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PHILOSOPHIEWERKSTATT VOM 11.Januar 2014 – Rückblick – Lernen braucht Wissen und Emotionen

Letzte Änderung: Mo 12.Jan.2014 (Strukturierung, Am Ende Ausblick mit Terminen und Programmvorschlag)

ZUSAMMENFASSUNG

1) Mittlerweile liegt die dritte PHILOSOPHIEWERKSTATT 11.Jan.2014 hinter uns. Wie schon die letzten Male waren es sehr intensive Gespräche, die entstanden. Das tatsächliche Programm wich vom Plan ein wenig ab. Der Rückblick verlief wie geplant, war aber in sich schon ziemlich intensiv. Es gab dann eine längere Pause mit Essen, Trinken und viel Reden. Es folgte dann der neue Input zum Thema ‚Sind Emotionen (im weitesten Sinne) für ein Lernen notwendig?‘. Damit knüpften wir nochmals an das gemeinsame Brainatorming vom 14.Dez.2013 an; außerdem passte es gut zum Rückblick.
2) Kurz zusammengefasst waren die Überlegungen etwa wie folgt: bei einem komplexen System wie einem Tier oder gar einem Menschen ist eine klare Beschreibung von ‚Wissen‘ und ‚Emotionen (i.w.S.)‘ schwer bis unmöglich. Die meisten Menschen haben zum Thema zwar eine Meinung in ihrem Alltag, aber bei genaueren Nachfragen ist es kaum möglich, zu klären, was jemand meint, wenn er nach seinem ‚Bauchgefühl‘ entscheidet: Wann tut er das? Wie? Gibt es Unterschiede? usw. Dass stark Emotionen das Verhalten allgemein und das Lernen insbesondere beeinflussen können, scheint aufgrund der Alltagserfahrung klar zu sein.

EXPERIMENT ZU ‚EMOTION UND WISSEN‘

3) Die Frage ist also, ob es ein Experiment geben könnte, das einfach genug ist, und doch so, dass man alle beteiligten Komponenten ‚klar‘ verstehen und kontrollieren kann, das zugleich aber noch aussagekräftig genug ist, um zum Verhältnis von ‚Wissen‘ und Emotionen‘ etwas sagen zu können.

PSYCHOLOGIE UND INFORMATIK

4) Der Vortragende wählte dazu eine Kombination aus Psychologie und Informatik. Die Psychologen haben zu Beginn des 20.Jahrhunderts gelernt, wie sie ‚Intelligenz‘ messen können, ohne zu wissen, was ‚Intelligenz‘ in einem Lebewesen genau ist. Die Methode, die ‚Intelligenz‘ eines Systems durch Bezugnahme auf das Verhalten bei der Lösung einer Menge von Aufgaben zu beschreiben, dadurch zu quantifizieren, und damit ‚vergleichbar‘ zu machen, ist nicht auf Menschen beschränkt. Man kann damit auch Tiere messen und auch — heute — Computer. Damit könnte man bezogen auf ein definiertes Aufgabenset feststellen, in welchem Ausmaß ein Computer und ein Menschen ‚verhaltensmäßig übereinstimmen‘ oder nicht.

COMPUTER: WAS IST DAS?

