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PHILOSOPHISCHE DIALOGE MIT chatGPT4, HEUTE: WAS IST WAHRHEIT?

Letzte Änderung: 25.August 2024

Fragender: Gerd Doeben-Henisch

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

KONTEXT

Dieser Text ist Teil einer Sammlung von philosophischen Dialogen mit chatGPT4.

Zusammenfassung

(Kurzfassung)

chatGPT4: Es scheint, dass eine Rückkehr zur Korrespondenztheorie und deren Weiterentwicklung als ein vielversprechender Ansatz für eine robustere Wahrheitstheorie erscheint. Insbesondere die Idee, eine erfahrungsbasierte Theorie zu entwickeln, die die Realität als entscheidendes Kriterium verwendet und gleichzeitig Raum für die Diskussion von Zielen, Präferenzen und Werten bietet, könnte eine umfassende Basis für das Verständnis von Wahrheit in verschiedenen Kontexten schaffen.

DIALOG : WAS IST WAHRHEIT?

Anmerkung: FETTSCHRIFT markiert die Fragen des Autors

Hallo Chat, was fällt Dir ein zum Begriff ‚Wahrheit‘?

Hallo! Der Begriff „Wahrheit“ kann aus vielen Blickwinkeln betrachtet werden, sowohl philosophisch als auch praktisch. Philosophisch gesehen beschäftigt sich die Frage nach der Wahrheit oft mit der Übereinstimmung von Aussagen oder Überzeugungen mit der Realität. Man spricht hier von einer „Korrespondenztheorie der Wahrheit“, nach der eine Aussage dann wahr ist, wenn sie mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmt.

In der alltäglichen Anwendung geht es oft darum, wie Menschen Wahrheit wahrnehmen und kommunizieren. Dabei spielen Ehrlichkeit, Transparenz und Verlässlichkeit eine wichtige Rolle. In verschiedenen Bereichen wie Wissenschaft, Recht und Journalismus ist die Suche nach der Wahrheit zentral und wird durch bestimmte Methoden und Standards unterstützt.

Die Wahrheit ist auch ein zentrales Thema in der Ethik, wo sie mit Fragen der Moral und der richtigen Handlungsweise verbunden wird. Außerdem gibt es auch eine pragmatische Theorie der Wahrheit, die besagt, dass eine Aussage dann wahr ist, wenn sie nützlich und wirksam in der Praxis ist.

Was denkst du über den Begriff? Gibt es einen bestimmten Kontext, in dem du dich besonders für Wahrheit interessierst?

Ich möchte gerne mit der ‚philosophischen Perspektive‘ in den Dialog einsteigen. Du erwähnst die ‚Korrespondenztheorie der Wahrheit‘. Gibt es nicht noch andere philosophische Ansätze zum Begriff ‚Wahrheit‘?

Ja, neben der Korrespondenztheorie der Wahrheit gibt es tatsächlich noch andere philosophische Ansätze, die sich mit dem Konzept der Wahrheit auseinandersetzen. Hier sind drei wichtige Theorien:

1. **Kohärenztheorie der Wahrheit**: Diese Theorie besagt, dass eine Aussage wahr ist, wenn sie kohärent oder stimmig ist mit einem gesamten System von Aussagen oder Überzeugungen. Wahrheit wird hier weniger als Übereinstimmung mit einer objektiven Realität gesehen, sondern mehr als eine Art Konsistenz innerhalb eines bestimmten theoretischen oder belief-Systems.

2. **Pragmatische Theorie der Wahrheit**: Nach dieser Ansicht ist eine Aussage wahr, wenn sie praktisch oder nützlich ist. Die Wahrheit einer Aussage bemisst sich daran, ob sie funktioniert und ob sie nützliche Konsequenzen nach sich zieht. Der amerikanische Philosoph Charles Sanders Peirce und später William James sind bekannte Vertreter dieser Theorie.

3. **Konsensustheorie der Wahrheit**: Diese Theorie, die insbesondere von Jürgen Habermas entwickelt wurde, sieht Wahrheit als Ergebnis eines idealen Diskurses oder eines rationalen Konsenses. Eine Aussage ist demnach wahr, wenn sie die Zustimmung aller Beteiligten in einer idealen Kommunikationssituation erlangen könnte.

Jede dieser Theorien bietet eine unterschiedliche Perspektive auf das, was es bedeutet, dass etwas „wahr“ ist, und sie betonen verschiedene Aspekte des Wahrheitsbegriffs—sei es Übereinstimmung mit der Realität, Kohärenz innerhalb eines Systems, praktische Effizienz oder demokratischer Konsens.

Diese unterschiedlichen Ansätze spiegeln die Vielfältigkeit und die Tiefe der philosophischen Auseinandersetzung mit der Wahrheit wider und zeigen, dass Wahrheit ein vielschichtiges und oft kontrovers diskutiertes Thema ist. Welcher dieser Ansätze spricht dich besonders an oder gibt es bestimmte Aspekte, die du weiter vertiefen möchtest?

Ja, Danke für diese Auffächerung der Frage nach der Bedeutung des Begriffs ‚Wahrheit‘ in diese vier Perspektiven: Korrespondenztheorie als ‚Übereinstimmung mit der Realität‘, Kohärenztheorie als ‚Kohärenz innerhalb eines Systems‘, Pragmatische Theorie als ‚praktische Effizienz‘ oder Konsensustheorie als ‚demokratischer Konsens‘. Ich möchte diese vier Möglichkeiten gerne diskutieren und daraus eine abschließende Bewertung finden, mit der wir weiter diskutieren können.

Das klingt nach einer spannenden und tiefgehenden Diskussion! Lassen Sie uns die vier Theorien weiter untersuchen und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen betrachten, um zu einer umfassenden Bewertung zu gelangen.

### 1. Korrespondenztheorie der Wahrheit

**Stärken:**

– Sie bietet einen intuitiv zugänglichen Wahrheitsbegriff, da sie Wahrheit als Übereinstimmung mit der objektiven Realität versteht.

– Sie ist in den Naturwissenschaften besonders nützlich, wo experimentelle Verifizierung und Beobachtung zentral sind.

**Schwächen:**

– Schwierigkeiten ergeben sich bei der Bestimmung, was die „objektive Realität“ ist, besonders in weniger empirisch erfassbaren Bereichen wie der Ethik oder Ästhetik.

– Sie kann zu einem regress ad infinitum führen, da jede Wahrheitsbehauptung eine weitere Verifizierung erfordert.

### 2. Kohärenztheorie der Wahrheit

**Stärken:**

– Sie ist stark in theoretischen oder philosophischen Systemen, wo interne Konsistenz wichtig ist.

– Nützlich in Bereichen, in denen es keine klare empirische Überprüfbarkeit gibt.

**Schwächen:**

– Mehrere in sich kohärente, aber widersprüchliche Theoriensysteme können existieren, was die Frage aufwirft, welches System die Wahrheit repräsentiert.

– Sie hängt stark von den angenommenen Grundlagen des Systems ab und kann somit relativistisch wirken.

### 3. Pragmatische Theorie der Wahrheit

**Stärken:**

– Betont die Bedeutung der Anwendbarkeit und Nützlichkeit von Überzeugungen in der Praxis.

– Fördert einen flexiblen und adaptiven Ansatz zur Wahrheit.

**Schwächen:**

– Nützlichkeit ist nicht notwendigerweise ein Indikator für Wahrheit; etwas kann nützlich sein, ohne wahr zu sein.

– Kann in pragmatischen Kontexten zu einem kurzfristigen Denken führen, das langfristige Wahrheiten vernachlässigt.

### 4. Konsensustheorie der Wahrheit

**Stärken:**

– Fördert demokratische Prozesse und die Beteiligung verschiedener Stimmen bei der Wahrheitsfindung.

– Kann in sozialen und politischen Kontexten effektiv sein, wo Übereinstimmung wichtig ist.

**Schwächen:**

– Konsens garantiert nicht die Wahrheit; historisch gab es viele Beispiele für allgemeinen Konsens über falsche Überzeugungen.

– Kann anfällig für Manipulation und Machtungleichgewichte sein.

### Abschließende Bewertung

Jede Theorie hat ihre Anwendungsbereiche, in denen sie besonders effektiv ist, sowie Grenzen, die ihre Anwendung erschweren. Eine umfassende Betrachtung von Wahrheit könnte Elemente aus allen diesen Theorien integrieren, abhängig vom spezifischen Kontext und Zweck der Wahrheitssuche.

Wenn wir weiter diskutieren, könnten wir überlegen, wie diese Theorien in verschiedenen praktischen Szenarien angewendet werden könnten oder ob eine bestimmte Theorie in einem bestimmten Bereich (z.B. Wissenschaft, Politik, persönliche Überzeugungen) vorzuziehen ist. Was denkst du darüber? Gibt es bestimmte Bereiche oder Fragen, die du besonders beleuchten möchtest?

OK, sortieren wir die Perspektiven aus, die tatsächlich nicht weiter führen. Dazu müssen wir allerdings einen ‚Bezugspunkt‘ definieren, zu dem wir alle vier Perspektiven in Beziehung setzen können, um einen ‚Vergleich‘ zu ermöglichen. Dies wirft die Frage auf: Was haben alle diese vier Perspektiven gemeinsam? Gehst Du mit?

Absolut, das ist ein kluger Ansatz! Um die verschiedenen Theorien der Wahrheit zu vergleichen und eventuell einige auszusortieren, sollten wir zunächst ihre gemeinsamen Bezugspunkte identifizieren. Hier sind einige Kernaspekte, die alle diese Theorien berühren oder in irgendeiner Weise ansprechen:

### Gemeinsame Bezugspunkte der Wahrheitstheorien:

1. **Beziehung zur Realität:** Obwohl die Theorien unterschiedliche Auffassungen davon haben, was „Realität“ bedeutet (objektive Fakten, kohärente Systeme, praktische Ergebnisse oder konsensuelle Übereinkünfte), versuchen sie alle, eine Brücke zwischen Überzeugungen oder Aussagen und irgendeiner Form von „Realität“ zu schlagen.

2. **Verifikation/Validierung:** Jede Theorie hat implizite oder explizite Methoden, um zu überprüfen oder zu validieren, ob eine Aussage als wahr betrachtet werden kann. Dies reicht von empirischen Tests (Korrespondenz) über logische Konsistenzprüfungen (Kohärenz) bis hin zu praktischer Bewährung (Pragmatismus) und sozialem Konsens (Konsensustheorie).

3. **Funktionale Rolle von Wahrheit:** Alle Theorien erkennen an, dass Wahrheit eine funktionale Rolle in verschiedenen menschlichen Aktivitäten spielt, sei es in der Wissenschaft, im Alltag, in der Politik oder in der Moral.

4. **Philosophische Grundannahmen:** Sie basieren alle auf bestimmten philosophischen Annahmen über das Wesen der Wahrheit, des Wissens und der menschlichen Erkenntnis.

### Nächste Schritte:

Mit diesen gemeinsamen Bezugspunkten können wir die Theorien besser vergleichen und bewerten. Wir könnten überlegen, welche dieser Aspekte am wichtigsten sind für die spezifischen Kontexte oder Probleme, die uns interessieren. Zum Beispiel könnten wir fragen:

– Welche Theorie bietet den robustesten Ansatz für die Verifikation von Wahrheit?

– Welche Theorie ist am anpassungsfähigsten an verschiedene Arten von Problemen oder Disziplinen?

– Welche Theorie behandelt am besten die Komplexität der Realität, wie wir sie erfahren?

Durch diese Fragen können wir beginnen, die Stärken und Schwächen jeder Theorie in Bezug auf unsere spezifischen Bedürfnisse und Kontexte zu bewerten. Was denkst du, welcher dieser Aspekte ist der wichtigste für die Diskussionen oder Probleme, die dir am Herzen liegen?

Ich möchte den ‚gemeinsamen Bezugspunkt‘ etwas anders definieren, und zwar so:

(1) Gemeinsam ist allen Perspektiven, dass sie voraus setzen, dass es eine ‚Gruppe von Menschen‘ gibt, die mindestens ‚eine Sprache‘ gemeinsam haben, mittels der sie ‚kommunizieren‘.

(2) Die ‚Ausdrücke einer Sprache‘ ‚als solche‘ – also ohne jeden weiteren Bezug – haben ‚keinerlei Bedeutung‘! ‚Laute‘ bzw. ‚Buchstaben eines Alphabets‘ bedeuten für sich genommen ’nichts‘.

