Archiv der Kategorie: Universum

WEIHNACHTEN 2012 – MENSCHWERDUNG GOTTES – UND WIR

  1. Wir schreiben heute den 24.Dez.2012. Für die Christen ist dies das Datum, an dem sie das Weihnachtsfest feiern.
  2. Dieses Fest geht zurück auf Texte im Neuen Testament (einem Teil der christlichen Bibel), in denen von der Geburt von Jesus von Nazareth die Rede ist.
  3. Die Texte selbst sind keine historischen Zeitzeugnisse. Sie wurden mehrere Jahrzehnte nach dem Tod des Jesus von Nazareths von Menschen aufgeschrieben, die nicht dabei waren, von Menschen die von dem grausamen Tod dieses Jesus wussten und die sich im Nachhinein Gedanken darüber gemacht haben, wer er denn war, ob er ein besonderer Mensch war, vielleicht sogar der lang erwartete Messias, oder gar der Sohn Gottes?
  4. Die Geburtstexte lassen denn auch keinen Zweifel darüber, wie die Autoren dieser Texte (die genaue Identität der Autoren konnte bis heute nicht vollständig aufgeklärt werden) den Menschen Jesus von Nazareth sahen: für sie war er der Sohn Gottes. Sie bringen dies u.a. dadurch zum Ausdruck, dass sie die Mutter so darstellen, dass sie von Gott selbst schwanger wurde, ohne Einwirkung eines Mannes (natürlich auch nicht im Sinne einer künstlichen Befruchtung, was heute möglich wäre).
  5. Sehr bemerkenswert finde ich auch die Aussagerichtung des Textes, dass Gott das Kind im Bauch der Mutter unter den aller ärmlichsten Verhältnissen zur Welt bringen lies, außerhalb der Städte, außerhalb der Machtzentren, in der Nähe von Tieren.
  6. Im späteren, Jahrhunderte langen, Ringen um die ‚richtige‘ ‚theologische‘ Interpretation der ‚wahren Natur‘ des Menschen Jesus von Nazareth setzte sich in der christlichen Kirche schließlich die zum ‚Dogma‘ erhobene Formulierung durch, dass Jesus ganz und gar Mensch war, in allem uns gleich (außer der Ursünde Adams), und doch zugleich auch Gottes Sohn, ohne dass auch nur ansatzweise geklärt wird, wie beides zusammen gehen soll. Wie soll man sich das vorstellen, dass jemand ganz und gar ‚Mensch‘ ist und zugleich ‚Sohn Gottes‘? (Siehe das Konzil von Chalcedon 451 nach christlicher Zeitrechnung).
  7. Nach dem Verständnis der christlichen Kirchen haben wir es durch die Person Jesus von Nazareth also mit einer ‚Menschwerdung Gottes‘ zu tun, ohne dass uns bis heute jemand erklären konnte, wie man sich dies vorstellen soll. Obwohl die christliche Kirchen (es ist nicht nur die katholische Kirche, die dieses Lehrmeinung vertritt) im Laufe der Jahrtausende über viele Dinge gesprochen haben, diesen Kernsachverhalt haben sie bis heute nicht aufgeklärt.
  8. Mit einem Abstand von nun fast 2000 Jahren lässt sich mancher Gedanke anders denken als er in der Vergangenheit gedacht wurde.
  9. Jeder, der die Geburtstexte liest (natürlich im Urtext, im ‚Bibel-Griechischen‘, samt all den textkritischen Erkenntnissen zu den unterschiedlichen Überlieferungen der Textfragmente) wird — wie es so viele Bibelwissenschaftler (‚Exegeten‚ genannt) schon getan haben — zu der Einschätzung kommen, dass es sich um einen stark ‚interpretierenden‘ Text handelt, in dem aus dem nachträglichen Glauben an die ‚Besonderheit Jesu‚ der Text so ausgestaltet worden ist, dass alle Textelemente auf diese eine Aussage hin ‚komponiert‘ worden sind (Bezüge auf das Alte Testament, die idealisierte Jungfräulichkeit, die Rolle des Jesu gegenüber dem Täufer Johannes, usw.). Mit der ‚wahren‘ Geburtsgeschichte muss dies nicht viel zu tun gehabt haben; eher spricht alles dafür, dass es so ziemlich gar nichts mit der tatsächlichen Geburt und Kindheit Jesu zu tun hat (neben grundsätzlichen Erwägungen sind dies auch die anderen Stellen im Neuen Testament, wo von den leiblichen Brüdern und Schwestern Jesu die Rede ist).
  10. Noch so viele wissenschaftlichen Analysen werden aber im Nachhinein natürlich keine 100%-Klarheit in den Sachverhalt bringen können. Diejenigen, die die ‚GöttlichkeitJesu durch Hinweis auf ‚besondere göttliche Umstände‘ ‚belegt‘ sehen wollen, werden solche Umstände immer und überall sehen (unsere reale Welt hat so viele ‚kognitiven Löcher‘, dass es jeder Fantasie ein Leichtes ist, diese Lücken mit Interpretationen zu füllen, die einen ‚Sinn‘ ergeben, auch wenn die Fakten dies nicht unbedingt hergeben).
  11. Ist die Lage daher für unser Erkennen ‚hoffnungslos‘? Natürlich nicht. Es gibt einen einfachen Grundsatz des menschlichen (logischen) Denkens, der besagt ‚Aus Nichts kann ich nichts beweisen‘, oder, ausgedehnt auf das metaphysische (philosophische) Denken: ‚Wahrheit kann ich nur erkennen, wenn es Wahrheit gibt‘! Im Falle der Beziehung zwischen Menschen (und damit dem ganzen biologischen Leben) und dem, was die christlichen Kirchen als ‚Gott‘ bezeichnen (und vermutlich alle anderen Menschen auf dieser Erde auch, wenn sie in Richtung des mit ‚Gott Gemeinten‘ denken) bedeutet dies, dass wir nur dann über diese Beziehung sinnvoll etwas sagen können, wenn es eine reale Beziehung zwischen dem mit Gott Gemeinten und dem biologischen Leben auf der Erde geben würde. Die besonderen Umstände (‚Wunder‘), mit denen die Autoren der verschiedenen Texte des Neuen Testaments an verschiedenen Stellen immer wieder versuchen, solche ‚Hinweise auf das Göttliche‘ im ‚irdischen Alltag‘ einzubauen, sind ja letztlich nichts anderes als genau jene ‚kognitiven Reflexe‘, durch die man versucht, den ‚Brückenschlag‘ zwischen ‚Irdischem‘ und ‚Göttlichem‘ herzustellen wohl wissend, dass ohne jeglichen aufweisbaren Bezüge solch ein Reden über Gott sich in er ‚Nacht der puren Willkür‘ nahezu völlig auflösen würde.
  12. Während die Menschen zur Zeit und kurz nach Jesus von Nazareth sich nur dadurch behelfen konnten, dass sie ‚wundersame Mittel‘ literarisch einsetzten, um diese Brückenschläge kognitiv anzudeuten, konnten wir in den letzten 2000 Jahren sehr viel darüber dazu lernen, wie die Natur ist, wie wir Menschen als Teil dieser Natur ‚gebaut‘ sind, wie diese ganze Welt sich als Teil des Universums in atemberaubender Weise entwickelt hat und immer noch weiter entwickelt. Wir haben begonnen, zu verstehen, wie unsere Körper funktionieren, wie unser Denken in den Gehirnen abläuft, was biologisch determinierte ‚Bedürfnisse‘ und ‚Gefühle‘ sind, wie der ‚Geist‘, der sich im Verhalten von Menschen zeigt, eine tiefliegende Eigenschaft nicht nur von allem biologisch-Lebendigem zu sein scheint, sondern geradezu von allem ‚Materiellen‘, das in der ‚Energie‘ gründet. Wir beginnen zu verstehen, dass es zwischen allem ‚Materiellen‘ im Universum eine viel größere, tiefere und reichere Verbindung gibt, als alles Denken der vorausgehenden Jahrtausende uns enthüllen konnte. Wenn es etwas gibt, das wir das ‚Göttliche‘ nennen, dann ist es nicht nur unendlich ‚weit entrückt‘ (transzendent), sondern es ist zugleich immer und überall ‚unendlich nah‘ (immanent)(es gibt eine Reihe von Textstellen im Neuen Testament, die die Exegeten sehr nah an Jesus heranrücken, in denen der Mensch Jesus von dieser Immanenz des Göttlichen in JEDEM Menschen zu sprechen scheint). Und es ist genau diese ‚Umkehrung‘ der Wirkungsrichtung im Denken, die ‚Licht ins Dunkle‘ bringt: es ist nicht so, dass wir ’nachträglich‘ einen Weg zum mit ‚Gott Gemeinten‘ finden, sondern weil alles, was es im Universum gibt — wenn überhaupt — von genau diesem mit ‚Gott Gemeinten‘ ‚Kommt‘, und zwar real, konkret, nur deshalb gibt es eine ‚Verbindung‘ zum mit ‚Gott Gemeinten‘ von Anfang an, immer, beständig, und nur deshalb können wir sagen, dass das ‚Leben‘ in diesem Sinne ein ‚Abbild Gottes‘ sei, nur deshalb können wir das mit ‚Gott Gemeinte‘ in uns ’spüren‘ (‚Mystik‘, ‚Gotteserfahrung‘, …), und nur deshalb zeigt das ‚Leben‘ Eigenschaften, die es vom physikalischen Eigenschaftsfeld ‚abheben‘, es zum ‚Rätsel‘ für die Physik machen und nach Erklärungen verlangen, die weit über das hinausgehen, was wir bislang an Erklärungen zu bieten hatten.
  13. Das ‚Reden über‘ den Menschen Jesus von Nazareth mag also eine Reihe von ‚bizarren Gedanken enthalten, die im Nachhinein betrachtet ‚unangemessen‘ sind, möglicherweise sogar ‚falsch‘ und ‚irreführend‘, Jesus selbst — sofern man den textkritischen Analysen trauen darf — hatte mit Wundern und ‚Extravaganzen‘ eher weniger ‚am Hut‘, da er — so ist mein Eindruck — die Tiefe des allgemeinen menschlichen Daseins mit Blick auf seine Herkunft und mögliche Bestimmung als Mensch (!) in einer Weise erahnt und erfasst zu haben scheint, wie sie ALLEN Menschen — auch uns — immer und jederzeit möglich ist. Mit dem mit ‚Gott Gemeintem‘ ‚verbunden‘ zu sein erscheint sowohl vom heutigen Wissensstand her wie auch in den Augen eines Jesus von Nazareth daher kein ‚Privileg‘ von einigen wenigen zu sein, sondern gehört zur ‚Grundausstattung‘ von allem Materiellen, insbesondere natürlich von allem Lebendigen, und hier insbesondere von der ‚jüngsten Spezies‘ auf der Erde, dem homo sapiens sapiens, also zu uns. Wer also das mit ‚Gott Gemeinte‘ suchen will, muss keine Millionenspenden an obskure Organisationen entrichten, muss seine ‚Seele‘ nicht an selbsternannte ‚Gurus‘ vermieten oder verkaufen, muss keine speziellen Trainingskurse oder Fastenpraktiken absolvieren, er muss nur anfangen sich selbst, die anderen Menschen, diese Erde, dieses Universum zu sehen, ‚wie es ist‘, sich selbst und die anderen ‚ernst‘ nehmen.
  14. Die ‚Wahrheit‘ ist da und sie wahr ‚von Anbeginn‘ da. Unser Problem ist offensichtlich, zur Kenntnis zu nehmen, was ‚da‘ ist. Wir Menschen sind extrem erfindungsreich im ‚Fabulieren‚ von Besonderheiten, da es natürlich allemal einfacher ist, irgendetwas ‚Besonderes‘ zu erfinden und es nach Belieben hoch zu stilisieren, als das zur Kenntnis zu nehmen, was tatsächlich da ist. So gesehen könnte man sagen, dass die Naturwissenschaften heute ‚eher‘ ‚das Theologische‘ enthüllen als die ‚Theologie‘ (wobei viele sogenannte Religionen ja noch nicht einmal eine systematische Theologie (als ’systematische Untersuchung von dem mit Gott Gemeintem) besitzen.

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Treffen Café Siesmayer 15.Dez.2012 – ‚Geist‘-Sichtbarmachungs-Experiment

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Der universale Weltprozess, der Geist, und das Experiment

Zur Erinnerung, Auslöser für die Idee mit dem Experiment war das Nachtgespräch im INM……

