Archiv der Kategorie: Sensorische Daten

Fitness – Materie – Geist

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062,

11.März 2010
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

FITNESS

(1) Im Rahmen von GENETISCHEN ALGORITHMEN betrachtet man Mengen (= Populationen, POP) von Individuen (= I), wie diese sich im Laufe der ZEIT relativ zur vorgegebenen UMGEBUNG (E = ENVIRONMENT) ‚bewähren‘.

(2) Das gröbste Raster für ERFOLG bzw. MISSERFOLG ist das Überleben in Form von Nachkommen (- NOT-DELETED) bzw. eben keine Nachkommen (+DELETED). Dasjenige Individuum, das nicht überlebt, kann sein ‚Programm‘ nicht weiter ‚optimieren‘.

(3) Hat ein Individuum Nachkommen (-NOT-DELETED) ist die Skala des Fitnesswertes (FIT), je nach Betrachtung, beliebig fein.

(4) Denn die NACHKOMMEN eines Individuums im Rahmen einer Population können zahlreicher (MORE OFFSPRINGS) sein als die von anderen Individuen, oder sie können an mehr verschiedenen Orten (MORE PLACES) lebensfähig sein, oder sie können sich gegen mehr Feinde länger schützen (MORE PROTECTION), oder sie können sich untereinander besser koordinieren (MORE COORDINATION), usw.

(5) Der genetische Algorithmus selbst kümmert sich NICHT darum, WELCHER Fitnesswert vorliegt, auch nicht WIE dieser zustande kommt. Er nimmt nur an, dass es EINEN GIBT. Von daher ist ein genetischer Algorithmus nur eine Methode, einen vorliegenden Fitnesswert bezüglich vorgegebenen Strukturen so zu VERRECHNEN, dass eine STRUKTUR-ÄNDERUNG entsteht, die das Verhältnis zur Umgebung möglichst ‚positiv‘ beeinflusst. Betrachtet man ein Individuum formal als ein Input-Output-System, was mathematisch einer FUNKTION entspricht, dann ist ein genetischer Algorithmus eine von vielen OPTIMIERUNGSMETHODEN für Funktionen.

(6) Während die theoretischen Disziplinen, die Optimierungsmethoden benutzen, sich in der Regel mit den formalen (= mathematischen)  Eigenschaften der Optimierungsmethoden begnügen, stellt sich natürlich METATHEORETISCH (PHILOSOPHISCH) die Frage, WAS denn genau diese Fitnesswerte sind, die im Falle von biologischen Systemen zu deren Veränderungen im Laufe der Jahrmillionen bzw. Jahrmiliarden (!) beigetragen haben? Diese Frage ist nicht ganz ohne, da es zwar mittlerweile viele mathematische ‚Optimierungstheorien‘ (auch im Gewande von ‚mathematischen LERNTHEORIEN‘) gibt, aber KEINE dieser Theorien stellt sich der Frage nach der ‚Natur‘ der Fitnesswerte. Im einfachen Fall eines konkreten LEHRERS (SUPERVISORS) bzw. von sogenannten TRAININGS-MENGEN reduziert sich die Frage auf das konkrete Verhalten dieses Lehrers bzw. auf die vorliegenden Trainings-ITEMS, doch ist die Frage damit in keiner Weise beantwortet. Den wer sagt uns, was die RICHTIGEN Antworten des Lehrers sind bzw. die RICHTIGEN Trainings-Items?

(7) In konkreten Optimierungs- bzw. Lerntheorien gibt man von daher immer ganz konkrete Szenarien (Umgebungen) so vor, dass die zu optimierenden Verhaltenseigenschaften von vornherein definiert sind. Im Falle biologischer Systeme gibt es keine expliziten LEHRMEISTER DER STRUKTUREN. Entweder ERWEIST sich eine bestimmte vorkommende Struktur als ÜBERLEBENSFÄHIG relativ zu einer VORGEGEBENEN UMGEBUNG oder nicht. In dem Moment, wo der ‚Beweis‘ der Überlebensfähigkeit erbracht wurde wurde die überlebensfähige Struktur durch ihre Nachkommen ERSETZT. Dies bedeutet im WECHSELSPIEL zwischen vorgegebener Umgebung(zu der auch andere Populationen gehören können)  und dem individuellen Verhalten muss die individuelle Struktur es schaffen, sich so fortzupflanzen, dass die NACHKOMMEN (OFFSPRINGS) miteinander eine ähnliche Leistung erbringen können.

