Archiv der Kategorie: Semiotischer Raum

KULTURELLE AUTOIMMUNREAKTIONEN? oder: KONTROLLWAHN UND DIE ANGST UM SICH SELBST


(Unter twitter bei ‚cagentartist‘))

1) Treffen die Überlegungen im Blogeintrag ‚EMERGING MIND – Mögliche Konsequenzen‘ zu, dann befinden wir uns im Jahr 2013 an einem Punkt der Entwicklung des Geistes auf der Erde, der einen sich andeutenden umfassenden kulturellen Umbruch markiert.
2) In der Geschichte des Lebens auf der Erde gab es viele solcher Umbruchzonen, wobei der Begriff ‚Umbruchzone‘ nicht unproblematisch ist; schließlich ist jeder Abschnitt in der bisherigen Entwicklung letztlich eine Umbruchphase. Es scheint aber so zu sein, dass man Phasen unterscheiden kann, in denen aus Sicht der Beteiligten anscheinend ‚Weniger‘ oder gar ‚Nichts‘ geschieht gegenüber solchen, wo die Umbrüche durch real stattfindenden Veränderungen offensichtlicher zu sein scheinen.
3) Beispiele für global sichtbar werdende Strukturumbrüche waren die zuvor genannten ’neuen Strukturen S‘, die sich zum Vorausgehenden deutlich abhoben (Von der Anfangs-Energie zu den Quanten, von den Quanten zu den Atomen, …., von den einzelnen Zellen zu organisierten Zellverbänden, … die Sesshaftwerdung mit Ackerbau und Stadtbildung, ….. Motorisierung des Verkehrs, …. Gemeinsame Datenräume durch das Internet….).
4) Neben diesen Änderungen, die sich in realen Strukturänderungen widerspiegeln, gab es aber auch Änderungen, die sich in den semiotischen Räumen, in den deutenden ‚Weltbildern‘ abspielten, die nicht minder ‚real‘ und ‚wirksam‘ waren. So führte das Aufkommen experimenteller und formaler Methoden in der Renaissance nicht nur zu neuen Detailansichten, nein, es entstanden neue Zusammenhänge, neue Deutungsmuster, die sich zu einem kognitiven, wissensmäßigen Gegensatz zu den bisherigen Deutungsmustern aufbauten, weltanschauliche Konflikte hervorriefen, die die damals Mächtigen (die katholische Kirche) meinten, mit ‚Gewalt‘ kontrollieren und unterdrücken zu müssen. Galilei als ein Repräsentant dieser neuen Gedankenwelt sollte sich verleugnen, sollte abschwören, doch ca. 100 Jahre später waren diese neuen, gefährlich erscheinenden Gedanken in vielfältiger Weise in die Öffentlichkeit vorgedrungen. Die Erde bewegt sich um die Sonne und das Weltall ist erheblich größer, als sich jeder zuvor vorstellen konnte.
5) Weitere Umbrüche in der Deutung der Welt folgten (geologisch die Erde als Teil eines größeren Veränderungsprozesses, die biologische Evolution, das Gehirn als Organ des Fühlens und Denkens abhängig von physikalisch-chemischen Prozessen, die alltägliche Wirklichkeit als Artefakt unseres Denkens verglichen mit den zugrunde liegenden molekularen, atomaren, quantenhaften Strukturen, usw.). Allerdings scheint es so zu sein, dass die Ausbildungsprozesse mit der Explosion dieses Wissens über die Welt und uns selbst immer weniger Schritt halten können. In der Alltagswelt heute durchdringen zwar immer mehr technische Produkte als Konsequenz des erweiterten Denkens unseren Lebensraum, aber man hat nicht den Eindruck, dass im gemeinsamen öffentlichen Denken dieses Wissen tatsächlich ‚angekommen‘ ist.
6) Während digital gespeichertes Wissen sich – zumindest im Prinzip – beliebig schnell in beliebigen Mengen überall hin kopieren lässt, sich rasant schnell nahezu beliebigen formalen Operationen unterziehen lässt, haben die menschlichen biologischen Gehirne eine ihnen eingeborene eigene Langsamkeit, Trägheit, Begrenztheit, die dem Entstehen und dem Verwandeln von Wissen im einzelnen einen natürlichen Widerstand entgegen setzen. Was immer ein Individuum A in einer Generation G(t) schon alles erkannt und gedacht haben mag, ein Individuum B aus Generation G(t’>t) weiß dies alles nicht, es sei denn, er durchläuft ähnliche mühsame Lernprozesse. Solche Lernprozesse sind aber nicht notwendig, nicht zwingend, verlaufen nicht automatisch, und sind in ihren möglichen Inhalten nicht wirklich voraussagbar: keine Lernumgebung kann sicher stellen, dass die Inhalte, die die Lernorganisatoren intendieren, auch tatsächlich so in einem lernenden Individuum ‚entstehen‘.