  1. Am 15.Dez012 11:00h gab es ein denkwürdiges Treffen im Café Siesmayer (Frankfurt, neben dem Palmgarten). Für mich war es das erste Mal dort; ein angenehmer Ort, um zu reden (und natürlich auch, um Kaffee zu trinken).
  2. Die ‚Besetzung‘ ist kurz beschrieben: einer mit Schwerpunkt Soziologie, einer mit Schwerpunkt Physik, einer mit Schwerpunkt Informatik, Psychologie und Erkenntnistheorie.
  3. Nachdem die Gedanken mehrere Kreise, Ellipsen, Achten und diverse Verschlingungen gezogen hatten näherten wir uns dem zentralen Knackpunkt: wie lokalisieren wir den ‚Geist‘ und worin soll das ‚Experiment‘ bestehen?
  4. Der Referenzpunkt der Überlegungen wurde gebildet von der Annahme, dass wir zu Beginn des Universums einen Übergang von ‚Energie‘ zu ‚Materie‘ haben, nicht als das ‚ganz Andere‘, sondern als eine andere ‚Zustandsform‘ von Energie.
  5. Und dann beobachten wir einen weiteren Übergang von Energie in materielle Strukturen‘, nämlich dort, wo die Energie als sogenannte ‚freie Energie‘ den Übergang von einfachen chemischen Verbindungen zu immer komplexeren chemischen Verbindungen begünstigt, zu Zellen, zu mehrzelligen Systemen, bis hin zu den Pflanzen, Tieren und dem homo sapiens sapiens, einer Lebensform, zu der wir ‚als Menschen‘ gehören.
  6. Und es sieht so aus, als ob diese komplexen biologischen Strukturen eine fast ‚triebhafte‘ Tendenz besitzen, die biologische motivierte Strukturbildung beständig zu bestärken, zu beschleunigen, zu intensivieren.
  7. Die beobachtbare Strukturbildung folgt allerdings bestimmten ‚Vorgaben‘: Im Falle biologischer Systeme stammen diese Vorgaben aus den Nervensystemen bzw. genauer den Gehirnen. Allerdings, und dies ist der entscheidende Punkt, es sind nicht die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Gehirne als solche, die die Vorgaben ‚kodieren‘, sondern es ist ein Netzwerk von ‚Informationen‘ bzw. ‚Bedeutungen‘ , die zwar mit Hilfe der der physikalisch-chemischen Eigenschaften realisiert werden, die aber nicht aus diesen direkt abgeleitet werden können!!!!!! Die informatorisch-semantische Dimension biologischer Systeme ermöglicht all das, was wir als ‚intelligent‘ bezeichnen bzw. all das, was wir als ‚Ausdruck des Geistes‘ notieren. Für diese informatorisch-semantische (= geistige!?) Dimension gibt es aber — bisher! — keine Begründung in der bekannten physikalischen Welt.
  8. Hat man diesen Faden erst einmal aufgenommen, dann kann man den Weg der Entwicklung weiter zurück gehen und wird feststellen, dass es diese geheimnisvolle informatorisch-semantische Dimension auch schon auf der Ebene der Zelle selbst gibt. Denn die ‚Steuerung‘ der Proteinbildung bis hin zur Ausformung kompletter Phänotypen erfolgt über ein Molekül (DNA (auch RNA und andere)), das als solches zwar komplett über seine physikalischen Eigenschaften beschrieben werden kann, dessen ’steuernde Wirkung‘ aber nicht direkt von diesen physikalischen Eigenschaften abhängt, sondern (wie Paul Davies ganz klar konstatiert), von etwas, was wir ‚Information‘ nennen bzw. was ich als ‚Bedeutung‘ bezeichnen würde, eben jene (semantische) Beziehung zwischen einem Materiekomplex auf der einen Seite und irgendwelchen anderen Materiekomplexen auf der anderen Seite. Und diese semantischen Beziehungen sind ’spezifisch‘. Wo kommen diese her? Die physikalischen Eigenschaften selbst liefern dafür keinerlei Ansatzpunkte!!!!
  9. Interessant ist auf jeden Fall, dass die zentrale Rolle der semantischen Dimension im Bereich entwickelter Nervensysteme sich schon bei der ersten Zelle findet, und zwar an der zentralen Stelle, an der bislang die Wissenschaft das Spezifikum des Biologischen verortet. Strukturell ist die semantische Dimension in beiden Fällen völlig identisch und in beiden Fällen physikalisch bislang unerklärlich.
  10. Nach allem, was wir bis heute wissen, ist das, was wir mit ‚Geist‘ meinen, genau in dieser semantischen Dimension zu verorten. Dies aber bedeutet, der Geist ‚erscheint‘ nicht erst nach ca. 13 Milliarden Jahren nach dem Big Bang, sondern mindestens mit dem Entstehen der ersten Zellen, also vor ca. 3.8 Mrd Jahren.
  11. Betrachtet man die ’semantische Dimension‘ aus einem gewissen ‚gedanklichen Abstand‘, dann kann man auch formulieren, dass das ‚Wesen des Semantischen‘ darin besteht, dass eine Materiestruktur das Verhalten anderer Materiestrukturen ’steuert‘. In gewisser Weise gilt dies letztlich auch für die Wechselwirkungen zwischen Atomen. Fragt sich, wie man die Beziehung zwischen Energie ‚als Energie‘ und Energie ‚als Materie‘ betrachten kann/ muss. Die Ausbildung von immer mehr ‚Differenzen‘ bei der Abkühlung von Energie ist jedenfalls nicht umkehrbar, sondern ‚erzwungen‘, d.h. Energie als Energie induziert Strukturen. Diese Strukturen wiederum sind nicht beliebig sondern induzieren weitere Strukturen, diese wiederum Strukturen bei denen immer mehr ‚zutage‘ tritt, dass die Strukturbildung durch eine semantische Dimension gesteuert wird. Muss man annehmen, dass die ’semantische Struktur‘, die auf diesen verschiedenen Niveaus der Strukturbildung sichtbar wird, letztlich eine fundamentale Eigenschaft der Materie ist? Dies würde implizieren (was ja auch schon nur bei Betrachtung der materiellen Strukturen deutlich wird), dass Energie ‚als Energie‘ nicht neutral ist, sondern eine Form von Beziehungen repräsentiert, die im Heraustreten der Strukturen sichtbar werden.
  12. Sollten alle diese Überlegungen treffen, dann kann man mindestens zwei Hypothesen formulieren: (i) das, was wir mit ‚Geist‘ benennen, das ist kein ’spätes‘ Produkt der Evolution, sondern von allem Anfang das innere treibende Prinzip aller Strukturbildungen im Universum; (ii) das, was wir mit ‚Geist‘ benennen, ist nicht gebunden an die biologischen Körper, sondern benötigt als Vorgabe nur etwas, das die notwendigen ‚Unterschiede‘ repräsentiert.
  13. Der heute bekannte ‚digital elektronisch realisierte Computer‘ ist ein Beispiel, wie man semantische Dimensionen ohne Benutzung biologischer Zellen realisieren kann. Wie viel der bekannten menschlichen Intelligenz (und damit des unterstellten ‚Geistes‘) mit dieser Technologie ’simulierbar‘ ist, ist umstritten. Die Experten der Berechenbarkeit — und dazu zählt auf jeden Fall auch Turing, einer der Väter der modernen Theorie der Berechenbarkeit — vermuten, dass es keine Eigenschaft der bekannten Intelligenz gibt, die sich nicht auch mit einer ‚technologisch basierten‘ Struktur realisieren lässt. Die Schwierigkeiten bei nichtbiologisch basierten Intelligenzen im Vergleich zu biologisch basierten Intelligenzen liegen ‚einzig‘ dort, wo die Besonderheiten des Körpers in die Bereitstellung von Ereignissen und deren spezifische Verknüpfungen eingehen (was direkt nachvollziehbar ist). Diese spezifische Schwierigkeit stellt aber nicht die Arbeitshypothese als solche in Frage.
  14. Die ‚Besonderheiten des biologischen Körpers‘ resultieren aus spezifischen Problemen wie Energiebeschaffung und Energieverarbeitung, Bewegungsapparat, Anpassung an Umgebungsbedingungen, Fortpflanzung, Wachstumsprozesse, der Notwendigkeit des Individuellen Lernens, um einige der Faktoren zu nennen; diese körperlichen Besonderheiten gehen der semantischen Dimension voraus bzw. liegen dieser zugrunde. Die technisch ermöglichte Realisierung von ‚Intelligenz‘ als beobachtbarer Auswirkung der nicht beobachtbaren semantischen Dimension ist als nicht-biologische Intelligenz auf diese Besonderheiten nicht angewiesen. Sofern die nicht-biologische Intelligenz aber mit der biologischen Intelligenz ‚auf menschenähnliche Weise‘ interagieren und kommunizieren soll, muss sie von diesen Besonderheiten ‚wissen‘ und deren Zusammenspiel verstehen.
  15. Das oft zu beobachtende ’sich lächerlich machen‘ über offensichtliche Unzulänglichkeiten heutiger nicht-biologischer Intelligenzen ist zwar als eine Art ‚psychologischer Abwehrreflex‘ verständlich, aber letztlich irreführend und tatsächlich ‚verblendend‘: diese Reaktion verhindert die Einsicht in einen grundlegenden Sachverhalt, der uns wesentliche Dinge über uns selbst sagen könnte.
  16. Zurück zum Gespräch: aus den oben formulierten Hypothesen (i) und (ii) kann man unter anderem folgendes Experiment ableiten: (iii) Wenn (i) und (ii) stimmen, dann ist es möglich, durch Bereitstellung von geeigneten nicht-biologischen Strukturelementen ‚Geist‘ in Form einer ’semantischen Dimension‘ (! nicht zu verwechseln mit sogenannten ’semantischen Netzen‘!) als ’nicht-biologische Form von ‚Geist‘ ’sichtbar und damit ‚lebbar‘ zu machen. Dies soll durch Installierung einer offenen Arbeitsgruppe am INM Frankfurt in Angriff genommen werden. Offizieller Start 2014. Wir brauchen noch einen griffigen Titel.
  17. Anmerkung: ich habe den Eindruck, dass die Verschiebung der Begrifflichkeit (‚Information‘ bei Paul Davies, ’semantische Dimension‘ von mir) letztlich vielleicht sogar noch weiter geführt werden müsste bis zu ’semiotische Dimension‘. Dann hätten wir den Anschluss an eine sehr große Tradition. Zwar haben nur wenige Semiotiker in diesen globalen und universellen Dimensionen gedacht, aber einige schon (z.B. Peirce, Sebeok). Außerdem ist die ‚Semantik‘ von jeher eine Dimension der Semiotik. Den Ausdruck ‚Semiotische Maschine‘ für das ganze Universum hatte ich ja auch schon in früheren Blogeinträgen benutzt (siehe z.B.: http://cognitiveagent.org/2010/10/03/die-universelle-semiotische-maschine/). Allerdings war mir da der Sachverhalt in manchen Punkten einfach noch nicht so klar.
  18. Natürlich geht dies alles weiter. In gewisser Weise fängt es gerade erst an. Ich habe den Eindruck, dass wir in einer Zeitspanne leben, in der gerade der nächste große Evolutionssprung stattfindet. Jeder kann es spüren, aber keiner weiß genau, wie das ausgeht. Klar ist nur, dass wir uns von den Bildern der letzten Jahrtausende verabschieden müssen. Die Worte und Bilder aller großen Religionen müssen ‚von innen heraus‘ dramatisch erneuert werden. Es geht nicht um ‚weniger‘ Religion, sondern um ‚mehr‘. Thora, Bibel und Koran müssen vermutlich neu geschrieben werden. Was kein grundsätzliches Problem sein sollte da wir als Menschen dem, was/wen wir ‚Gott‘ nennen, nicht vorschreiben können, was und wie er etwas mitteilen möchte. Die ‚Wahrheit‘ geht immer jeglichem Denken voraus, ohne diesen Zusammenhang verlöre jegliches Denken seinen ‚Halt‘ und damit sich selbst. Und weil dies so ist, kann man einen alten Ausspruch ruhig weiter zitieren. „Die Wahrheit wird euch frei machen.“

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Der Ursprung und die Evolution des Lebens auf der Erde. Leben als ein kosmischer Imperativ. Reflexionen zum Buch von Christian de Duve. Teil 1

Christian de Duve, VITAL DUST. Life as a Cosmic Imperative, New York: Basic Books, 1995