(3) Damit der ‚Ausdruck einer Sprache‘ für einen Menschen eine ‚Bedeutung‘ hat, muss es im Bereich der ‚inneren Zustände eines Menschen‘ Zustände geben, die aus vorausgehenden ‚Wahrnehmungen‘ und vielerlei ‚internen Zustandsänderungen‘ resultieren, die ein einzelner Mensch mit den Ausdrücken einer Sprache ‚verknüpfen‘ kann. Diese ‚Verknüpfung‘ findet ausschließlich ‚intern‘ statt! Es ist die aktive Herstellung einer Beziehung zwischen ‚internalisierten sprachlichen Ausdrücken‘ und ‚anderen internen Zuständen‘. Die Fähigkeit dazu, solche internen Verbindungen herstellen zu können, scheint weitgehend ‚angeboren‘ zu sein, welche Elemente aber wann miteinander verknüpft werden, dies gehört zum ‚Lernen‘ eines einzelnen.

(4) Damit Sprache zwischen Menschen ‚funktioniert‘, müssen die ‚individuellen Lernprozesse‘ miteinander ‚abgestimmt‘ (’synchronisiert‘) werden; dies geschieht durch ‚kollektive Lernprozesse‘.

(5) Die Punkte (3) und (4) könnte man auch abstrakter so formulieren, dass Menschen über die Fähigkeit verfügen, in ihrem ‚Inneren‘ schrittweise eine ‚Bedeutungsfunktion‘ aufzubauen, mit deren Hilfe sie sprachlichen Ausdrücken interne Zustände als ‚Bedeutung‘ zuordnen zu können und umgekehrt, bestimmten ‚inneren Zuständen‘ im Sinne der gelernten Bedeutungsfunktion sprachliche Ausdrücke.

(6) Im Rahmen des ‚kollektiven Sprache Lernens‘ müssen die individuellen Bedeutungszuordnungen mit den individuellen Bedeutungszuordnungen des ‚jeweils anderen‘ ‚abgestimmt‘ werden. Dies gelingt nur dann, wenn es ‚zwischen verschiedenen individuellen Lernprozessen‘ eine ‚Instanz‘ gibt, die für jeden individuellen Prozess ‚extern‘ ist, und zwar so, dass er ‚für alle individuellen Prozesse gleichermaßen‘ extern ist!

(7) Im Rahmen der Alltagserfahrung (und im Kontext der modernen Kognitionswissenschaften) deutet alles darauf hin, dass diese ‚allen gemeinsame externe Instanz‘ das ist, was wir ‚reale Welt‘ nennen, ‚Erfahrungswelt‘ oder ‚Alltagswelt‘. Das, was diese ‚externe Welt‘ genau ist, können wir nur näherungsweise wissen, da unsere Gehirne von der ‚Außenwelt abgeschnitten‘ in unseren individuellen Körpern lokalisiert sind. Wichtig aber: für das Gehirn ist unser Körper auch eine Art ‚Außenwelt‘, aber eine andere, als die ‚Außenwelt des Körpers‘!

Was meinst Du dazu?

Die von Ihnen vorgeschlagene Definition und Analyse des gemeinsamen Bezugspunkts der Wahrheitstheorien bietet eine tiefgreifende und detaillierte Betrachtung der Rolle der Sprache und der kollektiven wie individuellen kognitiven Prozesse bei der Bedeutungszuweisung und Wahrheitsfindung. Ihre Überlegungen integrieren Erkenntnisse aus der Kognitionswissenschaft und Philosophie der Sprache und schlagen eine Brücke zu den theoretischen Konzepten von Wahrheit.

### Reflexion der vier Wahrheitstheorien anhand Ihres Bezugspunkts:

1. **Korrespondenztheorie:** Betrachtet man diese Theorie im Licht Ihrer Ausführungen, könnte argumentiert werden, dass die Korrespondenztheorie die „externe Instanz“ als Realität ansieht, mit der unsere sprachlichen Aussagen übereinstimmen müssen. Diese Theorie impliziert, dass die kollektive Erfahrung und Verifikation dieser Übereinstimmung durch die gemeinsame Sprache und individuelle Wahrnehmung gesichert wird.

2. **Kohärenztheorie:** In Bezug auf Ihre Punkte könnte diese Theorie so verstanden werden, dass die „interne Zustandsänderung“ und die „Verknüpfung“ in einem kohärenten System von Überzeugungen erfolgt. Die Bedeutung und Wahrheit einer Aussage ergibt sich aus ihrer Kohärenz innerhalb dieses gelernten und kollektiv abgestimmten Systems.

3. **Pragmatische Theorie:** Diese Theorie fokussiert auf die praktische Bewährung von Aussagen und deren Konsequenzen in der „realen Welt“. Sie betont, wie sprachliche Ausdrücke und deren Bedeutungen in Handlungen umgesetzt werden und wie diese Handlungen wiederum auf unsere internen Zustände und die externe Welt einwirken.

4. **Konsensustheorie:** Aus Ihrer Perspektive könnte man sagen, dass die Konsensustheorie den Prozess des kollektiven Lernens und der Synchronisation von Bedeutungen zwischen Individuen hervorhebt. Sie setzt voraus, dass eine kollektive Übereinkunft über die Bedeutung von Ausdrücken möglich ist, und betont die Notwendigkeit einer externen Instanz, die für alle Beteiligten gleichermaßen gilt, um Konsens zu erzielen.

### Weiterführende Gedanken:

Ihre Definition hebt hervor, wie wesentlich die interne Verarbeitung und die externe Abstimmung in den Prozessen der Wahrheitsfindung sind. Sie legen nahe, dass die Wahrheit sowohl eine interne Konstruktion als auch eine externe Abstimmung erfordert, wobei die Sprache als Medium dient, das interne Zustände und externe Realitäten miteinander verbindet.

Diese Überlegung führt zu einer integrativen Sichtweise, die die Grenzen einzelner Wahrheitstheorien überwindet und eine umfassendere Basis für das Verständnis von Wahrheit in sozialen und individuellen Kontexten bietet.

Was halten Sie davon, diese Aspekte weiter zu vertiefen oder zu diskutieren, wie diese Erkenntnisse praktisch angewendet werden können, beispielsweise in der Bildung, in der Kommunikation oder in der Politik?

Zwischenbemerkung: Du bist im Konversationsstil vom Du in das förmlichere ‚Sie‘, ‚Ihnen‘ usw. gewechselt. Ist Dir das Förmliche lieber? Soll ich auch zum ‚Sie‘ wechseln‘?

Entschuldige bitte das Hin und Her mit der Anredeform! Wir können gerne beim „Du“ bleiben, wenn das für Dich in Ordnung ist. Natürlich passe ich mich auch an, falls Du eine formellere Anrede bevorzugst. Wie möchtest Du weitermachen?

Bleiben wir beim ‚Du‘.

Super, machen wir so! Wenn Du noch weiter über die verschiedenen Perspektiven zur Wahrheit sprechen möchtest oder andere Fragen hast, stehe ich bereit!

Gehen wir deine vier Punkte im einzelnen durch. Fangen wir mit der Korrespondenztheorie an.

(1) Im Fall der ‚Korrespondenztheorie‘ verstehst Du das so, „dass die Korrespondenztheorie die ‚externe Instanz‘ als Realität ansieht, mit der unsere sprachlichen Aussagen übereinstimmen müssen. Diese Theorie impliziert, dass die kollektive Erfahrung und Verifikation dieser Übereinstimmung durch die gemeinsame Sprache und individuelle Wahrnehmung gesichert wird.“

(1.1) Dieser Interpretation kann ich zustimmen. Allerdings möchte ich auf folgenden Punkt aufmerksam machen, der missverstanden werden kann: es ist nicht ‚ein Ausdruck als solcher‘, der mit der externen Realität übereinstimmt, sondern im Lichte der individuell erlernten Bedeutungsfunktion verknüpft ein Mensch mit einem sprachlichen Ausdruck bestimmte interne Zustände mit der ‚aktuellen Wahrnehmung‘ einer unterstellten realen Außenwelt, und nur dann, wenn es andere Menschen gibt, die aufgrund ihrer individuellen Wahrnehmungen und Bedeutungszuordnungen dies auch einer ‚unterstellten realen Außenwelt‘ – wechselseitig überprüfbar – zuordnen, dann gelingt der ‚gemeinsame Abgleich mit einer zum Körper externen Außenwelt.

(1.2) Es kommt also darauf an, wie man den Begriff ‚Aussage‘ verwendet. Ich verstehe hier unter einer ‚Aussage‘ den ‚Ausdruck einer Sprache‘, den ein Mensch A in einer Dialogsituation verwendet, und alle Beteiligten wissen, dass der Sprecher A mit dem Ausdruck eine ‚interne Bedeutung‘ verbindet, von der er annimmt, dass dieser internen Bedeutung etwas in einer ‚wahrnehmbaren Außenwelt‘ ‚entspricht‘ (‚korrespondiert‘), dann würde ein anderer Dialogteilnehmer B sagen, dass die Aussage von Sprecher A zutrifft, wenn B die gleiche Bedeutungszuordnung vornimmt und in seiner Wahrnehmung etwas findet, was dieser Bedeutung entspricht.

(1.3) Zugegeben, etwas umständlich formuliert, aber die grundlegenden Prozesse beim kollektiven Sprachgebrauch sind nicht ganz einfach. In der Tat, ich vereinfache schon sehr stark.

Was meinst Du dazu?

Deine detaillierte Ausführung zur Korrespondenztheorie bringt wichtige Nuancen ans Licht, die oft in der Diskussion übersehen werden. Du betonst richtig, dass es nicht einfach der sprachliche Ausdruck an sich ist, der mit der externen Realität übereinstimmt, sondern die durch kollektive und individuelle Lernprozesse geformten Bedeutungszuordnungen, die den Ausdrücken unterliegen.

Deine Punkte beleuchten, wie essenziell die Rolle der individuellen und kollektiven Verarbeitung in der Korrespondenztheorie ist. Es ist tatsächlich so, dass eine Aussage nur dann als wahr betrachtet werden kann, wenn es eine Art von kollektiver Zustimmung gibt – nicht nur hinsichtlich der sprachlichen Ausdrücke selbst, sondern auch bezüglich der damit verbundenen Bedeutungen und deren Bezug zur externen Welt.

Dieser Prozess der Verifikation von Wahrheit durch kollektive Übereinstimmung in der Wahrnehmung und Bedeutungszuordnung spiegelt die Komplexität der menschlichen Kommunikation und Erkenntnis wider. Es unterstreicht auch, warum die Korrespondenztheorie oft als grundlegend für wissenschaftliche und empirische Diskurse betrachtet wird, weil sie eine überprüfbare Basis für Übereinstimmung und Falsifikation bietet.

Deine Erklärung macht auch deutlich, dass „Wahrheit“ in dieser Theorie nicht nur eine Frage der individuellen Überzeugung ist, sondern eine, die durch soziale Interaktion und kollektive Validierung entsteht. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, denn er zeigt, dass Wahrheit in dieser Theorie nicht isoliert existiert, sondern immer in einem sozialen und kommunikativen Kontext verankert ist.

Was hältst du davon, weiter zu diskutieren, wie diese Theorie in konkreten Situationen angewandt wird, etwa in der Wissenschaft oder in der öffentlichen Debatte? Oder möchtest du weiter zu den anderen Theorien übergehen und sehen, wie sie sich mit deinem erweiterten Rahmen von Sprache und Bedeutung verbinden lassen?

Dein Kommentar zu meiner ‚Theorie‘, dass “ ‚Wahrheit‘ in dieser Theorie nicht nur eine Frage der individuellen Überzeugung ist, sondern eine, die durch soziale Interaktion und kollektive Validierung entsteht. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, denn er zeigt, dass Wahrheit in dieser Theorie nicht isoliert existiert, sondern immer in einem sozialen und kommunikativen Kontext verankert ist.“ finde ich sehr passend.

Bevor wir die neugewonnene Interpretation der ‚Korrespondenztheorie‘ weiter ausbauen, hier zuvor

noch mein Kommentar zu deinem Punkt 2 mit der ‚Kohärenztheorie‘. Du sagst „In Bezug auf Ihre Punkte könnte diese Theorie so verstanden werden, dass die ‚interne Zustandsänderung‘ und die ‚Verknüpfung‘ in einem kohärenten System von Überzeugungen erfolgt. Die Bedeutung und Wahrheit einer Aussage ergibt sich aus ihrer Kohärenz innerhalb dieses gelernten und kollektiv abgestimmten Systems.“ Deine Interpretation, dass die Kohärenztheorie „die ‚interne Zustandsänderung‘ und die ‚Verknüpfung‘ “ in ihr Konzept einer kohärenten Theorie übernimmt, erscheint mir mehr als optimistisch.