5) Bei dieser Gelegenheit gab es einen Hinweis auf den Begriff ‚Computer‘. Die meisten Menschen verbinden mit dem Begriff ‚Computer‘ die konkreten Geräte, mit denen man im Alltag arbeitet (Smartphones, Tablets, eReader, PCs,…). Dies ist nicht ganz falsch, da alle diese Geräte beispielhafte Realisierungen des abstrakten Konzeptes eines berechnenden Automaten sind, das historisch bedeutsam im Kontext des Grundlagenstreits der Mathematik zu Beginn des 20.Jahrhunderts von Turing 1936/7 in die Diskussion eingeführt worden ist. Er hatte versucht, den Beweis von Gödel von 1931, zu den Grenzen der Entscheidbarkeit mathematischer Theorien, mit anderen Mitteln als Gödel sie benutzt hatte, vorzunehmen, um den Beweis dadurch möglicherweise verständlicher zu machen (was Gödel persönlich auch so sah; Gödel war nämlich mit seinem eigenen Beweis unzufrieden gewesen, und hatte Turings Lösungsansatz in einer Rede in Princeton ausdrücklich als ‚verständlicher‘ gelobt). Am Beispiel eines Büroangestellten, der mit einem Schreibstift auf einem Blatt Papier seine Zahlen notiert und rechnet, hatte Gödel das Konzept der maximal einfachen Maschine für maximal komplexe Aufgaben formuliert, die alles, was mit endlichen Mitteln berechenbar ist, berechnen kann. Später wurde diese seine abstrakte Maschine ihm zu Ehren Turingmaschine genannt. Während eine Turingmaschine duch die Unendlichkeit des Schreib-Lesebandes letztlich einen unendlich großen Speicher besitzt, hat jede konkrete gebaute Maschine, die wie eine Turingmaschine arbeitet, immer nur einen endlichen Speicher. In diesem Sinne kann ein realer Computer die Leistung einer idealen Turingmaschine immer nur annähern.
6) Was ein Computer im Stil einer Turingmaschine letztlich alles ‚tun‘ kann, hängt davon ab, wie man ihn programmiert. Bislang werden Programme für bestimmte klar umrissene Aufgaben geschrieben, und man erwartet, dass das Programm in einer bestimmten Situation genau das tut, was man von ihm erwartet (einen Text schreiben; Bremsen, wenn man auf das Bremspedal tritt; einen Alarm geben, wenn ein bestimmter Wert gefährlich überschritten wird; usw.). Programme, die in diesem Sinne ‚erwartungskonform‘ sind, sind ‚deterministisch‘, sind ‚reaktiv‘, d.h. sie sind in ihrem Verhalten genau festgelegt. Dass die meisten Menschen vor diesem Alltagshintergrund davon ausgehen, dass Computer ja eigentlich ‚dumm‘ sind, ist nachvollziehbar.
7) Allerdings ist dieser Eindruck auch irreführend, denn Computer ‚als solche‘ können im Prinzip alles, was ‚berechenbar‘ ist, d.h. auch ‚Denken‘, ‚Fühlen‘, usw., wenn man sie nur ‚lässt‘. Die meisten übersehen, dass wir Menschen alle unsere wunderbaren Eigenschaften nicht haben, weil wir sie ‚gelernt‘ haben, sondern weil unser Körper und unser Gehirn in bestimmter Weise so vorgeprägt ist, dass wir überhaupt ‚Wahrnehmen‘, ‚Erinnern‘, ‚Denken‘ usw. können.

Experimenteller Rahmen, offen für Philosophie, Psychologie und Neurowissenschaften
Experimenteller Rahmen, offen für Philosophie, Psychologie und Neurowissenschaften

