Archiv der Kategorie: Sinn

JAHRESRÜCKBLICK 2011

 

(1) Zum Jahresende mehren sich die Jahresrückblicke. Dem Kaleidoskop der Bilder kann man sich kaum entziehen. Schreckliches neben Schönem, Menschliches neben allzu Menschlichem; das soll es gewesen sein, das letzte Jahr? Und so schnell vorbei… der Andruck der aktuellen Situation übertüncht diese Bilder sehr schnell, wieder. Und schon ist man wieder drin im eigenen Ereignisstrom. Was war wirklich besonders? Gab es was Bleibendes? Haben wir zusammen irgendetwas Wichtiges gelernt? Führt Globalisierung zur Nivellierung von allem, auch von allen Werten?

 

 

DIE MENSCHEN, VON DENEN WIR ALLE LEBEN

 

(2) Dort, wo Alltag funktioniert, funktioniert er, weil es so viele Menschen gibt, die trotz aller Umstände ihren ‚Job‘ machen. Die immer da sind, die die richtigen Dinge entscheiden und bewegen, die ihre Emotionen und Gefühle irgendwie im Griff haben, die mit den Problemen ihrer Mitmenschen irgendwie klar kommen, die vielleicht schrullig, aber doch erträglich sind, die mal krank sind, meistens aber da sind; denen man vertrauen kann, die hinreichend ‚berechenbar‘ sind, weswegen man sich auf sie verlassen kann; die in ’schwachen‘ Situationen die aktuelle Schwäche nicht ausnutzen, sondern eher noch Rat und Hilfe bieten; die genügend Kraft haben, ihre Arbeit selbständig durchzuziehen, die Mut und Ideen haben, ihre Arbeit zu organisieren, die hinreichend pünktlich sind, mit denen man reden kann; kurzum, die Helden des Alltags, ohne die man seine eigene Arbeit nur schlecht oder gar nicht tun könnte, ohne die ein ’normaler‘ Alltag zusammenbricht, ohne die es kein ’normales‘ Leben geben kann.

 

DIE GRENZEN DES MENSCHEN, DIE WIR VERDRÄNGEN

 

(3) Wer das große Glück hat, in solch einem Alltag leben zu können, vergisst gerne, dass es anders sein kann. Vielleicht ahnt man es, wenn der eine oder die andere durch Krankheit, Unfall, Lebensschicksal plötzlich ausfällt und nicht mehr ‚dabei‘ ist; man ahnt, wie dünn das Eis ist, auf dem man sich bewegt; wie brüchig der Alltag ist, der da als täglich wiederkehrendes Ritual einen Raum der ‚Normalität‘ aufspannt, der seinen ‚Sinn‘ ‚aus sich selbst‘ empfängt, aus dem faktischen Geschehen, dass es jetzt so geschieht, dass es alle tun, …. Wenn es jeder tut, weil es alle tun, schenken wir uns gegenseitig vordergründig einen ‚Sinn‘, der uns trägt und leitet, der sich aber beim ‚Herausfallen‘ aus dem Ritual schnell in ‚Nichts‘ auflösen kann. Wenn das Ritual des Alltags nur ‚es selbst‘ ist, das faktische Geschehen, dann ist uns das große Nichts immer sehr nahe. Vielleicht spürt man es unbewusst, hat Angst davor.

 

(4) Normale Abläufe sind anstrengend, für jeden. Sie erfordern Kraft, sie erfordern Gesundheit, sie erfordern psychische Stabilität, eine Organisation von alltäglichen Dingen, eine Gestaltung von Kommunikation, Pflege von Beziehungen, Meisterung von praktischen und technischen Problemen, am Limit, täglich. In verschiedenen Phasen unseres Lebens, in verschiedenen Phasen im Jahr, im Monat, in der Woche, am Tag sind wir nicht gleich gesund, sind wir emotional geschwächt, machen wir Fehler in der Organisation, versagt Kommunikation, laufen Beziehungen aus dem Ruder, der Rhythmus stockt, man fühlt sich schwach, krank, verloren; ist wütend, traurig, aggressiv; man taumelt.

 

(5) Obwohl wir wissen, dass es klare Belastungsgrenzen gibt, dass wir Freiraum, Erholung, soziales Leben und Kreativität brauchen, um auf Dauer nicht nur zu ‚funktionieren‘, sondern gute bis sehr gute Leistungen bringen zu können, obwohl wir dies wissen, gibt es eine Tendenz, die Leistungsansprüche immer höher zu schrauben, so, dass genau all das, was einem Menschen guttut, immer weniger bis gar nicht stattfinden kann. Dass dies dann psychische Verwerfungen, Krankheiten, sozialen Unfrieden, psychische Krankheiten, Sucht, und sehr hohe soziale Kosten erzeugen kann, weiß man eigentlich auch. Wer steuert dagegen? Der einzelne, der sich in der Überforderung vorfindet, hat in der Regel am allerwenigsten die Kraft, sich daraus zu befreien. Ihm bleibt dann nur die Flucht in den ‚Zusammenbruch‘, die ‚Krankheit‘ als Vorwand, um sich ‚entfernen‘ zu können. Welch unschöner Abgang, wie viel unnötige psychisch-soziale Störung oder gar Zerstörung. Vor allem, wenn der Alltag nur durch ein Versagen kontrolliert werden kann, was ist dies für ein negatives Lernprogramm: der Betreffende hat gelernt, dass er/sie nur durch ein Scheitern sein Glück finden kann. In der Erinnerung bleibt der Alltag als jene Hürde, die nur unter größten Anstrengungen genommen werden kann, eine Hürde, für die man –wie man erfahren musste– offensichtlich nicht genügend Kraft hatte, weil man –so der falsche Schluss– dafür nicht geeignet erscheint, weil man ein(e) Versager/in ist … Wie will da der einzelne ohne Hilfe, ohne professionelle Betreuung von selbst herausfinden?

 

 

(6) Die Überschriften in unserer Tageszeitungen werden von plakativen Themen beherrscht, wie z.B. dass 30-60% der Jugendliche in Deutschland mittleren bis starken Konsum beim Rauchen, beim Alkohol und bei ‚weichen‘ Drogen aufweisen sollen. Oder dass der Bedarf an Pflegekräften für ältere Menschen immer weniger gedeckt werden kann, was zu entsprechend mehr Belastungen im familiären Umfeld führt, sofern vorhanden. Oder, wie man mit behinderten Kinder in der Erziehung umgeht? Oder dass rechte, linke und orthodoxe Radikale sich ‚terroristisch‘ betätigen; usw. Sehr viele Einzelbilder. Wie hängen diese untereinander zusammen? Gibt es einen Zusammenhang? Was heißt dies für den privaten Lebensstil der Menschen in unserem Land, in den Nachbarländern, weltweit? Was für ein Bild vom Menschen zeigt sich in all diesem? Gibt es ein Menschenbild? Können wir daraus etwas lernen? Wo müssten wir uns korrigieren?

 

(7) Wenn ich lese, dass russische Ermittler und Strafvollzugsbeamten den Tod eines Untersuchungshäftlings verursacht haben sollen, oder ein Gericht in Minsk hat zwei ehemalige Präsidentschaftskandidaten und weitere Oppositionelle zu Bewährungsstrafen verurteilt, was heißt das? Ist das egal, warum wird es berichtet. Wenn es nicht egal ist, was machen wir damit? Ein polnischer Journalist wird in Weissrussland verhaftet. Ja und? Was soll uns dies sagen? Soll es uns etwas sagen? Wem? Hat es irgendwelche Folgen? In Syrien führt die Regierung seit Monaten einen brutalen Krieg gegen die eigenen Bürger. …. Wir werden täglich überschüttet mit solchen und ähnlichen Meldungen. Wer sind die Adressaten? Findet irgendwo eine weitergehende ‚Auswertung‘ statt? Hat es irgendwelche Konsequenzen außer dass gelegentlich ‚Verschwörungstheorien‘ aufkommen, die die Internetforen füllen oder für Auflagen sorgen? Was kann man als einzelner tun? Der einzelne, den wir oben identifiziert haben entweder als jemand, der sich in einer Überarbeitungssituation befindet oder gerade mal erschöpft darnieder liegt und wenig an die Weltrevolution denkt? Ja, irgendwie gehen die Botschaften um, irgendwie erreichen sie unsere Aufmerksamkeit, irgendwie, diffus, wissen wir darum dass…. aber was nützt uns das? Wer redet darüber? Wer sollte das handelnde Subjekt sein? Die Liste knn beliebig lang gemacht werden (siehe weitere Beispiele im Anhang).

