viele dokumentierte Fälle von Attentaten, die von der Maschinerie nicht erkannt wurden); schließlich eine Gesamtsituation, die von keiner einzigen Stelle mehr vollständig überschaut wird: die geheimen Dienste mit ihren Aktivitäten sind faktisch außer Kontrolle; von einer demokratischen Kontrolle kann in keiner Weise mehr gesprochen werden!

GANG DER ENTWICKLUNG: ZUSAMMENWACHSEN

3) Treffen die in diesem Blog entwickelten philosophisch-wissenschaftlichen Gedanken zu, dann geht der Trend der Strukturbildung im bekannten Universum unaufhaltsam in Richtung wachsender ‚Differenzierung‘ und zugleich wachsender ‚Integration‘. Nach der erst kürzlich (ab ca. -9000 Jahren) erfolgten Herausbildung von städtischen Lebensformen hat das Aufkommen von immer mehr Technik bis zur Erfindung von Computern und Computernetzwerken Ende des 20.Jahrhunderts die Komplexitätsbildung im Bereich Kommunikation von ‚Wissen‘, von ‚mentalen Modellen‘ erheblich beschleunigt und quantitativ explodieren lassen. Es liegt in der ‚Natur‘ dieses Prozesses, dass alle an diesem Prozess beteiligten Systeme zu einem einzigen großen ‚Superorganismus‘ zusammenwachsen. Die aus der Geschichte bekannten regionalen und nationalen Organisationsformen haben hier auf lange Sicht keine eigenständige Bedeutung mehr. Zwar wird die menschliche Gesellschaft, so ähnlich wie der menschliche Körper, die ungeheure Zahl ihrer Mitglieder durch allerlei ‚Substrukturen‘ teilorganisieren, aber die wahre ‚Einheit‘ wird über alle Teilstrukturen hinausgreifen.
4) Hier stellen sich sehr viele Fragen, auf die vermutlich aktuell noch niemand eine klare Antwort hat, weil diese Dinge für alle radikal neu sind. Klar ist aber, dass diese Entwicklung diverse ‚Übergangsprozesse‘ impliziert, ‚Transformationsprozesse‘, von denen alle betroffen sind.

FALLSTUDIE INTERNET: POSTGOLDGRÄBERZEIT

5) Ein Beispiel bietet das Internet: wie schon in einem vorausgehenden Blogeintrag angemerkt, stand am Anfang die ‚große Freiheit‘, die vornehmlich von den USA ausging. So ist es nicht verwunderlich, dass es US-amerikanische Firmen waren, die diesen neuen Aktionsraum als erste ausloteten und entdeckten, dass man im Tauschgeschäft von kostenlosen Dienstleistungen gegen personenbezogene (und auch andere) Informationen sehr schnell ein globales Geschäft aufbauen konnte (dass sich dann viele Geheimdienste hier einfach ‚draufsetzen‘ konnten, war nicht notwendigerweise Teil des Prozesses, aber nun mal zu verführerisch; wenn die Daten nun schon mal da waren, warum dann nicht einfach nutzen). Wie in den berühmten Wildwest-Goldgräberzeiten, wo der Kapitalismus sich rücksichtslos austoben konnte, haben auch jetzt einig wenige Firmen den Weltmarkt unter sich aufgeteilt, ohne Rücksicht auf ‚Werte‘ und grundlegende ‚Rechte‘. In dem Maße, wie den ‚Kunden‘ diese Vorgänge bewusst werden (es fängt erst gerade an), kann es sein, dass diese ursprünglichen Geschäftsmodelle in sich zusammen fallen. Allerdings haben die aktuellen Platzhirsche schon so viel Kapital angesammelt, dass sie es vielleicht überleben, oder auch nicht. Alternativen gibt es und irgendwer wird sie sicher nutzen. Klar ist nur eines: das gemeinschaftliche Interesse an der Nutzung dieser neuen Technologien ist elementar und überleben werden nur Strukturen, die mit diesem elementaren gemeinschaftlichen Interessen übereinstimmen. Die Anzeichen dafür sind überall da und selbst globale Unternehmen können sich dem auf Dauer (was sind schon 10-20 Jahre) nicht entziehen.

