Archiv der Kategorie: Verantwortung

INDUKTIVES SERVICE-LEARNING? Plädoyer für mehr Vertrauen in die Generation der Zukunft. Mehr Selbstvertrauen in die Mission Zukunft der Hochschulen.

ZUFÄLLIGER KONTAKT

  1. Aufgrund einer besonderen Konstellation an unserer Hochschule war ich im März 2015 Teilnehmer an der Gründungsveranstaltung des Vereins Hochschulnetzwerk Bildung durch Verantwortung, ein seit 2009 bestehender Zusammenschluss von zunächst 5 Universitäten. Dadurch erfuhr ich von der Existenz dieses Netzwerkes. Mittlerweile (November 2015) sind es 30 Hochschulen.

MEMORANDUM SERVICE-LEARNING

  1. Im Memorandum von 2013 wird der Gedanke der gesellschaftlichen Verantwortung der Hochschulen feierlich festgehalten. Die Grundidee klingt einfach und schlüssig: auf der einen Seite haben wir die Hochschulen mit ihrer Lehre und Forschung, auf der anderen Seite die Zivilgesellschaft, und gesellschaftliche Verantwortung wird von den Hochschulen wahrgenommen, wenn sie ihre Potentiale in den Dienst dieser Zivilgesellschaft stellen. Dabei wird der Begriff Zivilgesellschaft gerne noch eingegrenzt auf den Teilbereich der gemeinnützigen Einrichtungen.
  2. Dies klingt zunächst ausgesprochen positiv. Wer will nicht die Zivilgesellschaft unterstützen? Und unterschwellig klingt mit, dass die Hochschulen, für die die Gesellschaft viel Geld ausgibt, sich dann doch auch ein wenig Dankbar zeigen können, indem sie ihr Potential einbringen.

HOCHSCHULE ALS ELFENBEINTURM

  1. Wenn man die Texte unvoreingenommen liest, dann klingt hier ein Bild von Hochschulen an, das die Hochschulen eher von außen sieht, ein teures Etwas, von dem man annimmt, dass die Hochschulen ‚für sich alleine betrachtet‘ gesellschaftsfern sind, praxisfern, nicht wirklich Verantwortung für die Gesellschaft wahrnehmen, die sie doch alimentiert. Das Bild des weltfremden Akademikers, des akademischen Elfenbeinturms, ist hier nicht fern.
  2. Die Hochschullandschaft in Deutschland ist aber nicht monolithisch. ca. 150 von 425 Hochschulen haben Promotionsrecht und genügen – wenn überhaupt – dem klassischen Bild der Universität. Die restlichen 275 Hochschulen sind vom Ansatz her eher praxisorientiert und sind schon immer eng und vielfältig verflochten mit der umgebenden Gesellschaft. Hier den Gedanken von mehr sozialer Verantwortung quasi ‚von außen‘ an die Hochschulen heran zu tragen wirkt bizarr, ein bisschen weltfremd: die Lehrenden an diesen praxisorientierten Hochschulen waren alle mindestens 5 Jahre, meistens viel länger, in gesellschaftlichen Institutionen aktiv, bevor sie Hochschullehrer wurden, und in ihrer Lehrtätigkeit behalten sie meistens einen engen Kontakt zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Einrichtungen, auch in ihrer Lehre. Dabei ist diese Lehre in der Regel schon über das Curriculum im Normalfall mit ca. 50% Praxisanteil ausgestattet (nicht zu vergessen die vielen Lehrbeauftragten, die bis 60% und mehr des Lehrpersonals stellen. Diese Lehrbeauftragten kommen aus allen Bereichen der Gesellschaft!).
  3. Diese Vielfalt der Hochschulen kommt im Selbstverständnis des Hochschulnetzwerk Bildung durch Verantwortung nicht so wirklich zum Ausdruck.

EINENGUNG VON ZIVILGESELLSCHAFT

  1. Auch die Fokussierung auf nur einen Teilbereich der Zivilgesellschaft — nämlich den Bereich der gemeinnützigen Einrichtungen – lässt Fragen offen: wenn der gemeinnützige Bereich so wichtig ist, warum ist dies dann keine Herausforderung an die ganze Gesellschaft? Warum sollen sich hier besonders die Hochschulen angesprochen fühlen? Wenn z.B. eine erfolgreiche Einrichtung zur Unterstützung von Frauen mit Migrationshintergrund von der Politik nicht mehr gefördert wird, gerade in einer Zeit, wo immer mehr Flüchtlinge die Bundesrepublik erreichen, warum soll dann gerade eine Hochschule einspringen? Um es nicht falsch zu verstehen: dieser Einrichtung zu helfen ist grundsätzlich sinnvoll, ich bewundere die, die sich da engagieren, aber warum ist dies dann eine Aufgabe für die Hochschulen speziell?
  2. Und dann wissen wir alle (wissen wir es wirklich?), dass Deutschland seinen Wohlstand einer vielfältigen international leistungsfähigen wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Struktur verdankt, die entsprechend vielfältig bestens ausgebildete MitarbeiterInnen braucht. Diese zu haben ist keinesfalls selbstverständlich. Dies verlangt nicht nur Rahmenbedingungen in der Ausbildung und in der umgebenen Gesellschaft, sondern auch junge Menschen, die für sich Motivation genug besitzen, sich den vielfältigen Herausforderungen zu stellen. Angesichts dieser Breite der Herausforderung kann man – muss man? – sich fragen, ob die Engführung und Zuspitzung auf den Bereich der gemeinnützigen Einrichtungen der gesellschaftlichen Situation gerecht wird? Warum nimmt man nicht z.B. auch den Bereich der Medien in den Blick? Für eine Demokratie ist eine funktionierende Öffentlichkeit lebenswichtig. Zugleich erleben wir heute, wie immer mehr freie Presse- und Medienorgane aus wirtschaftlichen Gründen und aufgrund eines Technologiewandels verschwinden und interessegebundenen Medienerzeugnissen Platz machen. Freier, kritischer Journalismus stirbt aus. Eine entsprechende kritisch-informierende Öffentlichkeit trocknet aus. Dies bedroht unsere Demokratie zentral. Warum darf dies kein Betätigungsfeld für eine junge, nachwachsende Generation sein? Dies ist nur ein Beispiel von vielen. Die unreflektierte Fokussierung auf einen engen Bereich der Gesellschaft erscheint mir sehr frag-würdig

HOCHSCHULE ALS SOLCHE KEINEN WERT?

  1. Im Memorandum ist von den Hochschulen allgemein die Rede, und sehr abstrakt von deren Verantwortung für die heutigen und zukünftigen Herausforderungen der Gesellschaft. Dazu sei ein Dialog notwendig. Die Studierenden, gleichsam im ‚Besitz‘ der Hochschulen, sollen an ein gesellschaftliches Engagement herangeführt werden.
  2. Was man hier gänzlich vermisst, ist der Gedanke, dass Lehre und Forschung als solche ja auch ein gesellschaftlichen Prozess darstellen könnten, dass die Studierenden und ihre Lehrenden gerade durch Gestaltung der Lern- und Forschungsprozesse für die ganze Gesellschaft einen substanziellen Beitrag für die Zukunft der Gesellschaft leisten, und zwar einen einzigartigen, der von keiner anderen Einrichtung der Gesellschaft in dieser Form erbracht werden kann.
  3. Wer sich überhaupt mal mit Wissen, Lernen, Lernprozessen intensiver beschäftigt hat (mein Hauptthema seit gut 40 Jahren), der kann wissen, dass das Erkennen von möglichen und wichtigen zukünftigen Prozessen und Technologien extrem herausfordernd und schwierig ist, absolut kein Selbstgänger (man betrachte nur die geringe Innovationskraft vieler gesellschaftlicher Bereiche). Dies gilt sowohl auf der theoretisch-praktischen Ebene (wie macht man es), dies gilt aber auch und ganz besonders in der psychologisch-sozialen Dimension: Menschen die offen, motiviert, kreativ, engagiert und wissend mit der Welt umgehen können sollen, fallen nicht so einfach vom Himmel. Sie müssen viele, viele Jahre Lern- und Trainingsprozesse durchlaufen, in denen sie sich nicht nur Erfahrungen und Wissen aneignen können sollen, sondern speziell auch, um die inneren Einstellungen und Motivationen zu finden, die sie im Alltag und Stresssituationen befähigen, ihre jeweilige Aufgabe sachlich, ruhig und doch engagiert wahrnehmen zu können.