 

STRUKTUREN?

 

(8) Die Bedürftigkeit des Menschen muss ein Orientierungspunkt für die Zukunft sein, wenngleich eingeordnet in die übergreifenden Zusammenhänge des Lebens, der Natur, von der wir ein Teil sind und ohne die auch wir nicht leben können. Auf der anderen Seite zeigen die wenigen Beispiele der täglichen Meldungen von überall auf der Erde, dass die Menschen nicht einzelne wenige Baustellen zu meistern haben, sondern sehr, sehr viele gleichzeitig, parallel, und dies nicht mit einem einzigen Wertesystem, sondern mit einer Vielzahl von konkurrierenden Werten, die sich z.T. diametral widersprechen, mit gänzlich verschiedenen Handlungssubjekten –einzelne, Gruppen, Netzwerke, Institutionen…–. Was immer wir erkennen, es muss Handlungssubjekte geben, die diese Erkenntnisse verstehen und umsetzen können. Die heutige ‚Kakophonie‘ der Meldungen muss daher nicht nur und unbedingt negativ gedeutet werden. Dieser Strom an Meldungen ist in gewisser Weise die Voraussetzung für Meinungs- und Wissensbildung. Natürlich spielt die ‚Qualität‘ dieser Meldungen eine Rolle. Aber die Meldungen alleine können niemals ein strukturiertes Wissen ersetzen; Meldungen als solche erzeugen von sich aus keine geordnete Struktur, kein Modell des Ganzen. Es bedarf der denkenden Gehirne, die kontinuierlich und systematisch aus diesem großen Kaleidoskop jene Strukturen extrahieren, die letztlich ‚hinter‘ all dem am Wirken sind, die wichtig sind. Wo sind diese? Gibt es sie? Wie können diese leben? Wie sind diese sozial und politisch eingebettet?

 

(10) …. viele Fragen stellen sich, noch viel mehr. Es bleibt genug Stoff, auch für das Neue Jahr, um Klärungen zu suchen.

 

ETHIK UND MENSCHLICHKEIT

 

KUNST

 

SINN

 

THEMENRAUSCHEN

 

Hier weitere Themen, zufällig aus einer Tageszeitung zusammengestellt:

 

Für viele sieht es so aus, also ob Israel die Palästinenser unter beständigem Druck hält, um die daraus resultierenden radikale Aktionen zum Vorwand nehmen zu können, den Druck nicht mindern zu können. Die Regierung in Bahrein schlägt Demonstrationen blutig nieder. Der Einfluss Chinas wird in allen Bereichen der Erde immer größer. Die türkische Militärführung tritt wegen Ergenekon-Affäre zurück. Immer mehr Journalisten sitzen in der Türkei wegen angeblicher Verstöße gegen die Antiterrorgesetze im Gefängnis. Zusätzlich jene im Umfeld der kurdischen Bevölkerung. Kurdische Erdbebenopfer warten bislang vergeblich auf Hilfe. Junge Afrikanerinnen tauchen nach Fußballturnier in Berlin unter, ohne Papiere. Die Realität in Palästina ist für viele Palästinenser die einer Besatzungszone, eines Gefängnisses. Im Alltag von Schulen und Kindergärten wird Spaltung und Misstrauen gesät. Während Israelis im Palästinensergebiet bauen dürfen, werden palästinensische Bauten sofort abgerissen. Die größten Ölreserven angeblich in Venezuela vor Saudi-Arabien, Iran und Irak. Ein junger Mann tötet in Norwegen Jugendliche. Ecuadors Präsident wütet gegen eine Zeitung. Wiederholt: Hilfsgelder kommen kaum an. Ökologische Probleme in der Bretagne durch Landwirtschaft – politisch zu brisant. Welches politisches Format für Europa? Provisionsexzesse bei Versicherungen. Opposition in Russland auch durch Musiker und Bands. Das Grundgesetz ist eine politische Setzung und gehorcht keinem ewigen Gesetz. Das Internet als wichtiges Kommunikationsmedium wird von einigen wenigen großen Firmen (und Ländern) dominiert. Krankenkassen kontrollieren große Geldströme ohne selber kontrolliert zu werden. Umgang der Behörden mit Rechtsextremismus schwer verständlich. Nutzen der digitalen Technik in Wirtschaft und Gesellschaft sehr unterschiedlich. Im Hochschulbereich Tendenzen: Mehr Technik, weniger Gesellschaft; mehr Produkte, weniger Grundlagen; mehr Masse statt Qualität; mehr Lehrer statt Hochschullehrer; mehr eLearning statt Lehre… Luftverschmutzung unterschätzt, Messungen finden nicht statt. Südafrikas Pressefreiheit gefährdet. Iraels Pressefreiheit bedroht. Digitalisierung des kulturellen Erbes kommerziell schneller als staatlich. Nicaragua kauft freie Presse auf. Virenschutzfirmen – und wer kontrolliert sie? Radikalisierung des obersten israelischen Gerichtes? Die Pharmaindustrie pflegt die Ärzte, regierungsseitig wenig Gegengewicht. Europa und die Welt. Computer, Internet und Privatsphäre – bislang weitgehend ungeschützt. Autoren und Verlage: wenig Rechte für Autoren. Einfluss der Ölländer bleibt vorläufig. Versorgung mit Rohstoffen immer wichtiger. Christliche Tradition keine Einheit durch Schriftauslegung. Machtkampf im ANC; Malewa 5 Jahre suspendiert. Guantanamo weiter im juristischen Graubereich. Irans Atompolitik erzeugt Ängste. Demographischer Wandel und Gesellschaft (Kinder, Jugendliche, Infrastrukturen, Haushalte…) Internet und globale Werte – Politik und Religion als Einschränkungen. Technische Revolutionen und ihre Wirkungen. Ausländische Investoren in Indien und Konflikt mit einheimischen Arbeitnehmern. Immer mehr Bürgerbewusstsein in China. Kann China vom satten Europa lernen? Italien und massive Einwanderungen. In USA marode Infrastrukturen und kaum Geld, dies zu ändern. In Südafrika streiten Arbeiter wegen Goldstaub Erkrankungen. Verkehr. Naturkatastrophen in Asien (Überschwemmungen, Erdbeben,…). Keine Reichensteuer in USA. Kommunikation in der Politik. Staatstrojaner. Forschungsförderung in Deutschland (DFG) wenig transparent. Terrorgruppen in Uganda. Forschung aus Sicht der Pharmaunternehmen auch nicht einfach. Beteiligung von Bürgern/ Arbeitnehmern an Produktionen in Entwicklungsländern. Gedankenpolizei für das Internet. Firmengründungen (Technologieeinsatz, Patente, Recht). Amerikas Drohnenkrieg. Rechtsstaatlichkeit in der EU. NS Vergangenheit. Israel will 30.000 arabisch-stämmige Beduinen umsiedeln, die seit Jahrhunderten in dem Gebiet wohnen. USA und Israel. Verwaltungsgerichte. Piratenpartei. Regierungen und Waffengeschäfte. Facebook. Putin und Medwedjew. Energiewende – Energiepolitik – Technik, autonome. Handyüberwachung. Industrie und Ökologie. China und Sambia wegen Kupfer, Landverkauf. Bankwesen, Ökologie, Minikredite. Finanzaufsicht, Bankenaufsicht – wie. Politik und Inklusion. Afghanistan. Organisierte Kriminalität. Scientology. 11.Sept. In USA und politische Radikalisierung. Geheimdienste leben in einer Parallelwelt. Sarkozy bedroht Journalisten. Drogenkrieg in Mexiko – organisierte Kriminalität. Regierung und Parlament. Steuerfahnder und Klientel. Sexueller Missbrauch von Kindern. Schulen und Beruf. Die Reichen eines Landes und ihre Verantwortung. Öhlborungen und Öltransporte und Umwelt. Lebensschutz. Finanzwirtschaft und Politik. Wirtschaftliche Interdependenzen zwischen Staaten. Ratingagenturen. Schwache Euroländer. Nigeria und Rohstoffe. Deutschland als Schattenfinanzplatz wegen geringer Transparenz. Staatsschulden. Lebensmittelverschwendung – Nahrungsmittelproduktion.