OFFENE SYSTEME, REAKTIV UND ADAPTIV

8) Die strukturellen Gemeinsamkeiten zwischen uns Menschen und einem möglichen Computer werden deutlich, wenn man sowohl Menschen als auch Computer abstrakt als ‚Input-Output-Systeme‘ betrachtet. Sowohl vom Menschen wie auch vom Computer können wir annehmen, dass sie auf spezifische Weise Ereignisse aus der ‚Umgebung‘ (der ‚Welt‘ (W)) aufnehmen können (Sinnesorgane, Sensoren, Leseband), die wir hier abstrakt einfach als ‚Systeminput‘ oder einfach ‚Input‘ (I) bezeichnen. Genauso können wir annehmen, dass Menschen wie Computer auf die Welt (W) zurückwirken können (über diverse Aktoren, Schreibband). Die Menge dieser Rückwirkungen bezeichnen wir hier als ‚Output‘ (O). Ferner gehen wir immer davon aus, dass es zwischen dem beobachtbaren Output ‚O‘ und dem beobachtbaren Input ‚I‘ einen irgendwie gearteten ‚gesetzmäßigen‘ oder ‚regelhaften‘ Zusammenhang gibt, den wir hier einfach ‚phi‘ nennen, also ‚phi‘ ordnet dem Input ‚I‘ auf spezifische Weise einen bestimmten Output ‚O‘ zu. Die Mathematiker sprechen in diesem Zusammenhang von einer ‚Abbildung‘ oder ‚Funktion‘, geschrieben z.B. als ‚phi: I —> O‘. Die Informatiker sprechen von einem ‚Algorithmus‘ oder einem ‚Programm‘. Gemeint ist in allen Fällen das Gleiche.
9) In der Form ‚phi‘ ordnet dem Input ‚I‘ einen Output ‚O‘ zu wissen wir so gut wie nichts über die innere Struktur des Systems. Dies ändert sich, wenn wir zusätzlich den Begriff ‚innere Zustände‘ (‚inner states‘, IS) einführen. Damit können wir das Reden über ein System nahezu beliebig verfeinern. Diese inneren Zustände ‚IS‘ können ‚Neuronen‘ sein, ‚Erlebnisse‘ (‚Qualia‘), chemische Prozesse, was immer man braucht. Die Einbeziehung der inneren Zustände ‚IS‘ erlaubt sogleich einige interessante Differenzierungen.
10) Zunächst mal können wir unsere Redeweise erweitern zu ‚phi‘ ordnet einem Input ‚I‘ mit Hilfe der aktuellen inneren Zustände ‚IS‘ einen entsprechenden Output ‚O‘ zu, phi: I x IS —> O. Das heißt, die inneren Zustände ‚IS‘, was immer diese im einzelnen genau sind, sind ‚mitursächlich‘ dafür, dass dieser bestimmte Output ‚O‘ zustande kommt. Bsp: Wenn ich bei einem Getränkeautomaten ein Getränk auswähle, das geforderte Geld einwerfe und dann auf Ausführung drücke, dann wird der Automat (falls er nicht ‚defekt‘ ist) mir das gewählte Getränk ausgeben. Er wird immer nur das tun, und nichts anderes.
11) Von lernenden Systemen wie Tieren oder Menschen wissen wir, dass ihre Reaktionen (ihr Output ‚O‘) sich im Laufe der Zeit ändern können, weil sie ‚durch Lernen‘ ihre inneren Zustände ‚IS‘ ändern können. In diesem Fall müssten wir von der Verhaltensfunktion ‚phi‘ sagen: ‚phi‘ ordnet dem aktuellen Input ‚I‘ und unter Berücksichtigung der aktuellen internen Zustände ‚IS‘ nicht nur einen bestimmten Output ‚O‘ zu, sondern kann auch dabei gleichzeitig seine eigenen internen Zustände ‚IS‘ in spezifischer Weise ‚ändern‘, also phi: I x IS —> IS x O. Ein ‚lernendes‘ System ist in diesem Sinne ’selbstveränderlich‘, ‚adaptiv‘, ‚anpassungsfähig‘ usw.
12) Der wichtige Punkt hier ist nun, dass diese adaptive Verhaltensformel ( phi: I x IS —> IS x O) nicht nur auf Tiere und Menschen anwendbar ist, sondern auch — ohne Einschränkungen — auf das Konzept des Computers. Dass wir bis heute kaum wirklich lernfähige Computer haben, liegt vor allem an zwei Gründen: (i) im Alltag wollen wir lieber ‚dumme‘ Maschinen, weil sie uns für bestimmte Zwecke klare Erwartungen erfüllen sollen; (ii) zum anderen gibt es nahezu kaum Programmierer, die wissen, wie man ein lernfähiges Programm schreibt. Der Begriff ‚Künstliche Intelligenz‘ (KI) (bzw. Engl.: ‚artificial intelligence‘ (AI)) existiert zwar seit Beginn des Denkens über und Entwickelns von Computern, aber da wir bis heute nur rudimentäre Vorstellungen davon haben, was Lernen beim Menschen bedeutet, weiß keiner so recht, wie er einen Computer programmieren soll, der die Intelligenz von Menschen hinreichend ’nachahmt‘. In einer typischen Informatikausbildung in Deutschland kommt weder Psychologie noch Neurowissenschaften vor. Dazu muss man sagen, dass die Nachfrage nach lernfähigen Computern in der Realität bislang auch gering war (in vielen Filmen über intelligente Maschinen wird das Thema ausgiebig durchgespielt; dort meist negativ besetzt: die ‚bösen‘ Maschinen, die die Menschheit ausrotten wollen).

VERSCHIEDENE SICHTEN DER WISSENSCHAFTEN

13) Im vorausgehenden Schaubild wird aber auch noch etwas anderes angedeutet, was in den vorausgegangenen Sitzungen immer wieder mal anklang: Ich kann den Menschen von verschiedenen Blickpunkten aus betrachten: (NN) Von den Neuronen des Gehirns aus (Neurowissenschaften); (SR) vom beobachtbaren Verhalten aus (Psychologie); (PHN) Von den Phänomenen des Bewusstseins aus (Philosophie, Phänomenologie), oder in Kombinationen: (NN-SR) Neuro-Psychologie; (NN-PHN) Neuro-Phänomenologie; (PHN-SR) Phänomenologische Psychologie. Das Problem hierbei ist (was sehr oft übersehen wird), dass es zwischen den drei Sehweisen NN, SR und PHN keine direkten Verbindungen gibt: Das Neuron als solches sagt nichts über das Verhalten oder über Bewusstseinstatbestände; ein beobachtbares Verhalten sagt nichts über Neuronen oder Bewusstseinstatbestände; ein bewusstes Erlebnis sagt nichts über Neuronen oder beobachtbares Verhalten. Eine Verbindung zwischen diesen verschiedenen Sehweisen herzustellen ist von daher kein Selbstläufer, sondern eine eigenständige Leistung mit hohen methodischen Anforderungen (man sollte nicht überrascht sein, wenn man ein Buch mit dem Begriff ‚Neuropsychologie‘ aufschlägt und man findet auf keiner Seite die entsprechenden methodischen Maßnahmen….).
14) Für das vorgesehene Experiment soll die verhaltensorientierte Sicht der Psychologie als Hauptperspektive gewählt werden. Andere Perspektiven werden nach Bedarf zugeschaltet.