(8) Stellt sich die Frage, WO diese Strukturen herkommen, deren aktives Verhalten zu einer erfolgreichen Fortpflanzung führt? Dass es diese Strukturen gibt liegt offensichtlich an der grundlegenden Fähigkeit, die eigene Struktur (evtl. vermischt mit anderen Strukturen) zu VERERBEN. Das Vererben ist in sich ein hochkomplexer Prozess, den technische Systeme bis heute noch nicht beherrschen. Wie auch immer dieser beschaffen ist verlagert die Annahme eines VERERBUNGSMECHANISMUS die Frage nach dem HERKOMMEN der Strukturen aber nur.

(9) Grundsätzlich muss man wohl sagen, dass diese sich vererbenden Strukturen AUS der Umgebung GENOMMEN sind, MIT der sie in WECHSELWIRKUNG treten. Diese Strukturen fallen also nicht völlig ‚aus dem Rahmen‘, sondern sie sind als solche vererbenden Strukturen ‚aus der Umgebung‘ genommen und bleiben letztlich sogar ‚Teil der Umgebung‘, auch wenn man sie in einer abstrahierenden Betrachtung von der Umgebung ‚gedanklich abtrennen‘ kann. Unter anderem gewinnen Sie beständig ‚Energie‘ aus der Umgebung, um das ‚Funktionieren‘ ihrer Strukturen ‚aufrecht
zu erhalten‘.

(10) Die Vielfalt der biologischen Strukturen, die bislang bekannt geworden sind, ist atemberaubend. Alleine heute –wo wir doch allenthalben ein großes rapides Artensterben verzeichnen– schätzen Biologen die Artenvielfalt z.B. im brasilianischen Regenwald ‚unter‘ den Baumkronen auf einige Millionen, ‚in‘ den Baumkronen –dem eigentlichen Lebensraum– vermutet man nach neuesten Untersuchungen aber noch viel mehr verschiedene Arten.

(11) Was immer also an konkreten biologischen Strukturen entstehen kann, es sind Strukturen, die ‚aus dem genommen sind‘, was ‚vorgegeben‘ ist, eben die ‚Erde‘ mit ihren unterschiedlichen Substanzen angereichert mit Substanzen, die im Laufe der Zeit aus dem ‚umgebenden Weltall‘ gekommen ist.

(12) Eine wichtige TEILSTRUKTUR der allgemeinen Struktur von biologischen Systemen sind die NEURONALEN Strukturen, die eine bio-chemische Signalverarbeitung ermöglichen. Damit kann eine biologische Struktur in ihrem ‚INNEREN‘ Erregungszustände erzeugen, die WIRKUNGEN DER UMGEBUNG AUF DEN KÖRPER ‚KODIEREN‘ bzw. es ist auch mögliche, KÖRPER-INTERNE Wirkungen und Vorgänge gleicherweise zu ‚Kodieren‘. Zusätzlich ist es möglich WECHSELWIRKUNGEN zwischen diesen verschiedenen KODIERTEN WIRKUNGEN auch zu kodieren. Generell: KODIERTES kann WIEDER KODIERT werden. Damit sind die Grundlagen für KOGNITION gegeben: Welcher Wirkungen immer  von der Umgebung auf die Struktur des Individuums zu verzeichnen sind, welche Wirkungen immer innerhalb der Struktur des Individuums vorkommen können, mit dieser Technik der KÖRPER-INTERNEN KODIERUNG einschließlich der KODIERUNG DER KODIERUNG machen die biologischen Systeme eine Eigenschaft sichtbar, die sie quasi zu ‚AKTIVEN SPIEGELN‘ der Umgebung macht, aus der sie kommen und deren Teil sie sind.