7) Es ist von daher nicht erstaunlich, dass in einer Gesellschaft mit immer ‚mehr‘ und immer ‚komplexeren‘ Wissen immer weniger Menschen in der Lage sind, das bereits schon zuvor errungene Wissen für sich selbst erneut ‚wieder zu entdecken‘ und ‚für sich nutzbar‘ zu machen. Historisch bekannt ist der Untergang der griechischen Denkwelt samt ihren Schriften, der in Europa dann gut 1000 Jahre zu einer ‚Verdunklung‘ des Wissens geführt hatte. Erst über den Umweg vom Griechischen zum Arabischen (das damals das Wissen der Welt in sich aufsog) und dann wieder ins Lateinischen kam das ‚Licht der Erkenntnis‘ wieder nach Mitteleuropa. Ein langwieriger Übersetzungs- und Lernprozess, der nur durch den Aufbau eines neuen Ausbildungssystems (Schulen, erste Universitäten, Abschreiben, Kopieren und Übersetzen vieler Schriften…) über viele Jahrhunderte den Wissensstand von vorher ‚rekonstruierte‘ und durch diese aktive Rekonstruktion dann auch weiter entwickelte.
8) Wir leben heute in einer Welt von bizarren Wissensgegensätzen: während wir einerseits über einen Wissensschatz verfügen, der differenzierter und größer ist als jemals zuvor, erleben wir zugleich, dass viele Menschen, die meisten (?), sich in ihrem Wissen fragmentiert erleben, unvollständig oder, noch schlimmer, dass sie heute Weltbilder pflegen und für wahr halten, die 1000, 2000 Jahre alt sind, die mehrfach widerlegt wurden, aber die sie benutzen, als ob es die aktuellen Wahrheiten sind. Dies betrifft nicht nur solche Menschen, die aufgrund ihrer Lebensumstände keine oder fast keine Ausbildung genießen konnten, sondern sogar solche die Abitur haben, die studiert haben, ja sogar solche, die einen Doktortitel erworben haben. Unsere Wissenslandschaft ist mittlerweile so komplex und zerklüftet, dass Menschen mit Doktortiteln auftreten können und den letzten ‚Unsinn‘ erzählen, ohne dass ihnen bewusst ist, dass dem so ist.
9) In dieser Situation macht es keinen Sinn, die einzelnen dafür haftbar zu machen (obgleich natürlich schon jeder bis zu einem gewissen Grad Verantwortung für sein eigenes Denken trägt), sondern man muss den Kontext berücksichtigen, innerhalb dessen jemand heute Denken kann bzw. muss. Aus Sicht einer modernen Lerntheorie scheint es so zu sein, dass die Rahmenbedingungen für ein individuelles Lernen schwieriger denn je sind. Die Vielfalt der Methoden und die ungeheure Fülle an Fakten sind von einem einzelnen biologischen Gehirn nicht mehr bewältigbar. Eine Situation, die ich vor vielen Jahren schon mal als ’negative Komplexität‘ bezeichnet hatte: Komplexität, die da ist, die aber von uns nicht mehr hinreichend verarbeitet werden kann.