ANGEWANDT UND NICHT ANGEWANDT

  1. Eigentlich ist es kontraproduktiv für die Selbstfindung der Hochschulen ausgerechnet den Unterschied zwischen angewandter und nicht-angewandter Forschung immer wieder zu betonen (ein deutscher Sonderweg, den es in keinem anderen Land so noch gibt). Aber im Fall des Service Learnings spielt es bislang offensichtlich eine große Rolle.
  2. Betrachten wir ein Beispiel. An der Universität Kassel, die sich führend im Netzwerk Service-Learning engagiert, werden pro Semester 20 Projekte durchgeführt, die dem Service Lerning zugerechnet werden. Diese Projekte verteilen sich auf 2/3 aller Fachbereiche. Für dieses außergewöhnliche Engagement wird die Universität Kassel vielfältig zusätzlich gefördert. Dies ist grundsätzlich gut und positiv. Nimmt man das Beispiel der University of Applied Sciences Frankfurt, dann führen dort die Lehrenden eines einzigen Studiengangs (‚der interdisziplinäre Masterstudiengang ‚Barrierefreie Systeme‘) pro Semester 10-13 vollständig interdisziplinäre Projekte durch, viele einschlägige Masterthesen noch gar nicht mit gerechnet. Darüber hinaus sind fast alle anderen Studiengänge dieser Hochschule für angewandte Wissenschaften in vielen anderen ähnlichen Projekten engagiert, nicht als Ausnahme, sondern als Normalfall. Diese Projekte werden allerdings nicht speziell gefördert. Sie alle leiden eher an Unterfinanzierung und an Personalmangel.
  3. Die Schlussfolgerung hieraus sollte nicht sein, dass Kassel kein Geld mehr bekommt; das wäre kontraproduktiv. Das Denken sollte aus diesem Tatbestand eher angeregt werden, sich zu fragen, warum eine an sich wunderbare gesellschaftlich breit aufgestellte Lehre und Forschung an den angewandten Hochschulen so wenig gesellschaftliche Achtung und Anerkennung bekommt? Außerdem sollte man sich fragen, warum die offiziellen Theorien zu Hochschullehre und -Forschung diese massive Praxis so wenig reflektieren?
  4. Bei der letzten Tagung des Netzwerkes im November in Frankfurt am Main waren bei den Sektionen mit Vorträgen auf dem Papier 24% Professoren. Von diesen 24% konzentrierten sich 46% auf die Sektion zur Theorie des Service Learnings. Und diese theoretischen Vorträge waren fast ausschließlich affirmativ, d.h. es fand wenig kritische Reflexion auf die Voraussetzungen und die große Ausrichtung statt. Der krasse Gegensatz war die Sektion, wo es um die konkrete Anbahnung von Kooperationen zwischen Hochschulen und Zivilgesellschaft ging. Real teilgenommen hat hier ein Professor (7.6%), der auch tatsächlich selber solche Projekte durchgeführt hatte (mehr als 79 Projekte in 10 Jahren), und der kam von einer Hochschule für angewandte Wissenschaften, der University of Applied Sciences Frankfurt.
  5. Diese Zahlen müssen nichts bedeuten; und doch, kennt man die Verhältnisse an den Hochschulen, dann spiegeln diese Zahlen ein wenig von der Realität an den Hochschulen wieder: die normalen Professoren sind in der Regel durch ihre Lehre und Forschung so überlastet, dass sie sich wenig um institutionelle Prozesse und langfristige Strategien kümmern können. Die großen Hochschulen bilden aufgrund ihrer größeren Ressourcen sehr schnell Verwaltungseinheiten zu politisch relevanten Themen und können dann mit den MitarbeiternInnen dieser Verwaltungseinheiten in diesen Themenfeldern schnell agieren. Daraus erklärt sich auch der überproportionale Anteil von Nichtprofessoren gegenüber Professoren (im Extremfall in der einen Sektion 92% Nichtprofessoren). Auch ist auffällig, dass Professoren aus den angewandten Hochschulen bislang kaum vertreten sind. Ihnen erschließt sich die Thematik Service Learning kombiniert mit der Engführung auf gemeinnützige Einrichtungen kaum, da sie selbst schon immer Service Learning im großen Stil und im Dauerbetrieb betreiben.