(13) Eine Folgerung aus dieser Überlegung (neben vielen anderen) ist die, dass die sogenannte MATERIE –was immer das im einzelnen sonst noch sein mag– offensichtlich das Potential besitzt, solche Kodierungsprozesse zu ermöglichen, die wir dann KOGNITION nennen. Inwieweit damit die alten Begriffe von  GEIST (griechisch PSYCHE und NOUS, hebräisch RUACH ) ihre vollständige Deutung gefunden haben, ist schwer zu entscheiden, da diese Begriffe keine klaren Definitionen besitzen. Sicher ist nur, dass die viele tausend Jahre währende Gegenübersetzung von GEIST  und MATERIE für sehr viele Bereich    unserer Welterfahrung vollständig irreführend ist. Alles, was wir bislang wissenschaftlich von ‚Geist‘ wissen erweist sich bislang als eine Eigenschaft der ‚Materie‘, aus der alles kommt. Allerdings ist das dann keine ‚Reduktion‘ von etwas ‚Grösserem‘ auf etwas ‚Kleineres‘, sondern, wir müssen lernen, dass diese ‚Materie‘ (was wissen wir bislang davon überhaupt?) offensichtlich erheblich komplexer ist, als die meisten Menschen sich bislang vorstellen konnten (oder wollten). Im übrigen ist die Idee einer GEIST-MATERIE in keiner Weise neu.

(14) Hier müssten jetzt allerlei Überlegungen zur Ethik, zu Normen etc. anknüpfen.

Grafik für Fitness

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DER SUBJEKTIVE RAHMEN DER OBJEKTIVEN WELT

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062,

17.Januar 2010
URL: cognitiveagent.org
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Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

(1) Empirische Wissenschaft definiert sich normalerweise über Messoperationen. Alles, was sich mittels eines bestimmten Messverfahrens messen läßt, gilt als gemessener = objektiver Wert (z.B. ‚5 m‘, ‚3.5 s‘, ‚2.33 kg‘, …).

(2) Die Ergenisse von empirischen Messungen M_Emp müssen unabhänig von der Person sein, die die Messung vornimmt, der Vorgang M als solcher muss wiederholbar sein und ‚unter gleichen Umständen‘ sollte das Ergebnis reproduzierbar sein. Im übrigen sollte der Messvorgang auch ’standardisiert‘ und die Messaparatur ‚zertifiziert‘ sein.

(3) Messungen beziehen sich immer auf einen bestimmten ‚Zeitpunkt‘ t (oder ein geeignetes Zeitintervall), auf ein bestimmtes ‚Raumgebiet‘ R, geschehen unter bestimmten ‚Umgebungsbedingungen‘ E und können in einer Sprache L_Measure protokolliert werden. (‚Zeitpunkt‘ setzt eine geeignete ‚Uhr‘ voraus, die in ein international synchronisiertes Zeitsystem (UTC) eingebunden ist und ‚Raumgebiet‘ setzt entsprechend eine international gültige ‚Ortung‘ voraus; ‚Umgebungsbedingungen‘ beruhen ebenfalls auf Messwerten  oder ‚Beobachtungen‘. ).

(4) Messwerte als solche M_Emp_t_R_E sind isolierte Fakten ohne jeden Zusammenhang; sie liegen vor als Ereignisse im ‚intersubjektiven‘ Raum, der allen Menschen mit einem ’normalen‘ Wahrnehmungsapparat zugänglich ist.

(5) Für einen einzelnen Menschen gibt es objektive Messwerte nur in der Form subjektiver Wahrnehmung! Nur als ‚Ereignis im Bewusstsein‘ (:= Phänomen, Ph) hat ein Mensch Kenntnis von Messwerten. Entsprechendes gilt auch von dem objektiven Messvorgang M als solchem: was immer objektiv geschieht, der einzelne Mensch ‚weiss‘ davon nur insoweit diese objektiven Ereignisse als subjektive Ereignisse Ph_M im Bewusstsein ‚irgendwie repräsentiert‘ sind. Die subjektive Repräsentation von objektiven Messwerten kann bekanntlich ‚verzerrt‘ oder ‚grob falsch‘ sein.

(6) Empirische Messwerte M_Emp sind also –sofern Sie Teil eines subjektiven Wissens sind– immer zugleich auch Phänomene Ph_Memp.

(7) Generell gilt, dass alle Arten von Messwerten (zum Gehirn M_Emp_Brain, zum Körper M_Emp_Body, zu kulturellen Artefakten M_Emp_Culture, zur Erde M_EMP_Earth, usw.) für den einzelnen nur existieren, wenn sie Eingang in das Bewusstsein (Consciousness, Consc) der betreffenden Person gefunden haben, d.h. wenn die objektiven Messwerte als subjektive Phänomene vorliegen, also MEmp_Brain als Ph_MEmp_Brain, M_Emp_Body als Ph_M_Emp_Body, usw.