 

 

Ich glaube an Gott, was brauch ich dann die (komplizierten) Wissenschaften?

(1) Während einer Geburtstagsfeier mit vielen Gästen (wo sonst…) nahmen die Gespräche zur fortgeschrittenen Stunde immer intensivere Verläufe. An einer Stelle sagte dann eine engagierte Frau, dass Sie an Gott glaube, an die Welt als Schöpfung; das gäbe ihr Kraft und Sinn; und so lebe sie es auch. Die Wissenschaft brauche sie dazu nicht; die sei eher verwirrend.

 

 

(2) Mit solch einem ‚Bekenntnis‘ ist das Wissen zunächst einmal ’neutralisiert‘; was immer Wissen uns über den Menschen und seine Welt sagen könnte, es findet nicht statt, es gibt kein Wissen mehr. Mögliche Differenzierungen sind wirkungslos, mögliche Gründe unwichtig; mögliche Infragestellungen, gedankliche Herausforderungen können nicht greifen; damit verbundene mögliche Spannungen, Erregungen können nicht stattfinden. Die Welt ist ‚wie sie ist‘, d.h. wie das aktuelle Wissen des so Glaubenden sie zeichnet. Alles hat seine Ordnung, eine Ordnung die sich nicht beeinflussen lässt durch Wissenschaft.

 

 

(3) In gewisser Weise hört nach einem solchen Bekenntnis jedes Gespräch auf. Man kann zwar noch weiter Reden, aber inhaltlich kann man sich nur noch auf wechselseitige Bestätigungen beschränken: Ja, ich sehe das auch so; ja, ich glaube das auch; ja, ich finde das gut;…. abweichende Meinungen haben streng genommen keinen Platz in diesem Gefüge…weil sie einfach ausgeblendet werden (Menschen mit mehr Aggressionspotential gehen dann allerdings zum ‚Angriff‘ über und versuchen, die ‚abweichende‘ Meinung nieder zu machen). Aber auch das ‚einfache Ausblenden‘ einer anderen Meinung, zu sagen, dass man abweichende Meinungen nicht hören will, ist eine Form der ‚Entmündigung‘ und damit eine Form von ‚Missachtung‘. Wahrheit ist dann nicht mehr möglich.

 

 

(4) Mich hat diese Einstellung geschockt. Wenn man weiß, auf welch schwankendem Boden jegliche Form von Wissen über uns, die Welt und Gott steht und wenn man weiß, wie viel Unheil über Menschen im Namen des Glaubens gekommen ist, weil die Gläubigen zu wissen glaubten, was wahr ist und in diesem Glauben tausende andere unterdrückt, verfolgt, gefoltert und getötet haben, weil sie auch glaubten, dass ihre Form des Glaubens über alle anderen Erkenntnisse und Wahrheiten ‚erhaben‘ sei, dann ist jegliche Form der Ablehnung von Wissen (ob durch Verweis auf Gott (Wer kennt ihn wirklich), durch Verweis auf eine politische Ideologie, durch Verweis auf ethnische Besonderheiten, durch Verweis auf ‚besonderes Blut‘, usw.) letztlich in einem identisch: die bewusste willentliche Entscheidung, sein eigenes Bild von der Welt auf keinen Fall zu verändern; was immer die Wissenschaften über uns und die Welt herausfinden, das wird als ‚irrelevant‘ neutralisiert.

 

 

(5) Allerdings zeigt sich am Beispiel solcher ‚alltäglicher‘ Konflikte auch sehr unmittelbar, dass entwickelte (wissenschaftliche) Formen von Wissen alles andere als selbstverständlich sind. Es hat nicht nur viele tausend Jahre gebraucht, bis die Menschen mit komplexeren Wissensformen umgehen konnten, es ist heute, in unserer Gegenwart so, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass nicht nur viele derjenigen, die nicht studiert haben, ein gebrochenes Verhältnis zu wissenschaftlichem Wissen haben, sondern dass ebenso viele derjenigen, die akademische Abschlüsse vorweisen können (mehr als 50%?), das ‚Wesen von wissenschaftlichem Wissen‘   nicht verstanden zu haben scheinen und Anschauungen über uns Menschen und die Welt für ‚wahr‘ halten, die — nach meinem Kenntnisstand — ziemlich abstrus und willkürlich sind (so eine Art ‚Voodoo‘ unter dem Deckmantel von Wissenschaft und Aufklärung).

 

 

(6) Es macht wenig Sinn, über diesen Sachverhalt zu ‚moralisieren‘. Es ist die Realität, in der wir leben. Da unser Handeln von unserem Wissen — oder von der Meinung anderer, denen wir einfach folgen — geleitet ist, haben solche Auffassungen ihre alltäglichen Wirkungen.

 

 

(7) Wenn man also versucht Wissen ernst zu nehmen; wenn man Fragen zulässt und sie versucht ernsthaft zu beantworten; wenn man sogenannte Selbstverständlichkeiten immer wieder mal hinterfragt, um sich zu vergewissern, dass man keine falschen Voraussetzungen mit sich herum trägt; wenn man versucht, aus den vielen Detailerkenntnissen größere Zusammenhänge zu konstruieren und auch wieder zu verwerfen; wenn man versucht, Sachverhalte zu Ende zu denken, obgleich wenig Zeit ist, man erschöpft ist, und keiner davon etwas hören will, dann darf man dafür kein Lob erwarten, keine Ermutigung, kaum Zustimmung, sondern eher Ablehnung, Angst, Abwehr oder Bemerkungen wie ‚Was Du da wieder denkst‘, ‚Das braucht doch kein Mensch‘, ‚Hast Du nichts Besseres zu tun‘, ‚Das nervt einfach‘, ‚Mir ist das alles zu kompliziert‘,….

 

 

(8) Sich auf Dauer ernsthaft mit ‚wahrem‘ Wissen zu beschäftigen (nicht mit Modetrends, Buzz Words, usw.) liegt quer im Alltag, darf auf keine Unterstützung hoffen. Die meisten Menschen suchen nicht die ‚Wahrheit‘, sondern eher Bestätigungen für ihre aktuelle Unwahrheit; Bestätigungen fühlen sich einfach besser an als Infragestellungen durch Erkenntnisse, die dazu zwingen, das eigene Bild von der Welt zu verändern.

 

 

(9) Jedes Wissen hat ‚Ränder des Wissens‘, jene Bereiche, die vom bisherigen Wissen noch nicht erschlossen sind bzw. die durch aktuelles Wissen ‚verstellt‘ werden, d.h. ich werde im Wissen erst weiter kommen, wenn ich dieses ‚verstellende‘ Wissen als ‚falsch‘ bzw. ‚unzureichend‘ erkannt habe. Wie soll dies geschehen? Menschen, die hauptsächlich nur Bestätigungen suchen, haben praktisch keine Chance, die ‚Falschheit‘ ihres Wissens zu entdecken. Sie sind in ihrem aktuellen Wissen quasi gefangen wie in einem Käfig. Da sie ihren Käfig nicht sehen, ihn ja sogar für ‚richtig‘ halten, wird sich der Käfig im Normalfall immer nur noch weiter verfestigen.