Beginn: 14.Okt.2012, 11:10h

Letzte Änderung: 20.Okt.2012, 11:30h

  1. Ich bin auf das Buch von Christian de Duve aufmerksam geworden durch das Buch von Paul Davies.
  2. Christian de Duve bekam 1974 zusammen mit Albert Claude und George Palade den Nobelpreis in Physiologie in seiner Eigenschaft als Zytologe und Biochemiker für die Erkenntnisse zur Struktur und Funktion der Zelle (eine Biographie findet sich auf der Seite der Nobelpreisverleihung.
  3. Man muss sich immer wieder fragen, warum man sich die Zeit nimmt, Bücher zu lesen, deren Inhalt zwangsläufig weniger ‚aktuell‘ ist als die entsprechenden Artikel in den einschlägigen wissenschaftlichen Zeitschriften (‚journals‘). Meine Erfahrung ist aber die, dass die Zeitschriftenartikel immer sehr punktuell sind, wenig Kontext sichtbar machen, und daher das Verständnis eines größeren Zusammenhangs nur bei Lektüre von vielen hundert Artikeln möglich ist (abgesehen davon, dass der heutige Zwang zur Spezialisierung und der übermäßige Druck zum Publizieren wenig geeignet ist, Qualität zu unterstützen. Dazu kommen immer mehr ‚Zitierkartelle‘, durch die bestimmte Arbeitsgruppen versuchen, sich im ‚Haifischbecken‘ der internationalen Anerkennung ‚Gehör‘ zu verschaffen. Weiterhin gibt es den rein statistischen Impactfacor im Verein mit ‚wissenschaftspolitisch orientierten‘ Redaktionen). Die Bücher von Wissenschaftlern mit Rang (wie Davies, Duve, Heisenberg, Schrödinger usw.) enthalten in der Regel einen ‚Metatext‘, implizite ‚Kontexte‘, die die vielen Details in einen Zusammenhang stellen, der es allererst erlaubt, die vielen Details zu gewichten. Sie ersetzen die Lektüre aktueller Artikel nicht, aber sie bilden nach meinem Verständnis einen notwendigen Interpretationskontext, ohne den alles eher ‚unkoordiniert‘, ‚wirr‘ erscheint.
  4. Wie so viele andere beginnt Duve sein Buch in der Vorrede mit der bezeichnenden Feststellung, dass er über das Thema nur schreiben kann, indem er seine Fachgrenzen übersteigt. Niemand habe heute mehr das umfassende Wissen das notwendig sei. Dennoch können wir über unsere Stellung im Kosmos nur Klarheit gewinnen, wenn wir den Gesamtzusammenhang in den Blick nehmen. Und das Leben – einschließlich unserer selbst –, das wir verstehen wollen, gehört zum Komplexesten, was das Universum bisher hervorgebracht hat (vgl. S.xiii).
  5. Er beklagt, dass der normale Wissenschaftsbetrieb für solche umfassenden Betrachtungen nicht ausgelegt ist. Das Alltagsgeschäft und die zunehmende Spezialisierung liegen konträr zur Forderung einer integrativen Gesamtsicht (vgl. S.xiii.f).
  6. Am Ende seines Buches ‚Blueprint for a Cell‘ (1991) war er schon zu der Einsicht gekommen, dass das Leben sich ‚obligatorisch‘ aus den Eigenschaften der Materie ergeben haben muss, eine Einsicht, die weitere Fragen mit sich bringt. (vgl. S.xiv)
  7. In all seinen Untersuchungen geht er davon aus, dass die Phänomene des Lebens sich als ‚rein natürlicher Prozess‘ erklären lassen, durch Bezug auf jene empirischen Gesetze, die auch in den anderen naturwissenschaftlichen Gebieten gelten.(vgl. S.xiv)
  8. Ausgestattet mit diesen Prämissen meint Duve in dem Prozess des Kosmos eine Zunahme von ‚Komplexität‘ zu erkennen, die er in sieben Stufen anordnet: Beginnend mit deterministischen chemischen Prozessen (vor ca. 4 Mrd. Jahren), sieht er in den Wechselwirkungen der chemischen Bestandteil ‚Informationen‚ am Werke, die steuernd wirken; es bilden sich komplexe Protozellen als Vorläufer von Zellen; dann Einzelzellen, die sich unterschiedliche Protozellen als Bestandteile einverleiben. In diesen Zusammenhang gehört auch die ‚Erfindung‘ der Photosynthese, die es erlaubt, Sauerstoff abzuspalten und damit zur Bildung einer Sauerstoffatmosphäre führte. Multizelluläre Organismen besiedeln das Land; erst Pflanzen, dann auch Tiere. Die Fortpflanzungstechniken (Sexualität) passen sich den neuen Verhältnissen an. Bei den Pflanzen von Sporen zu Samen zu Blüten zu Früchten. Bei den Tieren von einer Entwicklung im Wasser zu Kopulation, zu Eiern im Wasser, dann auf dem Land, dann im Bauch. Schließlich bilden sich immer komplexere Netzwerke von neuronalen Zellen, die als Gehirn (‚brain‘), die Grundlage für ein neues Phänomen, den Geist (‚mind‘) bilden. Dies führt zu einer extremen Beschleunigung bei der Entwicklung des Menschen. (vgl. S.xvi-xvii)
  9. Für Duve ist es wichtig, festzustellen, dass das Phänomen des Geistes eine natürliche Manifestation der Materie ist, kein ‚Witz‘ (‚joke‘).(vgl.S.xviii)
  10. [ANMERKUNG: Es ist nicht üblich, in einem Vorwort mehodologische Aspekte zu diskutieren. Da wir hier die Thematik aber aus philosophischer Sicht behandeln, soll hier angemerkt werden, dass die primäre Untersuchungsperspektive die der Naturwissenschaften sein soll. Nimmt man dies an, dann fallen zwei Begriffe auf ‚Komplexität‘ und ‚Geist‘.
  11. ‚Komplexität‘ ist ein theoretischer Begriff, der nicht nur einen bestimmten ‚Theorierahmen‘ voraussetzt, sondern dessen Bedeutungsbereich selbst schon theoretische Begriffe sein müssen, die bestimmten theoretischen Anforderungen entsprechen. Es ist im weiteren Verlauf darauf zu achten, wie Duve mit diesem Begriff umgeht.
  12. ‚Geist‘ ist – nach normalem Sprachgebrauch – kein Begriff aus dem Bereich der Naturwissenschaften. Der Begriff ‚Geist‘ hat eine vielschichte ‚Begriffsgeschichte‘. In den meisten Fällen verbindet man den Begriff ‚Geist‘ mit Eigenschaften von ‚Menschen‘, deren ‚Verhalten‘ man ‚Eigenschaften‘ zuschreibt, die man mit ‚Geist‘ verknüpft. Die Verwendungsweise dieses Begriffs ist aber alles andere als klar. Selbst in der modernen Philosophie gibt es hier keine einheitliche Position. Man darf also gespannt sein, wie Duve diesen Begriff in seinem Buch verwenden wird.
  13. Ferner fällt auf, dass Duve die ‚kosmologische Vorgeschichte‘ in seiner Komplexitätshierarchie ausklammert. Diese wird heute in der neueren Astrobiologie sehr intensiv behandelt. Aus diesen Untersuchungen wissen wir, dass die Vorgeschichte ‚wesentlich‘ ist für die Rahmenbedingungen, unter denen Leben auf der Erde entstehen konnte. Man wird also prüfen müssen, inwieweit sich diese Ausklammerung auf die Ausführungen Duves merklich auswirken.]
  14. In der Einleitung wiederholt Duve die These, dass das Phänomen ‚Leben‘ auf der Erde das außergewöhnlichste Ereignis (‚most extraordinary adventure‘) im bekannten Universum ist und er wiederholt, dass man in dieser Geschichte des Lebens eine Reihe von ‚Innovationen‘ erkennen kann, die sich durch einen jeweiligen Anstieg an ‚Komplexität‘ auszeichnen. Und zur Beschreibung all dieser Phänomene genügen die Gesetze der ‚Physik‘ und ‚Chemie‘. (vgl.S.1)
  15. [ANMERKUNG: Neben den schon getätigten Anmerkungen oben sollte man sich im Hinterkopf behalten, dass der Physiker Paul Davies bzgl. der ‚Beschreibungskraft‘ der Physik eher kritisch daher kommt. Natürlich bleibt uns kaum eine Alternative zum Ansatz einer experimentellen Naturwissenschaft, aber es kann sein – was Davies ausdrückt – dass eine bestimmte Disziplin zu einem bestimmten Zeitpunkt selbst noch zu wenig Erkenntnisse verfügbar hat, um ein ‚komplexes‘ Phänomen adäquat beschreiben zu können. Dies sind die interessanten Grenzfälle, die die Chance bieten, vorhandene Schwachstellen in der Erkenntnis zu identifizieren und evtl. zu verbessern. Um solche Schwachstellen zu erkennen, muss man die methodischen Voraussetzungen immer sehr klar auf den Tisch legen und sich ihrer allzeit bewusst sein. Ob ein Chemiker sich der Grenzen der Physik allzeit voll bewusst ist, darf man zunächst einmal methodisch anzweifeln. Von daher ist es gut, die Worte von Paul Davies nicht zu vergessen.]
  16. Duve beginnt mit der weiteren These, dass das Phänomen des Lebens ‚eins‘ sei, da es aus dem gleichen ‚Material‘ bestehe, da es sich nach den gleichen ‚Prinzipien‘ gebildet habe, und da es – nach allen bisherigen Untersuchungen – auf die gleichen gemeinsamen ‚Vorstrukturen‘ zurückverweisen. (vgl. S.1)
  17. Mit ‚Material‘ meint er ‚Proteine‘ und ‚Nukleinsäuren‘ (’nucleic acids‘). Protein sind Sequenzen von – standardmäßig 20 (in Ausnahmen auch 22) verschiedenen — Aminosäuren, so dass man Proteine auch als ‚Worte‘ über dem Alphabet der Aminosäuren bezeichnet. Die vergleichenden Analysen von Proteinen und Nukleinsäuren haben bislang eine so hohe ‚Ähnlichkeit‘ zwischen allen bekannten Lebewesen gezeigt, dass eine rein ‚zufällige‘ Bildung auszuschließen sei, eine Ähnlichkeit, die zudem jeweils auf gemeinsame Vorstufen verweise. Daraus ergibt sich die weitere Frage, wann und wie es zu den ‚ersten‘ Strukturen kam, die wir als ‚Leben‘ bezeichnen?(vgl. S.1f)
  18. [ANMERKUNG: Bezeichnet man das Alphabet der Aminosäuren, die zum Einsatz kommen mit ‚A‘ und gibt man die Anzahl der Elemente des Alphabets an mit 20 (22), dann kann man schreiben |A| = 20 (22). Die Menge aller ‚Worte‘ (= Sequenzen) über dem Alphabet bezeichnet man normalerweise mit ‚A*‘. Ein einzelnes Protein p aus der Menge aller Proteine P ist dann ein Element aus dieser Menge, also ‚p in A*‘ bzw. ‚P subset A*‘. Die tatsächlich vorkommende Menge der Proteine sei ‚P+ subset P‘. Für die Menge aller theoretisch möglichen Proteine P gilt |P| = 20^L (bzw. 22^L) mit ‚L‘ als Länge eines Proteins. Also bei L=2 gibt es theoretisch schon 22^2 = 484 verschiedene Proteine. Bei 22^8 = 54.875.873.536, usw. Umso größer die Zahl der theoretischen Möglichkeiten wird, umso geringer wird die Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Protein, vorzukommen, nämlich ‚1/20^L‘.
  19. Auch sollte man beachten, dass das ‚Material‘ der Proteine und Nukleinsäure nur einen kleinen Ausschnitt aus dem darstellt, was die Physik heute als ‚Materie‘ bezeichnen würde. Der heutige Materiebegriff ist grundsätzlich verschieden von dem Materiebegriff der vorausgehenden Jahrhunderte und allemal der vorausgehenden Jahrtausende. Fast alle philosophischen Aussagen, die irgendwie Bezug nehmen auf den Begriff ‚Geist‘ im Unterschied zu ‚Materie‘ sind aus heutiger Sicht von daher stark ‚wertlos‘ geworden, da sie Voraussetzungen implizieren, die so einfach nicht mehr stimmen. In vielen Diskussionen — insbesondere auch theologischen — wird dies kaum bis garnicht beachtet.
  20. Die Angaben zu den konkreten Details der Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen ‚Lebensmaterialien‘ sind an dieser Stelle noch sehr vage. Man sollte dies im Blick behalten.]
  21. Fragt man sich, wie man über die vorausgehende Geschichte der Lebensformen etwas wissen kann, so verweist Duve auf speziell zwei Quellen: Fossilien, die bis zu 600 Mio Jahren zurückreichen sollen und die genetischen Informationen der lebenden Zellen. (vgl. S.2f) Allerdings gibt es noch spezielle Fossilien von Bakterien und den Zellkörpern von Bakterien, die sich in Ablagerungen bis zu 3.5 Mrd Jahre zurück datieren lassen.(vgl. S.4f)
  22. Im Falle lebender Zellen herrscht die Annahme, dass sich Unterschiede im Laufe der Zeit aufgrund von Mutationen gebildet haben können. Je mehr sich unterschiedliche Codes unterscheiden, um so weiter liegen sie zeitlich (man muss dafür die Veränderungsgeschwindigkeit nach Anzahl von Generationen pro Zeiteinheit ermitteln) auseinander. Nach dieser Logik kann man auf der Zeitachse ‚zurückschauen‘ und die sich immer ähnlicher werdenden Vorfahren (‚ancestors‘) identifizieren. Bei diesem Verfahren muss man nicht das gesamte Genom vergleichen, sondern es hilft oft schon nur ein bestimmte Protein zu nehmen, das eine wichtige Funktion ausübt. (vgl. S.3f)
  23. Bei der Frage nach dem Ursprung des Lebens – auf der Erde oder von außerhalb der Erde – sieht Duve momentan keine überzeugenden Argumente für eine eindeutige Entscheidung in Richtung von ‚außerhalb‘ der Erde. Zumal im letzteren Fall die Frage nach der genauen Entstehung weiter im Dunkel verbliebe. Optiert man für den Entstehungsort Erde, dann bleiben ca. 200 Mio Jahre Zeit für solch einen Prozeß auf einer in dieser Phase eher lebensfeindlichen Erde.(vgl. S.6f) [Anmerkung: Eine Klärung der Frage einer möglichen Entstehung auf der Erde ist ja zugleich auch ein Beitrag zur Grundsatzfrage, wie die erste Zelle entstehen konnte (auch wenn bei einer Entstehung auf einem anderen Planeten durch unterschiedliche Randbedingungen Details im Zellaufbau evtl. anders sein würden)].
  24. Dennoch verbleibt die Frage, ob es wissenschaftlich Sinn macht, die Frage nach der Entstehung des Lebens tatsächlich zu stellen? Was, wenn – wie nicht wenige annehmen – die Entstehung des Lebens auf einer Reihe von absolut zufälligen Ereignissen beruht, die sich als solche nicht reproduzieren lassen? (vgl. S.7f)
  25. Dem hält Duve entgegen, dass die schon heute bekannten molekular-biologischen chemischen Mechanismen von Zellen und deren Bestandteile dermaßen komplex und hochorganisiert sind, dass rein logisch ein rein zufälliges Geschehen ausscheidet. Vielmehr sprechen alle Tatsachen dafür, dass es die Struktur der Materie selbst ist, die gewissen Entwicklungstendenzen als hochwahrscheinlich erscheinen lässt, also in dem Sinne, dass die Materie ‚von Leben geschwängert‘ ist (‚pregnant with life‘). Mit dieser Voraussetzung kann Leben quasi ‚überall‘ entstanden sein und wird auch entstehen, wenn gewissen Bedingungen gegeben sein. (vgl. S.6-7)
  26. Dieses ‚Schwanger sein von Leben‘ ist nicht zu verwechseln mit einem ‚Plan‘, oder einem expliziten ‚Design‘. Es realisiert sich vielmehr schrittweise, über viele Zwischenstationen, in denen zu keinem Zeitpunkt der aktuelle Prozess ‚weiß‘, was noch kommen soll. Der aktuelle Prozess lebt im ‚Augenblick‘ und es passiert nur das, was nach den herrschenden Gesetzen zu diesem Zeitpunkt möglich ist. (vgl. S.9f)

Zur Fortsetzung siehe TEIL 2.

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DIE UNBEGREIFBARKEIT DES MENSCHEN oder DAS GEHIRN ALS SPIEGEL DES UNIVERSUMS (wegen Providerwechsel war dieser Beitrag zeitweise nicht sichtbar)