(8) Im Bewusstsein gibt es solche Phänomene, die aus Wahrnehmungen intersubjektiver Zusammenhänge stammen Ph_Emp und solche, die nicht aus intersubjektiven Zusammenhängen stammen –Ph_Emp. Ferner kann man grob unterscheiden zwischen jenen Phänomenen Ph_Concr, die ‚einzelne‘ Fakten (wie z.B. Messwerte) repräsentieren, als auch solche Ph_Abstr, die ‚Abstraktionen‘ von vielen möglichen einzelnen Fakten darstellen bzw. solche Ph_Rel, die ‚Beziehungen‘ repräsentieren. Die abstrahierenden und beziehungsrepräsenterenden Phänomene sind –aus Sicht der subjektiven Wahrnehmung– quasi ‚Eigenleistungen‘ des Bewusstseins. Vereinfachend kann man sagen, dass ‚abstrakte Modelle‘ Ph_Mod  bzw. ‚abstrakte Theorien‘ Ph_Th ‚Kompositionen‘ von abstrakten Konzepten und Relationen darstellen.

(9) Eine über den isolierten Zeitpunkt und über das isolierte Raumgebiet hinausgehende ‚Bedeutung‘ können Messwerte nur gewinnen, wenn man sie in abstrakte Konzepte und abstrakte Beziehungen ‚einbetten‘ kann, wie sie ausschliesslich als subjektive abstrahierende und beziehende Phänomene vorkommen. Diese ‚allgemeineren‘ Strukturen sind ‚rein subjektive‘ Leistungen, die mit den Phänomenen aus dem intersubjektiven Raum (z.B. Messwerten) innerhalb des Bewusstseins eine ‚Symbiose‘ eingehen. Hier stellen sich interessante Fragen nach einer möglichen ‚Konformität‘ der subjektiven interpretierenden Strukturen (Modelle, Theorien) mit den isolierten empirischen Phänomenen (diese Problematik war/ist Thema verschiedener philosophischer ‚Wahrheitstheorien‘ bzw. auch wissenschaftstheoretischer Diskussionen über die ‚Falsifizierbarkeit‘ bzw.  der ‚Verifizierbarkeit‘ von Theorien).

(10) Was man hier erkennen kann, ist die Tatsache, dass Begriffe wie ‚aussen‘, ‚empirisch‘, ‚objektiv‘, ‚intersubjektiv‘ usw. angeleitete Begriffe sind, sozusagen Hypothesen auf der Basis der subjektiven Wahrnehmung.

(11) Das Bewusstsein erscheint mit ‚fliessenden Grenzen‘, ‚variierenden Inhalten‘, ’schwankenden Strukturen‘.

(12) Anhand von empirischen Daten zum Gehirn (die selbst als subjektive Erlebnisse vorliegen müssen, um gedanklich verarbeitet werden zu können), die mit Bewusstseinszuständen zeitlich korreliert werden, kann man Hypothesen über einen möglichen funktionellen Zusammenhang zwischen messbaren Gehirnprozessen und phänomenalen Gegebenheiten herstellen. Solche Daten deuten darauf hin (klare Erkenntnisse gibt es noch nicht), dass die bewussten Inhalte nur einen kleinen Teil der Ereignisse im Gehirn (und Körper) widerspiegeln. Ferner ist das, was repräsentiert wird, variable, dynamisch: im ‚Wachzustand‘ sind es z.T.  andere Ereignisse, die ‚zugänglich‘ sind als im ‚Schlafzustand‘ oder in anderen ‚Bewusstseinsmodi‘. Prinzipiell ist heutzutage nicht auszuschliessen, dass über Bewusstseinszustände auch solche Ereignisse partiell zugänglich sind, die klassischerweise als ‚vor-‚ oder ‚unterbewusst‘ bezeichnet werden.

(13) Bei der ‚Interpretation‘ der Bewusstseinsinhalte ist es allerdings schwierig, diese ‚einzuordnen‘ sofern sich die auslösenden Prozesse von einer klaren Zuordnung zu kontrollierbaren körperlichen oder interpersonalen Prozessen entfernen. Letztlich ist dann eine ‚Semantik‘ nicht mehr rational herstellbar und damit jegliche Deutung ‚willkürlich‘. Im Bereich der ‚Mystik‘ gibt es in allen Religionen quer zu allen Kulturen Berichte von ‚Erlebnissen besonderer Art‘ die, sofern sie sich nicht unterangebbaren Bedingungen reproduzieren lassen, subjektiv sehr ‚farbig‘ sein können, die aber einer Deutung im Kontext einer ‚Welterklärung‘ unzugänglich sind.