BEWUSSTSEIN DER PHILOSOPHEN, DER PSYCHOLOGEN, der NEUROWISSENSCHAFTEN

15) Ohne auf Details einzugehen sei hier angenommen, dass die philosophische Perspektive eigentlich nur die Kategorie ‚Bewusstsein‘ (‚consciousness‘ (CNSC)) kennt und dazu unterschiedliche Annahmen darüber, warum das Bewusstsein so ist, wie es ist. Die verhaltensbasierte Psychologie hat eine ganze Bandbreite von Denkmodellen entwickelt, die mögliche ‚Funktionen‘ im System beschreiben. Dazu gehören recht umfangreiche Modelle zu unterschiedlichen Gedächtnisformen wie z.B. ‚Sensorisch‘ (’sensorical memory‘, (SM)), ‚Kurzzeitspeicher’/ ‚Arbeitsspeicher‘ (’short term memory‘ (STM)) und ‚Langzeitspeicher‘ (‚long term memory‘ (LTM)). Letzteres mit sehr differenzierten Teilstrukturen). Heutzutage wird eine starke Korrelation zwischen dem philosophischen Konzept ‚Bewusstsein‘ und dem psychologischen Konzept ‚Arbeitsgedächtnis‘ angenommen. Die Neurowissenschaften entdecken immer mehr Funktionale Schaltkreise im Gehirn, die wiederum auf unterschiedliche Weise (Ebenen, Hierarchien) angeordnet sind. So gibt es funktionale Schaltkreise auf einer hohen integrativen Ebene, deren Korrelation mit dem psychologischen Konzept ‚Arbeitsgedächtnis‘ und dem philosophischen Konzept ‚Bewusstsein‘ korrelieren. Doch sind diese Sachverhalte sehr komplex und keinesfalls eindeutig. Für das nachfolgende Experiment spielt dies keine Rolle. Es orientiert sich am beobachtbaren Verhalten und ist bzgl. der internen Mechanismen, die das Verhalten hervorbringen, ’neutral‘.

EXPERIMENTELLER RAHMEN (UNVOLLSTÄNDIG)

16) Der äußere Rahmen des Experiments ist jetzt also eine Welt ‚W‘, in der das lernende System ‚LS‘ irgendwelche ‚Aufgaben‘ lösen muss. Für die Erreichung einer Lösung benötigt das lernende System ‚Wissen‘. Wie dann gezeigt werden soll, reicht Wissen alleine aber nicht aus. Neben ‚Wissen‘ benötigt ein lernendes System auch etwas, wodurch das Wissen ‚bewertet‘ werden kann, andernfalls kann es nicht lernen. Eine Möglichkeit, solche ‚Bewertungen‘ vornehmen zu können, sind ‚eingebaute‘ (‚intrinsische‘, ‚endogene‘, ‚angeborene’…) Zustände, die in Form von ‚Emotionen‘ (im weitesten Sinne wie z.B. ‚Hunger‘, ‚Durst‘ (= Bedürfnisse), ‚Neugierede‘, ‚Angst‘, ‚Schmerzen‘, ‚Lust’……) auftreten und das Verhalten ‚bewerten‘ können.

Fortsetzung folgt….

Die nächsten Termine für eine Philosophie-Werkstatt sind geplant für 8. Februar, 8. März, 12. April, 10. Mai, 14. Juni 2014.

