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Körper – Emergenz – Kognition – Kognitiver Müll

(1) Der Mensch ist durch seinen Körper primär ein animalisches Wesen, ein Körper im Prozess der Körperwerdung als Teil des Biologischen.

(2) Dieser Körper zeigt Eigenschaften, Funktionen, die sich nicht aus den Bestandteilen des Körpers als solchen erklären lassen, sondern nur durch ihr Zusammenwirken (Emergenz) sowohl mit anderen Teilen des Körpers wie auch mit der umgebenden Körperwelt.

(3) Dies bedeutet,dass diese emergenten Eigenschaften und Funktionen eine wirkende Wirklichkeitsebene aufspannen, die als solche kein greifbares Objekt ist sondern nur als Veränderungsprozess (induziert Zeit) aufscheint.

(4) Eine Veränderung (Funktion) als solche ist kein Objekt, aber kann von einem intelligenten Wesen wahrgenommen und als bestimmbare Grösse gespeichert werden.

(5) Als erinnerbare Veränderung kann eine emergente Eigenschaft zu einem kognitiven Objekt in einem einzelnen Körper werden.

(6) Über symbolische Kommunikation kann solch ein kognitives Objekt bedingt kognitiv kopiert und damit verteilt werden.

(7) Die Gesamtheit der kognitiven Objekte (und ihre kommunizierten Kopien) können ein Gesamtbild ergeben von dem, was wir als ‚Welt‘ wahrnehmen, erkennen und kommunizieren.

(8) Das biologische System als kognitiver Agent kann einer Vielzahl von körpereigenen Prozessen unterliegen, die die Speicherung und Erinnerung kognitiver Objekte beeinflussen. Das kognitive Objekt hat von daher immer nur eine begrenzte Ähnlichkeit mit denjenigen emergenten Eigenschaften, die zur seiner Entstehung geführt haben (alltagssprachlich: viele Menschen unterliegen psychologischen Einstellungen wie ‚Eitelkeit‘, ‚Hochmut‘, ‚Arroganz‘, ‚Selbstfixierung‘, ‚Ängsten‘, ‚Minderwertigkeitsgefühlen‘, ‚diversen Süchten‘ usw., die in ihrer psychischen Kraft andere kognitive Wirkungsfaktoren so überlagern können, dass sie nahezu ‚blind‘ werden für das, was wirklich ist. Nach und nach, ohne dass die Betreffenden es  merken, generiert ihre kognitive Maschinerie aufgrund dieser anderen Einflüsse ein ‚Bild von der Welt‘, das  zunehmend ‚verzerrt‘, ‚falsch‘ ist. Die Möglichkeit, diese Verzerrungen ‚aus sich heraus‘ zu erkennen sind sehr ungünstig; wenn nicht starke Ereignisse aus der Umgebung diese Systeme aus ihrer negativen Schleife herausreißen (wie?). Die Systeme selbst finden sich ganz ‚toll‘, aber die kognitive Welt ‚in ihrem Kopf‘ ist nicht die Welt, wie sie sich jenseits ’störender psychologischer Tendenzen‘ zeigen kann und zeigt.

(9) Kognitive Agenten, deren Kommunikation stark verzerrenden Faktoren unterliegt und die innerhalb ihrer individuellen kognitiven Prozesse die Transformierung von Körper- und Aussenweltwahrnehmung ebenfalls verzerren, tendieren dazu, ein pathologisches Bild von sich und der umgebenden Welt aufzubauen, was sich immer mehr –und dann auch immer schneller– in einen verzerrten Zustand hineinbewegt, der dann diesem kognitiven Agenten immer weniger ‚hilft‘ und immer mehr ’schadet‘ (Selbstzerstörung durch verzerrtes Wahrnehmen und Denken).