(14) Audio-Datei: Hier

Epistemology of the Consciousness

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Eine inhaltlich passende Fortsezung findet sich HIER.

Selbstbewusstsein – Bewusstseinsinhalte – Schlüssel zur Welt

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062

31.Dezember 2009
URL: cognitiveagent.org
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Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

(1) Wenn wir davon ausgehen, dass das Selbstbewusstsein eine Funktion des Gehirns ist, dann muss mit jedem wahrnehmbaren Aspekt des Selbstbewusstseins ein neuronaler Prozess korrelieren (Üblicherweise spricht man bei Phänomenen des Selbstbewusstseins von ‚mentalen‘, ‚phänomenalen‘, ‚psychischen‘ oder ‚geistigen‘ Phänomenen).

(2) Da die gleiche Funktion von unterschiedlichen Strukturen realisiert werden kann muss die Zuordnung von  ‚geistigen‘ Phänomenen zu korrelierenden neuronalen Strukturen nicht eindeutig sein.

(3) Viele Fakten sprechen dafür, dass die ‚mentalen‘ Phänomene nicht einer einzelnen neuronalen Struktur zugeordnet sind, sondern sehr vielen verschiedenen neuronalen Strukturen gleichzeitig.

(4) Die konkrete aktuelle Zusammensetzung jener neuronalen Substrukturen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dem  ‚Selbstbewusstsein‘ korrelieren, ist ‚dynamisch‘, d.h. sie verändert sich beständig, abhängig von körperlichen Zuständen und wahrgenommenen Umgebungsmerkmalen.

(5) Neben den veränderlichen physiologischen und sensorisch erfassbaren Umweltzuständen ist das Gehirn grundsätzlich ‚lernfähig‘; dadurch verändert sich das Gehirn beständig und ist zu keinem Zeitpunkt im gleichen Zustand wie vorher.

(6) Bis zum Tod des Trägerorganismus ist das Gehirn ferner dem ‚ontogenetischen‘ Prozess unterworfen; dies impliziert Wachstumsprozesse, die niemals vollständig zum Stillstand kommen.

(7) Die individuelle Ontogenese ist eingebettet in die ‚Phyologenese‘ der betreffenden Art. Diese beinhaltet evolutionäre Elemente, die zur Veränderung des grundlegenden genetischen Bauplans mit beitragen.

(8) Zu keinem Zeitpunkt sind alle neuronalen Substrukturen gleichzeitig im Selbstbewusstsein präsent.

(9) Was Inhalt des Selbstbewusstseins sein kann hängt von seinen verschiedenen ‚Modi‘ ab: ‚Wachzustand‘, ‚Schlafzustand‘, ‚Träumen‘, ‚Meditieren‘, “Ekstase‘, und vieles mehr. Alle diese verschiedenen Bewusstseins-Modi weisen charakteristische reproduzierbare Eigenschaften auf, durch die sie sich unterscheiden lassen.

(10) Abhängig von den verschiedenen Bewusstseinsmodi ändern sich die ‚Bewusstseinsinhalte‘.

(11) Während schon im Wachzustand der ‚Schluss‘ von einem bestimmten ‚Bewusstseinsinhalt‘ auf eine ‚Eigenschaft der umgebenden Welt‘ nicht unproblematisch ist und immer überprüft werden muss, stellt sich die Frage des Zusammenhanges zwischen einem Bewusstseinsinhalt und einer darüber hinausweisenden (transzendenten) Realität jenseits des Bewusstseins im Falle der anderen Bewusstseinsmodi  verschärft. Selbst schon die Frage, welchem Bewusstseinsinhalt welcher körperliche Vorgang korrespondieren kann ist in der Regel nicht leicht zu beantworten.

(12) Die Fähigkeit des Gehirns, zu ‚lernen‘, indem Wahrnehmungsmaterial zu allgemeineren Mustern (Modellen) verarbeitet werden, die zu späteren Zeitpunkten benutzt werden können, um aktuelle Wahrnehmungsmuster zu ‚interpretieren‘, ist einerseits eine große Hilfe, kann aber auch zur ‚Last‘ werden, wenn aktuelle Wahrnehmungsmuster ‚falsch‘ gedeutet werden (dies bezieht sich sowohl auf ‚Deutung‘ der ‚umgebenden‘ Welt wie auch auf Deutungen des ‚Ich‘, d.h. des ‚eigenen Organismus‘).