Als Programmvorschlag für 8.Febr.2014 liegt vor:

  • Teil 1: In Gruppengesprächen und Plenum klären, was der Diskussionsstand ist, was fehlt, welche Themen neu addressiert werden sollen.
  • Teil 2: Fortsetzung des Themas: Wie können Emotionen helfen, dem Wissen eine handlungsfähige Struktur zu geben?
  • Teil 3: Philosophische Begründung für ein Kunstexperiment und Realisierung eines Beispiels

Einen Überblick über alle bishrigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

GEIST-SICHTBARMACHUNGS-EXPERIMENT, Teil 1, Begriffe und theoretischer Rahmen

ZENTRALE BEGRIFFE: GEIST

(1) Für das anvisierte Großprojekt ‚Sichtbarmachung des Geistes‘ (in Frankfurt, der Stadt Goethes, der einen Faust 1+2 geschrieben hat) ist es hilfreich, den zentralen Begriff ‚Geist‘ ein wenig zu lokalisieren. Angesichts der nahezu unerschöpflichen Quellenlage zum Thema ‚Geist‘ mag dies auf den ersten Blick als ein scheinbar hoffnungsloses Unterfangen erscheinen.
(2) Da es hier aber in erster Linie nicht um eine ‚Begriffsgeschichte‘ der Wortmarke ‚Geist‘ gehen soll, sondern um eine systematischen Gebrauch des Begriffs im Kontext einer expliziten Theorie, wird es genügen, die Annahmen dieser Theorie darzustellen.

ZENTRALE BEGRIFFE: GEIST, INTELLIGENZ, BEWUSSTSEIN

(3) Beim aktuellen Stand der Reflexion werden es drei zentrale Begriffe sein, die in der anvisierten Theorie zentral Verwendung finden werden: ‚Geist‘, ‚Intelligenz‘ und ‚Bewusstsein‘. Während hier im Blog eher informell und auf Deutsch über diese Dinge nachgedacht wird, wird die eigentlich Theorie auf Englisch geschrieben in Gestalt verschiedener Vorlesungsskripte (siehe http://www.uffmm.org). Ob aus all dem jemals mal ein ‚Buch‘ im klassischen Sinne werden wird, ist momentan offen. Für potentielle Leser wäre es sicher eine Erleichterung.
(4) Auch wenn man nicht in die Tiefen und Verästelungen einer vollständigen Begriffsgeschichte hinabsteigen möchte, um die den Begriffen ‚Geist‘, ‚Intelligenz‘ und ‚Bewusstsein‘ innewohnende Vieldeutigkeit und damit einhergehende Vagheit zu verdeutlichen, genügt ein kleines Selbstexperiment mit aktuellen Wörterbüchern, um sehr schnell zu merken, auf welch schlüpfrigem Boden man sich begibt, will man diese Begriffe systematisch benutzen (siehe Eintrag unten und Bild).

Differenzen zwischen Deutsch-Englischen Wortfeldern bei Geist, Intelligenz, Bewusstsein
Differenzen zwischen Deutsch-Englischen Wortfeldern bei Geist, Intelligenz, Bewusstsein

5) Wie man im Schaubild ‚Wortverweise zu ‚Geist‘, ‚Intelligenz‘, ‚Vernunft‘, ‚Bewusstsein‘ sehen kann (und in den Einträgen im Anhang), führt ein Hin- und Her Übersetzen selten zum Ausgangswort zurück. Und dies hier nur im Falle von Deutsch und Englisch. Bedenkt man, dass alle diese Begriffe eine mehrhundertjährige Vorgeschichte in der griechischen Kultur haben, die wiederum über das Latein und das Arabische in die modernen Sprachen Deutsch und Englisch transferiert wurden (ohne Berücksichtigung all der vielfältigen Wechselwirkungen mit den anderen umgebenden Kulturen) , so kann man ahnen, dass eine begriffsgeschichtliche Vorgehensweise zwar sehr anregend sein könnte, aber letztlich keinen wirklichen Beitrag zu dem leisten kann, um das es hier geht: die Benutzung bestimmter Termini in einer aktuellen systematischen Theorie mit empirischen Bezug.

ZIEL DES EXPERIMENTES 1

6) In einer informellen Darstellungsweise könnte man sagen, dass es im Geist-Sichtbarmachungs-Experiment (Mind-Visibility-Generation-Experiment) darum geht, zu zeigen, wie unter Berücksichtigung der kosmischen Rahmenbedingungen (im Sinne der Astrobiologie), der evolutionären Prozesshaftigkeit (im Sinne der Evolutionsbiologie), ausgehend vom beobachtbaren Verhalten (im Sinne verhaltensbasierter Wissenschaften) und unter Berücksichtigung struktureller Eigenschaften von Körpern (im Sinne von Anatomie, Neurowissenschaften,…) plausibel gemacht werden kann, wie die anhand von definierten Aufgaben messbare ‚Intelligenz‘ (im Sinne der empirischen Psychologie) mit einem ‚Geist‘ korrespondiert, der für eine bestimmte Menge von Funktionen steht, die den Strukturen eines Körpers eine spezifische Dynamik verleihen. Das mit ‚Bewusstsein‘ Gemeinte wird dabei angenommen als eine Teilfunktion des ‚Geistes‘.