 

 

(10) Das biologische Leben, von dem wir Menschen ein winziger Teil sind, hat die Jahrmilliarden dadurch gemeistert, dass es nicht einer bestimmten vorgegebenen Ideologie gefolgt ist, sondern dass es ‚alles, was möglich wahr, einfach probiert hat‘. Man kann dies ‚Zufall‘ nennen oder ‚Kreativität‘ oder ‚Spiel‘; letztlich ist es so, dass Zufall/ Kreativität/ Spontaneität/ Spiel jeglicher fester Form auf Dauer haushoch überlegen ist, da feste Formen von Wissen Spezialisierungen darstellen für bestimmte Aspekte von Welt, meistens dazu sehr statisch, und solche Formen sind sehr schnell sehr falsch. Besser zu sein als ‚zufallsgesteuertes Wissen‘ ist eine sehr hohe Messlatte, und biologische Systeme wirken nur deshalb gegenüber reinem Zufall überlegen, weil sie die Erfahrungswerte von 3 Milliarden Jahren ’spielerischer Evolution‘ in sich angesammelt haben. Mehr als drei Milliarden Jahre Experimente mit hunderten Milliarden Beteiligten pro Jahr sind eine Erfahrungsbasis, die in sich ein Wunder darstellt, das zu begreifen nicht leicht fällt. Wir, die wir von diesem ‚angesammelten Wissen‘ profitieren können, ohne dass wir auch nur irgendetwas selbst dazu beigetragen haben, haben meistens kein gutes Gefühl dafür, welch ungeheure Leistung es bedeutet, das bisherige Weltwissen auch nur ein kleines Stück zu erweitern. Wer sich die Mühe machen würde, beispielhaft  — von vielen möglichen spannenden Geschichten — die Geschichte des mathematischen Denkens zu verfolgen, das zum Herzstück von jeglichem komplexen Wissen gehört, kann sehen, wie sich die besten Köpfe über 3000 und mehr Jahre bemühen mussten, bis die Mathematik eine ‚Reife‘ erlangt hat, die erste einfache Wissenschaft möglich macht. Zugleich gilt, dass in unseren Zeiten, die mehr denn je von Technologie abhängen, das Wissen um Mathematik bei den meisten Menschen schlechter ist als bei den Denkern der Antike. Es ist eben nicht so, dass ein Wissensbereich, der über Jahrtausende mühsam aufgebaut wurde, dann automatisch in der gesamten nachfolgenden Kultur verfügbar ist; ein solches Wissen kann auch wieder verfallen; ganze Generationen können in der ‚Aneignung von Wissen‘ so versagen, dass ‚errungenes Wissen‘ auch wieder ‚verschwindet‘. Wissen in einer Datenbank nützt nichts, wenn es nicht reale Menschen mit realen Gehirnen gibt, die dieses Wissen auch tatsächliche ‚denken‘ und damit anwenden können. Immer größere Datenbanken und immer schnellere Netze nützen nichts, wenn das reale Wissen in den realen Köpfen wegen biologischer Kapazitätsgrenzen einfach nicht ‚mithalten‘ kann…

 

 

(11) Unsere heutige Kultur ist in der Tat an einer Art Scheideweg: unsere Technologie entwickelt sich immer schneller, aber die biologischen Strukturen unserer Körper sind bislang annähernd konstant. Bedeutet dies, dass (i) die Ära der Menschen vorbei ist und jetzt die Zeit der Supercomputer kommt, die den weiteren Gang der Dinge übernehmen? oder (ii) haben wir einen Wendepunkt der Entwicklung erreicht, so dass ab jetzt aufgrund der biologischen Begrenztheit der Menschen es nicht mehr nur um ’schneller‘ und ‚mehr‘ geht sondern um ‚menschengemäßere künstliche Intelligenz‘, die ein Bindeglied darstellt zwischen dem kapazitätsmäßig begrenztem menschlichem Denken einerseits und einer immer leistungsfähigeren Technologie? oder (iii) Beginnt jetzt die Ära der angewandten Gentechnologie, die uns in die Lage versetzt, unseren Körper schrittweise so umzubauen, dass wir die Erfordernisse eines biologischen Lebens auf der Erde besser meistern könne als bisher? Die Alltagserfahrung legt vielleicht (i) nahe, die bisherige historische Entwicklung deutet aber auf (ii) und (iii) hin. Denn — und das übersieht man leicht — der Weg des Lebens in den letzten ca. 3.2 Milliarden Jahren hat permanent Probleme lösen müssen, die verglichen mit den uns bekannten Problemen um ein vielfaches größer waren. Und das Prinzip des Lebens hat dies alles gemeistert, ohne dass wir auch nur einen Millimeter dazu beigetragen haben. Wenn wir uns also weniger an unsere vielfältigen kleinkarierten Ideologien klammern würden und stattdessen stärker auf die ‚innere Logik des Lebens‘ achten, dann sind die potentiellen Lösungen in gewisser Weise ’schon immer da‘. Dies ist nicht als ‚Determinismus‘ oder ‚Vorsehung‘ misszuverstehen. Nein, die Struktur der Materie enthält als solche alle diese Strukturen als Potential. Unsere gesamtes heutiges Wissen (von dem unsere Körper mit ihren Gehirnen ein kleiner Teil sind) ist letztlich nichts anderes als das versammelte Echo der Milliarden von Experimenten, in denen wachsende biologische Strukturen in einem permanenten Dialog mit dem vorfindlichen Universum Aspekte dieses Universums ’sichtbar‘ gemacht haben; wahres Wissen zeigt in dem Sinne nichts ‚Neues‘ sondern macht ’sichtbar‘, was schon immer da war bevor es dieses Wissen explizit gab. ‚Wissen schaffen‘ heißt im Wesentlichen ‚in Dialog treten‘, d.h. ‚Interagieren‘, d.h. ‚ein Experiment durchführen‘ und die Ereignisse im Umfeld der Dialoge ‚geeignet zusammenführen‘ (Bilder, Modelle, Theorien…). Was ‚Denken‘ wirklich ist wissen wir bislang eigentlich immer noch nicht wirklich, was unsere Gehirne aber nicht daran hindert, kontinuierlich Denkarbeit zu leisten. Unsere Gehirne denken für uns. Wir sind quasi ‚Konsumenten‘ dieser wundersamen Gebilde. Dass unsere Gehirne nicht ‚beliebig gut‘ denken sondern so ihren ‚eigenen Stil‘ pflegen, das merkt man erst nach vielen Jahren, wenn man sich intensiv mit der Arbeitsweise des Gehirns beschäftigt. Wenn wir über die ‚Welt‘ reden dann reden wir nicht über die Welt ‚wie sie um uns herum ohne uns ist‘, sondern über die Welt, ‚wie sie unsere Gehirne für uns aufbereiten‘. Unsere Gehirne arbeiten so perfekt, dass uns dieser fundamentale Unterschied lange Zeit — vielen Menschen vielleicht zeit ihres Lebens nie — nicht auffällt.

 

 

(12) Wir sind Teil dieses gigantischen Geschehens. Wir finden uns darin vor. Leben ist mehr als die Worte, die man darüber formulieren kann. Einen Sinn gibt es natürlich; er hängt nicht davon ab, ob wir ihn sehen oder nicht sehen, glauben oder nicht glauben. Der wahre Sinn durchdringt alles von Anbeginn. Wir können versuchen, uns ihm gegenüber zu verschließen, aber wir selbst mit unserem Körper als Teil des Ganzen, enthalten so viel von diesem Sinn, dass wir geradezu ‚voll gepumpt‘ sind mit diesem Sinn. Vor allem Erkennen kann man es auch fühlen.

 

 

(13) Was ‚Gott‘ mit allem zu tun hat? Ich bin mir nicht sicher, ob wir als Menschen diese Frage überhaupt verstehen können.

 

 

Weil es Sinn gibt, kann sich Wissen akkumulieren, das Sinn sichtbar macht. Oder: warum die Frage ‚Warum gerade ich?‘ in die Irre führen kann.