  1. Wenn man sich aufmacht in die Welt der neuen Erkenntnisse zum Universum und zum Leben, dann ist man sehr bald an einem Punkt, wo die Maschinerie des Alltags ‘bizarr’ wirkt, ‘unwirklich’, wie ein Marionettentheater von ‘Wahnsinnigen’, die sich über Dinge aufregen, die dermaßen lachhaft erscheinen, dass man nicht begreifen kann, wie solch ein Verhalten möglich ist.
  2. Aber, falsche Überheblichkeit ist fehl am Platze. Wo immer wir uns als ‘Beobachter’ wähnen stecken wir zu 100% leibhaftig genau mittendrin in diesem so ‘lächerlich erscheinendem’ Spiel. Was immer wir ‘tief in uns drinnen’ zu fühlen und zu denken meinen, so wahr es uns erscheint, so bedeutsam, gegenüber der ‘Welt da draußen’, der Welt, die wir ‘real’ nennen, so wenig wird das ‘Innere’ ‘wirksam’, ‘gestalterisch mächtig’, ‘verändernd’, solange wir keinen Weg finden, unser ‘Inneres’ mit dem ‘Äußeren’ zu ‘versöhnen’.
  3. Von daher erscheint es oft einfacher, erst gar keine Erkenntnisse zu haben. Man gerät nicht in ‘Spannung’, man spürt keine ‘Differenzen’, man sieht keine Anhaltspunkte, wo man etwas tun sollte….Das Bild von den ‘glücklichen Kühen’… Doch ist auch dies – vermute ich – eine grobe Vereinfachung. Eher scheint es so zu sein, dass alle Lebensformen, selbst die einfachsten, im ‘Medium ihrer inneren Zustände’ Äquivalente von ‘Erleben’ und ‘Leiden’ haben, die wegzudiskutieren bequem ist, aber diesen Zuständen womöglich nicht gerecht wird.
  4. Wenn man aber irgendwelche Erkenntnisse hat – und die haben wir alle, wenngleich unterschiedlich –, dann führen diese unweigerlich zu ‘Spannungen’ zu dem Bisherigen. Wie geht man damit um? Empfindet man sie als ’störend’ und ‘bedrückend’, dann wird man unzufrieden, krank,…. Empfindet man sie als ‘anregend’, ‘belebend’, ‘inspirierend’, dann fühlt man sich gut….
  5. Natürlich macht es einen Unterschied, ob neue Erkenntnisse sich eher in ‘Übereinstimmung’ mit der aktuellen Situation befinden oder eher im ‘Gegensatz’. Im letzteren Fall deuten sich Konflikte an, mögliche Änderungen des Status Quo. Sind die Menschen in der Umgebung aufgeschlossen, neugierig, unternehmungslustig, ist dies kein Problem. Herrscht dagegen ‘Bewahrung’ vor, ‘Festhalten’, Angst vor Veränderung, dann können neue Erkenntnisse zum Problem werden.
  6. Die Geschichte zeigt, dass das Neue, sofern es wirtschaftliche und politische Vorteile zu bringen scheint, eher eine Chance hat, als wenn es liebgewordene Anschauungen in Religion, Politik usw. so in Frage stellt, dass herrschende Vorteilsverhältnisse gefährdet werden (eine Glühbirne, die 100 Jahre hält, will keiner; ein Medikament, das Ursachen beseitigt anstatt Leiden zu mildern, will auch keiner; usw.).
  7. Zurück zu den neuen Erkenntnissen über das Universum und das Leben. Zurück zu unserer Welt, die in ihren konkreten Abläufen so ‘verrückt’ erscheinen kann. Was machen wir dann, wenn wir uns in dieser permanenten Spannung zwischen ‘gedanklich anderer Welt’ und ‘faktisch vorfindlicher So-Welt’ vorfinden? Müssen wir verzweifeln?
  8. Wenn man sich anschaut, wie mühsam dasjenige, was wir von heute aus als ‘Leben’ erkennen können, sich aus dem Raum der Atome und Moleküle der jungen Erde im Laufe von mehr als 3.5 Mrd Jahre herausexperimentiert hat, mit unendlichem Aufwand, unter permanentem Leiden, immer im Totalverlust (Tod) endend, dann erscheint zumindest die aktuelle Situation als ein solch unglaublicher und – vergleichsweise – ‘paradiesischer’ Zustand, dass ein – wie auch immer geartetes – Lamentieren geradezu als ’schäbig’ erscheinen mag .
  9. Andererseits, wir sind – nach allem, was wir wissen – die erste Art von Lebewesen, die ein ‘Gehirn’ besitzen, das uns in die Lage versetzt, nicht nur auf primitive Weise wahrgenommene Reize (Stimuli = S) direkt und ‘festverdrahtet’ (’reaktiv’, ‘Instinktiv’) in fixierte Antworten (Reaktionen = R) zu übersetzen, sondern wir können weit mehr. Unser Gehirn kann z.B. Ereignisse verallgemeinern, in Beziehung zu anderem setzen, kann erinnern, kann relativ zu Körperzuständen ‘bewerten’, kann ‘komplexe Modelle’ von Situationen und deren mögliche Veränderungen ‘denken’…Mit anderen Worten, unser Gehirn versetzt uns in die Lage ‘in’ unserem Körper die Welt ‘da draußen’ ‘nachzubauen’, sie ‘intern zu simulieren’ und in ‘Gedankenexperimenten’ alternative ‘mögliche Welten’ zu ‘denken’. In diesem Kontext können wir auch ein ‘Modell von uns selbst’ und ‘den Anderen’ konstruieren. Es sind diese ’selbstgemachten Bilder’ in unserem Gehirn die wir für ‘real’ halten, nicht die Welt selbst; die kennt unser Gehirn gar nicht.
  10. D.h. – soweit wir wissen — passiert heute, ca. 14,7 Mrd. Jahre nach dem sogenannten ‘Big Bang’, etwas, was innerhalb des bekannten Universums ungeheuerlich ist: im Medium der biologischen Gehirne ’schaut sich das Universum selbst an’ (wobei diese Gehirne ein ‘Produkt’ dieses Universums sind als Teil des Phänomens ‘Leben’!). D.h. das Universum schafft sich gleichsam einen ‘Spiegel’, in dem es sich selbst anschauen kann. Mehr noch, über das ‘Spiegeln’ hinaus ist ein Gehirn (und noch mehr ein ‘Verbund von Gehirnen’) in der Lage, Veränderungen ‘einzuleiten’ auf der Basis der ‘Spiegelungen’. Dies führt zum Paradox, dass das Universum einerseits im Lichte der bekannten physikalischen Gesetze eine ‘bestimmte Entwicklung’ zu nehmen scheint, während es im Medium der Gehirne ’sich selbst in Frage stellen kann’. Welch ein wahnwitziger Gedanke (allerdings bilden wir individuelle Menschen uns bislang eher ein, wir seien die Meister des Universums… eine putzige Vorstellung…).
  11. Aus Sicht des einzelnen Menschen mag dies ‘unwirklich’ erscheinen, ‘artifiziell’, aber im Gesamtkontext des Lebens im Universum ist dies ein absolut herausragendes Ereignis. Während die ‘Materiewerdung’ mit den anschließenden Ausprägungen als stellare Wolken, Sterne, Galaxien sich einigermaßen mit den Gesetzen der Physik beschreiben lassen, entzieht sich die Entstehung des Lebens als Opponentin zur Entropie und durch den ‘inneren Trend’ zur Steigerung der Komplexität bislang allen physikalischen Erklärungsversuchen. Ein Teil der Komplexität ist auch die Zunahme der Kommunikation, die zu einer Koordinierung von Gehirnen, deren ‘gedanklichen Räumen’ führt.
  12. Das Erleben von ‘mehr’ Erkenntnis und einer damit einhergehenden ‘Unruhe’, ‘Spannung’ ist also kein ‘Zufall’, keine ‘Panne’, keine ‘Störung’ sondern gehört wesentlich zum Phänomen des Lebens hinzu. Indem das Leben sich alle frei verfügbare Energien in seiner Umgebung immer mehr ‘einverleibt’ und damit Strukturen schafft, die dies immer besser können, also immer mehr Energie ‘einsammeln’ können, stellt sich die Frage, wozu das Ganze?
  13. Nach gängiger Meinung ist der ‘Big Bang’ dadurch charakterisiert, dass Energie sich in einer Weise in Materie verwandelt hat, dass daraus eben das heute bekannte Universum ‘hervorgehen’ konnte. Sterne und Galaxien sind eine Form der Zusammenballung dieser Materie (durch Gravitation, aber nicht nur (schwarze Materie?)); das uns bekannte ‘Leben’ ist auch eine Zusammenballung von Energie, aber anders. Was verstehen wir noch nicht?
  14. Die klassischen Religionen, so hilfreich sie in er Vergangenheit partiell vielleicht waren, in der heutigen Situation erscheinen sie mir wenig hilfreich, eher hinderlich. Sie verstellen den Blick und können das Herz verdunkeln. Damit will ich nicht sagen, dass auch die Gottesfrage obsolet sei. Wenn es überhaupt so etwas wie ‘Gott’ gibt, so sind wie ihm näher als je zuvor.
  15. Nur sollten wir die ‘Wahrheit’ der Erkenntnis nicht verwechseln mit dem ‘Erkenntniswunsch’. Die Bücher der alten Philosophen (alt kann bis gestern gehen..-:)) sind voll von Pseudorationalismen: man analysiert wie ein Weltmeister um letztlich dann doch nur sein eigenes Vorurteil zu rechtfertigen. Niemand ist davor gefeit; auch ich nicht.
  16. Alle bekannten Positionen muss man immer und immer wieder in Frage stellen, muss sie versuchsweise zerstören. Die ‘wahre Wahrheit’ ist das, was sich nicht zerstören lässt, sie ist das, was vor all unserem individuellen Denken schon immer da war (was nicht heißt, dass sie ‘ewig’ sein muss). Vor der Wahrheit brauchen wir daher keine Angst haben, nur vor uns selbst, vor uns Menschen, die wir unsere individuellen Unwahrheiten schützen und retten wollen, weil wir uns nicht vorstellen können, dass die wahre Wahrheit schlicht und einfach größer ist. Wir klammern uns an das bischen Leben, was wir individuell haben ohne lange zu begreifen, dass dieses ‘Bischen’ nur da ist, weil es ein größeres Ganzes gibt, durch das wir überhaupt geworden sind und in dem alles andere nur weiterlebt.
  17. Was bleibt also: viel Geduld ist notwendig und die Kunst, immer wieder sterben zu können um zu lernen, dass das Leben erst dort anfängt, wo wir oft glauben, dass es zu Ende sei. Freiwillig schaffen dies die wenigsten. Leicht ist es nicht. Transzendenz in Immanenz.
  18. Eigentlich wollte ich über etwas ganz anderes schreiben, aber so kommt es manchmal.

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DIE ANDERE DIFFERENZ (im Gespräch über das, was ein ‘glücklicher Zustand’ sein soll)

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

Datum: 2.März 2012

(1) Im Nachklang zu meinem letzten Blogeintrag und in Erinnerung an ein Gespräch, das ich gestern mit einem lieben Freund hatte (und davor mit einem meiner Studenten), trat nochmals die Frage in den Mittelpunkt, was denn das Besondere am Leben sei. Als einzelne(r) erlebt man das Leben aus der individuellen Perspektive und aus dieser Perspektive eröffnen sich zahllose Paradoxien (Widersprüche): z.B. stehen die Endlichkeit des Körpers und der individuellen Lebenszeit in einem scheinbar unauflösbaren Widerspruch zum persönlichen Wunsch nach einem glücklichen, unbeschwerten Leben. Denn, der Körper ist nicht nur endlich, sondern auch geschwängert mit zahllosen Bedürfnissen, Trieben, Emotionen und Gefühlen, die auf vielfältige Weise Spannungen in das Lebensgefühl hineintragen, Unruhen, Unzufriedenheiten, Ängste und dergleichen mehr. Dazu kommt für die überwiegende Anzahl der Menschen die tägliche Notwendigkeit, Zeit und Energie aufwenden zu müssen – man nennt es ‚Arbeiten‘ –, um den ‚Lebensunterhalt‘ zu sichern. Für die allerwenigsten ist diese Arbeit das, was sie tun würden, wenn sie nicht diesem ‚Zwang‘ unterliegen würden; für die meisten erscheint die Arbeit als ‚Last‘, und für nicht wenig ist sie eher ‚Hölle‘ denn ‚Himmel‘. Die täglichen Qualen, die hier sehr viele Menschen erleiden müssen, würden, könnte man sie hörbar machen, eine ‚Musik des Grauens‘ entstehen lassen, die den wenigen, die sich – aus welchen Gründen auch immer –, dieser täglichen Hölle entziehen können, das Leben unerträglich machen, wobei es sicherlich mehr ‚Höllen‘ in diesem Sinne gibt, als der äußere Anschein auf den ersten Blick an Eindruck erweckt. Denn die Endlichkeit, in der wir uns als individuelle Menschen vorfinden ist in sich eine Struktur, der niemand entfliehen kann. Das ‚Hineingeworfensein‘ in das tägliche Leben hat eine Uerbittlichkeit, die letztlich über allem und jedem steht, sie ist Teil unseres Vorkommens in dieser Welt, Teil unseres Erlebens und Fühlens, Teil unseres Denkens, unentrinnbar, wesentlich, selbst im Versuch des ‚Nicht-Denkens‘ verbleibt eine grundlegende ‚Differenz‘ ähnlich wie der kosmischen Hintergrundstrahlung, die noch 13.2 Mrd Jahre nach dem ‚BigBang‘ Kunde gibt, von diesem Anfangsereignis.

(2) Beschreibungen von ‚Glück‘ und ‚Zufriedenheit‘ orientieren sich oft an der gewünschten ‚Abwesenheit‘ der täglichen Spannungen, Abwesenheit von ‚Müssen‘, Abwesenheit von ‚Unruhen‘ oder, konkreter, durch Erfüllung konkreter Bedürfnisse und Triebe wie ‚viel Geld‘, ‚viel Macht‘, ’sexuelle Befriedigung‘, ‚tolles Essen‘, ‚eigenes Haus mit Garten‘, usw. Alle solchen ‚konkreten‘ Erfüllungswünsche tragen den Samen zu neuer Unzufriedenheit, den Samen zu neuen Spannungen schon in sich, bevor sie überhaupt so richtig ‚das Licht dieser Welt‘ erblickt haben. Es sind Wechselpositionen, bei denen man eine Unzufriedenheit gegen eine andere (neue) eintauscht. Hier sind wir alle gern und leicht ‚Wiederholungstäter‘; wir sind unzufrieden mit dem ‚Bisherigen‘, trennen uns, weil wir die Unzufriedenheit loswerden wollen, und schon sind wir im scheinbar ‚Neuen‘ genau wieder da, wo wir eigentlich herkommen: weil wir nicht wirklich etwas Neues kennen oder suchen landen wir immer wieder bei dem, was uns vertraut ist, selbst im Muster der ‚Flucht‘.

(3) Ähnlich der klassischen bewusstseinsorientierten Philosophie, in der alle – auch noch so großen – Gedanken im engen Raum des bewussten Erlebens wie Atome an die Wände eines Behälters prallen und so auf engem Raum verharren, und den Anschein von Aporien (Widersprüchen) entstehen lassen, so unterliegt unser subjektives Erleben der permanenten Gefahr, seine eigentümliche Kraft in einer Art dauerhaften ‚psychischen Selbstverbrennung‘ zu verzehren, anstatt zu erleben, dass es weit über sich selbst hinausweisen kann, dass es sehr wohl individuelle Schranken überwinden kann, dass es nicht nur dem Anschein nach, sondern ‚wirklich‘, ‚real‘ ‚grenzenlos‘ sein kann.

(4) Dies kann man aber nur erkennen, wenn man den Blick über den Augenblick hinaus ausweitet und sich der Zusammenhänge bewusst wird, die alle wirksam sind dafür, dass man selbst in dem jeweiligen Augenblick ‚da ist‘, und zwar ’so‘ da ist, wie man sich gerade vorfindet. Denn, schon der eigene Körper, in den man sich so leicht verlieben kann, ist so da, ohne dass man selbst irgend etwas dafür getan hätte; natürlich, die Ernährung dieses Körpers, die tägliche Bewegung oder Nicht-Bewegung können diese Körper beeinflussen, können ihn ‚dick‘ oder ‚dünn‘ machen, können ihn ‚verschleißen‘ und dergleichen mehr, aber dies sind nur Modulationen eines Grundthemas, das als solches uns vorgegeben ist. Grundsätzlich finden wir uns vor mit unserem Körper, mit den Eigenschaften dieses Körpers; wir finden uns vor mit anderen Menschen, die wir uns nicht ausgesucht haben, wir finden uns vor in Gebäuden, Strassen, Infrastrukturen, die wir selbst nicht gemacht haben, wir finden uns vor mit Pflanzen und Tieren, die wir nicht gemacht haben, mit einer Atmosphäre, einer Erde, usw. Strenggenommen gibt es nahezu nichts von Bedeutung, was wir selbst dazu beigetragen haben, dass das Leben ist, wie wir es vorfinden. Merkwürdigerweise scheint es es nur wenige Menschen zu geben, denen diese Grundtatsache bewusst ist. Nicht wenige zeigen ein Selbstgefühl im Sinne eines ‚Grundanspruchs auf alles‘, ‚Hier bin ich, seht doch, ich habe ein Anspruch auf…‘. Dabei sind Alle ‚Gewordene‘, ungefragt; alle sind Teil eines größeren Prozesses, der nicht nur Orte und Regionen umfasst, sondern die ganze Erde, unser Sonnensystem, unsere Milchstraße, ja sogar das gesamte Universum: wer sich dieser Perspektive verschließt, wird vermutlich niemals verstehen, verstehen können, wer er ist, was das Ganze soll. Es kann keine ‚partielle‘ Wahrheit geben; dies ist ein Widerspruch in sich.