(10) Aus diesem Blickwinkel erscheint die sogenannte moderne Informationsgesellschaft nicht nur als rein positiver Raum sondern auch potentiell sehr gefährlich, da die Verbreitung von verzerrten kognitiven Objekten leicht ist und die kommerzielle Nutzung von von verzerrten kognitiven Objekten  in der Regel einfacher und gewinnbringender ist als umgekehrt. Daraus würde folgen, dass überwiegend ‚geldorientierte‘ Informationsgesellschaften sich im Laufe der Zeit selbst kognitiv so ‚zumüllen‘, dass die wenigen nichtverzerrten kognitiven Objekte immer weniger auffindbar sein werden. Es entsteht ein Raum mit kognitiven Objekte, der als solcher verzerrt ist,  korrespondierend sind aber auch  alle kognitiven Räume in den Körpern der kognitiven Agenten selbst ‚verzerrt‘. Dieser gesellschaftlich organisierten Dunkelheit zu entkommen ist für ein einzelnes kognitives System schwer bis unmöglich. Wohin immer es seine individuelle Wahrnehmung lenken will, es wird dann fast nur noch verzerrte kognitive Objekte vorfinden. Die Produktion von ‚Müll‘ ist halt so unendlich viel einfacher; man muss sich um nichts kümmern und man denkt und redet einfach so drauflos…..es ist doch sowieso egal…..(sagt sich die ‚Ethik des (kognitiven) Mülls‘). In einer ‚verzerrten Infomationsgesellschaft‘ fühlt sich keiner schuldig, aber alle produzieren faktisch den Müll mit, der sich in der Verzerrung selbst legitimiert.

PHÄNOMENOLOGISCHES DENKEN (3)

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 14.März 2010
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

Diesem Beitrag ging ein Teil 2 voraus.

(1) Es gibt unterschiedliche Perspektiven, wie man das, was wir als ‘Denken’ bezeichnen, betrachten kann. Je nachdem, welche dieser Perspektiven wir wählen, ergibt sich ein ganz unterschiedliches Bild von diesem ‘Denken’.

(2) Neben dem ALLTAGSDENKEN gibt es seit ein paar hundert Jahren auch das sogenannten WISSENSCHAFTLICHE DENKEN. Das wissenschaftliche Denken setzt das alltägliche Denken gewissermaßen als primären Bezugspunkt voraus, hebt sich aber dennoch von ihm ab und widerspricht ihm letztlich in vielen Punkten. Dies liegt daran, dass das ALLTAGSDENKEN eine Reihe von ANNAHMEN macht, die FALSCH sind, aber im Alltag meistens sehr NÜTZLICH. So atemberaubend die Leistungen des wissenschaftlichen Denkens auch sind, es ist eine limitierte, eingeschränkte Form des Denkens, die nicht nur das ALLTAGSDENKEN voraussetzt sondern –aus philosophischer, erkenntnistheoretischer Sicht– auch das  PHÄNOMENOLOGISCHE DENKEN.

(3) Im PHÄNOMENOLOGISCHEN Denken macht man sich die Tatsache zunutze, dass die primäre, erste, nicht weiter hintergehbare WURZEL UNSERES WISSENS das ERLEBEN VON ETWAS ist. Was immer wir ‚inhaltlich‘ auch zu erkennen glauben, zunächst einmal müssen wir ÜBERHAUPT ETWAS erkennen, anhand dessen unser ‚UNS SELBST BEWUSST SEIN‘ ‚aufleuchten‘ kann. Insofern geht es hier um unsere INHALTSVERMITTTELTE BEWUSSTHEIT (neuropsychologisches und meditationsorientiertes Denken unterscheidet gerne noch andere Formen von BEWUSSTSEIN, die an dieser Stelle keine Rolle spielen).

(4) Im Bereich dieses ERLEBENS VON ETWAS sind ALLE ERLEBNISSE zunächst einmal GLEICH: Weder sind sie unterschieden nach ihrer HERKUNFT noch nach irgendwelchen anderen EINTEILUNGSKRITERIEN wie z.B. ‚konkret‘, ‚abstrakt‘, ‚empirisch‘, ‚intersubjektiv‘, ’subjektiv‘ usw. Hier gibt es nur ERLEBTES. Ein ‚ERLEBTES‘ nenne ich hier PHÄNOMEN (das alt-griechische Verb ‚phaino‘ spricht davon, dass etwas ‚erscheint‘, ‚ans Licht kommt‘; im ERLEBEN ‚ERSCHEINT ETWAS‘). Man könnte diese primäre Einstellung technisch einfach LEVEL 0 nennen.

(5) Fakt ist, dass man im Bereich des primären ERLEBENS zwischen den einzelnen PHÄNOMENEN UNTERSCHEIDEN kann. Dies ist möglich, da die verschiedenen Phänomene AN SICH bzw. IN SICH (inhärent) EIGENSCHAFTEN (Qualia) aufweisen, anhand deren sie sich voneinander ABHEBEN. Diese Eigenschaften muss das Denken nicht erfinden sondern FINDET SIE VOR; sie SIND DA. In dem Moment, wo man diese ZUSÄTZLICHEN INFORMATIONEN der PHÄNOMENE BERÜCKSICHTIGT verlässt man LEVEL 0 und beginnt sich auf LEVEL 1.