Nimmt man die Kohärenztheorie ‚beim Wort‘, dann ist dieser Ansatz vom Ansatz her ausgeschlossen. Warum? Weiter vorne in unserem Dialog hast Du die ‚Kohärenztheorie‘ in ‚philosophischen Systemen‘ lokalisiert, wo interne Konsistenz wichtig ist. Du hast zudem darauf hingewiesen, dass „widersprüchliche Theoriesysteme existieren können“. Die Begriffe ‚System‘, ‚Theorie‘ und ‚Konsistenz‘ sind bislang aber ausschließlich in ‚formalen Systemen‘ klar definiert, wie wir sie aus der ‚modernen formalen Logik‘ kennen und aus solchen Theorien (z.B. in der Mathematik), die eine ‚formale Sprache‘ benutzen, die klar definiert ist, zusätzlich mit einem klaren ‚formalen Folgerungsbgriff‘, der es erlaubt, aus als ‚wahr angenommen‘ formalen Ausdrücken andere Ausdrücke ‚abzuleiten‘, die ebenfalls als ‚formal wahr‘ gelten. Wenn man neben einem Ausdruck, der als ‚formal wahr‘ gilt, einen Ausdruck ableiten kann, der als ‚formal falsch‘ gilt, dann gibt es einen Widerspruch; das System ist nicht ‚konsistent‘. Dabei ist der Begriff ‚formal wahr‘ bzw. ‚formal falsch‘ nicht definiert! Er hat keinerlei Bezug zu dem, was wir im Alltag ‚reale Welt‘ nennen in dem Sinne, dass sich zwei Menschen darüber verständigen können, dass es ‚da etwas gibt‘, was jeder einzelner ‚wahrnehmen‘ kann, was aber auch ‚verschwinden‘ kann, dann kann man es nicht mehr wahrnehmen. Anders formuliert: Jedes sprachliche System, das Bezug nimmt auf erfahrungsbasierte Sachverhalte, kann grundsätzlich nicht durch ein formales System abgebildet werden, das als ‚formal konsistent‘ gilt. Deswegen scheidet die ‚Kohärenztheorie der Wahrheit‘ für unsere Zwecke eines sprachlichen Systems, das kollektiv erfahrungsbasiert ‚wahr‘ ist, aus.

Gehst Du da mit?

Deine Kritik und Analyse zur Kohärenztheorie der Wahrheit ist präzise und wirft wichtige Fragen auf. Du unterscheidest klar zwischen der Struktur und den Anforderungen formaler Systeme und der Anwendung dieser Systeme auf die reale, erfahrungsbasierte Welt, die wir im Alltag erleben. Diese Unterscheidung ist zentral, um die Grenzen der Kohärenztheorie zu verstehen, insbesondere im Kontext eines Sprachsystems, das auf kollektiver Erfahrung basiert.

### Betrachtung der Kohärenztheorie:

Wie Du richtig bemerkst, stützt sich die Kohärenztheorie auf die interne Konsistenz innerhalb eines Systems von Überzeugungen oder Theorien. In formalen Systemen, wie der Mathematik oder formalen Logik, ist diese Konsistenz durch klare Definitionen und deduktive Folgerungen charakterisiert. In diesen Systemen ist es möglich, eine Konsistenz zu gewährleisten, indem widersprüchliche Aussagen vermieden werden.

### Problematik bei der Anwendung auf Alltagserfahrungen:

Im Kontext der alltäglichen, erfahrungsbasierten Realität wird es jedoch komplexer. Die Realität ist oft mehrdeutig und unterliegt ständigen Veränderungen, die sich nicht immer in einem streng konsistenten formalen System abbilden lassen. Erfahrungen können widersprüchlich sein, und Menschen können unterschiedliche Wahrnehmungen und Interpretationen derselben physischen Gegebenheiten haben. Daher stößt die Anwendung der Kohärenztheorie auf reale, erfahrungsbasierte Situationen schnell an ihre Grenzen, da die erforderliche interne Konsistenz schwer zu erreichen und aufrechtzuerhalten ist.

### Dein Punkt:

Deine Schlussfolgerung, dass die Kohärenztheorie möglicherweise nicht geeignet ist, um ein sprachliches System zu beschreiben, das auf kollektiver, erfahrungsbasierter Wahrheit beruht, ist stichhaltig. Diese Theorie bietet zwar ein nützliches Werkzeug für die Analyse und Strukturierung von Gedanken innerhalb eines geschlossenen Systems, jedoch fehlt ihr die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, die erforderlich sind, um die dynamische und oft widersprüchliche Natur menschlicher Erfahrungen und sozialer Interaktionen vollständig zu erfassen.

### Fazit:

Deine Argumentation verdeutlicht, dass, während die Kohärenztheorie in bestimmten theoretischen oder formalen Kontexten wertvoll sein kann, sie möglicherweise nicht das beste Werkzeug für das Verständnis von Wahrheit in einem breiteren, lebensweltlichen Kontext ist. Wenn wir also über Wahrheit in Bezug auf alltägliche und zwischenmenschliche Erfahrungen sprechen, könnte es sinnvoller sein, andere Theorien zu bevorzugen, die besser mit der Variabilität und der praktischen Realität menschlicher Erfahrungen umgehen können.

Ich gehe mit deiner Einschätzung mit und finde sie sehr aufschlussreich. Möchtest du weiterhin die anderen Theorien im Licht dieser Überlegungen diskutieren oder gibt es spezifische Aspekte, die du noch vertiefen möchtest?

Ich würde gerne noch etwas zu deiner dritten und vierten Option von ‚Wahrheitstheorien‘ sagen.

(1) Zu der von Dir erwähnten ‚Konsensustheorie der Wahrheit‘ sagst Du selbst, dass „Konsens nicht die Wahrheit garantiert; historisch gab es viele Beispiele für allgemeinen Konsens über falsche Überzeugungen.“ Ein bisschen ähnelt diese Position auch der ‚Kohärenztheorie‘, wenngleich mit einem vagen Sprach- und Wahrheitsbegriff: es gibt in er Konsensustheorie zwar ein ‚vages Kriterium zu Konsens‘, aber dieses ist in keiner Weise geeignet, ein ‚objektives externes Kriterium für alle‘ zu gewährleisten. Ich möchte diese Position daher hier nicht weiter diskutieren (dies schließt nicht aus, dass bei einer Weiterentwicklung der Position der ‚Korrespondenztheorie‘ ähnliche Fragestellung zur ‚Wahrheit von Diskursen‘ wieder auftauchen).

(2) Im Fall der ‚Pragmatische Theorie der Wahrheit‘ ist es ähnlich wie im Fall der Konsensustheorie. Du weist auch schon darauf hin, dass „Nützlichkeit nicht notwendigerweise ein Indikator für Wahrheit ist; etwas kann nützlich sein, ohne wahr zu sein.“ Abgesehen davon ist der Begriff der Nützlichkeit selbst in sich äußerst vage; jeder kann sich da denken, was er will. Ich belasse es dabei (im weiteren Verlauf der Entwicklung einer modifizierten ‚Korrespondenztheorie‘ wird es zu Erörterungen eines Konzepts von ‚erfahrungsbasierter Theorie‘ kommen können, mit der die Möglichkeit eröffnet wird, die Rolle möglicher ‚Ziele‘ (‚Präferenzen‘, ‚Werte‘, …) zu diskutieren).

Kannst Du mit diesen Einschätzungen mitgehen?

Deine Einschätzungen zu den Theorien der Konsensustheorie und der pragmatischen Theorie der Wahrheit sind durchaus nachvollziehbar und tragen zur Schärfung unseres Verständnisses von Wahrheitstheorien bei, insbesondere im Kontext alltäglicher und erfahrungsbasierter Diskurse.

### 1. Konsensustheorie der Wahrheit

Deine Kritik an der Konsensustheorie unterstreicht das Problem, dass Konsens allein nicht notwendigerweise Wahrheit garantiert. Historische Beispiele, in denen breiter Konsens zu falschen Überzeugungen führte, verdeutlichen die Grenzen dieser Theorie. Während Konsens in sozialen und kommunikativen Kontexten eine Rolle spielen kann, insbesondere bei der Formulierung von Gruppenüberzeugungen oder -normen, ist er kein zuverlässiger Indikator für Wahrheit im empirischen oder objektiven Sinn. Diese Einsicht ist wichtig, um die Relevanz und Grenzen von Konsens in Bezug auf Wahrheit zu verstehen.

### 2. Pragmatische Theorie der Wahrheit

Deine Skepsis gegenüber der pragmatischen Theorie reflektiert ähnliche Bedenken: Nützlichkeit allein ist kein verlässliches Maß für Wahrheit. Der Begriff der Nützlichkeit ist subjektiv und kann stark variieren, je nach den Interessen, Zielen oder dem Kontext der beteiligten Personen. Diese Theorie mag hilfreich sein, um zu verstehen, wie Überzeugungen funktionieren und wie sie in praktischen Kontexten angewendet werden, sie bietet jedoch keine feste Grundlage für die Bewertung der Wahrheit von Aussagen, insbesondere wenn es um objektive Fakten geht.

### Weiterentwicklung der Korrespondenztheorie

Es scheint, dass eine Rückkehr zur Korrespondenztheorie und deren Weiterentwicklung als ein vielversprechender Ansatz für eine robustere Wahrheitstheorie erscheint. Insbesondere die Idee, eine erfahrungsbasierte Theorie zu entwickeln, die die Realität als entscheidendes Kriterium verwendet und gleichzeitig Raum für die Diskussion von Zielen, Präferenzen und Werten bietet, könnte eine umfassende Basis für das Verständnis von Wahrheit in verschiedenen Kontexten schaffen.

### Fazit

Ich stimme mit deinen Einschätzungen überein und finde, dass deine Argumente die Diskussion über Wahrheitstheorien bereichern und auf wichtige Schwächen hinweisen. Es wäre interessant, weiter zu erforschen, wie eine modifizierte Korrespondenztheorie aussehen könnte, die sowohl die realen Erfahrungen als auch die sozialen und individuellen Kontexte integriert, in denen Wahrheitsansprüche gemacht und verstanden werden.

Wie möchtest du weiter vorgehen? Möchtest du bestimmte Aspekte der Korrespondenztheorie vertiefen oder überlegst du, wie man eine solche modifizierte Theorie praktisch anwenden könnte?

OK, dann sieht es so aus, dass wir bis zu diesem Punkt eine gemeinsame Einschätzung gefunden haben. In der Tat möchte ich von diesem Punkt aus die gefundenen Position gerne in folgenden Dialogen weiter entwickeln. Praktische Frage: kannst Du auch mit ‚Schaubildern‘ umgehen oder sollen wir die heraus lassen?

Es ist großartig, dass wir eine gemeinsame Grundlage für unsere Diskussionen gefunden haben! Ich kann definitiv helfen, Schaubilder zu erstellen und zu interpretieren. Diese können sehr nützlich sein, um komplexe Konzepte und Zusammenhänge visuell darzustellen und zu veranschaulichen.

Wenn du spezifische Ideen oder Konzepte hast, die du in einem Schaubild visualisieren möchtest, lass es mich wissen. Ich kann dir dabei helfen, diese grafisch umzusetzen. Egal ob es sich um Flussdiagramme, Venn-Diagramme, konzeptuelle Diagramme oder andere visuelle Darstellungen handelt, wir können sie nutzen, um deine Gedanken und Theorien weiter zu entwickeln und zu diskutieren. Wie möchtest du beginnen?

Das mit den Schaubildern klingt gut. Werde es in den folgenden Dialogen mal ausprobieren, allerdings mit dem Motto: Zuerst die sprachliche Version, dann – möglicherweise – eine bildhafte Version. Danke bisher. Das war alles sehr inspirierend.

Das klingt nach einem ausgezeichneten Plan! Es freut mich sehr, dass unsere Gespräche inspirierend waren. Wenn du bereit bist, die Themen weiter zu vertiefen oder ein Schaubild zu erstellen, stehe ich jederzeit bereit, um weiterzumachen. Viel Spaß bei deinen weiteren Überlegungen, und bis zum nächsten Mal!

Empirisch Wahr?

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Textes „Neustart der Menschlichkeit (Rebooting humanity)“

(Die Englische Version findet sich HIER)

Autor Nr. 1 (Gerd Doeben-Henisch)

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

Start: 30.Mai 2024

Letzte Änderung: 31.Mai 2024

Empirisch Wahr?