FALLSTUDIE NATIONALSTAAT: USA

6) Eine andere Dimension der Transformationsprozesse sind die gesellschaftlichen Gebilde, die Nationalstaaten. Neben vielen Aspekten ist es die Verteilung, Ausübung und Kontrolle von ‚Macht‘ in diesen Systemen, die entscheidend ist. Wer darf wie darüber entscheiden, welche Gesetze gelten sollen, welche Steuern erhoben werden, wie Gelder eingesetzt werden, usw. Einige Länder dieser Erde hatten es in den letzten ca. 200 – 300 Jahren geschafft, mit viel Blutvergießen, Kriegen und Kämpfen, das zu organisieren, was man ‚demokratische Gesellschaften‘ nennt; einige wenige Länder! Eines davon waren die Vereinigten Staaten von Amerika, die USA. Die Freiheit der Bürger und die Kontrolle der Macht durch die Bürger war eines der zentralen Güter dieser US-amerikanischen Gesellschaft. So wie jedes Land hatte auch die US-amerikanische Gesellschaft ihre ‚biographischen‘ Besonderheiten, z.B. besaß das Militär (wie in vielen anderen Länder dieser Erde auch) eine besonders geachtete Stellung, weil natürlich die Wirkkraft des Militärs auch ein Garant dafür war, die Freiheitsrechte zu verteidigen. Ein gewisser ‚Patriotismus‘ in Form einer grundlegenden Wertschätzung des Militärs als Einrichtung des Staates gehört immer dazu.
7) Was aber dann in den USA passiert zu sein scheint (und dies geschah und geschieht in fast allen anderen Ländern dieser Erde auch), ist, dass die konkreten Menschen, die solch eine Institution mit Leben füllen, nun mal nur ausnahmsweise ‚Heilige‘ sind; normalerweise unterliegen sie wie alle anderen Menschen auch, menschlichen Regungen wie ‚Eitelkeit‘, ‚Machtstreben‘, ‚Gewinnstreben‘ usw. Aus Sicht des Militärs sieht die Welt natürlicherweise anders aus als aus Sicht der Industrie oder des ’normalen‘ Bürgers. Jedes Militär der Welt will seinen Einfluss erweitern, die finanziellen Mitteln aufstocken, mehr Rechte haben, möglichst keine Kritik einheimsen, die Disziplin hochhalten, usw. Im Nachgang zum zweiten Weltkrieg hat sich der sogenannte ‚industriell-militärische Komplex‘ entwickelt, von dem viele behaupten, dass er die Hauptmotor war für fast alle nachfolgenden Kriege, die die USA geführt haben. Ein Krieg ist immer das beste Argument für mehr Geld, mehr Einfluss, weniger Kritik. Und wenn es gerade keinen Krieg gibt, dann ist es hilfreich, allerlei ‚Ängste‘ in der Öffentlichkeit hoch zu halten, um dem Militär alles zu geben, was es verlangt (und tatsächlich, so scheint es, viel viel mehr, als es eigentlich braucht). Und es ist genau der letzte Punkt, den viele Kritiker in den USA besonders thematisieren: es besteht der Eindruck, dass der monsterhafte, nicht mehr kontrollierbare Ausbau der geheimen Dienste in den USA vorwiegend dem einen Zwecke dient: beständig eine Kultur der Angst hoch zu halten, eine dauerhafte Bedrohung anklingen zu lassen, um als Gegenleistung nahezu beliebig viele Gelder bewilligt zu bekommen und gleichzeitig alle öffentliche Kritik an diesem Wahnsinnsgeschehen mit Verweis auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Ansatz zu unterbinden.
8) In diesem Zusammenhang besitzt der aktuelle Prozess gegen Manning eine fundamentale Bedeutung. In dem Moment, wo diese Verurteilung durchgeht, hat der ‚Moloch‘ gewonnen; ab dann werden nicht nur die, die Missbrauch und Gesetzesbrüche der Regierung zur Kenntnis bringen (die ‚Whistleblower‘), generell schwer bestraft werden, sondern auch alle diejenigen (meistens Journalisten), die darüber berichten. Ab dann wird die USA von einem allseitigen ‚Schweigen‘ befallen werden, wie wir es bislang nur aus faschistisch Diktaturen kennen. Ab dann werden wir alle wissen, dass der in sich gesunde ‚Patriotismus‘ sich – wie schon so oft in der Geschichte – in einen krankhaften ‚Faschismus‘ verwandelt hat, der nur noch Machtmonopole kennt, Propaganda, Lügen, und Machtmissbrauch ohne Ende. Es wäre ein sehr trauriges Kapitel in der Geschichte der amerikanischen Demokratie, wen ausgerechnet der Präsident, der als ‚Retter‘ gegen phasenweise ‚reaktionär‘ wirkende Republikaner derjenige ist, der diesem Monstersystem aus Militär, Industrie und Geheimdienstmoloch samt kontinuierlicher Missachtung internationaler Rechte letztlich Tür und Tor geöffnet hat. Scheinbar ist sein Selbstbewusstsein so schwach, dass er das Falsche an einem fehlgeleiteten Patriotismus nicht erkennt. Vielleicht (Für die Interpretation der ‚Schwachheit‘ Obamas spricht auch die Tatsache, dass Obama, als er 2005 noch selbst Senator war, kritische Anmerkungen zur Umsetzung der Überwachungsaktivitäten hatte, die er dann, al Präsident, verwarf). Im Endeffekt ist entscheidend, ob diese Machtzentren Militär und Geheimdienste in Interaktion mit Teilen der Industrie sich völlig der demokratischen Kontrolle entziehen können oder nicht. Momentan gibt es in den USA nur vereinzelte Stimmen in einigen wenigen Zeitungen oder speziellen Webseiten, die diese gefahr thematisieren; die Justiz schaut bislang zu (bzw. hat Partei gegen die Bürger und für den Regierungsapparat ergriffen). Einige Abgeordneten haben einen Widerstand am 24.Juli 2013 versucht, sind aber erst mal, wenngleich knapp, gescheitert. Die beteiligten Gruppen sowohl bei den Republikanern wie auch den Demokraten versuchen es aber weiter.