(6) Es ist nicht von vornherein klar, welche SYSTEMATIK die ‚beste‘ ist, um diese Fülle an Eigenschaften zu ’strukturieren‘. Viele große Philosophen haben sich an dieser Aufgabe versucht. Jeder hat sein eigenes Konzept ausprobiert. Das grundlegende Problem an dieser Stelle der Erklärung ist, dass ich als SCHREIBER mit einem potentiellen LESER nur mittels einer SPRACHE –in diesem Fall deutsche Schriftsprache– kommunizieren kann. Und, wie schon der Abschnitt über das ALLTAGSDENKEN deutlich gemacht hat, kann ich mich mit einem ANDEREN nur in dem Maße über die BEDEUTUNG eines AUSDRUCKS verständigen, wenn diese MITZUTEILENDE BEDEUTUNG sich auf etwas BEZIEHT, das SCHREIBER und LESER GEMEINSAM TEILEN. Im ALLTAGSDENKEN ist das die als gemeinsam unterstellte EXTERNE WELT, mittels der wir unsere BEDEUTUNGEN ABSTIMMEN (Kalibrieren) können. IM FALLE VON SUBJEKTIVEN GEGEBENHEITEN –wie hier im Falle der PHÄNOMENE– ist dies zunächst einmal NICHT so! Angenommen, die PHÄNOMENE wären REIN SUBJEKTIV, dann hätten wir keine Chance, eine SPRACHE einzuführen, die es verschiedenen INHABERN EINES PHÄNOMEN-BEWUSSTSEINS erlauben würde, MITEINANDER DARÜBER zu sprechen. Daraus folgt, dass eine REINE PHÄNOMENOLOGIE, also eine ANALYSE DER PHÄNOMENE NACH DENEN IHNEN INHÄRENTEN EIGENSCHAFTEN, OHNE eine GEEIGNETE SPRACHE UNMÖGLICH ist.

(7) Um also den unbezweifelbar vorhandenen RAUM DER PHÄNOMENE (Level 0 + Level 1) für das VERSTEHEN UNSERES DENKENS nutzbar zu machen, muss man klären, wie wir ÜBERHAUPT DARÜBER SPRECHEN können, ohne in Beliebigkeit oder abgründigen Vagheiten abzugleiten.

(8) Am Beispiel des ALLTAGSDENKENS wurde als GRUNDLEGENDE STRATEGIE der BEDEUTUNGSSICHERUNG sichtbar, dass die potentiellen Kommunikationsteilnehmer von dem ausgehen müssen, was SIE GEMEINSAM haben. Bezogen auf das Gemeinsame kann man dann Begriffe einführen, deren BEDEUTUNG durch dieses GEMEINSAME ‚gedeckt‘ (referenziert) wird. Im Bereich des alltäglichen und wissenschaftlichen Denkens gilt das MESSEN als eine der ‚härtesten‘ Formen von GEMEINSAM FIXIERTER BEDEUTUNG. Bei näherer Betrachtung gilt aber, dass die am Messen BETEILIGTE PERSONEN nicht den MESSVORGANG ‚als solchen‘ wahrnehmen, sondern nur die SUBJEKTIVEN ERLEBNISSE, die dieser Messvorgang IN JEDEM EINZELNEN VERURSACHT/ ERZEUGT! Dies bedeutet, aus der Perspektive des PHÄNOMENRAUMES gibt es solche Phänomene Ph_Pers, die wir GELERNT haben als REPRÄSENTANTEN von ANDEREN PERSONEN zu VERSTEHEN und solche Phänomene Ph_Meas, die wir als REPRÄSENTANTEN VON MESSVORGÄNGEN AUFFASSEN. Im ‚Alltagsmodus‘ sprechen wir verkürzend von ‚den Anderen‘ oder ‚dem Messen‘. ‚Nah‘ betrachtet, aus der Perspektive des TATSÄCHLICHEN Erlebens, haben wir bestimmte ERLEBNISSE (PHÄNOMENE), mit unterscheidenden PHÄNOMEN-EIGENSCHAFTEN, anhand deren wir diese Unterscheidungen vornehmen.