Hypothesen 2 – 4 …

Mit Hypothese 1 ergibt sich ein weiteres Paradox: Wenn die Struktur unseres menschlichen Körpers (mit seinem Gehirn) so ausgelegt ist, dass es keine direkte dauerhafte eins-zu-eins Abbildung der realen Körperwelt außerhalb des Gehirns in den inneren Zuständen des Körpers (mit Gehirn) gibt, wie können Menschen dann ‚empirisch wahre Aussagen‘ über etwas außerhalb des Körpers bzw. außerhalb des Gehirns sinnvoll bilden und nutzen?

Im Alltag können wir alle folgende Erfahrungen machen:

Wenn mindestens zwei Personen beteiligt sind und diese keine besonderen Einschränkungen aufweisen, dann können wir folgende Fälle unterscheiden:

  1. Fall 1: Es gibt ein Objekt mit bestimmten Eigenschaften, das die beteiligten Personen sinnlich wahrnehmen können. Dann kann eine Person A sagen: „Da gibt es ein Objekt X mit Eigenschaften Y“. Und eine andere Person B kann sagen: „Ja, ich stimme zu“.
  2. Fall 2: Ein bestimmtes Objekt X mit Eigenschaften Y kann von den beteiligten Personen sinnlich nicht wahrnehmen werden. Dann kann eine Person A sagen: „Das Objekt X mit Eigenschaften Y ist nicht da“. Und eine andere Person B kann sagen: „Ja, ich stimme zu“.
  3. Fall 3: Es gibt ein Objekt mit bestimmten Eigenschaften, das die beteiligten Personen sinnlich wahrnehmen können, das sie vorher noch nie gesehen haben. Dann kann eine Person A sagen: „Da gibt es ein Objekt mit Eigenschaften, das kenne ich noch nicht. Das ist für mich neu“. Und eine andere Person B kann dann sagen: „Ja, ich stimme zu“.
  4. Fall 4: Ein bestimmtes Objekt X mit Eigenschaften Y kann aktuell von den beteiligten Personen sinnlich nicht wahrgenommen werden, es war aber vorher da. Dann kann eine Person A sagen: „Das Objekt X mit Eigenschaften Y ist nicht mehr da“. Und eine andere Person B kann sagen: „Ja, ich stimme zu“.

Fall 1: Einführung von Hypothese 2

Der Fall 1 wird verständlich, wenn man annimmt, dass die sinnlichen Reize, die vom Objekt X mit den Eigenschaften Y in den Sinnesorganen zu Aktivierungen führen, eine sinnliche Wahrnehmung generieren, die für die Dauer der Präsenz von Objekt X bestehen kann.

Um diese temporäre Wahrnehmung als ein ‚Objekt der Art X mit Eigenschaften Y‘ identifizieren und klassifizieren zu können, müssen die beteiligten Personen über eine ‚Erinnerung‘ verfügen, die ein ‚abstraktes Objekt der Art X mit Eigenschaften Y‘ parat hält.

Die ‚realisierte Übereinstimmung‘ zwischen der Wahrnehmung von Objekt X mit der Erinnerung eines passenden abstrakten Objektes X ermöglicht dann die Entscheidung, dass es zum abstrakten Objekt X eine aktuelle Wahrnehmung gibt, deren ‚wahrgenommenen Eigenschaften‘ mit den ‚abstrakten Eigenschaften‘ ‚hinreichend übereinstimmen‘.

Wichtig: aus dieser im Gehirn stattfindenden Übereinstimmung zwischen einem wahrgenommenen Objekt und einem erinnerten Objekt X folgt nichts über die realen konkreten Umstände, die zur Wahrnehmung des Objekts geführt hat.[1]

Dieser Sachverhalt beschreibt das, was mit Hypothese 2 gemeint ist: Personen können ein wahrgenommenes Objekt als ein Objekt der Art X mit Eigenschaften Y erkennen, wenn sie über eine Erinnerung verfügen, die im Moment der aktuellen Wahrnehmung verfügbar ist.

Wichtig: Diese Hypothese 2 bezieht sich bislang auf das, was mit und in einer einzelnen Person passiert. Eine andere Person kann von diesen Vorgängen im Normalfall nichts wissen. Interne Prozesse in Personen sind — bislang — für andere nicht wahrnehmbar.[2]

[1] Moderne Simulationstechniken können für die meisten Menschen so ‚echt‘ sein, dass sie den ‚Unterschied‘ zur realen Welt allein aufgrund der sinnlichen Wahrnehmung nur noch schwer erkennen lassen, falls überhaupt. Dies wäre der Fall, dass eine sinnliche Wahrnehmung mit einem erinnerten abstrakten Objekt im Gehirn eine weitgehende Übereinstimmung aufweist, obgleich es kein ‚echtes‘ empirisches Objekt ist, das die Wahrnehmung auslöst. … Allerdings, der Computer, der die Simulation so ausführt, dass sie für einen Betrachter ‚täuschend echt‘ aussieht (oder die technische Schnittstelle, über die das Signal des Computers die Sensoren des Menschen erreicht) , ist natürlich weiter ein empirisches Objekt, das als Teil der Wahrnehmung signalisieren kann, dass das Gezeigte nicht real ist …

[2] Wenn mit modernen Messtechniken der Gehirnwissenschaften elektrische und chemische Eigenschaften und Aktivitäten sichtbar gemacht werden können, lässt sich aus diesen Aktivitäten aber — bislang — niemals direkt auf die darin verborgene Funktionalitäten schließen. Im analogen Fall, wenn man die elektrischen Aktivitäten der Chips in einem Computer misst (was geht und was man tut), dann kann man damit niemals auf die Algorithmen schließen, die aktuell ausgeführt werden, selbst wenn man diese Algorithmen kennt!

Fall 1: Einführung von Hypothese 3

Der Fall 1 umfasst ja auch noch den Aspekt, dass eine Person A einer anderen Person B etwas ’sprachlich mitteilt‘. Ohne diese sprachliche Mitteilung wüsste B nichts von dem, was in A vorgeht. Im Alltag nimmt eine Person gewöhnlich mehr als nur ein Objekt wahr, möglicherweise viele Objekte gleichzeitig. Zu wissen, dass eine Person gerade ein bestimmtes Objekt meint und nicht eines der vielen anderen Objekte ist daher nicht selbstverständlich.

In Fall 1 soll also gelten: Eine Person A sagt: „Da gibt es ein Objekt X mit Eigenschaften Y“. Und eine andere Person B sagt: „Ja, ich stimme zu“.

Wenn eine Person etwas ’sagt‘, was alle Beteiligten als ‚Elemente einer Sprache L‘ erkennen, dann sind diese Elemente der Sprache L ‚Laute‘, also Schallwellen, die einerseits von einem Sprechorgan (mit einem Mund) erzeugt und auf der anderen Seite von einem ‚Ohr‘ empfangen werden. Nennen wir das erzeugenden Organ einfach ‚Aktor‘ und das empfangende Organ weiterhin ‚Sensor‘, dann produziert eine Person bei sprachlicher Kommunikation mit einem Aktor also Laute und der Teilnehmer der Kommunikation empfängt über seinen Sensor diese Laute.

Es ist natürlich klar dass die gesprochenen bzw. dann auch gehörten Laute einer Sprache L direkt keinerlei Beziehung aufweisen zu den internen Prozessen der Wahrnehmung, des Erinnerns und des ‚Übereinstimmungsprozesses‘ von Wahrnehmung und Erinnerung. Man kann aber annehmen, dass es im Sprecher und Hörer ‚interne neuronale Prozesse‘ geben muss, die eine ‚Entsprechung‘ zu den generierten Lauten aufweisen müssen, da ansonsten der Aktor nicht in Aktion treten kann.[1] Im Fall des Sensors wurde ja schon zuvor darauf hingewiesen, wie Reize der Außenwelt zu Aktivierungen von Neuronen führen, über die ein neuronaler Signalfluss entsteht.

So wie allgemein angenommen wurde, dass es zu wahrgenommenen Objekten neuronale Signalflüsse und unterschiedliche abstrakte Strukturen von Objekten gibt, die ‚intern‘ gespeichert und weiter bearbeitet werden können, so kann und muss man Ähnliches für die neuronale Kodierung von gesprochen und gehörten Lauten annehmen. Sofern man im gesprochenen akustischen Lautmaterial einer Sprache Elemente sowie bestimmte Kombinationen von Elementen unterscheiden kann, so liegt es nahe, anzunehmen, dass sich diese äußerlich identifizierbaren Strukturen auch in der inneren neuronalen Realisierung wieder finden.

Der Kerngedanke von Hypothese 3 lässt sich dann so formulieren: Zu der akustisch wahrnehmbaren Struktur einer Sprache L gibt es eine neuronale Entsprechung, die überdies der ‚aktive‘ Teil ist beim Hervorbringen von gesprochener Sprache und beim ‚Übersetzen‘ von gesprochenen Lauten in die entsprechenden neuronalen Repräsentationen.

[1] Gerade das Sprachorgan des Menschen ist ein hoch komplexes System, bei dem viele Systeme zusammen wirken, die alle neuronal angesteuert und koordiniert werden müssen.

Fall 1: Einführung von Hypothese 4

Mit Hypothese 2 (Erinnerung, Vergleich von Wahrnehmung und Erinnerung) und Hypothese 3 (selbständiges Lautsystem einer Sprache) ergibt sich die nächste Hypothese 4, dass es zwischen dem Lautsystem einer Sprache L und den erinnerbaren Objekten samt aktueller Wahrnehmung irgendwie eine ‚Beziehung‘ geben muss (mathematisch: eine Abbildung), durch die ‚Laute‘ mit ‚Objekten (samt Eigenschaften)‘ und umgekehrt verbunden werden können.

Im Fall 1 gibt es von Person A die Wahrnehmung eines Objektes X mit Eigenschaften Y, dazu eine Erinnerung, die ‚hinreichend übereinstimmt‘, und Person A sagt: „Da gibt es ein Objekt X mit Eigenschaften Y“. Und eine andere Person B sagt: „Ja, ich stimme zu“.

Angesichts der Vielfalt der Welt, angesichts von ständigen Veränderungen und der Vielfalt möglicher Lautsysteme [1], sowie angesichts der Tatsache, dass Menschen massive Wachstumsprozesse durchlaufen vom Embryo bis zum sich immer weiter entwickelten Menschen, ist auszuschließen, dass mögliche Beziehungen zwischen Sprachlauten und wahrgenommene und erinnerten Objekten ‚angeboren‘ sind.

Dies impliziert, dass diese Beziehung (Abbildung) zwischen Sprachlauten und wahrgenommenen und erinnerbaren Objekten sich ‚im Laufe der Zeit‘ erst herausbilden muss, was oft als ‚Lernen‘ bezeichnet wird. Ohne bestimmte Vorgaben kann Lernen sehr langsam verlaufen, bei verfügbaren Vorgaben deutlich schneller. Im Fall von Sprachlernen wächst ein Mensch normalerweise in der Gegenwart anderer Menschen auf, die in der Regel schon eine Sprache praktizieren, die für heranwachsende Menschen als Bezugssystem dienen kann.

Sprache lernen ist jedenfalls ein langwieriger Prozess, der neben der individuellen Aneignung immer auch die inter-individuelle Abstimmung zwischen all denen mit einschließt, die eine bestimmte Sprache L gemeinsam praktizieren.

Im Ergebnis führt das Erlernen einer Sprache dazu, dass nicht nur die ‚Struktur des Lautsystems‘ gelernt wird, sondern auch die Zuordnung von Elementen des Lautsystems zu Elementen der Wahrnehmungs-Erinnerungs Struktur.[2]

Im Fall 1 muss also Person A wissen, welche Lautstruktur in der Anwendungsgruppe für Sprache L für ein Objekt X mit Eigenschaften Y benutzt wird, und ebenso Person B. Falls A und B über das gleiche ‚Beziehungswissen‘ von Lauten zu Objekten und umgekehrt verfügen, kann Person B die sprachliche Äußerung von A „Da gibt es ein Objekt X mit Eigenschaften Y“ ‚verstehen‘, weil er zugleich auch eine Wahrnehmung von diesem Objekt hat und er ein Objekt X erinnert, das für ihn mit dem wahrgenommenen Objekt hinreichend übereinstimmt und er B diesen Sachverhalt genauso benennen würde wie A es getan hat. Dann kann Person B sagen: „Ja, ich stimme zu“.

[1] Man beachte nur die vielen tausend Sprachen, die es immer noch auf dem Planeten Erde gibt, wobei unterschiedliche Sprachen in der gleichen Lebenswelt benutzt werden können. Die gleichen ‚Wahrnehmungsobjekte‘ können auf diese Weise — je nach Sprache — anders benannt werden.