STUDIERENDE ALS VERFÜGUNGSMASSE

  1. Ein letzter, vielleicht der wichtigste Punkt. Das Memorandum spricht abstrakt von Hochschulen und deren Verantwortung fokussiert auf gemeinnützige Einrichtungen. Dazu soll ferner das gesellschaftliche Engagement von Studierenden nutzbar gemacht werden, Studierende sollen an das Engagement herangeführt werden. Damit dies geschieht, werden aufwendig Einrichtungen geschaffen, die im Vorfeld gesellschaftliche Einrichtungen ausgucken, diese präparieren und letztlich den Studierenden dann damit konfrontieren, dass hier eine konkrete Aufgabe ausgeführt werden soll. Soll man diese Sicht der Dinge gut finden?
  2. Man kann diese Texte unterschiedlich interpretieren. Die reale Praxis lässt aber wenig Spielraum. Es sind hier nicht die Studierenden selbst, die sich eine Aufgabe suchen; es sind nicht die Studierenden selbst die diese Aufgabe gestalten; es ist nicht die normale Lehre und Forschung, die hier angeregt wird, sondern Ausnahme- und Sondersituationen, die eine spezielle Anstrengung und speziellen Aufwand erfordern.
  3. Betrachtet man die Realität in den gesellschaftlichen Einrichtungen (und auch darüber hinaus in den Firmen), dann finden wir dort überwiegend eingefahrene Abläufe, fixierte Rollen, wenig Bereitschaft für Neues oder Experimente. In Firmen speziell oft beständig hohen Leistungsdruck durch den Markt, die Kunden, die Konkurrenz. Ich habe immer noch die Worte eines Vorstands von einem großen deutschen IT-Konzern im Ohr, der mir bei einem Gespräch über mögliche Forschungskooperationen sagte, dass er immer nur in 3-Monats-Zyklen denken kann, maximal 1 Jahr. Längerfristige Forschung, selbst wenn sie vielversprechend ist, kann er sich nicht leisten. Im Kontrast dazu sehe ich, wie unsere Studierende mit ihren Masterthesen in den letzten zwei Jahren sehr oft Produktionssteigerungen von vielen 100% bewirken konnten, nur weil sie von außerhalb kamen, neue Ideen mitbrachten, und die eingefahrenen Abläufe aufsprengten. Alle wurden sofort übernommen; in anderen Fällen hatten Sie zwar ebenfalls tolle Arbeiten gemacht, aber die Firma selbst (z.B. ein global agierender Energiekonzern) hatte sich durch schlechtes Management selbst so ins Abseits manövriert, dass es überall Stellenstreichungen gab. Wieder andere haben in einem in Deutschland gesellschaftlich vernachlässigten Bereich (autistische Kinder und Jugendliche) Konzepte für neue technische Assistenzsysteme entwickelt, um den Kindern und Jugendlichen in ihren Lernprozessen zu helfen, für die sich sonst nirgends Unterstützung fand. Zwei davon promovieren jetzt um ihre Arbeiten fortsetzen zu können. Und in Behörden, in wichtigen Behörden, in Behörden großer Städte, finden sich – neben bewundernswertem Engagement – nicht wenige Abteilungen, wo Nichtstun Standard ist, wo Kriege zwischen Abteilungen irgendwie normal sind, wo Mitglieder eines Schulamtes Außenstehenden sagen ‚Wir diskutieren nicht‘.
  4. Diese Liste ließe sich beliebig verlängern. Was ich damit sagen möchte ist, dass wir uns vor einer unkritischen Heiligsprechung der Zivilgesellschaft hüten sollten. Die umgebende Gesellschaft ist weder besonders schlecht noch besonders gut; sie ist normal. Normal heißt hier, dass menschliche Grenzen, Trägheiten, Ängste, Eitelkeiten usw. normal sind. Und diese Gesellschaft, unsere Gesellschaft, bedarf dringend und immer einer jungen Generation, die mit Schwung, Mut, Kreativität in diese verkrusteten Strukturen einbricht und Neues möglich macht. Ohne eine solche dynamische junge Generation verspielen wir ernsthaft die Zukunft.
  5. Wenn man diese Sicht akzeptiert (was eher nicht selbstverständlich ist), dann darf man die Studierenden nicht wie die Lämmer betrachten, die man zur Schlachtbank der Zivilgesellschaft führt. Auf keinen Fall. Wir müssen ernsthaft anfangen, in der jungen Generation das größte Potential, den größten Schatz zu sehen, den wir als Gesellschaft haben. Wir müssen anfangen, in diese Generation zu vertrauen, ernsthaft und konkret! Wir müssen Wissen nicht als Selbstzweck sehen, sondern als ein Medium, das zu noch besserem Wissen und besserem Handeln hinführen kann. Dies kann letztlich nur so geschehen, dass die Studierenden lernen, die verschiedenen Aufgaben in eigener Regie anzugehen, ihre eigenen Erfahrungen zu machen, ihre eigenen Entdeckungen zu machen, ihre Neugierde real ausprobieren können, usw.
  6. Der krasse Fall, dass Lehrende stundenlang auf Studierende einreden und später in der Prüfung verlangen, dass sie dies dann 1-zu-1 wiedergeben gespickt mit unterschwelligen Behinderungen, dass sie es ja auf keinen Fall leicht haben, ist leider noch viel zu weit verbreitet, als dass man ihn nicht erwähnen sollte. Studierende, die diesem Format ausgeliefert sind, lernen kaum und keinesfalls nachhaltig. Auf keinen Fall werden sie sich auf diese Weise zu motivierten, verantwortungsvollen, kreativen Problemlösern der Zukunft entwickeln.
  7. Das Gegenteil gibt es, aber noch viel zu wenig. Ich habe in den letzten Jahren (zusammen mit zwei anderen KollegenInnen) u.a. 39 interdisziplinäre Projekte mit Bachelor-Studierenden aus allen Studiengängen der Hochschule erleben dürfen, wo diese in eigener Regie interessante Probleme der Gesellschaft identifiziert haben, diese in eigener Regie auf vielfache Weise analysiert und aufbereitet haben; wo sie in eigener Regie mit unterschiedlichen Einrichtungen, Behörden und Firmen kommuniziert und verhandelt haben, wo sie Experimente außerhalb der Hochschule durchgeführt haben und wo sie dann diese Ergebnisse öffentlich in vielfältigen Formen (Berichte, Filme, Theaterstücke, Talkshows, Spiele usw.) präsentiert haben. Zugleich haben sie gelernt, mit anderen, zunächst fremden Studierenden aus anderen Fachbereichen, zusammen zu arbeiten und Probleme zu lösen. Keiner der beteiligten Professoren hätten ihnen all dies vermitteln können. Die Professoren schufen einen Raum, sie schenkten Vertrauen, sie gaben gelegentlich auf Rückfragen Feedback, und haben selbst jedes mal eine Menge gelernt.
  8. Wo sollen aber Professoren herkommen, die Studierenden Vertrauen schenken, wenn die Gesellschaft schon ihre junge Generation nur als Verfügungsmasse für aktuelle Defizite betrachtet? Wo sollen solche Professoren herkommen, wenn ihnen heute schon bei der Einstellung gesagt wird, sie müssen auf jeden Fall viel Geld einwerben, da sie ansonsten keine gute Professoren sind?
  9. Es gibt hier viele offene Fragen. Ich konnte auch nur einige der vielen Aspekte ansprechen, die hier anzusprechen wären. Es ist bedauerlich, dass die Hochschulen selbst, ja, dass nicht einmal die Professoren selbst, genau über diese Fragen kaum diskutieren. Die Leistungsanforderungen sind im Alltag (entgegen dem Klischee außerhalb der Hochschulen, dass Professoren ja soviel Zeit haben) permanent so hoch, dass selbst ein normales Gespräch zwischen nur zwei Kollegen eine organisatorische Herausforderung darstellt. Böse Zungen und Verschwörungstheoretiker würden jetzt sofort vermuten, dass dies System habe; dass die Politik auf diese Weise kritische Stimmen mundtot machen möchte, um die Hochschulen von kritisch-kreativen Orten in dumpfe Ausführungsorgane der Politik zu verwandeln. Bewusst sicher nicht.

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INDIVIDUUM vs. SYSTEM: Wenn das Individuum tot ist wird das System sterben …

1. Die folgenden Überlegungen müsste man eigentlich mit viel Mathematik und Empirie untermauert hinschreiben. Da ich aber auf Wochen absehbar dazu nicht die Zeit haben werde, ich den Gedanken trotzdem wichtig finde, notiere ich ihn so, wie er mir jetzt in die Finger und Tasten fließt …

PARADOX MENSCH Mai 2012

2. Am 4.Mai 2012 – also vor mehr als 2 Jahren – hatte ich einen Blogeintrag geschrieben (PARADOX MENSCH), in dem ich versucht hatte, anzudeuten, wie der eine Mensch in ganz unterschiedlichen ’sozialen Rollen‘, in ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten vorkommt und dort, je nach Handlungs-, Wissens- und Werteraum ganz verschiedene Dinge tun kann. Derselbe Mensch kann hundert Tausende für sich bis zum umfallen Arbeiten lassen und selbst dabei ‚reich‘ und ‚genussvoll‘ in den Tag hinein leben oder er kann als genau dieser einzelner in einer Werkhalle stehen und für einen Hungerlohn bei miserablen Bedingungen sein Leben aufarbeiten, ohne viel darüber nachdenken zu können, wie er sein Leben ändern könnte. Der Mensch in der Werkhalle kann viel intelligenter, viel begabter sein als der, der die hundert Tausende befehligt, aber der in der Werkhalle hat keine sozialen Räume, um diese seine Begabungen ausleben zu können. Vielleicht wäre er ein mathematisches Genie, ein großer Pianist, ein begnadeter Architekt, eine wunderbare Krankenschwester, ein(e) …. wir werden es in der aktuellen Situation nicht wissen, es sei denn …

3. Was sich in dem Blogeintrag von 2012 andeutet, aber nicht explizit ausgeführt wird, das ist diese ‚doppelte Sicht‘ auf die Wirklichkeit:

INDIVIDUELL-SUBJEKTIV, SYSTEMISCH – TRANSSUBJEKTIV

4. als Individuen, als einzelne ‚erleben‘ wir die Welt aus unserer subjektiven Perspektive, mit unserem einzelnen Körper, finden uns vor in einem gesellschaftlichen Kontext, der uns als Kinder ‚empfängt‘ und der von Anfang an ‚mit uns umgeht‘. Als Kinder können wir fast nichts machen; wir sind ‚Gegenstand‘ dieser Prozesse‘, sehr oft einfach nur ‚Opfer‘; der Prozess ‚macht mit uns‘ etwas. Wie wir wissen können, gibt es hier die volle Bandbreite zwischen Hunger, Quälereien, Missbrauch, Folter, Arbeit bis hin zu friedlicher Umgebung, umsorgt werden, genügend (zu viel) zu Essen haben, spielen können, lernen können usw.