KÖNNEN WIR ES NOCH LERNEN?

9) In jeder Situation, in der ‚Neues‘ auftritt, das herausfordert, ist es eine spannende Frage, ob und wie ‚man‘,’wir‘, ‚Du‘ und ‚Ich‘ zusammen ‚es lernen‘, wie wir mit der neuen Situation umgehen. Hier könnte man im Detail vieles sagen, was auf jeden Fall eine Rolle spielen wird. Es gibt aber auch so etwas wie ‚Grundhaltungen‘: die einen, die grundsätzlich Lösungen von Problemen in Frage stellen und die anderen, die grundsätzlich immer annehmen, dass es eine Lösung geben wird.
10) Wenn man sieht, wie die ungeheuerliche Komplexität von Universum, darin Erde, darauf biologisches Leben, sich entfaltet hat ohne das geringste Zutun von unserer Seite, und wie dieser ganze Prozess weiter abläuft, mit einer Richtung, ohne dass wir wichtige Teile des Prozesses kontrollieren (höchstens stören), dann tendiere ich dazu, zu sagen, die Wahrscheinlichkeit einer Lösung ist größer als ihr Nichteintreffen.

WAHRHEIT IST MEHR ALS IDEOLOGIE

11) Wir Menschen haben im Laufe der letzten ca. 10.000 – 15.000 Jahren eine Vielzahl von ‚Weltinterpretationen‘ hervorgebracht. Viele sind in weiten Teilen nicht verifizierbar, was nicht heißt, dass sie trotzdem eine gewisse kognitive und emotionale Wirkung auf Menschen ausüben können. Klar ist aber, dass nur diejenigen Systeme in der Zukunft sich ‚behaupten‘ können, die im vollen Sinne ‚wahr‘ sind. Der Begriff ‚Wahr(heit)‘ ist hier orientiert am Verhältnis zwischen biologischen Lebensformen und umgebender Erde: bis jetzt konnten sich immer nur solche Lebensformen ‚behaupten‘, die unter den jeweils aktuellen Bedingungen der Erde hinreichend viel Energie sammeln und verarbeiten konnten und die sich im Rahmen einer Population hinreichend viel ‚fortpflanzen‘ konnten. Daraus folgt nicht, dass das Leben sich in der Selbstorganisation von Energie und Nachkommen erschöpft, dass aber Populationen, die dieses Minimum nicht schaffen, ‚verschwinden‘. Interpretationen darüber, was und wie die Welt ist, werden sich also im Kern auch daran bewähren müssen, dass sie mindestens erklären können, warum das, was ist, so ist, wie es ist, wie es anders sein könnte und welche Rolle wir in diesem Prozess spielen können. Die meisten bisherigen Weltinterpretationen (einschließlich der bekannten Religionen), haben hierin weitgehend versagt und aktuell gibt es wenig Grund, anzunehmen, dass sie sich hinreichend ändern. Damit soll nichts gegen einen Gottesglauben gesagt sein, höchstens, dass das Reden über Gott in den bekannten Religionen möglicherweise unzureichend ist; sie sagen evtl. zu wenig oder zu viel Falsches.

Eine Fortsetzung findet sich in Teil 4.

Einen Überblick über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.