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 15.Juni 2011
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

KONTEXT

Zum Thema ‚Sinn‘ hab es einen vorausgehenden Beitrag mit dem Titel „Zur Grammatik des Sinns„, der möglicherweise hilfreich ist, um diesen Beitrag zu vertiefen.

(1) Wenn etwas ‚Schlimmes‘ passiert, dann fragen sich viele Menschen ‚Warum gerade ich?‘ (hätte es jemanden anderen getroffen wäre man vielleicht ‚berührt‘ — falls man der anderen Person nahe stand –, aber es würde einen bei weitem nicht so zentral treffen wie das eigene Leid. Wenn etwas subjektiv ‚Schönes‘ oder gar ‚Außergewöhnliches‘ geschieht, dann geraten die einen außer sich und halten sich womöglich sogar für ‚auserwählt‘, womöglich für etwas ‚Besonderes‘; andere bekommen sofort Angst, dass sie all dies, kaum dass sie es besitzen, wieder verlieren könnten, dass sie ‚dem Schicksal‘ misstrauen; sie haben bislang — in ihrer Wahrnehmung — nicht viel Gutes erlebt, also verbietet es ihr Denken, das ‚punktuell Schöne‘ ‚anzunehmen‘; oder trotzig gerade doch: es geht ja doch, ich habe es immer gewusst….

(2) Man kann den Eindruck gewinnen, dass wir tendenziell eine ‚Deutungstendenz‘ in uns tragen, die in allem nach einem ‚möglichen Sinn‘ sucht, der die eigene ‚Werthaftigkeit‘ unterstützt, der klar macht, dass das eigene Leben doch irgendwie einen ‚Wert‘ und einen ‚Sinn‘ hat. Andererseits, wenn wir uns lange Zeit schwer tun, einen ‚Sinn‘ zu erkennen, dann kann dies sehr anstrengend, kann es schmerzhaft sein, keinen Sinn zu erkennen; dann ist es einfacher einen Sinn grundsätzlich auszuschließen (z.B. das alte Gegensatzpaar ‚Gläubige‘ gegen ‚Ungläubige‘, ‚Theisten‘ versus ‚Atheisten‘, ‚Optimist‘ vs. ‚Pessimist‘, …), überraschen lassen kann man sich ja immer noch.

(3) Es ist nicht leicht zu sehen, ob man diese Frage(n) nach dem Sinn überhaupt beantworten kann. Bei der Untersuchung der Frage, wie Wissen generell entstehen kann, wie Systeme generell lernen können, stellt man irgendwann nicht nur fest, wie ungeheuer schwierig die Entwicklung von Wissen ist, sondern dass es so etwas wie ein ‚Optimum‘ nicht isoliert für ‚ein einziges‘ System geben kann, sondern nur im Wechselspiel zwischen einem System und der ‚zugehörigen‘ Umgebung. ‚In‘ dieser bzw. ‚bezogen auf diese‘ kann das Verhalten eines Systems und sein aktueller Zustand einen bestimmten ‚Wert‘ haben; ohne diesen Zusammenhang ist nicht klar, wie man die ‚Werthaftigkeit‘ eines Systems definieren soll. Ein ‚individuelles System an sich‘ gibt es nicht. Alle bekannten Systeme — biologische wie technische — kommen immer nur vor als ‚Teil eines Ganzen‚.

(4) Traditionelle Deutungssysteme (mythische, religiöse, philosophische,…?) fallen dadurch auf, dass sie versuchen, dem einzelnen Menschen einen Deutungszusammenhang anzubieten, der es ihnen erlaubt, trotz der Vielfalt der wechselnden Alltagsbilder ‚in Allem‘ einen ‚Sinn für sich selbst‘ erkennen zu können, der ’stabil‘ ist gegen die Schwankungen des Alltags.

(5) Stellt man solche traditionellen Deutungsstrategien in Frage, kann man aus Sicht der ‚Anhänger‘ dieser Deutungsstrategien sehr schnell als ‚Bedrohung‘ angesehen werden, nicht nur als Bedroher des gedeuteten Sinns, sondern dann auch als Bedroher des eigenen Lebens, das durch diesen ‚gedeuteten Sinn‘ einen ‚abgeleiteten Sinn‘ hat/hatte, der durch die Infragestellung der Deutung womöglich abhanden kommt. Letztlich ist es egal welche Deutungsstrategie man in Frage stellt (religiöse, philosophische, esoterische, ad-hoc Alltagsmythologien, Verschwörungstheorien,….), entscheidend ist, dass man durch die Infragestellung bei den jeweiligen ‚Anhängern‘ (‚Gläubigen‘) den Eindruck erweckt, man greife mit der Deutung auch den gedeuteten Sinn selbst an, und damit zentrale ‚Gegenstände‘ des subjektiven Denkens, das sich ‚in‘ diesen ‚geglaubten‘ Gegenständen eine Weltsicht ‚gebaut‘ hat, die ‚Heimat‘, ‚Sinn‘ und persönlichen ‚Wert‘ (für viele Geschäftemacher aber auch konkrete Einkünfte) verspricht.

(6) Die ‚Stabilisierung des Alltags‚ durch Ausdeutung eines Sinns kann man negativ als ‚Immunisierung‚ verstehen, als Versuch der ‚Abschottung‘ vor den ‚Tiefen‘ und ‚Unwägbarkeiten‘ des realen Lebens. Doch letztlich partizipiert diese Tendenz der ‚Stabilisierung durch Deutung‘ von der allgemeinen Natur des Wissens, in einem anfänglichen ‚Meer von isolierten Zufälligkeiten‘ schrittweise ‚Muster‘ und ‚Zusammenhänge‘ erkennen zu können, die sich mehr und mehr zu komplexen Strukturen, Modellen, Theorien formen können. D.h. es ist die Eigenart unserer biologisch bedingten Wissensmaschinerie, die uns dazu anleitet/ führt/ zwingt, im Strom der Zufälligkeiten Nicht-Zufälliges aufzuspüren und dieses dann — wie Steine im fließenden Bach — als ‚Sprungstellen‘ zu benutzen, um ‚in allem Nicht-Sinn‘ dann doch Umrisse eines möglichen ‚Sinns‘ erkennen zu können.

(7) Streng genommen sind selbst die radikalsten wissenschaftlichen Modell bzw. Theoriebildungen Formen von ‚Sinngebung‚. Im Unterschied zu den vielfältigen Formen ‚alltäglicher Deutungen‘ mit Tendenz zur Abschottung, zur Immunisierung (die Andersgläubigen, die Ausländer, die Nachbarn, die Polizei, die Politiker, die Banker, die Proleten, die Versager, die Karrieristen, …) bieten wissenschaftliche Deutungsmodelle zumindest prinzipiell eine Transparenz für alle Daten und Methoden, die benutzt werden, um eine bestimmte Deutung aufrecht zu erhalten. Je komplexer wissenschaftliche Deutungen werden, je mehr persönliche Eitelkeiten von Forschern sich mit der Geltung einer bestimmten Deutung verknüpfen, je mehr finanzielle Einkünfte und politische Macht sich mit einer bestimmten Deutung gewinnen lassen, um so eher steht natürlich auch eine sogenannte wissenschaftliche Deutung in Gefahr, sich ‚unwissenschaftlich zu stabilisieren‘, sich zu ‚immunisieren‘, da der Verlust der Deutungshoheit einhergehen würde mit dem Verlust von vielen sekundären Vorteilen, die direkt nichts mit Wahrheit zu tun haben.