5. Wir erleben die Welt aus dieser EGO-Perspektive mit dem individuellen Körper, seinem Aussehen, seiner Motorik, seinen Eigenheiten in einer Umgebung, die ihre Spielregeln hat, unabhängig von uns. Wir gewinnen ein BILD von uns, das sich über die Umgebung formt, bildet, zu unserem Bild über uns wird, eine Rückspiegelung von uns unter den Bedingungen der Umgebung. Jemand hat die Begabung zu einem Ingenieure, wird aber immer nur belohnt und unterstützt, wenn er etwas ganz anderes macht, also wird er normalerweise nie Ingenieure werden. … Wer nur überlebt, wenn er lernt sich anzupassen oder andere mit Gewalt niederhält, permanent Angst um sich verbreitet, der wird selten zu einem ‚friedlichen‘, ‚umgänglichen‘ Gegenüber …

6. Aus Sicht ‚der Welt‘, der sozialen Struktur, der Firma, der Behörde, kurz, aus Sicht ‚des Systems‘ ist ein einzelner immer dasjenige ‚Element‘, das ‚im Sinne des Systems‘ ‚funktioniert‘! Wer Lehrer in einer Schule geworden ist, wurde dies nur, weil es das ‚System Schule‘ gibt und der einzelne bestimmte ‚Anforderung‘ ‚erfüllt‘ hat. Solange er diese Anforderungen erfüllt, kann er in dem ‚System Schule‘ das Element genannt ‚Lehrer‘ sein.

7. Das System interessiert sich nicht dafür, ob und wie das einzelne Element Lehrer auf seiner subjektiven Seite die alltäglichen Ereignisse, Erlebnisse, Anforderungen verarbeitet, verarbeiten kann; wenn das Element ‚Lehrer‘ im Sinne des Systems ‚Schwächen‘ zeigt, Anforderungen länger nicht erfüllen kann, dann muss das System dieses ’schwächelnde Element‘ ‚entfernen‘, da es ansonsten sich selbst schwächen würde. Das ‚System Schule‘ als gesellschaftliches System bezieht seine Berechtigung aus der Systemleistung. Wird diese nicht erbracht, dann gerät es – je nach Gesellschaft – unter Druck; dieser Druck wird auf jedes einzelne Element weiter gegeben.

8. Solange ein einzelnes Element die Systemanforderungen gut erfüllen kann bekommt es gute Rückmeldungen und fühlt sich ‚wohl‘. Kommt es zu Konflikten, Störungen innerhalb des Systems oder hat das individuelle Element auf seiner ’subjektiven Seite‘ Veränderungen, die es ihm schwer machen, die Systemanforderungen zu erfüllen, dann gerät es individuell unter ‚Druck‘, ‚Stress‘.

9. Kann dieser Druck auf Dauer nicht ‚gemildert‘ bzw. ganz aufgelöst werden, wird der Druck das individuelle Element (also jeden einzelnen von uns) ‚krank‘ machen, ‚arbeitsunfähig‘, ‚depressiv‘, oder was es noch an schönen Worten gibt.

MENSCHENFREUNDLICHE SYSTEME

10. In ‚menschenfreundlichen‘ Systemen gibt es Mechanismen, die einzelnen, wenn Sie in solche Stresssituationen kommen, Hilfen anbieten, wie der Druck eventuell aufgelöst werden kann, so dass das individuelle Element mit seinen Fähigkeiten, Erfahrungen und seinem Engagement mindestens erhalten bleibt. In anderen – den meisten ? — Systemen, wird ein gestresstes Element, das Ausfälle zeigt, ‚ausgesondert‘; es erfüllt nicht mehr seinen ’systemischen Zweck‘. Welche der beiden Strategien letztlich ’nachhaltiger‘ ist, mehr Qualität im System erzeugt, ist offiziell nicht entschieden.

11. In ‚menschenfreundlichen Gesellschaftssystemen‘ ist für wichtige ‚Notsituationen = Stresssituationen‘ ‚vorgesorgt‘, es gibt systemische ‚Hilfen‘, um im Falle von z.B. Arbeitslosigkeit oder Krankheit oder finanzieller Unterversorgung unterschiedlich stark unterstützt zu werden. In weniger menschenfreundlichen Systemen bekommt das einzelne Element, wenn es vom ‚System‘ ‚ausgesondert‘ wird, keinerlei Unterstützung; wer dann keinen zusätzlichen Kontext hat, fällt ins ‚gesellschaftliche Nichts‘.

12. Unabhängig von ökonomischen und gesellschaftlichen Systemen bleiben dann nur ‚individuell basierte Systeme‘ (Freundschaften, Familien, Vereine, private Vereinigungen, …), die einen ‚Puffer‘ bilden, eine ‚Lebenszone‘ für all das, was die anderen Systeme nicht bieten.

INDIVIDUELLE GRATWANDERUNG

13. Ein einzelner Mensch, der sein Leben sehr weitgehend darüber definiert, dass er ‚Systemelement‘ ist, d.h. dass er/sie als Element in einem System S bestimmte Leistungen erbringen muss, um ‚mitspielen‘ zu können, und der für dieses ‚Mitspielen‘ einen ‚vollen Einsatz‘ bringen muss, ein solcher Mensch vollzieht eine permanente ‚Gratwanderung‘.

14. Da jeder einzelne Mensch ein biologisches System ist, das einerseits fantastisch ist (im Kontext des biologischen Lebens), andererseits aber natürliche ‚Grenzwerte‘ hat, die eingehalten werden müssen, damit es auf Dauer funktionieren kann, kann ein einzelner Mensch auf Dauer als ‚Element im System‘ nicht ‚absolut‘ funktionieren; es braucht Pausen, Ruhezonen, hat auch mal ’schwächere Phasen‘, kann nicht über Jahre vollidentisch 100% liefern. Dazu kommen gelegentliche Krankheiten, Ereignisse im ‚privaten Umfeld, die für die ‚Stabilisierung‘ des einzelnen wichtig sind, die aber nicht immer mit dem ‚System‘ voll kompatibel sind. Je nach ‚Menschenunfreundlichkeit‘ des Systems lassen sich die privaten Bedürfnisse mit dem System in Einklang bringen oder aber nicht. Diese zunächst vielleicht kleinen Störungen können sich dann bei einem menschenunfreundlichem System auf Dauer zu immer größeren Störungen auswachsen bis dahin, dass das einzelne individuelle Element nicht mehr im System funktionieren kann.

15. Solange ein einzelnes Element nur seine ’subjektive Perspektive‘ anlegt und seine eigene Situation nur aus seiner individuellen Betroffenheit, seinem individuellen Stress betrachtet, kann es schnell in eine Stimmung der individuellen Ohnmacht geraten, der individuellen Kraftlosigkeit, des individuellen Versagens verknüpft mit Ängsten (eingebildeten oder real begründet), und damit mit seinen negativen Gefühlen die negative Situation weiter verstärken. Das kann dann zu einem negativen ‚Abwärtsstrudel‘ führen, gibt es nicht irgendwelche Faktoren in dem privaten Umfeld, die dieses ‚auffangen‘ können, das Ganze zum ‚Stillstand‘ bringen, ‚Besinnung‘ und ’neue Kraft‘ ermöglichen und damit die Voraussetzung für eine mögliche ‚Auflösung der Stresssituation‘ schaffen.