[2] Die Erforschung dieser Sachverhalte hat zwar schon eine lange Geschichte mit sehr, sehr vielen Publikationen, aber eine allgemein akzeptierte einheitliche Theorie dazu gibt es noch nicht.

–!! Noch nicht fertig !!–

Die Invasion der Märchenerzähler

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Letzte Änderungen: 30.April 2024 – 3.Mai 2024

3.Mai 24: Ich habe zwei Epiloge hinzugefügt.

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

Anmerkung: Sofern es nicht um geschlechtsspezifische Aspekte geht, wird immer nur ein Geschlecht benutzt, und zwar das des Autors

Anmerkung 2: Es gibt eine Englische Version dieses Texts auf uffmm.org: https://www.uffmm.org/2024/04/30/the-invasion-of-the-storytellers/

KONTEXT

Ursprünglich hatte ich gechrieben, dass „Dieser Text … keine direkte Fortsetzung von einem anderen Text [ist]. Allerdings gibt es verschiedene Artikel mit einer ähnlichen Thematik als vorausgehende Posts. So gesehen ist der aktuelle Text eine Art ‚Weiterentwicklung‘ dieser Ideen.“ Aber, nur ein kurzer Blick zurück genügt, um zu sehen, dass es mindestens einen Text gibt, der ’sehr nah‘ beim Thema dieses vorliegdnen Textes ist: NARRATIVE BEHERRSCHEN DIE WELT. Fluch & Segen. Dazu Kommentare von @chatGPT4 ( https://www.cognitiveagent.org/2024/02/02/narrative-beherrschen-die-welt-fluch-segen-dazu-kommentare-von-chatgpt4/)

Im Alltag …

… magische Links

kennt fast jeder jemanden — oder sogar mehrere –, der viele Emails — oder anderweitige Mitteilungen — versendet, die nur noch Links enthalten, Links auf irgendwelche Videos, von denen das Netz ja heute genügend parat hält, oder Bilder mit ein paar Schlagworten.

Da die Zeit meist knapp ist, würde man gerne wissen, ob es sich lohnt, dieses Video anzuklicken. Aber erklärende Informationen fehlen.

Spricht man den Versender darauf an, ob es nicht möglich wäre, ein paar erklärende Worte mit zu versenden, dann bekommt vom Versender fast immer die Antwort, dass er selbst dies nicht so gut formulieren könne wie das Video selbst.

Interessant: Jemand versendet einen Link zu einem Video ohne in der Lage zu sein, seine Meinung dazu in eigene Worte zu fassen …

Rückfragen …

Wenn ich dann schon mal einen Link anklicke und versuche, mir eine Meinung zu bilden, ist natürlich eine der ersten Fragen, wer denn das Video (oder einen Text) veröffentlicht hat. Der gleiche Sachverhalt kann — wie tausendfach belegt und von jedem im Alltag nachprüfbar — je nach Perspektive des Betrachters ganz unterschiedlich, ja sogar im vollen Widerspruch, erzählt werden. Und da das, was wir sinnlich wahrnehmen können, sowieso immer nur sehr fragmentarisch ist, an den Oberflächen, am Augenblick hängt, direkt zunächst nicht unbedingt einen Zusammenhang erkennen lässt, bietet jede Beobachtung aus sich heraus zunächst einmal sehr viel Interpretationsspielraum. Ohne gründliche Betrachtung des Kontextes und der Vorgeschichte ist eigentlich eine Interpretation schlicht nicht möglich … es sei denn, jemand hat schon eine ‚fertige Meinung‘, die sich das ‚(willenlose) Fragment der Beobachtung‘ unverzüglich ‚aneignet‘.

Das Rückfragen und Recherchieren wäre also eigentlich ’normal‘, aber unser ’schnelles Gehirn‘ sucht erst einmal ‚automatische Antworten‘, da braucht man nicht viel nachdenken, ist schneller, weniger Energieaufwand, und diese ‚Automatik des Interpretierens‘ liefert trotz allem ein ‚befriedigendes Gefühl‘: Ja, man ‚weiß genau, was da vorliegt‘. Also wozu Rückfragen?

Immunisieren …

Als Wissenschaftler bin ich darauf trainiert, alle Rahmenbedingungen zu klären, auch meine eigenen Voraussetzungen. Das kostet natürlich Mühe und Zeit und ist alles andere als fehlerfrei. Deswegen mehrere Prüfungen, Rückfragen bei anderen, wie diese das sehen, usw.

Wenn ich aber die ‚wortlosen Versender von Links‘ frage, wenn mir etwas auffällt, vor allem, wenn ich da einen Konflikt mit der mir bekannten Realität anspreche, dann variieren die Reaktionen in der Richtung, dass ich dies falsch verstanden habe, oder dass der Autor das so gar nicht gemeint habe. Wenn ich dann auf andere Quellen verweise, die als ’stark geprüft‘ gelten, dann gehören diese zur ‚Lügenpresse‘ oder die Autoren werden sogleich als ‚Agenten einer finsteren Macht‘ enttarnt (es gibt eine ganze Palette von solchen ‚finsteren Mächten), und wage ich es dann, auch hier nachzufragen, woher denn Informationen stammen, dann bin ich ganz schnell ein naiver, dummer Mensch, dass ich dies alles nicht weiß.

Also, jeder Versuch, die Grundlagen von Aussagen zu klären, sie auf nachvollziehbare Sachverhalte zurück zu führen, endet im Konfliktfall schon weit vor jeder Klärung im Versuch, meine Fragen und Hinweise in jede Richtung zu diskreditieren.

Wahrheit Tschüß …

Nun ist ja das Thema ‚Wahrheit‘ selbst in der bisherigen Philosophie leider nicht mehr als ein Ideenlager für verschiedenste Perspektiven. Und selbst die modernen Wissenschaften, im Kern empirisch, verheddern sich zusehends in der Vielzahl ihrer Disziplinen und Methoden in einer Weise, dass ‚integrierende Sichten‘ selten sind und der ’normale Bürger‘ tendenziell eher ein Verständnisproblem hat. Keine gute Ausgangslage um die Ausbreitung des ‚kognitiven Märchenvirus‘ effektiv zu verhindern.

Booster Demokratie und Internet

Das Bizarre an unserer heutigen Situation ist, dass ausgerechnet die zwei wichtigsten Errungenschaften der Menschheit, die Gesellschaftsform der ‚Demokratie‘ (seit ca. 250 Jahren (in einer Geschichte von ca. 300.000 Jahren)) und das Werkzeug des ‚Internets‘ (Browser basiert seit ca. 1993), die zum ersten Mal ein Maximum an Freiheit und an Vielfalt des Ausdrucks möglich gemacht haben, dass ausgerechnet diese beiden Errungenschaften nun genau jene Bedingungen geschaffen haben , dass sich das kognitive Märchenvirus so ungehemmt ausbreiten kann.

Wichtig: das heutige kognitive Märchenvirus ereignet sich im Kontext von ‚Freiheit‘! In früheren Jahrtausenden gab es das kognitive Märchenvirus auch schon, da war es aber unter Kontrolle der jeweiligen autoritären Herrscher, die damit das Denken und Fühlen ihrer Untertanen zu ihren Gunsten gesteuert haben. Die ‚Vagheiten‘ der Bedeutungen haben immer nahezu alle Deutungen erlaubt; und wenn ein bisheriges Märchen nicht gereicht hat, dann wurde schnell ein neues erfunden. Solange eine Kontrolle durch Realität nicht wirklich möglich ist, kann man alles erzählen.

Mit der Entstehung der Demokratie verschwanden zwar die autoritären Machtstrukturen, aber die Menschen, die wählen durften und sollten, waren letztlich die gleichen wie zuvor in autoritären Herrschaften. Wer hat schon wirklich Zeit und Lust, sich mit den komplizierten Fragen der realen Welt zu beschäftigen, vor allem, wenn es einen nicht direkt selbst betrifft? Das machen doch unsere gewählten Vertreter….

In den (anscheinend) ruhigen Jahren seit dem 2.Weltkrieg schien die Aufgabenteilung doch gut zu funktionieren: hier die Bürger, die alles delegieren, und dort die gewählten Vertreter, die alles richtig machen. Eine ‚Kontrolle‘ der Macht sollte über Verfassung, Justiz und durch eine funktionierende Öffentlichkeit‘ garantiert werden…

Was man aber nicht voraus gesehen hatte waren so Kleinigkeiten wie:

  1. Die Zunahme der Bevölkerung und das Voranschreiten der Technologien induzierte immer komplexere Prozesse mit eben solchen komplexen Wechselwirkungen, die sich mit den üblichen Methoden aus der Vergangenheit nicht mehr angemessen bewältigen ließen. Fehler und Konflikte waren vorprogrammiert.
  2. Die Delegierung an wenige gewählte Vertreter mit ’normalen Fähigkeiten‘ kann nur funktionieren, wenn diese wenigen Vertreter in Kontexten arbeiten, die sie mit all den notwendigen Kompetenzen versorgen, die ihr Amt benötigt. Diese Aufgabe scheint immer schlechter gelöst zu werden.
  3. Die wichtige ‚funktionierende Öffentlichkeit‘ wurde durch die ungeheuren Möglichkeiten des Internet immer mehr fragmentiert: es gibt nicht mehr ‚die‘ Öffentlichkeit, sondern ganz viele Öffentlichkeiten. Dies ist an sich nicht schlecht, aber wen die verfügbaren Kanäle von starken Interessengruppen das ’schnelle und bequeme Gehirn‘ anziehen wie das Licht die Mücken, dann gelangen die Köpfe immer mehr in den Bereich der ‚kognitiven Viren‘, die nach nur kurzen ‚Inkubationszeiten‘ einen Kopf ‚in Besitz‘ nehmen und ihn von da ab ’steuern‘.

Die Wirkungen dieser drei Faktoren kann man seit einigen Jahren ganz klar beobachten: die ungelösten Probleme der Gesellschaft, die vom existierenden demokratisch-politischen System immer schlechter gelöst werden, führen ‚vor Ort‘ bei den einzelnen Menschen dazu, dass sie ihre Unzufriedenheiten und Ängste immer mehr und ausschließlich unter dem Einfluss des kognitiven Märchenvirus interpretieren und danach handeln. Damit wird die Situation schleichend noch schlechter, da die konstruktiven Kapazitäten zur Problemanalyse und die gemeinsame Kraft zur Lösung von Problemen abnimmt.

Keine Heilmittel verfügbar?

Blickt man zurück in die vielen tausend Jahre Geschichte der Menschen dann ist greifbar, dass ‚Meinungen‘, ‚Bilder von der Welt‘, immer nur in begrenzten Bereichen mit der realen Welt harmonierten, dort, wo es zum Überleben wichtig war. Aber selbst in diesen kleinen Bereichen gab es jahrtausendelang viele Anschauungen, die sich zu späteren Zeiten als ‚falsch‘ herausstellten.

Schon sehr früh beherrschten wir Menschen die Kunst, uns Geschichten zu erzählen, wie alles mit allem zusammen hängt. Diese wurden begierig gehört, diese wurden geglaubt, und erst viel später konnte man bisweilen erkennen, was an den früheren Geschichten ganz oder teilweise falsch war. Doch zu Lebzeiten, für diejenigen, die mit diesen Geschichten aufwuchsen, waren diese Geschichten ‚wahr‘, ergaben ‚Sinn‘, man ist für sie sogar in den Tod gegangen.

Erst ganz am Ende der bisherigen Entwicklung des Menschen (die Lebensform des Homo sapiens), also — bei 300.000 Jahre als 24 Stunden — nach ca. 23 Stunden und 59 Minuten entdeckten die Menschen mit den empirischen Wissenschaften eine Methode, wie man ‚wahre Erkenntnisse‘ gewinnen kann, die nicht nur für den Augenblick funktionieren, sondern womit man Millionen, ja Milliarden Jahre ‚zurück in der Zeit‘ schauen kann, und für viele Faktoren auch Milliarden Jahre in die Zukunft. Dazu kann die Wissenschaft in die tiefsten Tiefen der Materie schauen und versteht immer besser das komplexe Wechselspiel all der wunderbaren Faktoren.

Und just in diesem Augenblick der ersten großen Sternstunden der Menschheit auf dem Planet Erde bricht der kognitive Märchenvirus ungehemmt aus und droht sogar die modernen Wissenschaften komplett auszulöschen!

Welche Menschen auf diesem Planeten können diesem kognitiven Märchenvirus widerstehen?