(5) Was ist ein ‚wirklich glücklicher Zustand‘? Wir Menschen haben unzählige Bilder entwickelt von dem, was wir als ’schön‘ und ‚gut‘ empfinden wollen, unzählige (Texte, Musik, Mode, Rezepte, Bauten, soziale Gebilde, Verhaltensweisen,….), aber, was auch immer es war oder ist, im Moment des Geschehens ist klar, dass das nicht ‚voll wirklich‘ sein kann, weil es einen nächsten Moment gibt, noch einen, und noch einen und dann verfällt entweder das mühsame zubereitete Gebilde oder das Erlebnis ist vergangen, wird zur Erinnerung, oder wir selbst haben uns verändert, verändern uns beständig weiter, und noch so viele ‚Verdrängungsmassnahmen‘ können auf Dauer unser Altern und Sterben nicht verhindern, und was ist ’schön‘ und ‚wahr‘ im Moment des Sterbens?

(6) Was also ist ein ‚wahrhaft glücklicher Zustand‘? Die Logik hat uns gelehrt, dass wir nur Dinge als ‚logisch wahr‘ beweisen können, die in den akzeptierten Voraussetzungen potentiell enthalten sind. Angewandt auf unsere Fragestellungen würde dies bedeuten, dass wir nur dann ein ‚umfassendes‘ Glück finden können, wenn unsere jeweiligen Voraussetzungen solch ein umfassendes Glück prinzipiell zulassen könnten.

(7) Erinnert man sich nun, dass das biologische Leben seinen Ausgangspunkt bei der Tatsache nimmt, dass sich in einem Universum, in dem das Gesetz der Entropie gilt (salopp: Ausgleich aller Unterschiede auf Dauer) — in einer bestimmten Region dieses Universums (ob woanders als auf der Erde auch, wissen wir noch nicht; ist aber nicht auszuschließen) durch Verbrauch von Energie lokale Unterschiede gebildet haben, die die Eigenschaft besitzen, als ‚Signale für Ereignisse‘ fungieren zu können, und – mehr noch –, die nicht nur die außergewöhnliche Eigenschaft besitzen, sich ‚kopieren‘ zu können, sondern darüber hinaus auch noch, sich zu ‚immer komplexeren Differenzmustern‘ anreichern zu können, für deren ‚Ausdehnung‘ es keine ‚Grenze‘ zu geben scheint. Diese Differenzmustern verbrauchen immer mehr Energie aus der Umgebung, sind aber in der Lage, ihre ‚Signaleigenschaften‘ dahingehend ‚organisieren‘ zu können, dass Sie unterschiedliche ‚Signalebenen‘ generieren, die sich ‚wechselseitig repräsentieren‘ können. Dadurch besteht die Möglichkeit, dass ‚Ereignisprofile der Umgebung‘ als energetische Muster in die internen Signalstrukturen ‚abgebildet‘ und dort weiter ‚verarbeitet‘ werden können. Auf diese Weise hat das Universum eine Möglichkeit geschaffen, in Form ’selbstorganisierender Differenzstrukturen‘ energetisch bedingte Eigenschaften des Universums in Form von ‚Signalmodellen‘ zu ‚reformulieren‘ und damit ‚explizit‘ zu machen. Durch das Aufspannen von ‚Signalebenen‘ ist auch das entstanden, was wir ‚Bewusstsein‘ nennen. D.h. die sich selbst organisierenden und expandierenden Differenzmuster des ‚Lebens‘ können ‚in sich‘ die Struktur des Universums (einschließlich ihrer selbst) ‚wiederholen‘ und in steigendem Umfang auf diese zurückwirken. Grundsätzlich ist nicht ausgeschlossen, dass das Prinzip der vielschichtigen Differenzmuster nicht nur die wesentlichen Wirkprinzipien des Universums entschlüsselt (und dabei zu einem ‚zweiten‘ Universum, zur ’symbolischen Form‘ des Universums wird), sondern letztlich das gesamte Universum ‚mittels seiner eigenen Prinzipien‘ ‚verändert. In dem Masse, wie dies geschieht, kann das ‚erreichbare Glück‘ für solch eine Differenzstruktur ’sehr weit‘ anwachsen.

(8) Natürlich wird hier auch klar, dass es nicht die einzelne, isolierte Differenzstruktur ist, auf die es ankommt (wenngleich es ohne jede einzelne Struktur auch kein Ganzes geben kann), sondern die Gesamtheit, die nur solange eine ‚Gesamtheit‘ ist, solange es ihr gelingt, sich untereinander durch ‚Kommunikation‘ und entsprechende ‚Verarbeitung‘ zu ‚koordinieren‘. ‚Isolierte‘ hochentwickelte Differenzstrukturen haben keine Überlebenschance auf Dauer; sie vergehen, ohne möglicherweise eine ‚Wirkung‘ entfaltet zu haben. Überleben können nur solche ‚Verbände‘ von Differenzstrukturen, die einen ‚hinreichenden‘ Zusammenhang, sprich eine hinreichende ‚Koordinierung‘ haben. Dies kann bis zu einem gewissen Grad durch ‚Zwang‘ geschehen, aber auf Dauer ist ‚Zwang‘ ‚unproduktiv‘. Ein ‚Optimum‘ liegt nur vor, wenn jede einzelne Differenzstruktur ihr ‚Maximum‘ erreichen kann und diese individuellen Maxima durch ‚Kommunikation‘ miteinander im permanenten ‚Austausch‘ bestehen. Historisch beobachten wir momentan, dass die Kommunkationstechnologie zwar das Ausmaß des Austausches dramatisch erhöhen konnte, dass aber die individuellen Verarbeitungskapazitäten der einzelnen Differenzmuster quasi konstant auf einem bestimmten Niveau verharrt (daneben gibt es  kulturell und machtpolitisch errichtete Barrieren des Austausches und des ungehinderten Denkens, die erheblich sind). Dieser ‚Bottleneck‘ ist eine ernsthafte Gefahr. Es steht den Differenzmustern allerdings frei, ihre Denkpotential zu nutzen, um den ‚eigenen Bottleneck‘ durch geeignete Maßnahmen zu beheben (Denktechnologie in Verbindung mit Gentechnik, d.h. Beschleunigung der Evolution dadurch, dass die Evolution eine ihrer größten Errungenschaften, die Denkmöglichkeiten des homo sapiens, dazu benutzt, ihren Konstruktionsprozess zu beschleunigen. Viele aktuell gehandelte sogenannte ‚Ethiken‘ (salopp: Regeln des richtigen Verhaltens) sind hoffnungslos falsch und damit für das Überleben des Lebens (nicht nur auf der Erde) gefährlich).

Natürlich ist das Thema damit nicht erschöpft. Unser Schicksal ist es, ein großes Ganzes immer nur in Splittern und Bruchstücken denken zu können; viele Splitter können ‚Umrisse‘ ergeben, Umrisse …. usw.

 

 

Eine direkte Fortsetzung zum Thema findet sich hier.

 

 

Eine Übersicht über alle bisherigen Blogeinträge findet sich hier.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Philosophie Jetzt: Veranstaltung am 2.Okt.2011

Hier eine Ankündigung in eigener Sache:

Am 2.Okt.2011 beginne ich mit einer ersten Veranstaltung im Rahmen des Projektes ‚Philosophie Jetzt‘ mit dem aktuellen Titel ‚Unterwegs Wohin?‘

Grundidee ist, die Diskussion aus dem Blog auch in der Öffentlichkeit zu führen und damit  das Umdenken vieler gewohnter Alltagsbegriffe weiter zu unterstützen. Die Veranstaltung findet im

Bistro des Restautant ‚Schnittlik‘ statt

61137 Schöneck

Platz der Republik 2

16:00 – 19:00h

Gedacht ist an einer lockeren Form  von Vortrag, Gespräch, aufgelockert mit eigener experimenteller Musik. Denkbar, dass in Zukunft auch andere aktiv mitwirken durch Texte und Musik. Dies ist jedenfalls ein Anfang. Philosophie ist für uns alle wichtig, nicht nur für ‚Hinterstubendenker’……

Herzliche Grüße,

cagent

PS:  Es deutet alles darauf hin, dass es mir zum ersten Mal gelingt, einen Zusammenhang von ‚Urknall‘ über kosmische Evolution, biologische Evolution 1, biologische Evolution 2 (=Kultur, Technologie) bis hin zu Grundstrukturen von Wissen, Lernen und Werten zu zeichnen. Hätte dies nie für möglich gehalten. Im Nachhinein erscheint es so einfach und man versteht gar nicht, warum man sich nahezu 63 Jahre quälen muss, bis man dahin kommt (kleiner Trost. den anderen geht es auch nicht besser…). Die neue Perspektive hat allerdings etwas ‚Berauschendes‘; die philosophisch-theologischen Kategorien der Vergangenheit wirken da wie ein ’schlechter Traum‘. Andererseits war dies irgendwie als ‚Durchgangsphase‘ unumgänglich. Erkennen funktioniert nur über Blindversuch, Fehler, Korrektur, neuer Versuch… irgendwann hat man dann das Gefühl, jetzt scheint es ‚besser‘ zu sein…bis zur nächsten ‚Verbesserung’…Ohne diese gelegentlichen Blog-Einträge — so einfach und erratisch sie auch im einzelnen sein mögen — wäre dies nie passiert….

PS2: Ja, die Veranstaltung hat stattgefunden. Trotz strahlendem Sommerwetter war der Raum gefüllt und die drei Stunden erwiesen sich als viel zu kurz….Das ruft nach mehr….

Zusammenfassung des Vortrags

 

(1) Der Vortrag wählte als Ausgangspunkt die Position des Dualismus, der fast 2000 Jahre die europäische Philosophie — und auch das übrige Denken — geprägt hatte und selbst heute noch in vielen Kreisen präsent ist: die Gegenübersetzung von Geist und Materie.

 

(2) Es wurde dann in mehreren Schritten gezeigt, wie diese Gegenübersetzung im Lichte des heutigen Wissens nicht nur ‚in sich zusammenfällt‘ sondern mehr noch, einen völlig neuen Denkansatz ermöglicht.

 

(3) Über die Stationen Erde – Sonnensystem – Milchstraße – Universum wurde nicht nur deutlich, dass wir in einer der wenigen ‚bewohnbaren‘ (habitablen) Zonen leben, sondern dass alle bekannte ‚Materie‘ letztlich nichts anderes ist als eine ‚Zustandsform von Energie‘.

 

(4) Anhand der unterschiedlichen komplexen Strukturen wie subatomar Quanten, Atome, Moleküle wurde deutlich, wie es eine Brücke gibt von der Energie zu den kleinsten Bauelementen biologischer Lebensformen im Rahmen der chemischen Evolution. Zwar sind hier bis heute noch nicht alle Abläufe vollständig aufgeklärt, aber der Weg vom Molekül zur Zelle ist zumindest prinzipiell nachvollziehbar.

 

(5) Es wurden grob jene Prozess skizziert, die bei der Selbstreproduktion involviert sind (DNA, mRNA, tRNA, Ribosomenkomplexe….). Sämtliche Prozesse dieser chemischen Informationsmaschinerie basieren ausschließlich auf Molekülen.

 

(6) Die biologische Evolution von den ersten Zellen bis zum homo sapiens wurde stark verkürzend skizziert. Die Rolle des Gehirns in der Steuerung, für das Verhalten, für die Sprache. Die mittlerweile allgemein akzeptierte Out-of-Africa Hypothese, die Abstammung aller heute lebenden Menschen von einer Gruppe von homo sapiens Menschen, die von Ostafrika aus vor ca. -70.000 über Arabien, Persien, Indien Australien bevölkerten, Asien und ab ca. -45000 Europa. Später auch Nord- und Südamerika.

 

(7) Es wurde kurz erklärt wie der ‚Wissensmechanismus‘ hinter der biologischen Evolution funktioniert, die — obgleich vollständig ‚blind‘ — innerhalb von ca. 3.7 Mrd. Jahren hochkomplexe Organismen hervorgebracht hat. Die ‚Logik‘ dahinter ist ein gigantischer Suchprozess über die möglichen ökologischen Nischen, deren Feedbackmechanismus ausschließlich im Modus des ‚Überlebens‘ gegeben war. Das konnte nur funktionieren, weil beständig Milliarden von ‚Experimenten‘ gleichzeitig ausgeführt wurden. Evolution heißt ‚aktiv mit dem Unbekannten spielen‘ mit dem Risiko, unter zu gehen; aber dieses Risiko war — und ist — die einzige ‚Versicherung‘, letztlich doch zu überleben.

 

(8) Es wurde dann die Besonderheit des Gehirns erläutert, warum und wie Gehirnzellen in der Lage sind, Signale zu verarbeiten. Es wurden die chemischen Prozesse geschildert, die diesen Prozessen zugrunde liegen und dann, wie sich diese komplexen chemischen Prozesse heute technisch viel einfacher realisieren lassen. Es wurde ferner erklärt, warum ein Computer das Verhalten eines Gehirns simulieren kann. Zugleich wurde aber auch deutlich gemacht, dass die Simulation mittels eines Computers keine vollständige Berechenbarkeit impliziert, im Gegenteil, wir wissen, dass ein Gehirn — real oder simuliert — grundsätzlich nicht entscheidbar ist (Goedel, Turing).