16. Menschen, die annähernd 100% in ihr ‚Element in einem System‘ Sein investieren und annähernd 0% in ihr privates Umfeld, sind ideale Kandidaten für den individuellen Totalcrash.

17. ‚Plazebos‘ wie Alkohol, Drogen, punktuelle Befriedigungs-Beziehungen, bezahlte Sonderevents und dergleichen sind erfahrungsgemäß keine nachhaltige Hilfe; sie verstärken eher noch die individuelle Hilflosigkeit für den Fall, dass es ernst wird mit dem Stress. Denn dann helfen alle diese Plazebos nichts mehr.

WAS WIRKLICH ZÄHLT

18. Das einzige, was wirklich zählt, das sind auf allen Ebenen solche Beziehungen zu anderen, die von ‚tatsächlichem‘ menschlichen Respekt, Anerkennung, Vertrautheit, Zuverlässigkeit, und Wertschätzung getragen sind, dann und gerade dann, wenn man phasenweise seine ‚vermeintliche Stärke‘ zu verlieren scheint. Das umfasst private Wohnbereiche zusammen mit anderen sowie ‚echte‘ Freundschaften, ‚echte‘ Beziehungen, ‚gelebte‘ Beziehungsgruppen, ‚Gefühlter Sinn‘, und dergleichen mehr.

LOGIK DES SYSTEMS

19. Die ‚Logik der Systeme‘ ist als solche ’neutral‘: sie kann menschenrelevante Aspekte entweder ausklammern oder einbeziehen. Solange es ein ‚Überangebot‘ an ‚fähigen Menschen‘ für ein System gibt, kann es vielleicht menschenrelevante Aspekte ‚ausklammern‘, solange das ‚gesellschaftliche Umfeld‘ eines Systems die ‚Störungen absorbiert‘. Wie man weiß, kann aber die ‚Qualität‘ eines Systems erheblich leiden, wenn es die ‚menschenrelevanten‘ Aspekte zu stark ausklammert; auch wird ein gesellschaftliches Umfeld – wie uns die Geschichte lehrt – auf Dauer ab einem bestimmten Ausmaß an zu absorbierenden Störungen instabil, so dass auch die für sich scheinbar funktionierenden Systeme ins Schwanken geraten. Die Stabilität eines Systems ist niemals unabhängig von seiner Umgebung. So führte historisch eine auftretende krasse Vermögens- und Arbeits-Ungleichverteilung immer wieder zu starken Turbulenzen, Revolutionen, in denen Menschen sich wehren. Denn letztlich sind alle absolut gleich, jeder hat die gleichen Rechte. Das einseitige Vorenthalten von Rechten bei den einen und die einseitige Privilegierung für wenige andere hat nahezu keine Begründung in einem persönlichen Besser sein, sondern ist fast ausschließlich systemisch-historisch bedingt. Da ‚Privilegieninhaber‘ von sich aus fast nie freiwillig auf ihre Privilegien verzichten wollen und alles tun, um diese ‚abzusichern‘, wird ein systemisches Ungleichgewicht in der Regel immer schlechter; dies ist nicht nachhaltig; letztendlich führt es zur De-Stabilisierung und damit in chaotische Zustände, in der es nicht notwendig ‚Gewinner‘ geben muss, aber auf jeden Fall viele Verlierer.

20. Ein ganz anderer Aspekt ist die globale Verarmung aller Systeme, die die individuellen Potentiale systemisch unterdrücken. Da fast jeder Mensch gut ist für etwas Besonderes, führt die ‚Einkastelung‘ der Individuen in ‚tote Elemente‘ eines Systems zwangsläufig zu einer ungeheuren Ressourcenverschwendung und Verarmung, die dem System selbst wertvollste Ressourcen entzieht. Der ‚Tod des Individuums‘ ist daher auf Dauer auch über die ‚Verarmung‘ des Systems auch ein ‚Tod des Systems‘. Jedes System, das nachhaltig die Potentiale seiner Individuen samt ihrer Privatheit besser fördert und entwickelt als ein Konkurrenzsystem, wird auf Dauer besser und stabiler sein.

Einen Überblick über alle bisherige Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

HABEN WIR EIN PROBLEM? – Zur Problematik des kognitiven WIR-Modells

ALLTÄGLICHE PROBLEME

1. Wenn man sich die täglichen Nachrichtenmeldungen anschaut, die über die diversen Medien zugänglich sind — trotz ihrer großen Zahl sicher nur eine kleine Auswahl dessen, was tatsächlich alles passiert –, dann könnte man dazu neigen, zu sagen, dass die Frage aus der Überschrift dumm und lächerlich ist: natürlich haben wir Probleme, viel zu viele.
2. Doch sind diese ‚täglichen Probleme‘ nicht das, was ich meine. Dass einzelne Personen gestresst sind, krank werden, leiden, sterben, überall auf der Welt, in jedem Land (wenn auch mit unterschiedlichen Randbedingungen), das gehört quasi zum konkreten Leben dazu. Dafür kann man ‚Randbedingungen‘ verantwortlich machen: Gesetze, wirtschaftliche Bedingungen, korrupte Verhaltensweisen von Institutionen, schlechte Organisationen von Institutionen, spezielle agrarische oder klimatische Konstellationen, usw. Mit diesen kann (und muss!) man sich auseinandersetzen.
3. Man kann das Ganze auch noch eine Nummer größer betrachten: den Einfluss ganzer Nationen oder gar der ganzen Menschheit auf die Natur: Auslutschen vorhandener nicht erneuerbarer Ressourcen, Umweltzerstörungen als Einengung der verfügbaren Lebensbasis, Zerstörung der Ökologie der Meere bis hin zur Ausrottung von immer mehr Lebensformen im Meer, Vernichtung von Lebensformen auf dem Land, Verlust der Kontrolle wichtiger Wachstumsprozesse, usw. Auch mit diesen müssen wir uns auseinandersetzen, wollen wir überleben. Wobei man sich hier fragen ob wir überhaupt ‚überleben wollen‘? Und wer sind ‚wir‘? Gibt es dieses ‚wir‘ überhaupt, das sich über alle Kulturen und Nationen hinweg als ‚innere Einheit‘ in der Vielfalt zeigt, die aus Vielfalt kein ‚Chaos‘ macht, sondern ’nachhaltige Ordnung‘?

TREND DER EVOLUTION

4. Hier nähern wir uns dem, was ich mit ‚Problem‘ meine. Wenn alle bisherigen Überlegungen im Blog zutreffen, dann manifestiert sich die Besonderheit des Phänomens Lebens in dem unübersehbaren ‚Trend‘ zu immer mehr Komplexität in mindestens den folgenden Richtungen: (i) individuelle biologische Systeme werden immer komplexer; (ii) dadurch werden immer komplexere Interaktionen und damit Koordinierungen möglich; (iii) es entstehen biologisch inspirierte nicht-biologische Systeme als artifizielle (= technologische) Systeme, die in das biologische Gesamtphänomen integriert werden; (iv) sowohl das Individuum als auch die Gesamtheit der Individuen unterstützt von der Technologie wirken immer intensiver und nachhaltiger auf ’sich selbst‘ und auf das Gesamtsystem zurück; (v) aufgrund der entstandenen kulturellen Vernetzungsmuster (schließt politische Subsysteme mit ein) können einzelne Individuen eine ‚Verfügungsgewalt‘ bekommen, die es ihnen erlaubt, als individuelle Systeme (trotz extrem limitierten Verstehen) große Teile des Gesamtsystems konkret zu verändern (positiv wie negativ); (vi) die schiere Zahl der Beteiligten und die anschwellende Produktion von Daten (auch als Publikationen) hat schon lange die Verarbeitungskapazität einzelner Individuen überschritten. Damit verlieren kognitive Repräsentationen im einzelnen mehr und mehr ihren Zusammenhang. Die Vielfalt mutiert zu einem ‚kognitiven Rauschen‘, durch das eine ‚geordnete‘ kognitive Verarbeitung praktisch unmöglich wird.