(8) Es gibt also eine eingebaute Tendenz der biologischen ‚Wissensmaschinerie‘ nicht nur überhaupt Deutungen zu generieren, sondern den Inhalt dieser Deutungen als das zu nehmen, was die erfahrbare flüchtige Welt ‚eigentlich‘ ist. Während wir alle von Geburt an automatisch Teil dieses ‚Deutungsgeschehens‘ sind, ist es nicht auch automatisch der Fall, dass wir uns dieses ‚vorprogrammierten Deutungsspiels‘ ‚bewusst‘ werden. In der ‚Simulation von Welt‘ ‚in unserem Kopf‘ ist das biologische Gehirn so meisterhaft, dass viele Menschen bis zu ihrem Tode niemals gemerkt haben, dass die Welt, die sie ‚zu sehen meinten‘, gar nicht die Welt ist, die real außerhalb des Gehirns existiert, sondern ’nur‘ die Welt, wie sie das Gehirn kontinuierlich aufgrund der ihm verfügbaren ‚Signale‘ ‚zusammenbaute‘. Aufgrund von vielen hundert Millionen Jahren ‚Entwicklungszeit‘ hat das Gehirn darin eine ‚Meisterschaft‘ erlangt, die uns die Möglichkeit bietet, auch ohne spezielles bewusstes Wollen Strukturen in der uns umgebenden Welt erkennen zu können, die wir in unserer Bewusstheit noch nie gedacht hatten. M.a.W. unser Gehirn ‚erzählt‘ uns kontinuierlich eine Geschichte von der Welt, die ein hohes Maß an Plausibilität besitzt, aber dennoch nur eine bestimmte (begrenzte) Deutung aufgrund spezieller Annahmen ist.

(9) Der seit Jahrtausenden anhaltende Versuch von Menschen, der automatischen Erkennungsleistung des Gehirns explizit konstruierte zusätzliche Deutungsmodelle an die Seite zu stellen, stellt eine außerordentliche Leistung dar, ist aber aufgrund der unausweichlichen Komplexität des Geschehens auf Schritt und Tritt anfällig für Fehler und Fehldeutungen. Es ist die Aufgabe der vielfältigen wissenschaftlichen (und auch philosophischen) Disziplinen, das gesamtgesellschaftliche Deutungsgeschehen kontinuierlich zu verbessern.

(10) Sofern ein Deutungsgeschehen — in welche Form auch immer — bestimmte Deutungsinhalte ’sichtbar‘ macht, die als ’sinngebend‘ verstanden/ erlebt werden, geschieht dies niemals ohne einen Bezug zu ‚vorgegebener Welt‘, es sei denn, die Deutungsinhalte sind ‚reine gedankliche Konstruktionen‘, ‚Phantasiegebilde‘, ‚gedankliche Spielereien‘, ‚gedankliche Erfindungen‘ und damit ‚beliebig‘, ‚wertlos‘. ‚Wertvolle‘ Deutungsinhalte entstammen letztlich immer einer ‚Begegnung‘ des erkennenden Systems mit einem ‚Anderen‘, das im erkennenden System eine Art ‚Echo’/ ‚Widerhall’/ ‚Erschütterung‘ … erzeugt. In diesem fundamentalen Sinn sind ‚wertvolle Deutungsinhalte‘ ‚wahr‘, weil es das, ‚wovon’/ ‚worüber‘ sie handeln, unabhängig vom Deutungsmedium in irgendeiner Form ‚tatsächlich gibt‘. Wenn jemand also ‚unwahre‘ Deutungen kritisiert, dann gefährdet er den Deutungsinhalt wesentlich. Im Falle von ‚wahren‘ Deutungen ist dies nicht so; durch die Kritik am deutenden Modell, am Deutungsmedium, am Deutungsgeschehen wird die wahr Ursache der Deutung nicht beseitigt. Im Gegenteil, ein — vernünftig geführter — ‚Deutungsstreit‘ trägt meistens dazu bei, ‚die zu deutende Sache‘ als Anlass einer Deutung weiter zu klären. Angesichts der Unzulänglichkeiten der biologischen Wissensprozesse sind Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte keine lange Zeit, letztlich ‚evolutionäre Augenblicke‘. Wahre (!) Wahrheit verschwindet also nicht durch die Kritik an ihrer Deutung; sie kann allerdings für eine gewisse Zeit ‚verdeckt‘ bleiben. Falsche (!) Wahrheiten können ebenfalls Jahrhunderte — oder gar Jahrtausende — überdauern, wenn die Menschen nicht bemerken, dass diese Deutungen letztlich nicht der Welt entsprechen, wie sie außerhalb ihres Denkens ist, sondern nur als Konstruktion in ihrem Kopf.

(11) Entsprechend der Volksweisheit ‚Aus Nichts kommt nichts‘ haben wir in der modernen Logik gelernt, dass man nur etwas beweisen kann, was man zuvor angenommen hat; die Physiker belehren uns über den Energieerhaltungssatz, der anders formuliert besagt, dass ich aus einem System nicht mehr Energie herausbekommen kann, als sowieso schon drin steckt. Im Bereich Wissen gilt letztlich etwas Analoges: ich kann nur wissen, was es schon gibt. In dem heute bekannten Kosmos haben wir — bezogen auf die Verteilung von Energie — noch ‚lokale Ungleichheiten‘. Diese ermöglichen die Entstehung von biologischen Systemen, die lokal Energie ansammeln und in dieser zeitlich begrenzten Energieakkumulationen Strukturen möglich machen, die partiell ‚unwahrscheinlich‘ sind und damit ‚Informationen‘ darstellen, die wir als ‚Wissen‘ erleben: Strukturen, die uns im Fluss von ‚Zufälligkeiten‘ als ‚Häufigkeiten‘ auffallen, die wir ’speichern‘ können, und die wir im Kontext des ‚Fortgangs‘ weiter ‚bewerten‘ können. Durch solche bewertbaren speicherbaren Häufigkeiten akkumulieren Energieungleichheiten als Wissen, das in der Tat letztlich ’nur‘ ein Echo dessen darstellt, was uns Erkennenden ‚widerfährt‘!!! In der Form des erfahrungsbasierten Wissens akkumulieren sich Aspekte des kontinuierlichen Weltgeschehens in verstehtigten Augenblicken, durch die etwas ’sichtbar‘ werden kann, was als Weltgeschehen kontinuierlich ‚abläuft‘, ohne dass der Ablauf als solcher ‚um sich weiß‘. Aber biologische Systeme als Teil dieses kosmischen Ablaufs können im Ablauf Aspekte des Ablaufs ‚akkumulieren‘, diese dadurch ‚füreinander sichtbar‘ machen, und in diesem ‚Füreinander-Sichtbarmachen‘ die Umrisse eines ‚wachsenden Sinnes‘ sichtbar machen, der etwas über das ‚Innere‘ des Kosmos erzählt, über seine ‚mögliche Seele‘, über den möglichen ‚Weltgeist‘ (der selbst möglicherweise keine biologische Strukturen benötigt, um zu ‚wissen‘; biologische Systeme sind spezielle Konstellationen innerhalb der materiellen Makrostrukturen).

(12) Wenn es also ‚für uns Menschen‘ einen Sinn gibt, dann nur, weil es diesen Sinn schon immer unabhängig von uns gibt und nur in dem Modus, dass wir diesen potentiellen wahren Sinn in einem gemeinsamen Deutungsgeschehen über Jahrhunderte, Jahrtausende… schrittweise aufdecken. Dass die zeitliche und körperliche Begrenztheit unseres biologischen Lebens diesen globalen Sinnzusammenhang nicht in Frage stellen können, ergibt ich daraus von selbst. Sinnlosigkeit besteht dann nur solange, als der einzelne sich nicht als Teil des größeren Sinnzusammenhanges verstehen und erleben kann. … was einfacher klingt als es real getan ist…..

 

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Leben – Mensch – Gott — Universum

  1. Als ich am 9.Dez.2009 einen Neustart meines Blocks ‚ad experimentum‘ begonnen hatte, war mir noch nicht so recht klar, was ich genau mit diesem Blog wollte. Seitdem zeigt sich aber, dass der Blog zu einem wichtigen Ort der ‚Klärung von Gedanken‘ wird. Für andere zwar nicht unbedingt leicht lesbar hilft er mir selbst doch, trotz nahezu nicht vorhandener Zeit wichtige — z.T. komplexe – Gedanken erst einmal ‚festzuhalten‘. Wie von ‚unsichtbarer Hand‘ wurden im Laufe des Jahres ansatzweise Zusammenhänge sichtbar, die ohne diese Notizen im ‚diffusen Allgemein- und Unterbewusstsein‘, eingebettet in das ‚Rauschen des Alltags‘, kaum sichtbar geworden wären.