 

(9) Es wurde weiter erläutert, wie sich die Informationsverarbeitung eines Gehirns von der DNA-basierten Informationstechnologie unterscheidet. Neben Details wie Gedächtnisstrukturen, Bewusstsein – Unbewusstsein, Sprache, Abstraktionen, Planen, usw. wurde deutlich gemacht, dass die Informationseinheiten eines Gehirns (Meme) permanent durch das Verhalten eines Organismus modifiziert werden können. Im Zusammenwirken von Gehirn und Sprache ist das biologische Leben nun im Stande, komplexe Modelle des Lebens versuchsweise zu entwickeln, die in Verbindung mit Genetik den Entwicklungsprozess biologischer Strukturen extrem beschleunigen könnten. Mit Blick auf die drohenden Faktoren der Lebenszerstörung wie Sonnenerwärmung, Zusammenstoß mit der Galaxie Andromeda in ca. 2-4 Mrd Jahren — um nur einige Faktoren zu nennen — kann diese Beschleunigung des Entwicklungsprozesses von Leben von Interesse sein.

 

(10) Hier endete die Sitzung mit dem vielfachen Wunsch, den Diskurs fort zu setzen, speziell mit Blick auf die sich neu stellenden ethischen und praktischen Lebensfragen.

Jenseits des Wärmetods?

  1. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass bei unklaren Fragestellungen der Rückgang auf die ‚Klassiker‘ zu Klarheiten verhilft, die die neue und neueste Literatur nicht bieten kann. Die neuere Fachliteratur ist oft schon so fortgeschritten im Detailwissen, dass man sich als ‚Neuling‘ sehr schwer tut, zu verstehen, warum all dieser Aufwand getrieben wird. In den letzten Monaten war es z.B. die Lektüre von Schrödingers ‚What is Life‘ oder Heisenbergs ‚Physics and Philosophy‘ gewesen, die wertvolle Einsichten vermittelt hatten.

  2. Nach einiger Mühe ist es mir gelungen, die ‚Populären Schriften‘ von Ludwig Boltzmann (publiziert 1905) zu bekommen. Allein schon die ersten Beiträge waren sehr erhellend. Wunderbar finde ich seinen Vortrag ‚Der zweite Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie‘, den er 1886 in einer feierlichen Sitzung vor der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften vorgetragen hatte. Zu sehr vielen grundlegenden Fragestellungen, die uns noch heute bewegen, erhellt er Grundlegendes; dies aber auf einer Weise formuliert, die von großer Klarheit und Verständlichkeit ist.

  3. Er nimmt sich in diesem Vortrag sogar etwas Zeit, um die besondere Rolle der Naturforschung gegenüber allgemeiner Philosophie und Alltagswissen zu verdeutlichen. Mit Anspielung auf Herbarth lokalisiert er die Rolle des Bewusstsein zwar an der Quelle unseres Weltzuganges (im Sinne dass wir ‚Empfindungen‘ haben), aber der primäre Inhalt dieses Bewusstseins kann uns aus sich heraus nichts darüber sagen, wie sich diese Inhalte zusammensetzen, wie sie entstehen (vgl. S.48f). Und, wie wir heute wissen, sind diese Bewusstseinsinhalte komplexe Produktionen unseres Gehirns, u.a. auf der Basis sensorischer Daten, die sich aus den energetischen Ereignissen der Umwelt speisen. Die Naturforschung kann — und muss wohl — die bewusste Wahrnehmung als Ausgangspunkt nehmen, beginnt ihre eigentliche Arbeit aber dort, wo sie versucht mittels ‚Hypothesen‘ und ‚Messungen‘ hinter diese Phänomene zu schauen.

  4. Eine dieser — mittlerweile komplexen — Hypothesen ist die von der ‚atomistischen‘ Struktur der Materie, aus der sich dann die weitere Hypothese der mechanischen Wärmelehre herleitet, dass nämlich die ‚Elemente der Körperwelt‘ beständig in ‚reger Bewegung begriffen sind‘ (S.32) Hierher gehört der von Robert Mayer begründete erste Hauptsatz von der Erhaltung der Energie, wobei Energie nach Mayer in den drei Formen ’sichtbare Bewegung‘, ‚Wärme‘ oder ‚Arbeit‘ auftreten kann. Währen die Gesamtmenge der Energie in einem geschlossenen System bei Umwandlung einer Energieform in die andere unverändert bleiben soll, so sagt der zweite Hauptsatz, dass zwar Bewegung und Arbeit bedingungslos ineinander und in Wärme übergehen können, Wärme kann aber höchstens partiell in Bewegung oder Arbeit zurückverwandelt werden (vgl. S.33). In dieser Eigenschaft erscheint Wärme ‚dissipativ‘, als ‚degradierte‘ Energie (Unter Verwendung des von Clausius eingeführten Begriffs der ‚Entropie‘ kann man auch sagen, dass mit Zunahme der Degradation nicht nur die Wahrscheinlichkeit des Zustandes zunimmt, sondern auch seine Entropie (vgl. S.37)). Der zweite Hauptsatz induziert damit eine Art Richtung im Prozess, der schlussendlich zu einer völligen Degradierung von Energie führt oder — in der bekannten Formulierung — zum ‚Wärmetod des Universums‘ (vgl. S.33). Letzterer Schluss gilt aber nur, solange die Annahme eines geschlossenen Systems gilt (vgl. S.48).

  5. Das Prinzip hinter dem Prinzip des 1. und 2. Hauptsatzes ist, dass sich Energie grundsätzlich vom unwahrscheinlicheren Zustand in den wahrscheinlicheren Zustand verändert. So ist die höhere Energiekonzentration in der Sonne im Vergleich zur Erde ‚unwahrscheinlicher‘. Auf dem Weg der ‚Degradation‘ gelangt Energie von der Sonne zur Erde und kann auf diesem Weg und auf der Erde unterschiedliche Zwischenzustände durchlaufen, bis sie als Wärme ‚verschwindet‘. Es sind die Pflanzen, die diesen Energiefluss aufgreifen und ihn mittels chemischer Prozesse in solche Energieformen verwandeln, die anderen biologischen Lebensformen als ‚Nahrung‘ dienen können, bevor der Zustand höherer Entropie weiter angenähert wird (vgl. S.40).

  6. Boltzmann wagt einige Spekulationen zur möglichen ‚Erklärung‘ der Lebensformen, des erfahrbaren Geistes, indem er die Hypothese anformuliert, dass sich die komplexen bekannten biologischen Formen eventuell doch aus den allereinfachsten Atomen durch immer komplexere Konfigurationen herausgebildet haben (vgl.S.49). Heute haben wir so viele Indizien sammeln können, dass diese Hypothese zu großen Teilen als ‚gewiss‘ gelten kann, wenngleich noch nicht vollständig.

  7. Vor dem Hintergrund der Hautsätze der Wärmelehre sieht es dann so aus, als ob sich die komplexen biologischen Lebensformen nur gestützt auf den Energiefluss von Seiten der Sonne bilden konnten. Unter Ausnutzung dieser Energieformen konnten sich immer komplexere molekulare Strukturen herausbilden, die schließlich — Zwischenstand 2011 — in der Lage sind, anhand der energetischen Ereignisse in der Welt sich ‚intern‘ in einem Körper ‚Bilder‘, ‚Modelle‘ der ‚Welt da draußen‘ zu generieren, die auch ‚Selbstbilder‘ mit einschließen. Die Allokierung von Energie in Form von biologischen Strukturen ermöglicht das ‚Sichtbarwerden‘ all jener Dynamiken und Strukturen, die den physikalischen Kosmos auszeichnen. Allerdings sind diese biologischen Strukturen grundsätzlich limitiert durch den Bedarf an ‚freier‘ Energie. Versiegt der Strom von Energie in einer Form, die sich ’nutzen‘ lässt, dann verlieren die biologischen Lebensformen ihre ‚Seele‘; sie versinken im ‚Nichts‘ nahe der maximalen Entropie.

  8. Aus dieser allgemeinen Perspektive kann man den Eindruck gewinnen, dass die entscheidende Eigenschaft, die die biologischen Lebensformen in das bekannte Universum einbringen, jene ist, dass sie ’sichtbar machen können‘, dass sie ‚erkennen‘ können, dass sie ein ‚Bewusstsein von‘ den Dingen entwickeln können. Durch die Verfügbarkeit von Wissen innerhalb des Kosmos gewinnt der Kosmos eine eigentümliche ‚Handlungsfähigkeit‘ ’sich selbst gegenüber‘. Mit der Entstehung, Verfügbarkeit und Ausbreitung von ‚Erkenntnis‘ kann der Kosmos im Prinzip ‚zu sich selbst‘ kommen und darin und dadurch seine Strukturen dazu nutzen, ‚etwas‘ ‚zu tun‘. Fragt sich natürlich: was?

  9. Nach den bisherigen Erkenntnissen entsteht in den biologischen Strukturen Wissen durch ‚Verdichtungen’/ ‚Abstraktionen‘, durch das Finden von Beziehungen/ Relationen, durch die die Wechselwirkungen unterschiedlicher Beziehungen (verstehbar als Netzwerk/ Modell/ Theorie), durch unterschiedlichste Assoziationen zwischen Wissensmomenten und allen möglichen Zuständen (auch Bedürfnissen, Emotionen, Gefühlen,…). Ferner haben wir gelernt, dass sich Wissen wesentlich auch nur im Austausch zwischen unterschiedlichen Gehirnen ereignet/ bilden kann. Für solch eine Kommunikation benötigt man symbolische Mittel, Sprachen, speziell formale Sprache wie z.B. die Sprache der Mathematik oder heute die algorithmischen Formen von Computersprachen und Simulationen.

  10. Ein anderer wesentlicher Aspekt ist die Kooperation als Bedingung für Kommunikation. Eine ‚hinreichende‘ Kooperation wiederum benötigt eine ‚hinreichende‘ Öffentlichkeit: ohne funktionierende Öffentlichkeit keine gute Kommunikation, ohne gute Kommunikation nur partielle, schlechte Erkenntnis.

  11. Berücksichtigt man all dies, stellt sich natürlich die Frage nach dem ‚Sinn‘ des Ganzen. Klar ist, dass die Frage wer am meisten Geld hat, die größte politische Macht, wie berühmt jemand ist, wie ’schön‘ usw. relativ bedeutungslos sind gemessen an der globalen Aufgabe, die verfügbare Energie in jenes Wissen zu verwandeln, das den ‚Wärmetod‘ ‚überlebt‘. Militärische Macht kann punktuell und regional eventuell entscheiden, welche Gruppeninteressen sich für eine kurze Zeit ‚durchsetzen‘, doch auch militärische Macht entkommt nicht der globalen Herausforderung, wie das biologische Leben als solches sich angesichts seiner fragilen Lage innerhalb des verfügbaren Zeitfensters auf Dauer den Kosmos so umgestaltet, dass aus der ‚Anfangsübung‘ ‚Leben auf der Erde‘ ‚mehr‘ wird. Vielleicht müssen wir uns auch gar nicht physikalisch behaupten; vielleicht besteht der ‚Sinn‘ dieses Lebens auf der Erde/ in diesem Kosmos nur darin, die ‚Hoffnung auf Mehr‘ zu schmecken, um dann im/ nach dem körperlichen Tod den ‚eigentlichen‘ Zustand zu erleben. Wer kann dies so genau sagen. Ich persönlich halte allerdings den ‚Aufwand‘, der bislang getrieben wurde, um biologisches Leben überhaupt zu ermöglichen und über all die Milliarden Jahre zu immer komplexeren Formen heran zu reifen für so immens, dass es nicht so recht einleuchten will, dass darin kein spezieller ‚Auftrag‘ gegeben ist. Zu sagen, wir sind ’nur‘ Menschen übersieht, dass dieses ’nur‘ genau den Punkt verpasst, der das zentrale Drama der ganzen Erde, des ganzen Sonnensystems auszeichnet. Natürlich wäre es unbequem, zuzugeben, dass der Erfolg dieses Lebens wichtig ist…

Quelle: Ludwig Boltzmann, „Populäre Schriften“, Leipzig: Verlag Johann Ambrosius Barth, 1905

Ägypten und Tunesien – das sind wir, und mehr….

  1. Während ich diese Zeilen schreibe steht der Machtkampf in Ägypten auf der Kippe: Kann sich Präsident Mubarak an der Macht halten oder folgen ihm jetzt doch andere nach; und wenn andere, welche andere? Nach allen Informationen, die ich bekommen konnte, ist es nicht eine bestimmte radikale Gruppe, die hier nach Veränderungen ruft und dafür Gesundheit und Leben riskiert, sondern eine breite Schicht der Bevölkerung, und hier natürlich insbesondere die jüngere Generation, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung stellt. Jahrelang bevormundet, gegängelt, kontrolliert, schikaniert, mit üblen Polizeistaatsmethoden eingeschüchtert lehnen sich jetzt die Vielen dagegen auf. Sie wollen keine korrupten Beamten, sie wollen keine Günstlingswirtschaft, sie wollen keine Milliardäre auf Kosten einer bestohlenen Bevölkerung, sie wollen keine staatlich zensierte Medien, sondern sie wollen mehr Respekt, mehr Anerkennung, mehr Selbstbestimmung, sie wollen offene Kommunikation, Sie wollen mehr reale Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten.

  2. Das ägyptische Volk folgt in diesem Kampf (der über Massendemonstrationen ausgetragen wird) dem tunesischen Volk. Andere Länder Nordafrikas haben ähnliche Konstellationen.

  3. Die europäischen und nordamerikanischen Politiker haben diese unwürdigen Zustände jahrzehntelang unterstützt. Die Bürger dieser Länder – ich schließe mich hier nicht aus – haben u.a. als Touristen das Spiel mitgespielt. Während die europäischen Politiker in diesen Tagen das gewohnt handlungsschwache Bild abgeben, verbal in den Medien eine Moral artikulieren, die Sie oft nur opportunistisch mal heraushängen, mal verschweigen – oder einige gar partiell selbst aktiv mit Füßen treten — haben die Amerikaner anscheinend einen klaren Schwenk vollzogen: sie fordern Mubarak zum Rücktritt auf und erwecken den Eindruck, dass sie über das Militär die politische Veränderung unterstützen wollen. Allerdings haben auch die USA wiederholt demonstriert, dass Diktatoren, Terroristen und Verbrecher willkommen sein können, wenn Sie den eigenen Interessen nützen, so daß der Schwenk der USA nicht unbedingt von einem moralischen Gesinnungswandel getragen sein muß.