(13) In den ‚Inhalten‘ des Bewusstseins zusammen mit den ‚Formen des Auftretens‘ reproduzieren sich die grundlegenden ‚Verarbeitungsweisen‘ der zugrunde liegenden neuronalen Strukturen. Diese waren –aus der Innensicht des Bewusstseins– immer wieder Gegenstand erkenntnistheoretischer Analysen im Rahmen der klassischen Philosophie (z.B. Descartes, Locke, Hume, Kant, Berckeley, usw.). Besonders die Überlegungen von Kant in seiner ‚Kritik der reinen Vernunft‘ erscheinen auf der Basis der modernen Hirnforschung und Neuropsychologie in neuem Licht.

(14) Während eine Aufklärung dahingehend, wie welche neuronale Strukturen alle diese komplexen mentale Phänomene erzeugen können sicher mehr als spannend ist (und ganz in den Anfängen steckt), kann diese interessante Problemstellung möglicherweise aber ablenken von der viel fundamentaleren Fragestellung, warum und wieso sich diese komplexen geistigen Strukturen aus den bekannten materiellen Strukturen ‚herausbilden‘ können und was dies wiederum für das Ganze des Kosmos sagt.

(15) Nachdem die modernen Wissenschaften die klassischen Ausdrucks- und Interpretationsformen der religiösen Erlebnis- und Erfahrungsformen der Menschheit einige zeit ‚hinter sich‘ gelassen hatte, scheint es nun so zu sein, dass es gerade die ‚vorderste Front‘ der modernen Wissenschaften ist, die die Fragen nach dem ‚Gesamtzusammenhang‘ des Kosmos mit einem ‚innewohnenden geistigen Prinzip‘ von neuem geradezu aufzwingt: diese mögliche neue ‚Kosmologie‘ nimmt dabei die ‚alte‘ ‚theologia naturalis‘ in sich auf und macht die lang gepflegte Gegenübersetzung von ‚Wissenschaft‘ und ‚Theologie‘ obsolet. Visionen wie die von z.B. Teilhard de Chardin –wenngleich mit Modifikationen– könnten eine nachträgliche Rechtfertigung bekommen.

(16) Das gern gepflegte Stereotyp von der ‚ich-zentrierten westlichen Rationalität‘ gegenüber der ‚ich-freien östlichen Spiritualität‘ würde in diesem Zusammenhang auch als überholt eingeordnet werden innerhalb eines dynamischeren Konzeptes von ‚Bewusstsein‘, ‚Geist‘ und ‚Materie‘ (zumal auch innerhalb der westlichen Mystik (jüdisch, christlich und muslimisch!) die ‚Auflösung‘ des ‚Ich‘ innerhalb einer dynamischen Einheit von ‚Schöpfer und Geschöpf‘ schon immer bekannt war, wenngleich von der institutionalisierten Religion in Form von institutionellen Hierarchien  mehr unterdrückt als gefördert wurde).

(17) Audio-Datei: Hier

Consciousness as part of the brain

Some soundexperiment from the past …

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Monadischer Charakter des Bewusstseins

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062
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Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

Sa 10.Dezember 2009

Der vorausgehende Beitrag liegt 34 Monate zurück… und doch gibt es einen direkten Zusammenhang.

(1) Ein radikaler Idealismus a la Berkeley oder ein Monismus im Sinne einer Monade a la Leibniz waren in der Philosophie nie besonders populär, noch weniger ausserhalb der Philosophie.

(2) Umso bemerkenswerter, dass es gerade die moderne Gehirnwissenschaft(en) ist (sind), die dieser Sichtweise zu neuer Gültigkeit verhilft.

(3) Stark vereinfacht kann man heute sagen (siehe Bild), dass das, was in der ‚Welt ausserhalb des Körpers‘ geschieht, nur insoweit in das ‚Innere des Körpers‘ gelangt, als es durch geeignete ‚Sensoren‘ von einem Energiezustand in einen anderen ‚konvertiert‘ wird.

(4) Die verschiedenen Sensorarten im Körper (visuell, audidorisch, taktil, olfaktorisch, usw.) erzeugen elektrische Signale auf chemischer Basis. Das Verhältnis zwischen diesen konvertierten messbaren sensorischen Signalen und den auslösenden Energien ist nicht 1-zu-1.