VERANTWORTUNG, KOORDINIERUNG, WIR

5. Die Frage nach der ‚Verantwortung‘ ist alt und wurde zu allen Zeiten unterschiedlich beantwortet. Sie hat eine ‚pragmatische‘ Komponente (Notwendigkeiten des konkreten Überlebens) und eine ‚ideologische‘ (wenige versuchen viele für ihre persönlichen Machtinteressen zu instrumentalisieren). Der ‚Raum‘ der ‚Vermittlung von Verantwortung‘ war und ist immer der Raum der ‚Interaktion und Koordination‘: dort, wo wir versuchen, uns zu verständigen und uns zu koordinieren, dort stehen wir vor der Notwendigkeit, uns wechselseitig Dinge zu ‚repräsentieren‘, damit evtl. zu ‚erklären‘, und dadurch vielleicht zu ‚motivieren‘. Ein mögliches ‚WIR‘ kann nur in diesem Wechselspiel entstehen. Das ‚WIR‘ setzt die Dinge zueinander in Relation, gibt dem einzelnen seine ‚individuelle Rolle‘. Nennen wir das ‚Repräsentieren von Gemeinsamkeiten‘ und die damit evtl. mögliche ‚Erklärung von Gegebenheiten‘ mal das ‚kognitive WIR-Modell‘.

6. Es kann sehr viele kognitive WIR-Modelle geben: zwischen zwei Personen, zwischen Freunden, in einer Institution, in einer Firma, in einem Eisenbahnabteil, …. sie alle bilden ein ‚Netzwerk‘ von kognitiven WIR-Modellen; manche kurzfristig, flüchtig, andere länger andauernd, nachhaltiger, sehr verpflichtend. Kognitive WIR-Modelle sind die ‚unsichtbaren Bindeglieder‘ zwischen allen einzelnen.

KOGNITIVE WIR-MODELLE IM STRESS

7. Jeder weiß aus seiner eigenen Erfahrung, wie schwer es sein kann, schon alleine zwischen zwei Personen ein kognitives WIR-Modell aufzubauen, das die wichtigsten individuellen ‚Interessen‘ ‚befriedigend‘ ‚integriert/erklärt‘. Um so schwieriger wird es, wenn die Zahl der Beteiligten zunimmt bzw. die Komplexität der Aufgabe (= wir sprechen heute oft und gerne von ‚Projekten‘) ansteigt. Der Bedarf an Repräsentationen und vermittelnder Erklärung steigt rapide. Die verfügbare Zeit nimmt in der Regel aber nicht entsprechend zu. Damit steigt der Druck auf alle Beteiligten und die Gefahr von Fehlern nimmt überproportional zu.
8. Man kann von daher den Eindruck gewinnen, dass das Problem der biologischen Evolution in der aktuellen Phase immer mehr zu einem Problem der ‚angemessenen kognitiven Repräsentation‘ wird, gekoppelt an entsprechende ‚koordinierende Prozesse‘. Moderne Technologien (speziell hier Computer und Computernetzwerke) haben zwar einerseits das Repräsentieren und die ‚Gemeinsamkeit‘ des Repräsentierten dramatisch erhöht, aber die kognitiven Prozesse in den individuellen biologischen Systemen hat nicht in gleicher Weise zugenommen. Sogenannte soziale Netze haben zwar gewisse ‚Synchronisationseffekte‘ (d.h. immer mehr Gehirne werden auf diese Weise ‚kognitive gleichgeschaltet), was den Aufbau eines ‚kognitiven WIRs‘ begünstigt, aber durch den limitierenden Faktor der beteiligten individuellen Gehirne kann die Komplexität der Verarbeitung in solchen sozialen Netzen nie sehr hoch werden. Es bilden sich ‚kognitive WIR-Modell Attraktoren‘ auf niedrigem Niveau heraus, die die beteiligten als ‚kognitiv angenehm‘ empfinden können, die aber die tatsächlichen Herausforderungen ausklammern.

OPTIMIERUNG VON KOGNITIVEN WIR-MODELLEN

9. An dieser Stelle wäre auch die Rolle der offiziellen Bildungsinstitutionen (Kindergarten, Schule, Betrieb, Hochschule…), zu reflektieren. In welchem Sinne sind sie bereit und fähig, zu einer Verbesserung der kognitiven WIR-Modelle beizutragen?
10. Das Problem der ‚Optimierung‘ der kognitiven Selbstmodelle verschärft sich dadurch, dass man allgemein einen Sachverhalt X nur dann optimieren kann, wenn man einen Rahmen Y kennt, in den man X so einordnen kann, dass man weiß, wie man unter Voraussetzung des Rahmens Y einen Sachverhalt X zu einem Sachverhalt X+ optimieren kann. Der ‚Rahmen‘ ist quasi ein ‚kognitives Meta-Modell‘, das einen erst in die Lage versetzt, ein konkretes Objekt-Modell zu erarbeiten. Im Alltag sind diese ‚Rahmen‘ bzw. ‚Meta-Modelle‘ die ‚Spielregeln‘, nach denen wir vorgehen. In jeder Gesellschaft ist grundlegend (oft implizit, ’stillschweigend‘) geregelt, wann und wie eine Person A mit einer Person B reden kann. Nicht jeder darf mit jedem zu jedem Zeitpunkt über alles reden. Es gibt feste Rituale; verletzt man diese, kann dies weitreichende Folgen haben, bis hin zum Ausschluss aus allen sozialen Netzen.
11. Sollen also die kognitiven WIR-Modelle im großen Stil optimiert werden, brauchen wir geeignete Meta-Modelle (Spielregeln), wie wir dies gemeinsam tun können. Einfache Lösungen dürfte in diesem komplexen Umfeld kaum geben; zu viele Beteiligten und zu viele unterschiedliche Interessen sind hier zu koordinieren, dazu ist die Sache selbst maximal komplex: es gibt — nach heutigem Wissensstand — kein komplexeres Objekt im ganzen Universum wie das menschliche Gehirn. Das Gehirn ist so komplex, dass es sich prinzipiell nicht selbst verstehen kann (mathematischer Sachverhalt), selbst wenn es alle seine eigenen Zustände kennen würde (was aber nicht der Fall ist und auch niemals der Fall sein kann). Die Koordinierung von Gehirnen durch Gehirne ist von daher eigentlich eine mathematisch unlösbare Aufgabe. Dass es dennoch bis jetzt überhaupt soweit funktioniert hat, erscheint nur möglich, weil es möglicherweise ‚hinter‘ den beobachtbaren Phänomenen Gesetzmäßigkeiten gibt, die ‚begünstigen‘, diese unfassbare Komplexität partiell, lokal ‚einzuschränken‘.