10) In einer solchen Situation wird es für alle Entscheidungsträger – insbesondere auch politisch Verantwortliche – immer schwieriger, das ‚Richtige‘ zu tun. Die Angst, dass alles aus dem Ruder läuft, außer Kontrolle gerät, ist real. Die Versuchung, durch immer mehr ‚Kontrollen‘ dieser ‚Unübersichtlichkeit‘ Herr zu werden ist real gegeben, wird immer stärker. Bedenkt man nun, dass diejenigen Menschen, die in höhere Verwaltungs- und Entscheidungspositionen drängen, tendenziell eher egozentriert sind, machthungrig, ’nicht zimperlich‘, es mit der Wahrheit eher nicht so genau nehmen, usw., dann erstaunt es nicht, zu sehen, wie heute weltweit in immer mehr Staaten die führenden Politiker autokratische Züge entwickeln, Meinungsfreiheit mehr und mehr unterdrücken, Technik dazu benutzen, immer mehr Datenströme und Lebenszuckungen der Menschen zu kontrollieren, einfache (in der Regel falsche) Weltbilder favorisieren, sich auch in sogenannten demokratischen Gesellschaften die Mächtigen von ‚den anderen‘ durch immer mehr Pseudoprivilegien abzusondern trachten, sich die alten absolutistischen Klassen von ‚früher‘ neu bilden.
11) Diese Phänomene stehen in seltsamem Kontrast zur tatsächlichen globalen Entwicklung des Lebens. Sie repräsentieren ‚Rückfälle‘, eine Art von ‚Verweigerung der Zukunft‘, sind ‚Reflexe‘ des ‚alten‘ Menschen vor der anrückenden Zukunft, die von jedem einzelnen Menschen und dann von den Gemeinschaften mehr verlangt als jeder einzelne bislang gewohnt ist, zu geben. Ob diese Reflexe stärker sind als das Neue, ob der Prozess des Lebens auf der Erde durch diese Anti-Reflexe zum Scheitern kommt, ist offen. Die ungeheure Wucht des bisherigen Lebens-Prozesses im Universum und auf der Erde kann den Verdacht nähren, dass die immanenten Faktoren dieses Prozesses stärker sind als die Abwehrreflexe eines Stadiums von Leben, das zu überschreiten ist. Wirklich wissen tut es vermutlich niemand, wie auch.
12) Vom individuellen biologischen Körper kennen wir nicht nur das Immunsystem, das auf geradezu fantastische Weise praktisch in jeder Sekunde gewaltige Abwehrschlachten gegen Millionen und Milliarden von Mikroorganismen führt. Wir haben gelernt, dass dieses Immunsystem sich auch irren kann; dann fängt es an, körpereigene Zellen zu bekämpfen, eine sogenannte Autoimmunreaktion. Wenn man sich den Lebensprozess auf der Erde anschaut, wie sich tatsächlich weltweit momentan in fast allen Ländern die politisch Verantwortlichen gegen den Trend stellen, dann drängt sich unwillkürlich das Bild einer globalen kulturellen Autoimmunreaktion auf: die Verantwortlichen, die für das Wohl ihrer jeweiligen Gesellschaften verantwortlich sind, wenden sich gegen ihre eigenen Gesellschaften, indem sie sich selbst zu ernst nehmen und das kreative Potential der jüngeren Generation mehr oder weniger mit Füssen treten (was nicht heißt, dass es auch viele Jüngere gibt, die sich totalitären Weltbildern zugewandt haben, die nicht besser sind; woher sollen sie es auch wissen?).
13) In diesem Kontext spielen die sogenannten ‚Offenbarungsreligionen‘ (die bekanntesten sind das Judentum, das Christentum, und der Islam) eine zwielichtige Rolle. Insofern sie alle einen ‚heißen Kern‘ haben der auf einen allumfassenden Schöpfergott ausgerichtet ist, haben sie prinzipiell einen ‚Anschluss‘ an den Lebensprozess im Universum; insofern sie aber diesen heißen Kern mit allzu viel historischen Zufälligkeiten, allzu zeitgebundenem Menschlichen aus ihren Entstehungszeiten um diesen Kern herum gesponnen haben, ist die immanente Sprengkraft eines universalen Gottesbildes weitgehend ‚abgedunkelt‘ worden durch Dinge, die irreführend oder falsch sind und die in der Vergangenheit allzu oft für persönliche Machtspielchen missbraucht wurden. Die Unwissenheit von Menschen für persönliche Machtinteressen zu instrumentalisieren ist eines der größten Verbrechen, das ein Mensch begehen kann (ein Gedanke, der sich u.a. im Neuen Testament der Christen findet; dort wird es Jesus von Nazareth als Aussage zugeschrieben (viele der heutigen Zeitungen, Radiostationen und Fernsehsender mit ihren Verantwortlichen haben in dieser Hinsicht möglicherweise schlechte Karten….)).