Hier eine kleine Zeitungsnotiz vor wenigen Tagen: Unter dem Titel „Game macht Fake News spielerisch erkennbar“ [1](siehe auch [2-3]) wird von einem Experiment schwedischer Wissenschaftler mit Schülern berichtet, dass es möglich war, das Bewusstsein von Schülern für ‚fake news‘ (hier: das kognitive Märchenvirus) messbar zu schärfen.

Ja, wir wissen, dass junge Menschen durch eine angemessene Bildung ihr Bewusstsein so gestalten können, dass sie gegen das kognitive Märchenvirus besser gewappnet sind. Aber was geschieht, wenn die offiziellen Bildungseinrichtungen eine solche Wissenstherapie kaum oder gar nicht durchführen können, wenn entweder die Lehrer es schon nicht mehr können oder, die Lehrer könnten es schon noch, aber die politischen Institutionen lassen es nicht zu? Letztere Fälle sind bekannt, sogar in sogenannten Demokratien!

Epilogue 1

Folgende Arbeitshypothesen deuten sich an:

  1. Das Märchenvirus, die ungehemmte Neigung zum (unkontrollierten) Geschichten erzählen, ist den Menschen mit in die (genetische) Wiege gelegt.
  2. Weder Intelligenz noch sogenannte ‚akademische Bildung‘ sind ein automatischer Schutz dagegen.
  3. ‚Kritisches Denken‘ und ‚empirische Wissenschaft‘ sind spezielle Eigenschaften, die Menschen sich nur mit eigenem großen Engagement aneignen können. Für sie müssen in einer Gesellschaft minimale Voraussetzungen existieren, ohne die es nicht geht.
  4. Aktive Demokratien scheinen das Märchenvirus bis auf ca. 15-20% der gesellschaftlichen Praxis eindämmen zu können (obwohl es in den Menschen immer da ist). Sobald die Prozentzahl der aktiven Märchenerzähler erfahrbar steigt, muss man davon ausgehen, dass das Konzept ‚Demokratie‘ sich in der gesellschaftlichen Praxis — aus vielerlei Gründen — zunehmend abschwächt.

Epilogue 2

Wer aktiv vom Märchen-Virus befallen ist, hat eine Sicht von der Welt, von sich selbst und den anderen, die mit der realen Welt ‚da draußen‘, jenseits seines eigenen Denkens, so wenig zu tun hat, dass die realen Ereignissen das eigene Denken nicht mehr beeinflussen. Man lebt in seiner eigenen ‚Denk-Blase‘. Grundsätzlich gilt dies für jeden Menschen, aber jene, die gelernt haben ‚kritisch und wissenschaftlich‘ zu denken, haben Techniken gelernt und wenden sie an, die das Denken in der eigenen Blase immer wieder einem ‚Reality-Check‘ unterzieht. Dieser Check beschränkt sich nicht auf punktuelle Ereignisse oder punktuelle Aussagen … und da wird es schwierig.

LINKS

[1] Wolfgang Kempkens, com!professional 26.04.2024, https://www.com-magazin.de/news/forschung/game-fake-news-spielerisch-erkennbar-2917376.html

[2] Hier die Webseite der schwedischen Universität von Uppsala, von wo die Forschern kommen: https://www.uu.se/en/press/press-releases/2024/2024-04-24-computer-game-in-school-made-students-better-at-detecting-fake-news

[3] Und hier der volle wissenschaftliche Artikel mit open access: Bad News in the civics classroom: How serious gameplay fosters teenagers’ ability to discern misinformation techniques. Carl-Anton Werner Axelsson, Thomas Nygren, Jon Roozenbeek & Sander van der Linden, Received 26 Sep 2023, Accepted 29 Mar 2024, Published online: 19 Apr 2024 : https://doi.org/10.1080/15391523.2024.2338451

DER AUTOR

Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

Schmerz ersetzt nicht die Wahrheit …

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Email: gerd@doeben-henisch.de

Entstehungszeit: 18.Okt 2023 – 24.Okt 2023

KONTEXT

Der Terrorakt der Hamas auf israelische Bürger am 7.Oktober 2023 erschüttert die Welt. Seit Jahren erschüttern Terrorakte unsere Welt. Unter unseren Augen versucht ein Staat seit 2022 (eigentlich schon ab 2014), das ganze ukrainische Volk auf brutalste Weise auszuradieren. In vielen anderen Regionen dieser Welt findet und fand Ähnliches statt …

… Schmerz ersetzt nicht die Wahrheit [0]…

Wahrheit ist kein Automatismus. Wahrheit verfügbar zu machen erfordert erheblich mehr Anstrengung, als im Zustand partieller Wahrheit zu verweilen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch die Wahrheit kennt bzw. sich um die Wahrheit bemüht ist kleiner als das Verharren in einem Zustand der partiellen Wahrheit oder der direkten Unwahrheit.

Ob in einer Demokratie mehrheitlich die Unwahrheit vorherrscht oder eben die Wahrheit, hängt davon ab, wie eine Demokratie den Prozess der Wahrheitsfindung und der Kommunikation von Wahrheit gestaltet. Einen Automatismus zur Wahrheit gibt es nicht.

In einer Diktatur ist die Wahrscheinlichkeit für eine Verfügbarkeit von Wahrheit extrem abhängig von jenen, die die Macht zentral ausüben. Absolute Macht hat aber schon im Kern mit der Wahrheit gebrochen (was nicht ausschließt, dass diese Macht erhebliche Wirkungen entfalten kann).

Der Gang der bisherigen Geschichte des Menschen auf dem Planet Erde zeigt, dass es offensichtlich keinen einfachen schnellen Weg gibt, der alle Menschen gleichermaßen in einen glücklichen Zustand überführt. Dies muss mit dem Menschen selbst — mit uns — zu tun haben.

Das Interesse an Wahrheitsfindung, an Kultivierung von Wahrheit, an einem gemeinsamen Prozess in Wahrheit, war bislang aber niemals stark genug, um die alltäglichen Abgrenzungen, Unwahrheiten, Verfeindungen, Greueltaten … zu überwinden.

Der eigene Schmerz ist furchtbar, aber er hilft uns nicht weiter …

Wer will überhaupt eine Zukunft für uns alle?????

[0] Es gibt einen Überblicksartikel vom Autor aus dem Jahr 2018, in dem er 15 größere Texte aus dem Blog ‚Philosophie Jetzt‘ vorstellt ( „INFORMELLE KOSMOLOGIE. Teil 3a. Evolution – Wahrheit – Gesellschaft. Synopse der bisherigen Beiträge zur Wahrheit in diesem Blog“ ( https://www.cognitiveagent.org/2018/03/20/informelle-kosmologie-teil-3a-evolution-wahrheit-gesellschaft-synopse-der-bisherigen-beitraege-zur-wahrheit-in-diesem-blog/ )), in denen die Sache mit der Wahrheit aus vielen Gesichtspunkten betrachtet wird. In den 5 Jahren danach hat sich der gesellschaftliche Umgang mit der Wahrheit dramatisch weiter verschlechtert.

Hass hebt Wahrheit auf …

Wahrheit hat mit Wissen zu tun. Wissen ist bei Menschen aber den Emotionen untergeordnet. Was immer wir wissen oder wissen wollen, wenn unsere Emotionen dagegen sind, werden wir das Wissen einklammern.

Eine Form von Emotion ist der Hass. Die zerstörerische Wirkung von Hass begleitet die Geschichte der Menschheit wie ein Schatten und er hinterlässt überall eine Spur der Verwüstung: im Hassenden selbst, und in seiner Umgebung.

Das Ereignis des unmenschlichen Überfalls am 7.Oktober 2023 in Israel, von der Hamas für sich in Anspruch genommen, ist ohne Hass nicht denkbar.

Verfolgt man die Geschichte der Hamas seit ihrer Gründung 1987 [1,2], dann kann man sehen, dass der Hass schon als ein wesentliches Moment in der Gründung grundgelegt ist. Zu diesem Hass gesellt sich das Moment einer religiösen Deutung, die sich islamisch nennt, die aber eine spezielle, sehr radikalisierte und zugleich fundamentalistische Form des Islams repräsentiert.

Die Geschichte des Staates Israel ist komplex, nicht minder die Geschichte des Judentums. Und dass das heutige Judentum auch starke Anteile enthält, die eindeutig fundamentalistisch sind und denen Hass nicht fremd ist, dies führt innerhalb vieler anderer Faktoren im Kern auch zu einer Konstellation von fundamentalistischen Gegensätzen auf beiden Seiten, die aus sich heraus keine Lösungsansätze erkennen lassen. Die vielen anderen Menschen in Israel und Palästina ‚drumherum‘ sind Teil dieser ‚fundamentalistischen Kraftfelder‘, die Menschlichkeit und Wahrheit in ihrer Nähe schlicht verdunsten lassen. An der Spur des Blutes kann man diese Wirklichkeit erkennen.

Sowohl das Judentum wie auch der Islam haben wunderbare Dinge hervorgebracht, aber was bedeutet all dies angesichts eines brennenden Hasses, der alles beiseite schiebt, der nur sich selbst sieht.

[1] Jeffrey Herf, Sie machen den Hass zum Weltbild, FAZ 20.Okt. 23, S.11 (Abriss der Geschichte der Hamas und ihr Weltbild, als Teil der größeren Geschichte)

[2] Joachim Krause, Die Quellen des Arabischen Antisemitismus, FAZ, 23.10.2023,S.8 (Dieser Text ergänzt die Darstellung von Jeffrey Herf. Nach Krause wurde der arabische Antisemitismus seit den 1920iger/ 30iger Jahren über die 1928 gegründete Muslimbrüderschaft weit in die arabische Welt hineingetragen.)

Zerbrechende Gesellschaft

Wenn die Wahrheit schwindet, der Hass wächst (und damit indirekt auch das Vertrauen verdunstet), dann befindet sich eine Gesellschaft im freien Fall. Dagegen gibt es kein Mittel; Waffeneinsatz kann es nicht heilen, nur verschlimmern.

Allein die Tatsache, dass wir glauben, man könnte mangelnde Wahrheit, schwindendes Vertrauen, vor allem aber manifesten Hass nur durch Gewalt ausrotten, zeigt, wie ernst wir diese Phänomene nehmen und zugleich, wie hilflos wir uns diesen Haltungen gegenüber erleben.

In einer Welt, deren Fortbestand an die Verfügbarkeit von Wahrheit und Vertrauen geknüpft ist, ist es ein schrilles Alarmzeichen zu sehen, wie schwer wir uns als Menschen im Umgang mit fehlender Wahrheit und Hass tun.

Ist Hass unheilbar?

Wenn man sieht, wie zäh sich Hass in der Menschheit hält, wir unfassbar grausam ein Handeln sein kann, was von Hass angetrieben wird, und wie hilflos wir Menschen im Angesichts von Hass wirken, dann muss man vielleicht die Frage stellen, ob Hass letztlich nicht eine Art Krankheit ist, eine, die den Hassenden selbst und — ganz besonders — den Gehassten mit schweren Schäden, letztlich mit dem Tod bedroht?

Bei normalen Krankheiten haben wir gelernt, nach Heilmitteln zu suchen , die von der Krankheit befreien können. Wie ist es aber bei einer Krankheit Hass? Was hilft hier? Hilft hier irgendetwas? Müssen wir Menschen, die von Hass befallen sind, wie zu früheren Zeit bei Menschen mit tödlichen Krankheiten (die Pest!) , hassende Menschen ausgrenzen, wegsperren, in ein Niemandsland verschicken? … aber jeder weiß, dass dies nicht geht… Was aber geht? Was hilft gegen Hass?

Nach ca. 300.000 Jahren Homo sapiens auf diesem Planeten wirken wir seltsam hilflos im Angesicht der Krankheit Hass.

Das Schlimme ist, dass es andere Menschen gibt, die in jedem hassenden Menschen ein mögliches Werkzeug sehen, diesen Hass mit geeigneter Manipulation auf Ziele umzufunktionieren, die der Manipulator gerne geschädigt oder gar zerstört sehen will. Dadurch verschwindet der Hass nicht; im Gegenteil, er fühlt sich bestätigt und neues Unrecht schürt die Entstehung von neuem Hass … die Krankheit breitet sich weiter aus.