  2. Der Vortrag am 24.November 2010 bot Gelegenheit – auch hier trotz erheblicher Zeitknappheit – aus all den vielen Ideen ein Stück weiter einen Zusammenhang herauszustellen; ich habe den Eindruck, dass das Thema klarer wird. Würde mich jetzt jemand fragen, wie ich das Hauptthema des Blogs sehe, würde ich folgendes antworten:

  3. Primärer Ausgangspunkt für alles ist offensichtlich das Phänomen des LEBENS hier auf der Erde. Denn ohne die Tatsache, dass es dieses Leben in seinen vielfältigen Formen geben würde, würde ich nicht existieren, hätte ich keinen Körper, kein Bewusstsein…. wurde das bekannte physikalische Universum existieren, ohne dass ‚wir‘ es ‚wissen‘ würden.

  4. Wir Menschen als Mitglieder der Gattung homo sapiens (Der Begriff ‚Homo sapiens‘ wurde 1758 durch Carl von Linné in vollständig in Latein verfassten zehnten Auflage seines Werks ‚Systema Naturae‘ geprägt (eine digitale öffentliche Version ist über die Bayerische Staatsbibliothek in München zugänglich (http://www.bsb-muenchen-digital.de))) (Hinweise über Wikipedia.de) sind zwar ein genuiner Teil des alles umfassenden Lebens, fallen aber doch durch unsere spezielle ‚Geistigkeit‘ aus dem Gesamtbild heraus. Es sieht im Jahr 2010 nicht so aus, als ob wir Menschen bislang auch nur annähernd verstanden haben, was genau diese unsere ‚Geistigkeit‘ als erfahrbare Eigenschaft in diesem unseren fantastischen Körper genau ist, wie sie genau ‚funktioniert‘. Ein Verständnis dieser Geistigkeit führt vermutlich nicht nur zu einem besseren Verständnis dieser selbst sondern auch zu einem besseren Verständnis des Phänomen Lebens überhaupt und damit zu einem vertieften Verständnis der atomaren Materie bzw. der allem zugrunde liegenden Energie. Was letztlich diese ‚Energie‘ ist zeigt sich bislang nur durch das, was Energie bewirken kann, z.B. Leben hervorbringen.

  5. Drittens scheint mir die Frage nach Gott – und dem ‚letzten Sinn von allem‘ – auch in diesen Kontext zu gehören. Wenig Hilfe ist von den fanatisch-dogmatischen Anschauungsformen zu diesem Thema zu erwarten, weder von radikalen ‚Bekennern‘ noch von radikalen ‚Leugnern‘. Grundsätzlich ist aktuell nicht einmal klar, von welchem Standpunkt aus man überhaupt zur Frage Gottes sinnvoll Stellung nehmen kann. Die empirischen Wissenschaften scheitern bislang ja schon am Phänomen des Lebens selbst, erst recht an der subjektiven Form der erlebten Geistigkeit. Für die subjektive Seite des ‚Welterlebens‘ und der ‚Welterkenntnis‘ gibt es aber keine allgemein Wissenschaftsform noch eine allgemein anerkannte Institution, die hier Verbindliches sagen kann. In gewisser Weise sind wir hier alle auf uns selbst als Individuen zurückgeworfen, obgleich es genau diese subjektive Erfahrung ist, die uns charakterisiert, die uns zu dem macht, was wir als Menschen sind, in der wir letztlich eine tiefere Gemeinsamkeit besitzen.

  6. Und da sich all diese Themen innerhalb des uns bekannten physikalischen Universums bewegen wird man nicht umhin können, diesen speziellen Ort hinreichend zu untersuchen. Das neuerliche Reden der Physiker von ‚Multiversen‘, dass wir mit unserem Universum möglicherweise nur ein Universum unter zahllos vielen sind, erklärt nicht allzuviel. Denn, selbst wenn es viele Universen gäbe, die Grundsatzfragen nach dem rätselvollen Phänomen des Lebens schlechthin, nach der Besonderheit des Menschen, nach einem möglichen Gott werden dadurch in keiner Weise berührt und in keiner Weise beantwortet. Allerdings, aus einer Einsicht in diese Erkenntnisgrenzen folgt auch keine automatische Antwort auf die gestellten Fragen.

ZUR GRAMMATIK DES SINNS (1)

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 23.Oktober 2010
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

Letzte Änderungen: 16.Februar 2019 (Verteilung der Worte im Abschnitt angepasst; einzelne Worte korrigiert)

(1) In dem Blogeintrag „Wir  sind nicht Nichts“ wird sichtbar, dass wir allein durch die Tatsache, dass wir aktuell leben, an einem  Geschehen teilhaben, das dessen Tragweite und Tiefe alles übersteigt, was wir normalerweise denken und
 kommunizieren.

(2) Der mögliche ‚Sinn‘ dieses Geschehens, also ein möglicher ‚Zusammenhang‘ zwischen all den vielen ‚Aspekten‘ dieses geradezu kosmischen Prozesses, enthüllt sich für uns Menschen –wenn überhaupt– zunächst nur als individuelles Erleben
 und Verstehen, d.h. als Erleben und Verstehen in einem einzelnen Menschen. Dies heißt NICHT, dass das Erleben und Verstehen eines einzelnen Menschen die ’sinnbegründenden‘ Sachverhalte aller erst ’schafft‘, sondern nur, dass diese
 ’sinnbegründenden‘ Sachverhalte in dem Moment des Erkennens in diesem jeweiligen Erkennen ‚bewusst‘ werden. ‚Bewusst‘ werden kann nur etwas, was schon ‚da‘ ist und in seinem Dasein ’so wirksam‘ ist, dass es ein ‚Bewusst-werden‘ bewirken kann.

(3) Darüber hinaus kann ein Sachverhalt, der eine ‚Bewusstwerdung‘ auslösen kann, diese Bewusstwerdung in mehr als einem einzelnen Menschen zugleich auslösen; ein Sonnenaufgang (oder Untergang) kann von vielen Menschen ‚gleichzeitig‘
wahrgenommen werden, wenn Sie sich ‚im Moment des Geschehens‘ an einem ‚geeigneten Ort‘ befinden.

(4) Schon diese wenigen Gedanken lassen    erkennen, dass sich Bewusstwerdung bei Menschen mit ‚Körperlichkeit‘ paart: unser Erleben setzt eine irgendwie geartete Körperlichkeit voraus, dazu eine ‚Raumstruktur‘, und eine ‚Gerichtetheit‘ von Ereignissen als ‚Jetzt‘ und ‚Vor dem Jetzt‘ (‚vorher‘, ‚vergangen‘ als ‚Erinnerbares‘).

(5) Aufgrund unserer ‚Lebenserfahrung‘ wissen wir,  wie ‚unterschiedlich‘ einzelne Menschen das allgemeine Leben trotz der vielen strukturellen Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen erfahren können. Jeder ‚einzelne‘ Mensch nimmt in der
Raumstruktur des Erlebens einen charakteristischen individuellen ‚Ort‘ ein, von dem aus er die ‚umgebende Welt‘ in einer Weise erfährt, die sich absolut von der ‚Erlebnisspur‘ eines anderen Menschen unterscheidet.

(6) Eine ‚individuelle Erlebnisspur‘ enthält ‚externe‘  und ‚interne‘ Anteile: ‚extern‘ insofern ‚etwas‘ auf das individuelle Erleben einwirkt, und ‚intern‘, insofern diese Einwirkungen ‚Wirkungen hervorrufen‘, die den einzelnen Menschen in seinem ‚Erinnern‘ und ‚Fühlen‘ prägen.