Eine Übersicht über alle bisherigen Blogbeiträge nach titeln findet sich HIER.

EMERGING MIND – Mögliche Konsequenzen

Letzte Änderung: 9.April 2015, 12:10h – Minimale Korrekturen; Lesbarkeit verbessert durch Abstände; Zwischenüberschriften

1) Die ganzen Überlegungen zum ‚Emerging Mind‘ sind noch sehr anfangshaft, spekulativ. Andererseits, angesichts der vielen ungelösten Fragen, ohne diese Arbeitshypothese und die interessanten Zusammenhänge mit dieser Arbeitshypothese ist es eigentlich unmöglich, diese Arbeitshypothese nicht weiter zu denken. Fehler zeigten sich ja im allgemeinen am ehesten dann, wenn man versucht, eine Hypothese konsequent anzuwenden und sie auf diese Weise immer mehr ‚Überprüfungen‘ unterzieht.

EMPIRISCHES UNIVERSUM ALS FOLGE VON STRUKTUREN

2) Bisheriger Ausgangspunkt ist ja die Annahme einer Prozesskette S*(t+n) = f(S(t)) mit ‚t‘ als einem Zeitpunkt, ‚S‘ als einer identifizierbaren Struktur zu diesem Zeitpunkt und ‚f‘ als eines funktionalen Zusammenhanges, der die Struktur ‚S‘ in die Struktur ‚S*‘ überführt.

3) In vorausgehenden Einträgen hatte ich exemplarisch mögliche Strukturen identifiziert beginnend mit dem Energieausbruch E des BigBang, der dann in der nachfolgenden Abkühlung immer mehr Strukturen ‚hervorgebracht‘ (=f?) hat: Quanten [Q], Atome [At], Moleküle [Mol], usw. Man bekommt dann eine Prozesskette der Art EMPIRISCHER-KOSMOS = S_Q(t+n1) = f(S_E(0)), S_At(t+n1+n2) = f(S_Q(t+n1) ), usw. wobei die Energie eine Art ‚Nullstruktur‘ ist verglichen mit den folgenden Strukturausprägungen.

4) Bedenkt man ferner, dass jede Funktion ‚f‘ in der ‚Realität‘ eine ‚reale Abbildung‘ sein muss, d.h. eine ‚Operation‘, die ‚real etwas bewirkt‘, dann bedeutet dies, dass man parallel zu den Strukturen S_i(), die man zu verschiedenen Zeitpunkten unterscheiden kann, für die Veränderungsoperation ‚f‘ (von der noch unklar ist, ob es immer die ‚gleiche‘ ist), einen ‚Träger‘ annehmen muss, ein ‚Medium‘, das diese Ausführung ermöglicht. In der klassischen Makrophysik gibt es neben den unterscheidbaren Makrostrukturen ’nichts Konkretes‘, was als Träger in Frage kommt ausser den ‚beobachtbaren Kräften‘, die wir durch ihre spezifischen ‚Manifestationen‘ ‚indirekt‘ erkennen und die wir hypothetisch in Form von ‚Gesetzen‘ benennen und damit ‚dingfest‘ machen. Im Licht der Quantenphysik (was sich bislang vielleicht eher noch als ein ‚Halbdunkel‘ darstellt, das wir noch kaum verstehen…) muss man annehmen, dass die Wahrscheinlichkeitsfelder ihre Kohärenz immer wieder durch ‚Kräfte‘ verlieren, die dann zu den tatsächlich beobachtbaren Makroereignissen führen. Diese in der Quantenfeld lokalisierten hypothetischen Kräfte bieten sich als Kandidaten für den Operator ‚f‘ an, der die unterschiedlichen Strukturbildungen E → S_Q → S_At → … ermöglicht.

ENERGIE: EINMAL UND IMMER WIEDER

5) Neben vielen interessanten Aspekten ist bemerkenswert, dass diese Prozesskette EMPIRISCHER-KOSMOS bis zur Strukturform der Moleküle durch eine einmalige Energiezufuhr (’statisch‘) diese Strukturen erhält; jenseits der Moleküle S_Mol, ab der Strukturform ‚Zelle‘ S_Cell, benötigen diese komplexe Strukturen kontinuierlich eine beständige Zufuhr von Energie (‚dynamisch‘) in Form von chemisch gebundener Energie, die dann mittels Metabolismus ‚freigesetzt‘ und für verschiedene energieintensive Prozesse genutzt wird. Mit fortschreitender Komplexität der Strukturformen (Pflanzen, Tiere, Hominiden, …) wird der Aufwand immer grösser und die Formen von Energiegewinnung, -transport, -speicherung, -verwertung immer komplexer.