(9) An diesem winzigen Beispiel wird ferner deutlich, dass das REDEN ÜBER PHÄNOMENE nicht nur ein Problem der VERFÜGBAREN SPRACHE ist, sondern offensichtlich auch an den ANDAUERNDEN ERLEBNISSTROM gebunden ist, der sich KONTINUIERLICH VERÄNDERT, und der EINGEBETTET ist in etwas, das wir IMPLIZITES LERNEN nennen. Dies bedeutet, es ist nicht nur so, dass wir PHÄNOMENE erleben, WIE SIE SIND, sondern gleichzeitig mit dem ERLEBNISSTROM können wir ERINNERN, und zwar in ‚verdichteten‘ Formen wie ABSTRAHIERENDEN BEGRIFFEN, in denen verschiedene EINZELN ERLEBBARE Phänomene in einem ABSTRAKTEN BEGRIFF (KONZEPT) ‚zusammengefasst‘ werden. So sehen wir KONKRETE Objekte, die wir ALLE mit dem einen Wort ‚STUHL‘ BEZEICHNEN, obgleich jedes einzelne konkrete Erlebnis sich von dem anderen anhand aufzeigbarer Eigenschaften UNTERSCHEIDET. Das WORT ‚STUHL‘ bezieht sich offensichtlich auf EIGENSCHAFTEN, die in allen diesen einzelnen ‚Stuhl-Erlebnissen‘ irgendwie VORKOMMEN, OHNE aber zugleich ‚zu sagen‘, wie noch ANDERE konkrete ‚Stuhl‘-Ereignisse aussehen könnten.

(10) Aus diesen Beobachtungen legt sich der Schluss nahe, dass das Konzept des PHÄNOMENOLOGISCHEN DENKENS eher NICHT das ALLERERSTE ist, was wir erkennen können, sondern dass es sich hier um ein ABGELEITETES, THEORETISCHES Konzept handelt, das sowohl einen LÄNGEREN ERLEBNISSTROM voraussetzt wie auch eine HINREICHEND ENTWICKELTE SPRACHE. Dies deutet darauf hin, dass PHÄNOMENOLOGIE so etwas ist wie eine PHILOSOPHISCHE THEORIE — auf den ersten Blick eigentlich ein Widerspruch in sich, da PHILOSOPHIE traditionellerweise verstanden wird als letzte Reflexionsinstanz, die alles und jedes ‚hinterfragt‘; eine THEORIE ist aber der Versuch einer SYSTEMATISCHEN STRUKTURBILDUNG. Doch im nächsten Moment macht es doch Sinn: um die STRUKTUR des RAUMS DER PHÄNOMENE darstellen zu können muss in PHILOSOPHISCHER MANIER über die Frage des GEGEBENSEINS von ETWAS reflektiert werden. Und in dem Masse, wie die Fragen ANTWORTEN ermöglichen, kann eine SYSTEMATISCHE STRUKTURBILDUNG im Stile einer THEORIE stattfinden.

(11) Wenn es nun so zu sein scheint, dass die PHÄNOMENOLOGIE an den KONTINUIERLICHEN ERLEBNISSTROM gebunden ist, der IN SICH ‚typische‘ VERÄNDERUNGEN aufweist, die wiederum durch ERLEBBARE EIGENSCHAFTEN und darin IMPLIZIT SICHTBAR WERDENDEN STRUKTUREN charakterisiert sind, sowie an eine dazu BEGLEITEND SICH ENTWICKELNDE SPRACHE, dann muss eine systematisierende PHÄNOMENOLOGISCHE THEORIE in den VERSCHIEDENEN PHASEN eines ERLEBNISSTROMES UNTERSCHIEDLICH aussehen! Der PHÄNOMENOLOGISCHE RAUM eines einjährigen Menschen KANN NICHT der GLEICHE sein wie der einer 35-jährigen Frau oder eines 71-jährigen Mannes.