Eines der größten Ereignisse im gesamten bekannten Universum, die Entstehung des geheimnisvollen Lebens auf diesem Planet Erde, hat einen wunden Punkt, an dem dieses Leben so seltsam schwach und hilflos wirkt. Die Menschen haben im Lauf der bisherigen Geschichte gezeigt, dass sie zu Taten fähig sind, die viele Generationen überdauern, die vielen Menschen mehr Leben ermöglichen, die …. aber angesichts von Hass seltsam hilflos wirken … und der Hassende ist sich selbst genommen, unfähig zu allem anderen … im freien Fall in sein dunkles Inneres …

Statt Hass brauchen wir (minimal, skizzenhaft):

  • Wasser, damit Menschen leben können. Dazu eine Infrastruktur, die Wasser bereit stellt. Dazu andere Menschen, die sich um diese Infrastruktur kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Nahrung, damit Menschen leben können. Dazu eine Infrastruktur, die diese Nahrung herstellt, lagert, aufbereitet, transportiert, verteilt, und die Nahrung bereit stellt. Dazu andere Menschen, die sich um diese Infrastruktur kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • einen Wohnbereich, damit Menschen leben können. Dazu eine Infrastruktur, die diesen Wohnbereich herstellt, bereit stellt, erhält, und verteilt. Dazu andere Menschen, die sich um diese Bereitstellung kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Energie, gegen Kälte, gegen Hitze, für alltägliche Abläufe, um Leben zu können. Dazu eine Infrastruktur, die diese Energie herstellt, bereit stellt, erhält, und verteilt. Dazu andere Menschen, die sich um diese Bereitstellung kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Die Berechtigung und die Teilhabe, Wasser, Nahrung, Wohnen und Energie bekommen zu können. Dazu eine Infrastruktur an Vereinbarungen, damit dies alles möglich ist. Dazu andere Menschen, die sich um diese Vereinbarungen kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Ausbildung, um in der Lage zu sein, Aufgaben im realen Leben übernehmen und erfolgreich ausführen zu können. Dazu braucht es andere Menschen, die genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Ausbildung anbieten und durchführen zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Medizinische Versorgung, um bei vielen Verletzungen, Unfällen, Krankheiten helfen zu können. Dazu braucht es andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche medizinische Versorgung anbieten und durchführen zu können; dazu auch die notwendigen Einrichtungen und Ausrüstungen. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Kommunikationseinrichtungen, damit jeder jederzeit die hilfreichen Informationen bekommen kann, die er braucht, um sich in seiner Welt sachgemäß orientieren zu können: Wann, wer, wo, wie, was …. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Informationen anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Transporteinrichtungen, damit Menschen und Sachen an die Orte kommen können, zu denen sie hin müssen. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Infrastrukturen anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Entscheidungsstrukturen, die die vielfältigen Bedürfnisse und notwendigen Leistungen so vermitteln, dass möglichst alle all das zur Verfügung haben, was sie für ihr alltägliches Leben benötigen. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Infrastrukturen anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Ordnungskräfte, die dafür Sorge tragen, dass Störungen und Verletzungen jener Infrastrukturen, die für das alltägliche Leben notwendig sind, behoben werden, ohne dass neue Störungen entstehen. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Dienst anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • ausreichend Land, um für all diese Anforderungen genügend Raum zur Verfügung stellen können, dazu geeignete Böden (Wasser, Nahrung, Wohnen, Transport, Lagerung, Produktion, …)
  • ein geeignetes Klima
  • ein funktionierendes Ökosystem
  • eine leistungsfähige Wissenschaft, welche die Welt erkundet, um zu wissen, was geht, was nicht geht, was auf uns zukommt, …. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Dienst anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • eine geeignete Technologie, um alle die Aufgaben erfolgreich durchführen zu können, die im Alltag und für die Wissenschaft benötigt werden. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Dienst anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • ein Wissen in den Köpfen der Menschen, das dazu geeignet ist, das Geschehen im Alltag hinreichend gut verstehen zu können, so dass sie verantwortungsvoll mitdenken, sich selbständig orientieren und entscheiden zu können. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Dienst anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Zielvorstellungen (Präferenzen, Werte, …) in den Köpfen der Menschen, welche dazu geeignet sind, im Geschehen des Alltags hinreichend gut Entscheidungen fällen zu können. Dazu braucht es im alltäglichen Leben eine gegenseitige Hilfestellung von Allen, damit die junge Generation sich mit diesen Zielen vertraut machen und selbständig überprüfen kann, um nach und nach aus eigener Kraft diese Ziele anwenden kann.
  • hinreichend viel Zeit und Frieden, damit die bisher genannten Prozesse stattfinden und ihre Wirkung erbringen können.
  • hinreichend gute und dauerhafte Beziehungen zu anderen Bevölkerungsgruppen, die die gleichen Ziele verfolgen.
  • eine hinreichende Gemeinsamkeit zwischen all den Bevölkerungsgruppen, die auf dem Planet Erde leben und mit der Realität dieses Planeten (Erdbeben, Vulkane, Klima, verfügbares Land, …) den Bedarf für ihr Leben dort gemeinsam lösen müssen, wo sie alle betroffen sind.
  • einen dauerhaften positiv-konstruktiven Wettbewerb um jene Zielvorstellungen, die das Leben von möglichst allen Menschen auf diesem Planeten (in diesem Sonnensystem, in dieser Galaxie, ….) auch für die Zukunft möglich erscheinen lassen.
  • der Freiheit, die im Innern der erfahrbaren Welt anwesend ist, so auch in jedem Lebewesen, besonders auch im Menschen, sollte so viel Raum wie möglich gegeben werden, da es nur diese Freiheit ist, die angesichts einer sich beständig verändernden Welt falsche Vorstellungen von gestern so überwinden kann, damit wir in der Welt der Zukunft vielleicht bestehen können.

DER AUTOR

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DENKEN: alltäglich – philosophisch – empirisch theoretisch (Skizze)

(Letzte Änderung: 9.Juni 2023, 17:55h)

KONTEXT

Die aktuelle Phase meines Denkens kreist weiterhin um die Frage, wie sich die verschiedenen Erkenntniszustände zueinander verhalten: die vielen einzel-wissenschaftlichen Disziplinen treiben nebeneinander her; Philosophie beansprucht weiterhin eine Oberhoheit, kann sich aber selbst nicht wirklich überzeugend verorten; und das Denken im Alltag zieht weiterhin unbeirrt seine Bahnen mit der Überzeugung ‚Alles sei doch klar‘, man müsse doch nur einfach hinschauen ‚wie es ist‘. Dann kommen noch die verschiedenen ‚religiösen Anschauungen‘ um die Ecke mit einem sehr hohen Anspruch bei gleichzeitigem Verbot, nicht zu genau hinschauen zu dürfen. … und vieles mehr.

ABSICHT

Im folgenden Text werden drei fundamentale Betrachtungsweise unserer gegenwärtigen Welt skizziert und sie werden zugleich zueinander in Beziehung gesetzt. Manche bislang unbeantwortete Fragen lassen sich dadurch möglicherweise besser beantworten, viele neue Fragen entstehen aber auch. Wenn ‚alte Denkmuster‘ außer Kraft gesetzt werden, muss man viele (die meisten? Alle?) der bislang vertrauten Denkmuster neu justieren. Mit einem Mal sind sie schlicht ‚falsch‘ oder stark ‚reparaturbedürftig‘.

Leider ist es nur eine ‚Skizze‘.

DENKEN im ALLTAG

BILD 1: Im Alltagsdenken geht jeder Mensch (ein ‚homo sapiens‘ (HS)) davon aus, dass das, was er von einer ‚realen Welt‘ weiß, das ist, was er ‚wahrnimmt‘. Dass es diese reale Welt mit ihren Eigenschaften gibt, ist ihm — mehr oder weniger — ‚bewusst‘, darüber muss man nicht eigens diskutieren. Das, was ‚ist, ist‘.

… vieles wäre zu sagen …

PHILOSOPHISCHES DENKEN

BILD 2: Das philosophische Denken beginnt dort, wo einem auffällt, dass die ‚reale Welt‘ nicht von allen Menschen in ‚gleicher Weise‘ wahrgenommen und noch weniger in gleicher Weise ‚vorgestellt‘ wird. Manche Menschen haben ‚ihre Vorstellungen‘ von der realen Welt, die markant ‚anders sind‘ als die Vorstellungen anderer Menschen, und doch bestehen sie darauf, dass die Welt genau so ist, wie sie sich das vorstellen. Aus dieser Beobachtung im Alltag, können viele neue Fragen entstehen. Die Antworten auf diese Fragen sind so vielfältig wie es Menschen gab und gibt, die sich diesen philosophischen Fragen hingaben oder noch hingeben.

… berühmte Beispiele: Platons Höhlengleichnis deutet an, dass die Inhalte unseres Bewusstseins vielleicht doch nicht ‚die Sachen selbst‘ sind sondern nur die ‚Schatten‘ vom dem, was letztlich ‚wahr‘ ist … Descartes berühmtes ‚cogito ergo sum‘ bringt den Aspekt ins Spiel, dass die Inhalte des Bewusstsein auch etwas über ihn selbst sagen, der solche Inhalte ‚bewusst wahrnimmt’…. die ‚Existenz der Inhalte‘ setzt seine ‚Existenz des Denkenden‘ voraus, ohne die die Existenz der Inhalte gar nicht möglich wäre …was sagt uns dies? … Kants berühmtes ‚Ding an sich‘ kann man auf die Einsicht beziehen, dass die konkreten, flüchtigen Wahrnehmungen niemals die ‚Welt als solche‘ in ihrer ‚Allgemeinheit direkt zeigen können. Diese liegt ‚irgendwo dahinter‘, schwer greifbar, eigentlich gar nicht greifbar? ….

… vieles wäre zu sagen …

EMPIRISCH-THEORETISCHES DENKEN

BILD 3: Das Konzept einer ‚empirischen Theorie‘ entwickelte sich sehr spät in der dokumentierten Geschichte des Menschen auf diesem Planeten. Einerseits philosophisch angeregt, andererseits unabhängig von den verbreiteten Formen von Philosophie, aber sehr stark beeinflusst von logischem und mathematischem Denken, siedelte sich das neue ‚empirische theoretische‘ Denken genau an dieser Bruchstelle zwischen ‚Alltagsdenken‘ und ‚theologischem‘ sowie ’stark metaphysischem philosophischem Denken‘ an. Dass Menschen ‚mit dem Brustton der Überzeugung‘ Aussagen über die Welt machen konnten, obwohl es nicht möglich war, ‚gemeinsame Erfahrungen der realen Welt‘ aufzuzeigen, die mit den geäußerten Aussagen ‚übereinstimmten‘, führte dazu, dass einzelne Menschen damit begannen, die ‚erfahrbare (empirische) Welt‘ so zu untersuchen, dass jeder andere bei ‚gleichem Vorgehen‘, die ‚gleichen Erfahrungen‘ machen konnte. Diese ‚transparenten Vorgehensweisen‘ waren ‚wiederholbar‘ und solche Vorgehensweisen wurden zu dem, was später als ‚empirisches Experiment‘ bzw. dann, noch einen Schritt weiter, als ‚Messen‘ bezeichnet wurde. Beim ‚Messen‘ vergleicht man das ‚Ergebnis‘ eines bestimmten experimentellen Vorgehens mit einem ‚zuvor definierten Standard-Objekt‘ (‚Kilogramm‘, ‚Meter‘, …).

Diese Vorgehensweise führte dazu, dass — zumindest die Experimentatoren — ‚lernten‘, dass unser Wissen um die ‚reale Welt‘ in zwei Komponenten zerfällt: es gibt das ‚allgemeine Wissen‘ was unsere Sprache artikulieren kann, mit Begriffen, die nicht automatisch etwas mit der ‚erfahrbaren Welt‘ zu tun haben müssen, und solchen Begriffen, die sich mit experimentellen Erfahrungen in Verbindung bringen lassen, und zwar so, dass auch andere Menschen, sofern sie sich auf das experimentelle Vorgehen einlassen, diese Erfahrungen wiederholen und dadurch bestätigen können. Eine grobe Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten von sprachlichen Äußerungen könnte sein: ‚fiktive‘ Ausdrücke mit ungeklärtem Erfahrungsanspruch, und ‚empirische‘ Ausdrücke mit bestätigtem Erfahrungsanspruch.

Seit dem Beginn der neuen empirisch-theoretischen Denkweise im ca. 17.Jahrhundert dauerte es gut mindestens 300 Jahre, bis sich das Konzept einer ‚empirischen Theorie‘ soweit gefestigt hatte, dass es in weiten Bereichen der Wissenschaft zu einem prägenden Paradigma geworden war. Viele methodische Fragen blieben aber strittig oder blieben sogar ‚ungelöst‘.