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MENSCHWERDUNG GOTTES – UND WIR – Teil 2

(Letzte Änderung im Anhang: 9.Jan.2013)

  1. In meinem Blog vom 24.Dez.2012 (siehe: https://www.cognitiveagent.org/2012/12/24/weihnachten-2012-menschwerdung-gottes-und-wir/ ) — etwa ab Nr.11 – habe ich versucht jene Eckwerte zu benennen, die aus heutiger Sicht gelten, wenn wir über die mögliche Beziehung eines jeden Menschen (letztlich von jedem Lebewesen, von jedem Materiellen, von allem in diesem Universum) zu Dem-mit-‚Gott‘-Gemeinten nachdenken. Ich möchte dabei nochmals betonen, dass ich diesen Eintrag am 24.Dez. spontan geschrieben habe; ich hatte nicht vor, dazu etwas zu schreiben. Aber dann habe ich es irgendwie doch getan und bin selbst ein wenig überrascht von dem, was dabei ‚zutage‘ getreten ist…
  2. Das Problem mit diesem Blogeintrag vom 24.Dez.2012 ist, dass diese Gedanken, sofern sie ‚wahr‘ sind, eigentlich ‚über sich‘ hinaus weisen in dem Sinne, das jeder Mensch, jeder Zeit, überall, mit Gott in unmittelbarer Beziehung steht und diese Beziehung individuell persönlich jederzeit nutzen und ausgestalten kann (ein Gedanke, der sich sowohl im alten Testament (Ursprache Hebräisch mit frühen Übersetzungen u.a. ins Lateinische und Griechische) an vielen Stellen findet (u.a. Propheten Jeremiah und Jesajah) wie auch im Neuen Testament (Jesus ’selbst‘ (mit einer letzten Unsicherheit immer, da bei keinem Text sicher ist, wieweit er auf Jesus selbst zurückgeht) wie auch die Bilder von der ‚Geistaussendung‘ nach dem Tod Jesu wie auch u.a. der berichteten Gotteserfahrung des Saulus, ebenfalls nach dem Tod Jesu, die ihn dazu brachte, sein Leben zu ändern). (Anmerkung: während Jesus eher Aramäisch/ Hebräisch gesprochen haben soll, ist der Urtext des Neuen Testaments das damalige Umgangsgriechisch (Koine). Allein schon aus diesem Sachverhalt ergibt sich, dass zwischen den Worten Jesu und den unbekannten Autoren des griechischen Textes verschiedene Übersetzungs- und damit Interpretationsprozesse stattgefunden haben müssen).
  3. Jetzt kann man sich spontan fragen, na und, wenn das so ist, warum kann ich dann nicht direkt mit Dem-mit-‚Gott‘-Gemeinten sprechen? Diese Frage haben sich in der Vergangenheit schon sehr viele Menschen gestellt, viele viele Tausend, und nicht wenige viele viele Tausend haben von sich gesagt, dass Sie in ihrem Leben etwas erfahren haben, was sie als ‚Erfahrung mit Gott‘ bezeichnen würden. Man denke z.B. nur an das wunderbare Buch des berühmten Psychologen William James (1842-1910) The Varieties of Religious Experience, in dem er versucht, die historischen Berichte von Menschen über ihre Gotteserfahrung so ‚empirisch wie möglich‘ zu rekonstruieren. Aber seit dem Tod Jesu (von entprechenden Erfahrungen außerhalb der christlichen Religion(en) gar nicht zu reden) gab es unfassbar viele Menschen, die solches erfahren und berichtet haben. Besonders gut dokumentiert sind natürlich die Erfahrungen jener Männer und Frauen, die durch das, was sie ihre Erfahrung mit Dem-mit-‚Gott‘-Gemeinten nennen, dann ihr Leben soweit geändert haben, dass dies für ihre Umgebung ’sichtbar‘ und erfahrbar wurde. Unter diesen ragen dann nochmals besonders jene hervor, die durch ihre veränderte Lebensweise andere Menschen so beeindruckt haben, dass Sie ‚religiöse Lebensgemeinschaften‘ gebildet haben, auch solche, die dann innerhalb der Kirchen ‚offiziell anerkannt‘ wurden als solche religiöse Lebensgemeinschaften, kurz ‚Orden‘ genannt (ich selbst war einmal 22 Jahre Mitglied eines solchen Ordens).
  4. Klingt das nicht wunderbar: viele, viele tausend Menschen erfahren etwas, das sie mit Dem-mit-‚Gott‘-Gemeinten in Verbindung bringen, gestalten ihr Leben daraufhin merklich neu, manchmal sehr radikal, um ein ‚Zeichen‘ zu setzen? Sie initiieren neue sozial Strukturen in Form neuer Lebensgemeinschaften, die z.T. nicht nur Generationen, sondern sogar Jahrhunderte überdauern, quer zu sozialen Schichten, quer zu Nationalitäten. Ja, in gewisser Weise ist es wunderbar, geradezu unfassbar: z.T. entgegen herrschenden gesellschaftlichen Regeln ohne Rücksicht auf ‚übliche‘ gesellschaftliche ‚Würden‘, ohne Rücksicht auf soziale Absicherung usw. haben religiöse Menschen in der Vergangenheit ihren Alltag, ihre Zeit gestalterisch gelebt.
  5. Bei aller Begeisterung muss man aber auch hier nüchtern bleiben und feststellen, neben vielen wunderbaren Beispielen gab und gibt es auch die Beispiele, bei denen man den Eindruck hat, dass es bei dieser Art ‚religiöser Lebensgestaltung‘ um alles andere geht als um eine Lebensführung, die in einer lebendigen Beziehung mit Dem-mit-‚Gott‘-Gemeinten steht, d.h. ‚Verirrung‘ und ‚Missbrauch‘ sind auch hier niemals gänzlich ausgeschlossen; nur weil einer eine religiöse Beziehung leben will heißt dies natürlich nicht automatisch, dass er dies auch tatsächlich kann. Warum eigentlich nicht? Ist Das-mit-‚Gott‘-Gemeinte nicht per se so ‚allmächtig‘, dass dann ‚alles geht‘, dass dann ‚alles erkannt wird‘, dass man dann nur noch ‚gut‘ ist?
  6. Hier nähern wir uns dem zentralen Punkt einer ‚Lebensführung‘, die vollständig aus einer Beziehung zu Dem-mit-‚Gott‘-Gemeinten geschehen soll.
  7. Auch wenn wir nach dem heutigen Wissensstand sagen können, dass die Lebensform des homo sapiens sapiens als Teil eines umfassend gigantischen Komplexes genannt ‚Leben‘ mit zu den absolut unglaublichsten Erscheinungen gehört, von denen wir im bekannten Universum bislang Kenntnis erlangt haben, so wissen wir auch, dass dieser homo sapiens sapiens, als jeder von uns, die wir uns Menschen nennen, in seiner konkreten leiblichen Existenz einer Reihe von materiellen Bedingungen unterworfen ist, die die Art und Weise festlegen, wie wir wahrnehmen, erinnern und denken können, welche körperlichen Bedürfnisse wir haben, welche emotionalen Zustände wir empfinden können, wie wir mittels Sprache (= Symbolen) uns mitteilen können, usw. Mit diesem konkreten Körper, so wie er jetzt ist (im Rahmen der Evolution und den neuen Möglichkeiten der Gentechnologie aber nicht sein muss und sich zwangsläufig weiter verändern wird), gibt es ganz klar Dinge, wie wir aktuell können, vor allem aber auch, die wir aktuell NICHT können.
  8. Wenn jemand also glaubt, dass Das-mit-‚Gott‘-Gemeinte Teile dieser aktuellen konkreten Struktur außer Kraft setzen würde, der irrt. Warum sollte Das-mit-‚Gott‘-Gemeinte dies tun nachdem – bleiben wir in diesem Bild – es/ er/ sie sich ca. 13.6 Mrd Jahre Zeit genommen hat, um dieses unglaubliche Wunderwerk Leben und darin den homo sapiens sapiens so ‚enstehen‘ zu lassen, wie er nun mal entstanden ist. Bedenkt man das (letztlich alle Vorstellungen sprengende) Potential, das notwendig sein musste, damit das bekannte Universum entstehen konnte, dann wäre es ‚im Prinzip‘ natürlich ein Leichtes, in jedem Moment alles ‚zu verändern‘. Doch, warum sollte dies geschehen. Der ‚Sinn‘ des Ganzen – sofern es überhaupt einen Sinn gibt – liegt ja gerade in dieser Konkretheit des Gewordenen, darin, wie es ‚ist‘, etwas , das uns die sogenannten Naturwissenschaften in den letzten 100 – 500 Jahren mühevoll, schrittweise, aufzeigen konnten (wobei dieser Prozess sicher noch nicht an seinem Ende angekommen ist).
  9. Der Hang zur Wundergläubigkeit bis hin zu allen möglichen Spielarten von sogenannter Magie – auffindbar zu allen Zeiten, quer zu allen Kulturen, auch in den Religionen — entspringt kindlichen Machtfantasien gepaart mit einer gehörigen Portion Unwissenheit, mit denen Menschen gerne ihre scheinbare Kleinheit und Hilflosigkeit im Alltag vergessen machen möchten. Es ist wie eine Art ‚kognitiver Droge‘. Letztlich verdunkeln solche Gedanken aber die Erkenntnis dessen was wirklich ist. Und das, was ‚wirklich‘ ist, enthält real mehr und größere Wunder als alles, was wir uns gewöhnlich so vorzustellen vermögen (verglichen damit selbst die wildestens Wunder-, Magie- und Horrorgeschichten wirklich nur ‚Kinderkram‘ sind).
  10. Also, wir, Exemplare der Art homo sapiens mit der Unterart homo sapiens sapiens, sind während unseres körperlichen Daseins sehr konkreten Bedingungen unterworfen, die aus einem Prozess hervorgegangen sind, der nach heutigem Erkenntnisstand ca. 13.6 Milliarden Jahre gedauert hat. Nimmt man an, dass dies alles einem ‚göttlichen Plan‘ entspricht (man muss dies nicht annehmen, aber wir tun jetzt mal so, als ob es so wäre), dann muss man akzeptieren, dass es genau diese ‚Konkretheit‘ ist, in und durch die sich ‚etwas aussagen kann‘ (sofern überhaupt etwas ausgesagt werden soll). In religiösen Termini würde man hier von einer möglichen ‚Offenbarung‘ (lat.: ‚revelatio‘) sprechen, nämlich einer Art ‚Sichtbarwerdung‘ von Strukturen, Sachverhalten, die vor dieser Sichtbarwerdung einfach nicht bekannt waren, und deren Sichtbarwerdung dem menschlichen Erkennen und Wollen vorausgeht. In unserem menschlichen Erkennen finden wir dies alles vor, einschließlich unserer selbst. Allerdings, und das haben wir in den letzten paar tausend Jahre mühsam gelernt (bzw. konnten wir lernen), ist der Prozess als solcher eine Sache, unsere Kenntnisnahme von diesem Prozess bzw. unser Verstehen dessen, was man zur Kenntnis nehmen kann, war bislang sehr langsam, eher mühsam, schleppend. Vielleicht kann man sagen, dass er sich in den letzten 100 bzw. 50 Jahren ‚beschleunigt‘ hat. Auf jeden Fall ist das Hauptproblem – soweit wir heute erkennen können – nicht der ‚Mangel‘ an Wahrheit in Form von sich ereignenden Prozessen von schier unfassbaren Eigenschaften, sondern unsere Schwachheit und Unfähigkeit das, was sich ereignet, ‚zur Kenntnis‘ zu nehmen. Wir sind die meiste Zeit entweder mit ‚Überlebensfragen‘ beschäftigt oder ‚mit uns selbst‘ und haben kaum bis gar keine Zeit, um unsere Fähigkeit zu ‚Wissen‘, zu ‚Verstehen‘ und dieses Wissen ‚praktisch zu nutzen‘ zu entwickeln. D.h. wir paralysieren uns selbst.
  11. Bislang war es so, dass alles, einschließlich uns selbst, entstanden ist, ohne dass wir – bildlich gesprochen – den kleinsten Finger dafür krumm gemacht hätten. Dies ging nicht ohne große Dramen ab, verglichen mit denen die Katastrophen der letzten paar tausend Jahre winzig erscheinen. Dennoch scheint der Prozess des Lebens im Universum eine neue Qualität dahingehend gewonnen zu haben, dass dieser Prozess mit dem homo sapiens sapiens eine Spezies hervorgebracht hat, die nicht nur erstmalig ’sich selbst‘ in einem kleinen Umfang verstehen kann, sondern mit dem aktuell möglichen begrenzten Verstand immerhin so viele Kräfte der Natur nutzen und verändern kann, dass eine Auslöschung des gesamten Lebens prinzipiell nicht mehr unmöglich ist. Ein wichtiger Bestandteil des Universums – nach heutigem Kenntnisstand – wäre damit zerstört. Damit bekommt die aktuelle ‚Geistigkeit‘ der Spezies homo sapiens sapiens eine neue Qualität: das ‚Mehr‘ an ‚Migestaltungsmöglichkeiten‘ zieht ein ‚Mehr‘ an ‚Verantwortung‘ nach sich. Dabei geht es niemals nur um einen einzelnen. Es geht immer um das ‚Ganze‘ des Lebens. Aus Sicht des einzelnen mag dies Ganze oft so ‚unwirklich‘ erscheinen, aber jeder einzelne existiert in einem umfassenden Sinne nur und ausschließlich weil es dieses Ganze gibt, von dem er in jedem Augenblick zu 99,9999… % abhängig ist. All sogenannten Ethiken, Moralvorstellungen, Gesetze und dergleichen, die dies nicht artikulieren, sind im Ansatz schlicht und einfach falsch. Sie widersprechen diametral der grundlegenden Wahrheit des Lebens.
  12. … eigentlich noch nicht zu Ende ..