ENTSTEHUNG VON ZEICHEN INNERHALB DER MATERIE

6) Ferner ist bemerkenswert, dass bei fortschreitender Komplexität der Strukturformen sich solche molekular basierte Strukturen bilden können, die dann Repräsentationen auf einer höheren Ebene realisieren können, chemische Ereignisse, die als Zeichen funktionieren, die Bedeutungsbeziehungen realisieren können (= semiotischer Raum, Semiose, Zeichenprozesse). Damit ist es möglich, sich von der Konkretheit molekularer Strukturen in gewisser Weise zu befreien und im semiotischen Raum abstrakte Strukturen aufzubauen, die für beliebige Strukturen stehen können. Nicht nur lassen sich damit die vorfindlichen molekularen Strukturen ‚abbilden‘, ‚modellieren‘, sondern man kann mit ihnen ‚herumspielen‘, sie beliebig ‚variieren‘, ‚kombinieren‘, und damit den realen Augenblick ‚transzendieren‘. Im semiotischen Raum kann die reale Gegenwart durch eine erinnerbare Vergangenheit und eine potentielle Zukunft erweitert werden. Dieser Prozess ist schleichend und gewinnt in den höheren Säugetieren, bei den Hominiden und speziell beim homo sapiens sapiens einen vorläufigen Höhepunkt.

BESCHLEUNIGUNG DER KOMMUNIKATION

7) Seit der Verfügbarkeit des semiotischen Raumes innerhalb eines Systems kann man eine dramatische Beschleunigung in der Kommunikation und Koordinierung zwischen den Teilnehmern beobachten, Explosion an Werkzeug, Verfahren, Regeln, Organisation usw.

FLEXIBILISIERUNG DER ENERGIEZUFUHR

8) Die nächste grosse Revolution findet statt, als es gelingt, die molekül-basierten semiotischen Räume mit Hilfe von atomar-basierten Technologien in den wesentlichen Signal- und Zeicheneigenschaften zu kopieren (= Computer), so dass nun die Bildung von ‚künstlichen (technischen) semiotischen Räumen‘ möglich wurde, in Kombination mit einer globalen Vernetzung (= Computernetzwerke, Internet, WWW). Während molekül-basierte semiotische Räume chemisch gebundene Energie zu ihrem ‚Betrieb‘ benötigen, benötigen die atomar-basierten semiotischen Räume Energie in Form von technisch manipulierbaren Potentialunterschieden (= Elektrizität). Diese Form ist universeller und flexibler.

STEIGERUNG DER KOMPLEXITÄT

9) Seit der Verfügbarkeit von künstlichen — auf elektrischer Energie basierenden — semiotischen Räumen konnte die Komplexitätsentwicklung sowohl in ihrer inhärenten Komplexität wie auch in der Geschwindigkeit ihrer Entwicklungen weiter gesteigert werden.

MODIFIKATIONEN DES VERÄNDERUNGSOPERATORS

10) Interessant ist, dass der Veränderungsoperator ‚f‘ nun deutlich unterschieden werden kann. Während der Übergang von der Struktur ‚vor dem HS (‚homo sapiens‘)‘ – also etwa S_PreHs(t) – zur Struktur S_Hs(t+n) noch mit dem Operator ‚f‘ geschrieben werden kann S_Hs(t+n) = f(S_PreHs(t)) ist der Übergang von der Struktur S_Hs zu der neuen Struktur S_NetComp(t) von S_Hs vorgenommen worden, also S_NetComp(t+n) = f_hs(S_Hs(t+n)). Dies ist möglich, weil die impliziten semiotischen Räume von Hs die Definition von Operatoren ermöglichen, die dann ‚umgesetzt‘ werden können. Allerdings wird man wohl annehmen müssen, dass in diese Umsetzung f_hs wohl auch das allgemeine ‚f‘ mit eingeht, also genauer S_NetComp(t+n) = f_hs u f(S_Hs(t+n)).

11) Aktuell sind die künstlichen technischen Strukturen S_NetComp noch nicht in der Lage, sich selber zu vervielfältigen. Grundsätzlich ist nicht zu sehen, warum dies nicht eines Tages möglich sein sollte.

12) Klar ist allerdings, dass der Veränderungsoperator ‚f‘ nun als zusätzliche Teilkomponente f_NetComp enthält, also S_Future(t+n) = f u f_NetComp(S_Past(t)).

PROJEKTION IN DIE ZUKUNFT

13) So mächtig die Kombination ‚f u f_NetComp‘ wirkt, so fragil ist das Ganze. Würde aus irgendwelchen Gründen mal kein Strom verfügbar sein, dann würde S_NetComp vollständig ausfallen und damit würden schon heute weite Bereiche der ‚Zivilisation‘ weitgehend zusammenbrechen.