(7) ‚Im‘ Erleben des einzelnen Menschen ‚mischen‘ sich die internen und externen Anteile kontinuierlich; je mehr ‚Erfahrung‘ jemand hat, umso mehr beeinflussen die ‚vorhandenen‘  internen Anteile die aktuell einwirkenden Anteile. Dies kann ‚hilfreich‘ sein, wenn ‚bisherige Erfahrung‘ das ‚aktuell Erlebte‘ in ‚geeigneter‘ Weise ‚einordnet‘; dies kann ‚hinderlich‘ sein wenn die bisherigen Erfahrungen irgendwie ‚verzerrt‘ sind und aktuelles Erleben ‚falsch‘ ‚interpretiert‘.

(8) Aufgrund unserer ‚Lebenserfahrung‘ wissen wir ferner, dass es zwischen dem Erleben verschiedener einzelner Menschen eine Art ‚Austausch‘ durch ‚Kommunikation‘ geben kann.

(9) Kommunikation besagt, dass verschiedene Menschen über ein ‚Zeichensystem‘ (‚Sprache‘ L)verfügen, das in der Lage ist, Aspekte des individuellen Erlebens mittels ‚intersubjektivem (= externen) Zeichenmaterial‘ so zu ‚repräsentieren‘, dass ein individuelles Erleben A bestimmte Erlebnisse von A mit einer ‚Zeichenfolge‘ Z so ‚enkodieren‘ kann (enkodieren: A –> Z), dass ein anderes individuelles
Erleben B diese Zeichenfolge Z so ‚dekodieren‘ kann (dekodieren: Z –> B), dass das Erleben in B eine ‚hinreichende Ähnlichkeit‘ mit dem Erleben von A aufweist  SIMILARITY(Z(A),Z(B)).

(10)  Das größte Problem in der zeichenbasierten (= ’sprachlichen‘) Kommunikation ist die Herstellung dieser Ähnlichkeit SIMILARITY() sowie die ’subjektive Vergewisserung‘, dass solch eine Ähnlichkeit in ‚hinreichendem Masse vorliegt.

(11) Da kein einzelner Mensch (unter ’normalen‘ Umständen),  in das Erleben eines anderen Menschen ‚direkt hineinschauen‘ kann, kann sich kein einzelner Mensch so ohne weiteres ’sicher‘ sein, dass der andere Mensch beim Gebrauch eines bestimmten Zeichenmaterials Z  (als Teil einer Sprache L) tatsächlich das ‚Gleiche‘ ‚meint‘ wie ‚er selbst‘.

(12) Zu solch einer ‚Vergewisserung‘ der ‚gemeinsamen Ähnlichkeit‘ SIMILARITY() bedarf es ‚Formen von Interaktion‘, die ‚unabhängig‘ von dem Zeichensystem (von der Sprache L) sind, die aber zugleich  geeignet sind, die ‚Vermutung einer Ähnlichkeit‘ zu ‚unterstützen‘. Dies berührt das Problem der ‚Entstehung von Sprache‘: wie ist es möglich, dass Menschen neues Zeichenmaterial Z als Teil von L so ‚einführen‘, dass sie ’sicher‘ sein können, dass ‚alle Benutzer von L‘ ‚das Gleiche‘ ‚meinen‘?

(13) Im Falle von ‚externen Ereignissen‘, die ‚wiederholbar‘ sind und die von allen Beteiligten ‚hinreichend ähnlich wahrgenommen werden können‘, erscheint die Einführung einer ‚Verbindung‘ von ‚erlebnisauslösendem Ereignis E‘, ‚korrespondierendem Erleben Ph‘ sowie ‚repräsentierendem Zeichen Z‘ ansatzweise ’nachvollziehbar‘. Ein ‚Zeichen‘ SYMB wäre dann diese komplexe Beziehung als ganzer, d.h. ein repräsentierendes Zeichen SYMB(E,Z,Ph) ist eine Beziehung zwischen E und Z und Ph, die als diese Beziehung ‚bewusst‘ ist und als solche ‚erinnert‘ werden kann (diese Überlegungen finden sich u.a. bei den großen Semiotikern Charles S.Peirce und Charles Morris, aber auch schon bei früheren Philosophen der Scholastik und zumindest auch bei griechischen Philosophen).

(14) Man kann ahnen, dass die Realisierung eines solchen Zeichenbegriffs in der Praxis eine sehr komplexe ‚Maschinerie‘ voraussetzt, die hier vorläufig kein Thema sein soll (hier wären all die schönen Dinge einschlägig, die wir aus den Sprachwissenschaften kennen, der Psychologie, der Ethologie, den Neurowissenschaften, der Phonetik, der Anthropologie, der Automatentheorie usw.).

(15) Nehmen wir also an, dass Menschen in der Lage sind, repräsentierende Zeichen SYMB_i(E,Z,Ph) einzuführen, denen jeweils korrespondierende ‚erinnerbare interne Strukturen‘ SYMB_i()_x entsprechen. Das ‚SYMB_i()_x‘ wäre dann das repräsentierende Symbol i, das von dem Individuum x erinnert werden kann. Dann wäre ein Menschen A in der Lage, internes Erleben Ph, zu dem es ein erinnerbares repräsentierendes Symbol SYMB_i(_,Z,Ph)_A gibt, mittels eines kodierenden Zeichenmaterials Z zu ‚äußern‘, und ein anderer Mensch B könnte mittels des Zeichenmaterials Z sein erinnerbares Zeichen SYMB_i(_,Z,Ph)_B ‚erinnern‘. Er würde dann ‚annehmen‘, dass das bei B durch Z induzierte Erleben Ph dem entspricht, was den A veranlasst hat, Z zu äußern.

(16) Schwieriger –bis unmöglich– wird es, wenn Menschen repräsentierende Zeichen für solches Erleben einführen wollen, dem keine direkten ‚intersubjektiven‘ Ereignisse korrespondieren (was aber sehr umfangreich geschieht).

Zwischenergebnis 1:
(i) Individuelles Erleben ist möglich, weil es etwas dem Erleben Externes gibt, was dieses Erleben auslöst
(ii) Sofern die Einführung repräsentierender Zeichen gelingt, können Individuen Teile ihres Erlebens durch solche Zeichen ‚kommunizieren‘

(17) Was immer es an ‚Sinn-relevanten‘ Zusammenhängen in dem für uns relevanten Teil des Kosmos geben mag, werden wir davon nur dann und nur soviel ‚erfahren‘, insoweit diese Zusammenhänge unserem individuellen Erleben und unserer symbolischer Kommunikation  zugänglich werden. Sofern wir ein ‚Fehlen‘ von Sinn in unserem Erleben und Kommunizieren konstatieren würden, würde dies zunächst nicht besagen, dass es keinen Sinn gibt, sondern nur, dass derjenige, der dieses Fehlen konstatiert, bislang nicht in der Lage war, sein Erleben  entsprechenden ‚Sinn-stiftenden‘ Sachverhalten in Berührung zu bringen.

(18) Ergänzend wäre anzumerken, dass der ‚Kontakt‘ mit Sinn-stiftenden Sachverhalten sogar stattgefunden haben kann, dass aber die ‚Art und Weise‘, wie dieses Erleben ‚kognitiv verarbeitet‘ wurde, nicht in der Lage war, die  ‚Sinn-relevanten Anteile‘ zu ‚erkennen‘. Erkennen ist (man lese die entsprechenden Einträge im Blog) kein völlig automatischer immer gleichförmiger Prozess, sondern ein komplexes dynamisches Geschehen, das bei gleicher Wahrnehmungslage zu gänzlich unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann, je nachdem, ‚wie‘ jemand ‚aktiv denkt‘.

(19) Eine Feststellung, dass ‚Sinn‘ für uns ’nicht möglich‘ sei, ist unter Voraussetzung dieser Erkenntnislage für uns prinzipiell nicht möglich. Wir können entweder nur feststellen, dass wir ’noch nicht‘ in der Lage sind, einen Sinn explizit zu benennen oder eben, dass uns bestimmte Sachverhalte als für uns ’sinnvoll‘ erscheinen.

(20) Hier wäre jetzt zu klären ob und wieweit wir ‚mögliche sinnvollen Sachverhalte‘ konkret, beispielhaft  identifizieren  können.

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