(12) Wenn wir schon von SPRACHE sprechen als jenem HILFSMITTEL, mittels dessen ein SPRECHER einem HÖRER etwas SAGEN MÖCHTE und wir festgestellt haben, dass die GEMEINTE BEDEUTUNG (normalerweise) ETWAS ANDERES ist als die BENUTZTEN SPRACHLICHEN AUSDRÜCKE, und wir ferner ERFAHREN, dass wir sehr wohl die BEZIEHUNGEN zwischen SPRACHLICHEM AUSDRUCK und damit GEMEINTER BEDEUTUNG ‚herstellen‘ können, dann besagt dies, dass wir BEZIEHUNGEN (RELATIONEN) ZWISCHEN VERSCHIEDENEN PHÄNOMENEN WISSEN (ERKENNEN, ERLEBEN) können. So kann der GESPROCHENE SPRACHLICHE AUSDRUCK ‚Diese Person da‘ als mögliches Beispiel für die ABSTRAKTE REPRÄSENTATION DIES AUSDRUCKS verstanden werden, der wiederum BEZOGEN IST auf eine ABSTRAKTE BEDEUTUNG von ‚Person, diese, da‘ und diese abstrakte Bedeutung wiederum kann bezogen werden auf eine KONKRETE PERSON IM UMFELD DES SPRECHERS. Damit gibt es schon verschiedene ARTEN von ERLEBBAREN (WISSBAREN) BEZIEHUNGEN: (i) KONKRETES Phänomen Ph_Concr als Instanz von einem ABSTRAKTEN Phänomen Ph_Abstr*; (ii) ABSTRAKTES Phänomen Ph_Abstr zu einem anderen ABSTRAKTEM Phänomen Ph_Abstr*. Und das sind nicht die einzigen.

(13) Eine PHÄNOMENOLOGISCHE THEORIE müsste also sowohl die verschiedenen ARTEN VON PHÄNOMENEN unterscheiden, dazu die unterschiedlichen BEZIEHUNGEN (RELATIONEN), in denen die Phänomene auftreten können, sowie die DYNAMIK (VERÄNDERUNGEN), die sich an diesen Phänomenen ‚zeigt‘. Ferner müsste diese Theorie auch deutlich machen, wie sich die Struktur des phänomenologischen Raumes unter Umständen im Laufe des Lebens ändert.

(14) Die ENTWICKLUNG einer PHÄNOMENOLOGISCHEN THEORIE müsste ferner der ENTWICKLUNG  des ALLTAGSDENKENS und der ALLTAGSSPRACHE folgen. Denn nur in dem Maße, wie eine Alltagssprache L_Every verfügbar ist, sind KOMMUNIKATIONSPROZESSE möglich, innerhalb deren sich gemeinsam geteilte phänomenologische Strukturen ’sichtbar‘ machen lassen. Da die ERLEBNISSTRUKTUR bei ‚GLEICHGEBAUTEN‘ biologischen Systemen ‚im Normalfall‘ SEHR ÄHNLICH ist, ist zu erwarten, dass die AUSFORMULIERUNGEN einer phänomenologischen Theorie recht weit kommen könnte. Relativ zum NORMALFALL wären dann alle ABWEICHUNGEN von besonderem Interesse (so zeigen gerade die PATHOLOGISCHEN Fälle aus der Neuropsychologie sehr Vieles über das Funktionieren unseres Gehirns und des davon abhängigen Erlebens was ohne diese pathologischen Fälle niemals so klar geworden wäre). Idealerweise würde eine phänomenologische Theorie auch als FORMALE THEORIE formuliert, die zudem COMPUTERGESTÜTZTE SIMULATIONEN möglich macht.

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Alltagsdenken (1)

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 13.März 2010
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

(1) Es gibt unterschiedliche Perspektiven, wie man das, was wir als ‚Denken‘ bezeichnen, betrachten kann. Je nachdem, welche dieser Perspektiven wir wählen, ergibt sich ein ganz unterschiedliches Bild von diesem ‚Denken‘.

(2) Die am weitesten verbreitete Betrachtungsweise ist wohl jene, die wir ALLTAGSDENKEN nennen.  Im Folgenden einige Annahmen zu diesem Alltagsdenken ‚im Normalfall‘.

(3) Im Alltagsdenken nehmen wir an, daß es eine für alle Menschen  GEMEINSAME EXTERNE WELT gibt, deren EREIGNISSE wir WAHRNEHMEN können.

(4) Das, was wir wahrnehmen, ist uns BEWUSST.

(5) Wir ERLEBEN diese WAHRGENOMMENEN EREIGNISSE als etwas, das sich anhand von inhärenten EIGENSCHAFTEN (Qualia)  UNTERSCHEIDEN läßt (diese wahrgenommenen Ereignisse nenne ich technisch  ‚Phänomene‘).

(6) Es wird zudem unterstellt, daß das, was wir WAHRNEHMEN, mehr oder weniger auch dem entspricht, was ‚da draußen‘ IN DER WELT VORKOMMT.