14) Ein weiterer Aspekt deutet sich an: aufgrund der heute verfügbaren Daten wissen wir, dass der aktuelle Körper des Menschen nur ein ‚Durchgangsstadium‘ markiert. Viele Millionen Jahre vorher sah dieser Körper anders aus und gehen wir weiter zurück, dann verlieren sich die heute bekannten Strukturen in immer fremdartigeren Formen, die kaum noch etwas mit der heutigen Gestalt zu tun haben. Umgekehrt müssen wir also davon ausgehen, dass sich – auch ohne unser Zutun – die aktuelle Körperform weiter verändern wird.

15) Dazu kommt der Aspekt, dass wir mittels des impliziten semiotischen Raumes wie auch durch die heute extern verfügbaren künstlichen semiotischen Räume samt hochentwickelter Werkzeuge den Umbau der aktuellen Körperformen aktiv betreiben könnten (und möglicherweise auch sollten?).

16a) Andererseits stellt sich aber die Grundsatzfrage, ob die Linie der molekülbasierten Körper überhaupt weiterverfolgt werden sollte. Die künstlichen semiotischen Räume mit der Energieversorgung durch flexiblen Strom bieten u.U. auf Dauer bessere Chancen, sich im Universum zu behaupten. Dies rührt dann aber an der Grundsatzfrage, ob die materielle Hülle einer Struktur (im Falle des HS sein molekülbasierter Körper) tatsächlich wichtig ist.

VERORTUNG DES GEISTES

16b) Wenn die Arbeitshypothese stimmt, dass die entscheidenden Operatoren ‚f‘ letztlich von den realisierten Strukturen unabhängig sind, sondern sich nur unter Verfügbarkeit solcher materieller Strukturen ‚zeigen‘, dann würde es für diese(n) Operator ‚f‘ egal sein, ob das ‚Medium‘ chemische Moleküle sind oder atombasierte Strukturen. Nicht das Medium repräsentiert den Geist, sondern der Geist wird anlässlich verfügbarer Strukturen ’sichtbar‘. Die Annahme wäre also etwa die, dass ‚Geist‘ subset E und ‚f‘ in ‚Geist‘ als dem vorab gegebenem ‚Medium‘ gründet; innerhalb von diesem Geist können Veränderungsoperatoren angewendet werden.

17) Der ‚Geist‘ wäre in diesem Sinne das (für uns) vorweg schon immer Gegebene, das quasi ‚Untötbare‘, und nur in dem Maße, wie es hinreichend geeignete Strukturen (welcher Art auch immer) gibt, kann sich dieser Geist durch seine ‚Wirkungen‘ (= Manifestationen, Ereignisse, Wirkungen, Phänomene) zeigen (für uns, die wir aktuell eine spezifische Struktur haben und mit dieser spezifischen Struktur nur ganz bestimmte Dinge erkennen können!!!).

18) Damit wäre jede bekannte Lebensform eine Form von ‚Geistesmanifestation‘, nur unterschiedlich differenziert. Niemand hätte einem anderen irgendetwas voraus.

19) Bizarre Ethiken, die aus dem darwinischen Evolutionsbegriff irgendwelche ‚Vorteile‘ herauszurechnen versuchten, würden sich – falls diese neue Arbeitshypothese stimmen würde – als sehr kurzsichtig erweisen. In der Evolution geht es nicht um das ‚Recht des Stärkeren‘, sondern um den Aufbau solcher komplexer Strukturen, die immer mehr von dem ‚Geist‘ sichtbar machen, der schon immer da ist und von dem jede partielle individuelle Struktur immer nur ein kleines Zipfelchen sichtbar machen kann. Klar ist in diesem Szenario auch, dass der einzelne als solcher keine grundlegende Bedeutung besitzt, höchstens in dem Sinne, dass er dazu beiträgt, das gemeinsame Ganze voran zu bringen. Der Kult um persönlichen Besitz, persönliche Macht, individuelle Schönheit und ‚Ruhm‘ hat hier keinen Platz. Er wirkt seltsam bizarr, fremdartig, lächerlich. Die Zukunft wird den symbiotischen Gemeinschaften gehören, wo die Fähigkeiten von jedem maximal entwickelt und in ein gemeinsames Ziel eingebunden werden können. Insofern bleibt Individualität wichtig, aber nur als Teil eines gemeinsamen Ganzen.

Siehe auch die neue Emerging Mind Webseite!

Einen Überblick über alle bisherigen Beiträge nach Titeln findet sich HIER.