THEORIEVORAUSSETZUNGEN

7) Wie bei jeder Theorie kann man auch hier unterscheiden zwischen der Theorie selbst und ihrer Hervorbringung. Während die Theorie selbst ein irgendwie geartetes formales Gebilde ist, das von den ‚Theoriemachern‘ (Wissenschaftlern, Ingenieuren) mittels Experimenten auf bestimmte Wirklichkeitsausschnitte bezogen wird, müssen die Theoriemacher individuell spezifische Erkenntnisvoraussetzungen mitbringen, ohne die die Formulierung und koordinierte Nutzung einer Theorie nicht möglich ist. Wir nennen diese postulierten notwendigen Erkenntnisvoraussetzungen hier die ‚minimale kognitive Struktur (MKS)‘ (oder Englisch: ‚minimal cognitive structure (MCS)‘ in dem Sinne, dass jedes virtuelle System, das die gleichen minimale kognitive Struktur besitzen würde, in der Lage wäre, die gleiche Theorie zu formulieren und anzuwenden.

ZIEL DES EXPERIMENTES 2

8) Das Hauptziel des ‚Geist-Sichtbarmachungs-Experimentes (GeiSichtExp)‘ ist genau dieses: virtuelle Systeme entstehen zu lassen, die den minimalen kognitiven Strukturen von Tieren und Menschen so entsprechen, dass sie die gleichen Weltmodelle und dazu gehörigen Verhaltensweisen hervorbringen können. Damit würden diese virtuellen Systeme ‚verhaltensidentisch‘ zu Tieren und Menschen und die Frage nach dem Unterschied zwischen der ‚Natur‘ oder dem ‚Wesen‘ des mit ‚Geist Gemeintem‘ beim Tier und Mensch einerseits sowie den virtuellen Systemen andererseits würde darauf hinauslaufen, ob der ‚Material‘, aus dem die jeweiligen Systeme ‚gebaut‘ sind, eine ‚wesentliche‘ Rolle zukommt.

ENTKOPPLUNG VON BIOLOGISCHEN STRUKTUREN

9) Bei biologischen Systemen hat die Struktur des Körpers, speziell auf der Ebene der Zellen, überwiegend mit der Beschaffung und Erhaltung der Energie zu tun, mit der Erhaltung und Weitergabe von Bauinformationen, mit Wachstum und Koordinierung, usw. und nur zum kleineren Teil mit aktueller Informationsverarbeitung. Würde man das ‚Wesen des Geistes‘ auf die Informationsverarbeitung im engeren Sinne beschränken — was hier im ersten Ansatz versuchsweise getan wird –, dann wäre der größere Teil des Körpers für den Geist nicht direkt relevant. Damit verschärft sich die Plausibilität dafür, dass Strukturen zur Ermöglichung von Informationsverarbeitung im Sinne eines ‚Geistes‘ auch mit anderen Mitteln realisiert werden können. Dies wäre ein erstes Argument dafür, dass das ‚Phänomen des Geistes‘ nicht an die typischen biologischen Strukturen gebunden sein muss.

10) Die Sichtbarmachung von ‚Geist‘ in diesem beschränkten Sinne erscheint prinzipiell machbar, wenngleich aufgrund der implizierten Komplexität nicht einfach. Ein ‚Hobbyprogrammierer um die Ecke‘ wird es nicht schaffen (genauso wenig wie die milliardenschweren Neuro-Simulatoren, die allenthalben entstanden sind bzw. entstehen).

NICHT ALLE FRAGEN BEANTWORTET

11) Die tieferliegende Frage nach dem ‚Geist‘ als einer ‚innewohnenden Eigenschaft der Energie‘ als Ausgangspunkt jeglicher Strukturbildung im Universum würde durch das ‚Geist-Sichtbarmachungs-Experiment‘ jedoch noch nicht beantwortet. Allerdings wäre dies ein Schritt in die Richtung einer möglichen Beantwortung, eine mögliche Motivation, um das Fragen und Experimentieren zu intensivieren.