(7) Wir können auch feststellen, daß das Phänomen Ph, das wir AKTUELL wahrnehmen, ÄHNLICH oder GLEICH einem Phänomen Ph*, das wir VORHER WAHRGENOMMEN hatten.

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Gedächtnis (Memory) kann Ereignisse ’speichern‘

(8) Wir führen diese WIEDERERKENNBARKEIT darauf zurück, daß wir annehmen, daß wir ein GEDÄCHTNIS haben, das WAHRGENOMMENES irgendwie SPEICHERN und dann beim AUFTRETEN ÄHNLICHER EREIGNISSE wieder ERINNERT.

(9) Wir unterstellen auch, daß wir normalerweise über WENIGSTENS EINE SPRACHE verfügen, mit der wir ÜBER das, was wir WAHRNEHMEN, SPRECHEN können.

(10) Sofern wir über VORKOMMNISSE IN DER WELT sprechen, kann ein Beobachter (Observer, O)  nachvollziehen, was ein ANDERER MEINT, wenn er sagt, ich sehe jetzt etwas (das gemeinsam Wahrnehmbare), das ich Ph1 nenne. Oder wenn ein ANDERER sagt, daß er jetzt etwas sieht, das er Ph1 nennt, das er aber FRÜHER schon einmal gesehen hat.

(11) Dies alles setzt voraus, daß der BEOBACHTER und der BERICHTENDE MENSCH (der ANDERE) hinreichend ‚BAUGLEICH‘ sind, daß sie hinreichend lang eine GEMEINSAME WAHRNEHMUNSGESCHICHTE haben und daß sie die GLEICHE SPRACHE sprechen. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, funktioniert dieses Modell nicht (z.B. wenn der Beobachter farbenblind ist oder er siehr den anderen Menschen nur ganz kurz (ohne Vorgeschichte) oder er versteht dessen Sprache nicht).

(12)Spricht jemand über ERLEBNISSE IN SEINEM BEUSSTSEIN (Phänomene), die NICHT zugleich auch VORKOMMNISSE IN DER WELT sind, wird es schwieriger. Sofern die Phänomene ERINNERUNGEN von Vorkommnissen in der Welt sind ist es meist möglich, daß ein BEOBACHTER VERSTEHT, was der ANDERE MEINT wenn er über seine aktuellen PHÄNOMENE SPRICHT (z.B. die Erinnerung an ein rotes Auto, das man gemeinsam gesehen hatte). Handelt es sich aber um Phänomene (Erlebnisse), die KÖRPERINTERN verursacht sind (Z.b. irgendwelche BEDÜRFNISSE, irgendwelche GEFÜHLE), dann ist es nicht mehr so einfach, zu klären, ob der BEOBACHTER noch VERSTEHEN kann, was der ANDERE MEINT, wenn er DARÜBER SPRICHT. Sofern der ANDERE ‚Hunger‘ hat und der BEOBACHTER –weil er ‚baugleich‘ ist–, auch regelmäßig ‚hungrig‘ ist, schaffen es erfahrungsgemäß beide, sich auf Dauer zu verständigen. Wenn der ANDERE aber irendwelche GEFÜHLE ‚empfindet‘, die der BEOBACHTER so noch nie hatte, wird er niemals in der Lage sein, zu VERSTEHEN, was der ANDERE MEINT, wenn er so spricht.

(13) Es hat sich eingebürgert, solche Aussagen, die ÜBER Vorkommnisse IN DER WELT handeln (aktuell oder erinnert), EMPIRISCHE Aussagen zu nennen, und alle anderen SUBJEKTIVE.

(14) EMPIRISCHE Aussagen beziehen sich auf VORKOMMNISSE, die ALLEN MENSCHEN GEMEINSAM sein können, also Vorkommnisse in der ALLEN GEMEINSAMEN EXTERNEN WELT. In einem abgeschwächten Sinne kann man auch noch jene Aussagen hinzunehmen, die ÜBER Vorkommnisse sprechen, die aus dem BAUGLEICHEN KÖRPER WIEDERHOLBAR resultieren.

(15) SUBJEKTIVE Aussagen wären dann alle anderen. Sofern ein ANDERER irgenwelche Erlebnisse hat, die sich nicht mit wiederholbaren GEMEINSAMKEITEN in Beziehung setzen lassen, sind sie mit der Sprache nicht kommunizierbar. Hier beginnt entweder das INDIREKTE Sprechen oder gar die SPRACHLOSIGKEIT.
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Sprechen über Phänomene

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