  4. Während es generell nicht leicht ist, den täglichen Zuckungen der politischen Gremien zu folgen, deutet sich mit Tunesien und Ägypten aber doch an – was auch Ende des 20.Jahrhunderts in Mittel und Osteuropa zu beobachten war –, dass Machtkartelle auf Kosten der breiten Mehrheit einer Bevölkerung heutzutage immer weniger eine Chance haben. Denn die Voraussetzung einer egoistischen Machtclique, nämlich die Kontrolle aller wichtigen Ressourcen, kann letztlich nur durch Repression und konkrete Gewalt gegen die vielen anderen funktionieren. Wenn dies zur Verarmung, zur täglichen Desinformation, zu täglichen Rechtsbrüchen gegen die Menschlichkeit, zu Arbeitslosigkeit und Korruption, und damit zu Enttäuschungen und zu einer wachsenden Hoffnungslosigkeit bei immer mehr Menschen führt, dann wird diese Gesellschaft von innen zerfressen. Damit fällt sie auf Dauer im ‚Konkurrenzkampf‘ der gesellschaftlichen Systeme um Ressourcen und Macht immer weiter zurück. Einen kurzsichtig agierenden Machtparasiten ficht solches nicht an. Ihm reicht sein aktueller Erfolg. Das Leiden der Vielen, die Schwächung eines ganzen Volkes, sind ihm egal; er – und seine Gefolgsleute – blenden dies aus.

  5. Es ist sicher kein Zufall, dass sich oft in solchen Gesellschaften, in denen Macht missbraucht, Bildung und freie Medien unterdrückt werden, ‚radikale‘ Gruppierungen entwickeln, die sich als ‚Sprecher‘ und ‚Interessenvertreter‘ der ‚unterdrückten‘ Bevölkerungsteile verstehen und darstellen. In der Vergangenheit führte dies bisweilen zu den Umbrüchen (‚Revolutionen‘), die wir im Nachhinein als ‚erfolgreich‘ darstellen (Reformation, französische Revolution, nordamerikanische Revolution, Maos langer Marsch, Perestroika, ….). Aber immer wieder sind solche Umbrüche auch gescheitert oder haben gezeigt, dass die ‚Gewinner‘ letztlich nicht viel besser waren als die, die sie aus der Macht verjagt haben.

  6. Eine häufige Figur ist auch die, dass amtierende Machtstrukturen die ‚Gefahr‘ durch radikale Strömungen als Vorwand nehmen, um die eigene Machtposition mit Mitteln abzusichern, die letztlich die eigene Machtposition immer mehr der Form eines Unrechtsregimes annähern. Unter dem Vorwand, ‚Freiheit‘ und ‚Gerechtigkeit‘ gegen Feinde zu schützen, wird die Freiheit und das Recht des einzelnen schrittweise eingeschränkt, soweit, dass man sich dann fragen kann, was hier noch geschützt werden soll? Der Verlust der demokratischen Kontrolle eines staatlichen Machtapparates kann in komplexen modernen Gesellschaften ‚fließend‘ sein, so sehr, dass selbst die Akteure des Macht-Apparates den Überblick verlieren. Die USA, eines der wichtigsten Länder dieser Erde, sind bekannt für ihr Engagement im zweiten großen Krieg, in dem sie als Befreier vom Nationalsozialismus auftraten. Sie brachten große Opfer und kämpften mit großem Idealismus. Dann waren sie aktiv als Schutzmacht gegen den Kommunismus. In nahezu jeder Beziehung wurden und waren Sie Jahrzehnte die Weltmacht Nr.1. Viele Analysen und Berichte lassen jetzt aber den Eindruck entstehen, dass sich das Machtdenken und die reine Profitgier unter dem Mantel politischer Werte ihren Weg gesucht haben, womöglich gar sich zu verselbständigen beginnen. Dass es zudem Machtausübungen in den letzten letzten Jahrzehnten gab, in denen die Rechte von Menschen und ganzen Bevölkerungen mit Füßen getreten wurden. Nicht weniger schlimm, es entsteht der Eindruck, daß die USA ihr eigenes Rechtssystem unter dem Vorwand des ‚Schutzes gegen Bedrohung von außen‘ soweit verändert haben – und beständig weiter verändern –, daß man nach Bedarf jederzeit jeden ohne jeglichen rechtlichen Schutz als Terrorist behandeln kann, selbst wenn er gar kein Terrorist ist (ganz zu schweigen von dem, was Geheimdienste abseits der Öffentlichkeit in einem ‚quasi rechtsfreien Raum‘ tun dürfen. Das wenige, was einem ’normalen‘ Bürger bekannt wird, wirkt nicht sehr beruhigend). Für welche Werte stehen die USA heute noch? Es ist schwer bis unmöglich, sich hier ein klares Bild zu verschaffen. Welche Medien sind nicht von handfesten politischen oder wirtschaftlichen Interessen dominiert?

  7. Ägypten, Tunesien, Nordafrika, Europa, Nordamerika, Asien…. das ist alles nicht mehr weit auseinander; wir sind immer mehr miteinander verflochten. Die Handlungen des einen beeinflussen die Handlungen der anderen. Die ‚Werte‘ des einen tangieren nahezu unausweichlich auch die ‚Werte‘ des anderen. Macht hat grundsätzlich die Tendenz, sich selbst zu verstetigen (perpetuieren), sich abzusichern. Die ganze Geschichte ist ein einziges Lehrstück, wie Menschen versuchen, den Umgang mit der Macht zu ‚regulieren‘. Demokratien sind recht junge Erfindungen und keineswegs ’sicher‘; sie leben von ‚realer‘ Freiheit, von ‚Rechtssicherheit‘, von einer funktionierenden Öffentlichkeit. Politische Macht und Finanzkraft ist immer versucht, alle Parameter im eigenen Interesse zu manipulieren. Die Kontrolle der öffentlichen Medien ist für solche partikulären Machtinteressen das Wichtigste, die Beeinflussung des Rechtssystems nicht weniger, die Freiheit ist dann die ‚Restgröße‘, die bleibt. Kein Staat dieser Erde, kein Gesellschaftssystem ist gegen diesen beständigen Erosionsprozeß gefeit. Jede Generation muß sich ihre Machtregulierung – z.B. in Gestalt einer Demokratie – neu erkämpfen. Und den ‚Galionsfiguren‘ der demokratischen Bewegung, wie sie die USA auf jeden Fall eine war, müssen beständig mit kritischem Blick darauf abgesucht werden, ob die herrschenden Machtzirkel sich nicht eventuell schon soweit verselbständigt haben, dass rein formal, äußerlich zwar noch eine Demokratie besteht, aber faktisch wenige Machtgruppen den Staat nach ihrem Gutdünken manipulieren.

  8. Dies sind sehr fragmentarische Überlegungen, sehr grob, stark vereinfachend, allerdings notwendig, um große Strukturen sichtbar zu machen. Dabei schälen sich zwei Dimensionen heraus, die immer und überall wirksam sind: (i) welche Bevölkerungen wir auch immer betrachten, letztlich ist es immer ein EINZELNER Mensch, der sich dafür ENTSCHEIDET, etwas bestimmtes zu TUN oder eben nicht. Selbst die schlimmste Diktatur würde augenblicklich in Nichts zerfallen, wenn die Mehrheit der Menschen sich DAGEGEN entscheiden würde. Die Frage ist nur, aufgrund welcher WERTE und welchen WISSENS entscheidet sich ein einzelner Mensch für oder gegen etwas. Dies führt (ii) zur zweiten Dimension: einzelne Menschen können nur dann GEMEINSAM handeln, wenn sie aufgrund einer FUNKTIONIERENDEN KOMMUNIKATION ihre Meinungen, ihr Wissen, ihre Werte, ihre Erfahrungen AUSTAUSCHEN können. Ohne eine hinreichende Kommunikation kann keine gemeinsam geteilte Meinung entstehen, die zu einem gemeinsamen Handeln führt. Aus diesem Grund ist eine FUNKTIONIERENDE ÖFFENTLICHKEIT die Grundvoraussetzung für jede Art von menschlicher Gesellschaft (und auch für jede wahre Demokratie). Ohne funktionierende FREIE Kommunikation ist praktisch nichts möglich.

  9. Tatsache ist, dass in vielen Ländern unserer Erde eine wirklich freie Kommunikation noch immer nicht möglich ist.

  10. Nehmen wir mal an, wir hätten eine freie Kommunikation. Menschen könnten miteinander reden. Es gibt sehr viele Faktoren, die Menschen ‚aus sich heraus‘ daran hindern, von einer freien Kommunikation Gebrauch zu machen.

  11. Nehmen wir einmal an, die meisten Menschen überwinden ihre Scheu, ihre Ängste, ihre Vorbehalte, ihre Vorurteile – oder was es sonst noch geben mag, nicht zu kommunizieren –, nehmen wir einmal an, die meisten Menschen haben genügend Zeit (!), zu kommunizieren, was kommuniziert werden müßte, dann stellt sich die INHALTLICHE Frage, worüber sie kommunizieren wollen. Was WISSEN wir überhaupt von uns, von den anderen, von der Welt, in der wir leben, von unserem Sonnensystem, von den letzten Dingen, von ‚Werten‘? Wissen wir genug von dem, was notwendig ist, damit wir GEMEINSAM auf dieser Erde, in diesem Universum, friedlich miteinander für n-viele (wie viele?) Jahre leben können? Wie gehen wir mit unterschiedlichen Anschauungen, mit unterschiedlichen Werten um? Bei Sonntagsreden sprechen wir von ‚Toleranz‘, aber wenn mir jemand gegenüber tritt, der sich auf Werte beruft, die meine Werte in Frage stellen – oder umgekehrt –, was machen wir dann? Ich habe nicht den Eindruck, dass wir auf diese zentralen Fragen schon gemeinsam akzeptierte Antworten haben. Fakt ist auf jeden Fall, dass wir mit jedem Tag auf dieser Erde uns allen immer ein Stückchen ’näher gerückt werden‘, nicht, weil wir dies wollen, sondern weil eine Vielzahl von Faktoren uns zwingen, miteinander etwas zu tun.

  12. Bei dem Versuch, zu verstehen, wie wir als Menschen ‚funktionieren‘, verstärkt sich in mir der Eindruck, dass wir als Menschen in der Tat etwas sehr Besonderes verkörpern. Zugleich ist aber auch klar, dass die aktuelle körperliche Ausstattung unserer Wahrnehmung, unserem Erinnern, unserem Fühlen, unserem Denken und Entscheiden, sehr klare Grenzen auferlegen. Die Prozesse, durch die wir Lernen, Erkennen, uns eine Meinung bilden sind begrenzt, langsam, und sehr anfällig für Verkürzungen und Fehler. Gemessen an der Komplexität der Welt, die uns umgibt, die uns zum Handeln herausfordert, sind wir bei dem heutigen Stand des Wissens und der Technologie, heillos überfordert. Selbst wenn wir wollten – mit aller Kraft, mit allerbesten Werten – niemand ist heute in der Lage, auch nur annähernd eine hinreichend begründete Entscheidung für irgendetwas zu fällen. Möglicherweise war das noch nie besser. Möglicherweise besteht der Fortschritt darin, dass wir zu erkennen beginnen, dass dies so ist.

  13. Momentan habe ich keine klare Idee, wie wir alle dieses Grundproblem am besten lösen können. Klar ist allerdings, dass (i) ohne funktionierende Kommunikation gar nichts geht; (ii) dass wir ohne eine deutliche bessere Wissenstechnologie auch nicht weiter kommen; (iii) dass wir um eine gemeinsame Klärung der Wertefrage nicht herum kommen. Dazu wird es nicht ausreichen, die bisher bekannten ‚alten‘ Wertesysteme einfach zu wiederholen und sich damit zu begnügen, die ‚anderen‘ als ‚falsch‘ hinzustellen, weil man selbst ja das ‚Richtige‘ wüßte. Wir müssen uns bzgl. der Werte deutlich weiter entwickeln. In diesem Zusammenhang scheint mir, dass die Anhänger der sogenannten Offenbarungsreligionen sich klar werden müssen, dass nicht Sie ihrem Gott diktieren, was richtig und falsch ist, sondern sie müssen begreifen, dass dieser Gott ‚lebt‘ und erwartet, dass die Menschen der Gegenwart ‚lernen‘, was ‚heute‘ das ‚Richtige‘ ist, und ‚Lernen‘ heisst wirklich aktiv von einem lebenden Gott zu lernen und nicht aus Schriften vorzulesen, die irgendwelche Menschen vor 1500 und mehr Jahren irgendwie (wir wissen letztlich nicht wer wann was wie) geschrieben haben. Und dieses Lernen ist nicht auf einzelne Menschen beschränkt sondern betrifft ALLE, JEDEN. Kein einziger Mensch hat aus sich heraus mehr Rechte als irgendein anderer Mensch. Das ist unsere Aufgabe: einen gemeinsamen Weg zu finden. Je eher wir unsere persönlichen Grenzen und Unfähigkeiten erkennen und akzeptieren, umso eher können wir gemeinsam nach einer besseren Lösung suchen. Wenn es eine Lösung gibt, wird man sie finden können. Wenn es keine gibt, dann ist es fast ein bischen ‚egal‘ was geschieht, dann sind aber auch alle Machtansprüche und Privilegien reine Willkür…

Leben – Mensch – Gott — Universum

  1. Als ich am 9.Dez.2009 einen Neustart meines Blocks ‚ad experimentum‘ begonnen hatte, war mir noch nicht so recht klar, was ich genau mit diesem Blog wollte. Seitdem zeigt sich aber, dass der Blog zu einem wichtigen Ort der ‚Klärung von Gedanken‘ wird. Für andere zwar nicht unbedingt leicht lesbar hilft er mir selbst doch, trotz nahezu nicht vorhandener Zeit wichtige — z.T. komplexe – Gedanken erst einmal ‚festzuhalten‘. Wie von ‚unsichtbarer Hand‘ wurden im Laufe des Jahres ansatzweise Zusammenhänge sichtbar, die ohne diese Notizen im ‚diffusen Allgemein- und Unterbewusstsein‘, eingebettet in das ‚Rauschen des Alltags‘, kaum sichtbar geworden wären.

  2. Der Vortrag am 24.November 2010 bot Gelegenheit – auch hier trotz erheblicher Zeitknappheit – aus all den vielen Ideen ein Stück weiter einen Zusammenhang herauszustellen; ich habe den Eindruck, dass das Thema klarer wird. Würde mich jetzt jemand fragen, wie ich das Hauptthema des Blogs sehe, würde ich folgendes antworten:

  3. Primärer Ausgangspunkt für alles ist offensichtlich das Phänomen des LEBENS hier auf der Erde. Denn ohne die Tatsache, dass es dieses Leben in seinen vielfältigen Formen geben würde, würde ich nicht existieren, hätte ich keinen Körper, kein Bewusstsein…. wurde das bekannte physikalische Universum existieren, ohne dass ‚wir‘ es ‚wissen‘ würden.