(5) Die sensorischen Signale werden auf unterschiedlichste Weise sowohl zum Gehirn weitergeleitet wie auch auf diesem Wege auf unterschiedliche Weise modifiziert und assoziiert.

(6) Die Zielbereiche der sensorischen Signale sind vielfältig und das, was ‚im‘ Gehirn dann an verschiedenen ‚Orten‘ zu verschiedenen ‚Zeiten‘  als ‚Endprodukt‘ von den sensorischen Signalen benutzt und weiterverarbeitet wird ist wiederum keine 1-zu-1-Abbildung des ursprünglichen sensorischen Signals.

(7) Was immer also das Gehirn in bestimmten Bereichen als ein ‚Modell der sensoisch erfassten Welt‘ ‚konstruiert‘, dieses Modell ist niemals ‚die Welt da draussen‘, sondern eben eine ‚Konstruktion des Gehirns‘ anhand verfügbarer Signale und im Rahmen von verfügbaren ‚Konstruktionsprinzipien‘. Das Gehirn selbst hat keinen direkten Kontakt mit der ‚Welt da draussen‘.

(8) Ähnliches gilt auch für all die sensorischen Signale, die das Gehirn von Sensoren ‚im Körper‘ (propriozeptive Signale) empfängt. So gesehen ist das Körperinnere (ohne das Gehirn) für das Gehirn auch eine ‚Umgebung‘, ein ‚Jenseits‘, dessen Zustände aus vielfach modifizierten sensorischen Signalen ebenfalls in ein ‚konstruiertes Modell des Körpers‘ überführt werden.

(9) In einem permanenten Konstruktionsprozess versucht also das Gehirn auf der Basis verfügbarer sensorischer Daten die dynamischen Umgebungen ‚Körper‘ und ‚Welt‘ durch seine konstruierten Modelle so gut wie möglich ‚anzunähern‘.

(10) Alle empirischen und subjektiven Daten sprechen dafür, dass das ‚Bewusstsein‘ eines Menschen eine dynamische Funktion seines Gehirns ist, d.h. Teile des Gehirns können andere Teile des Gehirns ‚bewusst‘ machen, können ‚integrieren‘, ‚fokussieren‘, ‚assoziieren‘ usw. Dabei läßt sich bis heute nicht eindeutig sagen, welche Teile des Gehirns ‚genau‘ dafür zuständig sind. Es scheint eine sehr variable Konstellation zu sein, die sich von Moment zu Moment umkonfigurieren kann.

(11) Da ein Mensch nur das, was ihm ‚explizit bewusst‘ ist für eine ‚explizite Kommunikation‘ benutzen kann, bildet das Bewusstsein mit seinen dynamischen Inhalten die gemeinsame Schnittstelle zwischen verschiedenen Gehirnen.

(12) Während das Gehirn als solches ‚in sich eingeschlossen‘ ist, bietet symbolische Kommunikation die Möglichkeit, das ‚Innere der Monade‘ partiell zu ‚durchbrechen‘ und zu ‚überwinden‘. In der Kommunikation transzendiert ein monadisches Bewusstsein (sprich ein Gehirn) sich selbst.

(13) Also, Leibniz, Berkeley (und viele Phänomenologen) dürfen auf er Basis der Neurowissenschaften neu gelesen werden.

(14) Eine offene Frage ist für mich, ob es die Gehirnwissenschaften sind, die sich darüber Gedanken machen müßten, wie sie das vorläufige ‚Endprodukt‘ einer evolutionären Gehirnentwicklung, nämlich die ‚kommunikablen Phänomene‘, angemessen theoretisch beschreiben wollen. Eine rein physiologische Betrachtungsweise ist aus methodologischer Sicht abseits der interessierenden Phänomene. Wirkliche Theoriebildung ist in den Gehirnwissenschaften aber stark unterentwickelt (selbst  bei Nobelpreisträgern im Bereich Gehirnwissenschaften ist man sich nicht sicher, ob Sie überhaupt wissen, was eine ‚Theorie‘ ist).

(15) Audio-Datei vom Text: Hier

Environment - Body - Brain - Consciousness

 

Die direkte Fortsetzung findet sich HIER.

Eine spätere Fortsetzung (eine von vielen…) findet sich HIER.

Philosophy Song No. 2020-1