SUBJEKTIVE WIDERSTÄNDE

12) Die meisten Leute, mit denen ich bislang über dieses ‚Geist-Sichtbarmachungs-Experiment‘ sprechen konnte, tun sich bislang aber überhaupt schwer, diesem Experiment einen Sinn ab zu gewinnen. Die ‚Widerstände‘ für ein ‚Mitdenken‘ sind vielfach. Grundsätzlich tun sich Menschen schwer, über sich selbst nach zu denken. Und wenn überhaupt, dann hat man aus der Vergangenheit bestimmte liebgewordene Bilder, die den Menschen als etwas ‚Besonderes‘ gegenüber allem anderen sehen, als ein mit ‚Geist‘ (und möglicherweise noch ‚Seele‘) ausgestattetem Wesen, dessen Bezug zum Ganzen des Universums trotz Wissen um die Evolution irgendwie und irgendwo nicht so richtig gesehen wird. Die unterschiedlich kursierenden religiösen (hinduistisch, buddhistisch, jüdisch, christlich, muslimisch, …) Deutungsmustern tun ihr ihriges, um den Blick nicht frei zu bekommen, für das ’neue Bild‘ eines — möglicherweise — durch und durch geistigen Universums mit einer darin implizierten eigentümlichen ‚Liebe‘ und ‚Verantwortung‘. Nach allem, was bislang bekannt ist, geht es nicht um ‚weniger‘ Religion, sondern eher um ‚mehr‘. Und wie wir wissen, ist der Weg vom Kind zum erwachsenen, verantwortungsvollen Menschen lang und beschwerlich. Und nicht wenige verweigern auf diesem Weg die notwendigen Einsichten und Konsequenzen. Der Preis der Freiheit ist die Möglichkeit der Verweigerung. Freiheit durch ‚Zwang‘ zu ersetzen hilft in der Regel nicht, da damit die notwendige ‚Reife‘ im einzelnen nicht durch einen eigenen Lernprozess entstehen kann. ‚Zwangsgesellschaften‘ erzeugen auf Dauer ihren eigenen Untergang.

Theoretischer Rahmen für das GEIST-SICHTBARMACHUNGS Projektes
Theoretischer Rahmen für das GEIST-SICHTBARMACHUNGS Projektes

THEORIERAHMEN 2

13) Die benutzte Theorie benutzt drei Komponenten: (i) eine Menge von definierten Aufgaben (‚Tasks‘), die eine Art Umgebung (‚environment‘) für lernende Systeme darstellen; (ii) die zu untersuchenden (lernenden) Systeme (‚Systems‘); (iii) die Interaktion dieser Systeme mit den Aufgaben der Umgebung.

AUFGABEN

14) ‚Aufgaben‘ sind theoretisch definierte Mengen von ‚Zuständen‘, die man in mindestens einen ‚Anfangszustand‘ (’start state‘), mindestens einen ‚Zielzustand‘ (‚goal state‘), sowie einer — eventuell leeren — Menge von ‚Zwischenzuständen‘ (‚intermediate states‘) einteilen kann. Von einem Zielzustand muss es mindestens einen ‚Pfad‘ (‚path‘) zu mindestens einem Zielzustand geben. Dieser wird ‚Lösungspfad‘ (’solution path‘) genannt. Interessant sind die ‚kürzest möglichen‘ Lösungspfade. Kann man einen Lösungspfad angeben, so kann man — unter Voraussetzung feststehender Interaktionen (s.u.) — auch die zum Lösungspfad notwendigen Folgen von Interaktionen angeben, die als solche eine ‚idealisierte empirische Verhaltensfunktion‘ (Phi hoch i‘, φi) definieren. Diese idealisierte empirische Verhaltensfunktion φi kann dann als Sollwert (Norm) benutzt werden, um tatsächliche empirische Verhaltensfunktionen damit zu vergleichen (messen).

SYSTEME

15) Die ‚Systeme‘ innerhalb der verwendeten Theorie sind allesamt ‚offene‘ Systeme, d.h. ‚Input-Output-Systeme‘, die über diverse Wahrnehmungen und Aktionen im kontinuierlichen Austausch mit der jeweiligen Umgebung stehen. Unter Bezug auf eine unterstellte Verhaltensfunktion (phi hoch t, φt: I —> O) kann man dann grob unterscheiden zwischen ‚reaktiven‘ und ‚adaptiven‘ Systemen. ‚Reaktive‘ Systeme (φt: I x IS —> O) verfügen zwar über interne Zustände IS, die in das Verhalten einfließen, diese internen Zustände IS können jedoch nicht wesentlich verändert werden. Im Gegensatz dazu können ‚adaptive‘ Systeme (φt: I x IS —> IS x O) ihre internen Zustände IS hinreichend verändern. Die jeweilige Implementierung der internen Zustände IS (mittels z.B. biologischer Zellen, neuronaler Zellen, Classifier, Graphen) spielt keine wesentliche Rolle. Bislang kann man allerdings ‚technische‘ System von ‚biologischen‘ Systemen meistens dadurch unterscheiden, dass biologische Systeme zwischen einem ‚Genotyp‘ und einem ‚Phänotyp‘ unterscheiden. Der Phänotyp entsteht aus einem Genotyp durch einen Wachstumsprozess, bei dem anhand von genetischen Ausgangsinformationen ein interaktiver Prozess angeregt wird, in dessen Verlauf der Phänotyp (salopp: Körper) entsteht. Der Phänotyp trägt über ‚Fortpflanzung‘ zum Erhalt der genetischen Informationen bei. Bei diesem Prozess können die genetischen Informationen mit Zufallseinflüssen verändert werden. Auf diese Weise können genau jene genetischen Informationen selektiv überleben, deren Phänotypen sich in einer bestimmten Umgebung besonders ‚bewähren‘. Bei technischen Systemen fehlt diese genetische Rückkopplung bislang aufgrund der hier anfallenden Komplexität einerseits und des für solche Prozesse notwendigen Zeitbedarfs.