  4. Wir Menschen als Mitglieder der Gattung homo sapiens (Der Begriff ‚Homo sapiens‘ wurde 1758 durch Carl von Linné in vollständig in Latein verfassten zehnten Auflage seines Werks ‚Systema Naturae‘ geprägt (eine digitale öffentliche Version ist über die Bayerische Staatsbibliothek in München zugänglich (http://www.bsb-muenchen-digital.de))) (Hinweise über Wikipedia.de) sind zwar ein genuiner Teil des alles umfassenden Lebens, fallen aber doch durch unsere spezielle ‚Geistigkeit‘ aus dem Gesamtbild heraus. Es sieht im Jahr 2010 nicht so aus, als ob wir Menschen bislang auch nur annähernd verstanden haben, was genau diese unsere ‚Geistigkeit‘ als erfahrbare Eigenschaft in diesem unseren fantastischen Körper genau ist, wie sie genau ‚funktioniert‘. Ein Verständnis dieser Geistigkeit führt vermutlich nicht nur zu einem besseren Verständnis dieser selbst sondern auch zu einem besseren Verständnis des Phänomen Lebens überhaupt und damit zu einem vertieften Verständnis der atomaren Materie bzw. der allem zugrunde liegenden Energie. Was letztlich diese ‚Energie‘ ist zeigt sich bislang nur durch das, was Energie bewirken kann, z.B. Leben hervorbringen.

  5. Drittens scheint mir die Frage nach Gott – und dem ‚letzten Sinn von allem‘ – auch in diesen Kontext zu gehören. Wenig Hilfe ist von den fanatisch-dogmatischen Anschauungsformen zu diesem Thema zu erwarten, weder von radikalen ‚Bekennern‘ noch von radikalen ‚Leugnern‘. Grundsätzlich ist aktuell nicht einmal klar, von welchem Standpunkt aus man überhaupt zur Frage Gottes sinnvoll Stellung nehmen kann. Die empirischen Wissenschaften scheitern bislang ja schon am Phänomen des Lebens selbst, erst recht an der subjektiven Form der erlebten Geistigkeit. Für die subjektive Seite des ‚Welterlebens‘ und der ‚Welterkenntnis‘ gibt es aber keine allgemein Wissenschaftsform noch eine allgemein anerkannte Institution, die hier Verbindliches sagen kann. In gewisser Weise sind wir hier alle auf uns selbst als Individuen zurückgeworfen, obgleich es genau diese subjektive Erfahrung ist, die uns charakterisiert, die uns zu dem macht, was wir als Menschen sind, in der wir letztlich eine tiefere Gemeinsamkeit besitzen.

  6. Und da sich all diese Themen innerhalb des uns bekannten physikalischen Universums bewegen wird man nicht umhin können, diesen speziellen Ort hinreichend zu untersuchen. Das neuerliche Reden der Physiker von ‚Multiversen‘, dass wir mit unserem Universum möglicherweise nur ein Universum unter zahllos vielen sind, erklärt nicht allzuviel. Denn, selbst wenn es viele Universen gäbe, die Grundsatzfragen nach dem rätselvollen Phänomen des Lebens schlechthin, nach der Besonderheit des Menschen, nach einem möglichen Gott werden dadurch in keiner Weise berührt und in keiner Weise beantwortet. Allerdings, aus einer Einsicht in diese Erkenntnisgrenzen folgt auch keine automatische Antwort auf die gestellten Fragen.

MENSCHENBILD IM WANDEL

Vortrag am 24.Nov.2010 im Rahmen des gesellschaftspolitischen Forums ‚Bad Nauheimer Gespräche e.V‘ in Fankfurt am Main

Kurzfassung

Einleitungsmusik

  1. Das Thema führt weit über die üblichen Fachgrenzen hinaus. Dies setzt den Vortragenden allerlei Risiken aus, die ihn zum ‚Narren‘ machen können (Zitat E.Schrödinger, 1944). Aber die Sache verlangt dies. Ohne Risiko gibt es keine neuen Erkenntnisse.

  2. Vor seiner Zeit als Informatiker hatte der Vortragende eine intensive Zeit von mehr al 20 Jahren als engagierter Theologe, Jugendsozialarbeiter und Philosoph. In dieser Zeit lernte er die jüdisch-christliche Position von den schriftlichen und praktischen Grundlagen her sehr intensiv kennen. Dies umschloss eine grundsätzliche Gegenüberstellung zwischen dem impliziten Weltbild der Naturwissenschaften und der Technologie gegenüber den theologisch geisteswissenschaftlich orientierten Weltbildern.

  3. Im Versuch , die Grenzen des naturwissenschaftlich-technologischen Weltbildes aufzudecken – und bei gleichzeitig anhaltender intensiver Auseinandersetzung mit der jüdisch-christlichen Tradition – lernte er aber langsam, dass die Grenzen sehr wohl auch auf Seiten des jüdisch-christlichen Weltbildes liegen und die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse demgegenüber eine neue Perspektive öffnen, die alte Grenzen sprengen und neue zukunftsweisende Dimensionen öffnen können, wenn man sie entsprechend nutzt.

  4. In einer kurzen Skizze des Alltagsdenkens machte der Vortragende darauf aufmerksam, dass all unser Wissen von der Welt um uns herum nicht ‚direkt‘ diese Welt widerspiegelt, sondern eine Leistung unseres Gehirns ist, das beständig die vielen Millionen sensorischen Signale von der Umgebung des Körpers wie auch aus dem Innern des Körpers in ein räumliches Gesamtbild transformiert, das für das Verhalten in der Umgebung in den meisten Fällen ‚ganz gut funktioniert‘. In vielen Alltagssituationen, durch zahllose psychologische Experimente wie auch –siehe später – durch die neuen Erkenntnisse der Physik kann man zeigen, dass dieses vom Gehirn erzeugte ‚Bild‘ von der Welt vielfach ungenau oder gar falsch ist. Nichtsdestotrotz ist diese Leistung des Gehirns unglaublich und nur verständlich vor der sehr, sehr langen Genese des heutigen Gehirns in den heutigen Körpern.

  5. Es folgte dann ein kursorischer Überblick über die Entwicklung des Lebens seit dem Beginn des messbaren Universums vor ca. -13.6 Milliarden Jahren. Anhand von vier Schaubildern konnte man wie im Zeitraffer sehen, welche ungeheuren ‚Vorleistungen‘ erbracht werden mussten, bis dann bei ca. -3.6 Milliarden Jahren die ersten Zellen auftraten, die dann in den letzten ca. 600 Millionen Jahren zur Besiedelung des Landes mit Pflanzen, Tieren und dann vor ca. 3 – 0,2 Mio Jahren auch mit menschenähnlichen Lebewesen und dann mit dem heute bekannten homo sapiens sapiens führten. Diese Geschichte ist randvoll mit Dramatik und zeigt, welcher Preis gezahlt werden mußte, damit es uns Menschen so, wie wir uns heute kennen, überhaupt geben konnte. Nach den Prognosen der Physik wird in ca. 1 Milliarde Jahre die Sonne die Erde verglühen lassen. Gemessen an der zurückliegenden Zeit bleibt also nur noch eine verhältnismäßig kurze Zeit, bis das Leben auf der Erde für diese neue totale Herausforderung eine Lösung gefunden hat (falls es sie gibt; grundsätzlich natürlich ja).

  6. Eine tiefreichende Einsicht der modernen Physik ist die Einsicht, dass all das, was wir als ‚Materie‘, ‚Substanz‘, ‚Stoffe‘ kennen nichts anderes ist als eine Zustandsform von Energie. Mit Hilfe der modernen Teilchenbeschleuniger kann man zeigen, wie sich jede Substanz (Materie, Stoff) in jede andere Substanz verwandeln läßt, wenn man genügend viel Energie zuführt. Einsteins Formel ‚E=mc²‘ stellt den Zusammenhang zwischen Energie ‚E‘ und Masse ‚m‘ über die Lichtgeschwindigkeit ‚c‘ direkt dar. Von daher ist auch verständlich, dass das heute bekannte messbare Universum, das mit einem ‚Energieausbruch‘ unvorstellbaren Ausmaßes begann, dann durch Abkühlung quasi zu ‚Strukturen erstarrte‘ indem aus der Energie ‚heraus‘ atomare Strukturen sichtbar wurden, die sich zu Galaxien, Sterne und Planeten formten.

  7. Eine weitere tiefreichende Einsicht ist die Erkenntnis der Thermodynamik, dass alle energetisch bedingten Bindungen dazu tendieren, sich abzubauen und damit die Freiheitsgrade der beteiligten Elemente (Atome) zu vergrößern. Die Physikern haben zur Bezeichnung des Grades an Freiheit den Parameter ‚Entropie‘ eingeführt und gehen davon aus, dass der Parameter Entropie tendenziell zunimmt, da der Prozess der Auflösung von energetisch bedingten Bindungen irreversibel erscheint.

  8. Vor diesem Hintergrund nimmt sich das Phänomen des ‚Lebens‘ ‚fremdartig aus: alle heute bekannten Lebensformen basieren auf molekularen Strukturen, die als DNA (und weitere) bekannt sind (die genaue Entstehung solcher Moleküle ist bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt!). Das Erstaunliche an diesen Molekülen ist, dass sie als Informationsträger funktionieren, die komplexe Kopier- und Produktionsprozesse steuern können, die dann zur Ausbildung von noch komplexeren Molekülstrukturen führen können, die als Zellen, Zellverbände, Organe, Pflanzen, Tieren und dann auch als Menschen prozeßhaft über einige Zeit existieren können. Abgesehen von der mittlerweile irrwitzigen Komplexität dieser Strukturen (allein das menschliche Gehirn hat schätzungsweise mehr als 100 Milliarden Zellen!) ist wichtig, dass diese Strukturen nur existieren können, weil sie kontinuierlich lokal Energie aus der Umgebung aufnehmen und zum Aufbauen lokaler energetischer Bindungen nutzen. Dieses Verhalten der Lebensformen steht dem entropischen Charakter des gesamten physikalisch bekannten restlichen Universums diametral entgegen. Sowohl Erwin Schrödinger in seinem Buch ‚What is Life‘ von 1944 sowie Werner Heisenberg in seinem Buch ‚Physics and Philosophy‘ von 1958 stellen dieses Paradox explizit heraus und geben zu, dass die moderne Physik zu diesem Paradox nicht einmal ansatzweise eine Antwort besitzt.

  9. Nachdem sich also die scheinbare Vielfalt der Materie auf Energie zurückführen lässt, wird der Begriff der Energie zu neuen ‚Supermaterie‘, die – wie Heisenberg anmerkt – dem Potenzbegriff bei Aristoteles nahe kommt. Die Energie, so, wie sie heute von der Physik ‚enttarnt‘ wurde, enthält alle Eigenschaften und Strukturen, die bislang über unsere Welt bekannt geworden sind. Natürlich stellt sich damit die Frage, ob die jahrtausende lange Gegenübersetzung von ‚Geist‘ und ‚Materie‘ nicht auch obsolet geworden ist. Einerseits war diese Gegenübersetzung gespeist von der schieren Unkenntnis über die ‚wahre Natur‘ der Materie und auch durch eine weitreichende Unkenntnis über die Eigenschaften des menschlichen (bzw. auch des tierischen) ‚Geistes‘. Ob der erlebbare ‚Geist‘ dann letztlich auch nur eine der vielen Eigenschaften der Energie ist, folgt aus all den bekannten Tatsachen natürlich noch nicht unmittelbar.

  10. Hier kann eventuell die Entwicklung der modernen Gehirnforschung in Verbindung mit der Computerwissenschaft (Informatik) weitere interessante Hinweise liefern.

  11. Von der Gehirnforschung wissen wir, dass ein Neuron – bei aller Komplexität des molekularen und chemischen Aufbaus – letztlich an seinem Ausgang, dem Axonhügel, genau nur zwei Zustände kennt: Potential oder nicht Potential, Signal oder nicht Signal, An oder aus, 1 oder 0. Das Gleiche gilt für die Vielzahl der möglichen postsynaptischen Membranen als Gegenüber zu den Endstücken der anderen Neuronen, die ihre Axone zu den Neuronen senden: auch diese repräsentieren trotz all ihrer molekularen und chemischen Komplexität letztlich nur nur einen An- und Aus-Schalter, Signal an, Signal aus, 1 oder 0. Zudem ist ein Neuron auf molekularer Ebene eindeutig diskret.

  12. Bedenkt man, dass der Grundbegriff der modernen Berechenbarkeit, der letztlich auf Goedel (1931) und Turing (1936/7) zurückgeht, mit dem mathematischen Konzept der Turingmaschine einen Referenzmaßstab für Berechenbarkeit schlechthin gefunden hat, und deine Turingmaschine jedes beliebige Gehirn, sofern es binär schaltet und sich bis zu einem gewissen Grade strukturell während seiner Lebenszeit ‚umorganisieren‘ kann (Wachstum, Plastizität), prinzipiell vollständig auf einer Turingmaschine simulieren lässt – vorausgesetzt, es gibt Menschen, die verstehen das Gehirn gut genug, um eine Beschreibung des Gehirns anfertigen zu können, die dann in eine Turingmaschine ‚gefüttert‘ wird –, dann kann man dies als einen weiteren ‚Hinweis‘ dahingehend deuten, dass sich die ‚geistigen‘ Eigenschaften eines Gehirns mit beliebigen materiellen Strukturen simulieren lassen (das mathematische Konzept einer Turingmaschine lässt sich sowohl mechanisch wie elektronisch wie auch chemisch realisieren – oder noch ganz anders).

  13. Am Beispiel eines Experimentes mit einem selbst lernenden System, das aufgrund eigener Bedürfnisse ohne ‚Lehrer‘ lernen kann, illustrierte der Vortragende dann, wie man mit einfachen mathematischen Mitteln sehr komplexe Prozesse beschreiben und dann auch realisieren kann.

  14. Es gab dann noch eine angeregte Diskussion, in der u.a. gefragt wurde, (i) was dies für die verbleiben de ‚Restzeit‘ der Erde bedeuten würde; (ii) welche Konsequenzen dieses Bild für die Ethik hat, (iii) worin denn nun die Hilfe der Informatik für die Menschen besteht, (iv) ob damit denn der ‚Geist‘ vollständig ‚wegreduziert‘ sei. Die verfügbare Zeit reichte nicht aus, diese komplexen Fragen angemessen zu Ende zu diskutieren.

Überleitungsmusik Vortrag zu Diskussion

EXPERIMENTELLE HÖRBUCHFASSUNG

Der Beginner einer experimentellen Hörbuchfassung zu dem Vortrag findet sich hier: Teil 1-3 (4ff kommt noch)