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Hier als Anhang ein musikalisches Fragment aus meinen Experimenten: Sternenzeit . ‚Im Kopf‘ soll der Song eigentlich anders klingen. Mir fehlen aber schlicht die Mittel, das so umzusetzen wie ‚gedacht‘. Habe zumindest mal die Idee festgehalten, ein Fragment. Es geht um das Leben in diesem Universum, das von der Sternenzeit geprägt ist, aber in dieser scheinbaren Undendlichkeit ist mit dem Leben etwas sichtbar geworden, etwas aufgebrochen, was eigentlich alles Bisherige sprengt. Dies zu verstehen, dies auszudrücken, da mangelt es bislang überall an Mittel, an Ausdruck, vielleicht sogar am vorauseilenden Verstehen, und sei es noch so intuitiv. Es geht hier um mehr als ‚Romantik‘, ‚Naturglückseligkeit‘, es geht um das ‚Herz der Materie‘, ‚um den Atem des Geistes im gesamten Universum‘, um ein unvorstellbares Ereignis jenseits aller Kategorien, eine ‚pure Singularität‘. Kurzweil und Co räsonnieren über einen speziellen Fall von Singularität, einen, der viele logische Löcher aufweist; tatsächlich haben wir aber schon längst einen Fall von Sigularität unvorstellbaren Ausmasses, eine Singularität, von der wir alle ein Teil sind, ein lebendiger Teil, ein reales Daseiendes, Mitwirkendes in einem realen kosmischen Netz. Denken kann man es kaum; ahnen irgendwo, irgendwie; fühlen…???