INTERAKTIONEN: STIMULUS (S), RESPONSE (R)

16) Die ‚Interaktion‘ eines Systems mit seiner Umgebung geschieht einmal über solche Umweltereignisse, die das System als ‚Reize’/ ‚Stimuli‘ (S) ‚wahrnehmen‘ kann sowie über solche Veränderungen an der Außenseite (Interface, Schnittstelle) seines Systems, die als ‚Antworten’/ ‚Responses‘ (R) auf die Umgebung ‚einwirken‘ können. Sofern solch eine Reaktion ‚R‘ von einem bestimmen Stimulus ‚S‘ abhängig ist, spricht man auch von einem Stimulus-Response-Paar (s,r) ∈ S x R. Die Menge aller solcher Stimulus-Response Paare, die für ein bestimmtes System als ‚charakteristisch‘ beobachtet werden können, wird hier als ‚empirische Verhaltensfunktion‘ (φe) bezeichnet. Handelt es sich bei dem System unter Beobachtung um eine biologisches System, ist es eine ‚empirisch-empirische‘ Verhaltensfunktion (φe,e), im Falle von technischen Systemen um eine ‚empirisch-technische‘ Verhaltensfunktion (φe,t). Empirische Verhaltensfunktionen kann man mit idealisierten (‚gesollten‘) Verhaltensfunktionen (φi) vergleichen. Stimmen die empirischen Funktionen mit den idealisierten ‚hinreichend überein‘, dann kann man sagen, dass ein System den für eine Aufgabe zu leistenden minimalen Lösungspfad ‚gelernt‘ hat. Zwischen einer vollständigen (100%) und keiner (0%) Übereinstimmung mag es viele charakteristische Varianten geben.
17) Innerhalb des hier skizzierten theoretischen Rahmens lassen sich alle bis heute bekannten reaktiven und adaptiven Systeme behandeln. Im Laufe des Experimentes werden einige dieser Systeme real vorgestellt werden. Alle beobachtbaren Leistungen sind über definierte Aufgaben beschreibbar und dadurch mit dem Verhalten realer biologischer Systeme vergleichbar. Die Einbeziehung des genotypischen Lernens ist angezielt, aber weitgehend abhängig von der Verfügbarkeit geeigneter Ressourcen.

QUELLENNACHWEISE

Abfrageergebnisse in www.leo.org (Abfrage vom 27.Dez.2012)

1) Mind –> Geist, Verstand, Ansicht, Gedanke, Absicht
2) Vernunft –> reason, rationality, sanity
3) Verstand –> mind, apprehension, brain(s), comprehension, discretion, intellect, reason, sanity, sense, understanding, wit(s)
4) Geist –> mind, ghost, spirit, animus, apparition, esprit, genie, intellect, nous, phantom, psyche, specter/ spectre, wit, wraith
5) intelligence –> Einsicht, Intelligenz, Auffassungsvermögen, die Aufklärung, die Information (auch vom Geheimdienst), die Klugheit, die Nachricht, der Verstand, die Wiedergabe, Auskunft, Geheimdienst,
6) Intelligenz –> intelligence, brainpower, brains, intelligentsia, savvy, understanding
7) reason –> Grund, Anlass, Argument, Begründung, Motiv
8) Bewusstsein –>awareness, consciousness
9) consciousness –> Bewusstsein, Bewusstheit, Besinnung
10) awareness –> Bewusstsein, Bewusstheit, Erkenntnis
11) Aufmerksamkeit –> attention, concentration, advertence/ advertency, alertness, attentiveness, heedfulness, mindfulness, notice, regard, thoughtfulness

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