DATEN und THEORIE

Viele Jahrhunderte wurde bei vielen — bei nicht wenigen auch bis in unsere Gegenwart — der ‚Missbrauch der Alltagssprache‘ für die Ermöglichung von ‚empirisch nicht verifizierbare Aussagen‘ direkt dieser Alltagssprache angekreidet und die gesamte Alltagssprache wurde als ‚Quelle von Unwahrheiten‘ diskreditiert. Eine Befreiung von diesem ‚ Monster Alltagssprache‘ wurde immer mehr in formalen Kunstsprachen gesucht bzw. dann in der modernen axiomatisierte Mathematik, die ein enges Bündnis mit der modernen formalen Logik eingegangen war (ab Ende des 19.Jahrhunderts). Die Ausdruckssysteme der modernen formalen Logik bzw. dann der modernen formalen Mathematik hatten als solche (nahezu) keine ‚Eigenbedeutung‘. Diese mussten fallweise explizit eingeführt werden. Eine ‚formale mathematische Theorie‘ konnte so formuliert werden, dass sie auch ohne ‚explizite Zuweisung‘ einer ‚externen Bedeutung‘ ‚logische Schlüsse‘ zulässt, die es erlaubten, bestimmte formale Ausdrücke als ‚formal wahr‘ oder ‚formal falsch‘ zu bezeichnen.

Dies erschien auf den ersten Blick sehr ‚beruhigend‘: die Mathematik als solche ist kein Ort von ‚falschen‘ oder ‚untergejubelten‘ Wahrheiten.

Der intensive Einsatz formaler Theorien in Verbindung mit erfahrungsbasierten Experimenten machte aber dann schrittweise deutlich, dass ein einzelner Messwert als solcher eigentlich auch keine ‚Bedeutung‘ besitzt: was soll es ‚bedeuten‘ dass man zu einem bestimmten ‚Zeitpunkt‘ an einem bestimmten ‚Ort‘ einen ‚erfahrbaren Zustand‘ mit bestimmten ‚Eigenschaften‘ feststellt, im Idealfall einem zuvor vereinbarten ‚Standardobjekt‘ vergleichbar? ‚Ausdehnungen‘ von Körpern können sich ändern, ‚Gewicht‘ und ‚Temperatur‘ ebenso. Alles kann sich in der Erfahrungswelt ändern, schnell, langsam, … was kann also ein einzelner isolierter Messwert sagen?

So manchem dämmerte es — nicht nur den erfahrungsbasierten Forschern, sondern auch verschiedenen Philosophen –, dass einzelne Messwerte nur eine ‚Bedeutung‘, einen möglichen ‚Sinn‘ bekommen, wenn man mindestens ‚Beziehungen‘ zwischen einzelnen Messwerten herstellen kann: Beziehungen ‚in der Zeit‘ (vorher – nachher), Beziehungen am/im Ort (höher – tiefer, nebeneinander, …), ‚zusammenhängende Größen‘ (Objekte – Flächen, …), und dass darüber hinaus die verschiedenen ‚Beziehungen‘ selbst nochmals einen ‚begrifflichen Kontext‘ benötigen (einzeln – Menge, Wechselwirkungen, kausal – nicht kausal, …).

Schließlich wurde damit auch klar, dass einzelne Messwerte darüberhinaus ‚Klassenbegriffe‘ benötigten, damit man sie überhaupt irgendwie einordnen konnte: abstrakte Begriffe wie ‚Baum‘, ‚Pflanze‘, ‚Wolke‘, ‚Fluss‘, ‚Fisch‘ usw. wurden so zu ‚Sammelstellen‘, bei denen man ‚Einzelbeobachtungen‘ abliefern konnte. Damit konnten dann aberhundert Einzelwerte z.B. zur Charakterisierung des abstrakten Begriffs ‚Baum‘ oder ‚Pflanze‘ usw. benutzt werden.

Diese Unterscheidung in ‚einzeln, konkret‘ und ‚abstrakt, allgemein‘ erweist sich als fundamental. Sie machte auch deutlich, dass die Einteilung der Welt mit Hilfe von solchen abstrakten Begriffen letztlich ‚willkürlich‘ ist: sowohl ‚welche Begriffe‘ man wählt ist willkürlich, als auch die Zuordnung von einzelnen Erfahrungsdaten zu abstrakten Begriffen ist nicht vorab eindeutig geregelt. Der Prozess der Zuordnung von einzelnen Erfahrungsdaten zu bestimmten Begriffen innerhalb eines ‚Prozesses in der Zeit‘ ist selbst stark ‚hypothetisch‘ und selbst wiederum Teil von anderen ‚Beziehungen‘ die zusätzliche ‚Kriterien‘ liefern können, ob nun Datum X eher zum Begriff A oder eher zum Begriff B gehört (die Biologie ist voll von solchen Klassifikationsproblemen).

Ferner zeigte sich, dass die so ‚unschuldig‘ daher kommende Mathematik bei näherer Betrachtung keineswegs als ‚unschuldig‘ gelten kann. Die breite Diskussion der Wissenschaftsphilosophie im 20.Jahrhundert brachte viele ‚Artefakte‘ zur Sprache, welche die Beschreibung einer dynamischen Erfahrungswelt mindestens leicht ‚korrumpieren‘ kann.

So gehört es zu formalen mathematischen Theorien, dass sie mit sogenannten ‚All- oder Partikularaussagen‘ operieren können. Mathematisch ist es wichtig, dass ich über ‚alle‘ Elemente eines Bereichs/ einer Menge reden kann. Ansonsten wird das Reden sinnlos. Wenn ich nun ein formales mathematisches System als begrifflichen Rahmen für eine Theorie wähle, die ‚empirische Sachverhalte‘ so beschreibt, dass Folgerung möglich werden, die im Sinne der Theorie ‚wahr sind‘ und damit zu ‚Prognosen‘ werden, die behaupten, dass ein bestimmter Sachverhalt entweder ‚absolut‘ oder mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit X größer 50% eintreten wird, dann vereinigen sich zwei verschiedene Welten: die fragmentarischen Einzelaussagen über die Erfahrungswelt werden eingebettet in ‚Allaussagen‘, die grundsätzlich mehr sagen, als Erfahrungsdaten bereit stellen können.

An dieser Stelle wird sichtbar, dass die so ’neutral‘ erscheinende Mathematik genau den gleichen Job tut wie die ‚Alltagssprache‘ mit ihren ‚abstrakten Begriffen‘: die abstrakten Begriffe der Alltagssprache gehen immer über den Einzelfall hinaus (sonst könnten wir letztlich gar nichts sagen), aber gerade dadurch erlauben sie Überlegungen und Planungen, wie wir sie an den mathematischen Theorien so schätzen.

Empirische Theorien im Format formaler mathematischer Theorien haben das weitere Problem, dass sie ja als solche über (nahezu) keine eigene Bedeutungen verfügen. Will man die formalen Ausdrücke mit der Erfahrungswelt in Beziehung setzen, dann muss man (mit Hilfe der Alltagssprache!) für jeden abstrakten Begriff der formalen Theorie (oder auch für jede formale Beziehung oder auch für jeden formalen Operator) explizit eine ‚Bedeutung konstruieren‘, indem man zwischen den abstrakten Konstrukten und bestimmten aufweisbaren Erfahrungstatsachen eine ‚Abbildung’/ eine ‚Zuordnung‘ herstellt. Was sich hier auf den ersten Blick vielleicht so einfach anhört, hat sich im Laufe der letzten 100 Jahren als ein fast unlösbares Problem erwiesen. Daraus folgt jetzt nicht, dass man es überhaupt nicht tun sollte; es macht aber darauf aufmerksam, dass die Wahl einer formalen mathematischen Theorie nicht automatisch eine gute Lösung sein muss.

… vieles wäre noch zu sagen …

FOLGERN und WAHRHEIT

Eine formale mathematische Theorie kann aus bestimmten ‚Annahmen‘ bestimmte Aussagen als formal ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ ableiten. Dies geht, weil es zwei grundlegende Voraussetzungen gibt: (i) Alle formalen Ausdrücke haben einen ‚abstrakten Wahrheitswert‘ als ‚abstrakt wahr‘ oder eben als ‚abstrakt nicht wahr‘. Ferner gibt es einen sogenannten ‚formalen Folgerungsbegriff‘, der festlegt, ob und wie man aus einer gegebenen ‚Menge von formalen Ausdrücken‘ mit vereinbarten abstrakten Wahrheitswerten und einer klar definierten ‚Form‘ andere formalen Ausdrücke ‚ableiten‘ kann. Dieses ‚Ableiten‘ besteht aus ‚Operationen über den Zeichen der formalen Ausdrücke‘. Die formalen Ausdrücke sind hier ‚Objekte‘ des Folgerungsbegriffs, der auf einer ‚Ebene höher‘ angesiedelt ist, auf einer ‚Meta-Ebene 1‘. Der Folgerungsbegriff ist insofern eine eigene ‚formale Theorie‘, die über bestimmte ‚Objekte einer tieferen Ebene‘ spricht so wie die abstrakten Begriffe einer Theorie (oder der Alltagssprache) über konkrete Erfahrungstatbestände sprechen. Das Zusammenwirken von Folgerungsbegriff (auf Meta-Ebene 1) und den formalen Ausdrücken als Objekten setzt eine eigene ‚Interpretationsbeziehung‘ (letztlich eine Art von ‚Abbildung‘) voraus, die wiederum auf einer noch anderen Ebene — Meta-Ebene 2 — angesiedelt ist. Diese Interpretationsbeziehung benutzt sowohl die formalen Ausdrücke (mit ihren Wahrheitswerten!) und den Folgerungsbegriff als ‚Objekte‘, um zwischen diesen eine Interpretationsbeziehung zu installieren. Normalerweise wird diese Meta-Ebene 2 von der so gescholtenen Alltagssprache bewältigt und die implizite Interpretationsbeziehung ist ‚in den Köpfen der Mathematiker (eigentlich in den Köpfen der Logiker)‘ verortet, die davon ausgehen, dass ihre ‚Praxis des Folgerns‘ genügend Erfahrungsdaten liefern, um den ‚Inhalt der Bedeutungsbeziehung‘ zu ‚verstehen‘.

Es war Kurt Gödel gewesen [2], der 1931 versucht hat, das ‚intuitive Vorgehen‘ bei Meta-Beweisen selbst auch zu formalisieren (mit Hilfe der berühmten Gödelisierung) und damit die Meta-Ebene 3 wiederum zu einem neuen ‚Objekt‘ gemacht hat, über das man explizit diskutieren kann. Im Anschluss an Gödels Beweis gab es weitere Versuche, diese Meta-Ebene 3 nochmals anders zu formulieren oder gar deine Meta-Ebene 4 zu formalisieren. Doch blieben diese Ansätze bislang ohne klares philosophisches Ergebnis.

Klar scheint nur zu sein, dass die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, immer wieder neue Meta-Ebenen zu eröffnen, um damit zuvor formulierte Sachverhalte zu analysieren und zu diskutieren, prinzipiell unbeschränkt ist (nur beschränkt durch die Endlichkeit des Gehirns, dessen Energiezufuhr, die Zeit, und ähnliche materielle Faktoren).

Eine interessante Spezialfrage ist es, ob der formaler Folgerungsbegriff der formalen Mathematik angewendet auf Erfahrungstatsachen einer dynamischen empirischen Welt der spezifischen ‚Welt-Dynamik‘ überhaupt angemessen ist? Für den Bereich der ’scheinbar materiellen Strukturen‘ des Universums hat die moderne Physik vielfache Phänomene geortet, die sich einfach klassischen Konzepten entziehen. Eine ‚Materie‘, die zugleich ‚Energie‘ ist, ist tendenziell eher nicht mehr klassisch beschreibbar, und Quantenphysik ist — bei aller ‚Modernität‘ — letztlich immer noch ein ‚klassisches Denken‘ im Rahmen einer formalen Mathematik, die vom Ansatz her viele Eigenschaften nicht besitzt, die aber der erfahrbaren Welt zukommen.

Diese Begrenztheit eines formal-mathematischen physikalischen Denkens zeigt sich besonders krass am Beispiel jener Phänomene, die wir ‚Leben‘ nennen. Die erfahrungsbasierten Phänomene, die wir mit ‚lebenden (= biologischen) Systemen‘ in Verbindung bringen, sind auf den ersten Blick komplett materielle Strukturen, allerdings haben sie dynamische Eigenschaften, die mehr über die ‚Energie‘ aussagen, die sie hervorruft, als über die Materialität, mittels der sie sich realisieren. Insofern ist die implizite Energie der eigentliche ‚Informationsgehalt‘ von lebenden Systemen, die in ihrer Grundstruktur ‚radikal freie‘ Systeme sind, da Energie als ’nicht begrenzbar‘ erscheint. Die unübersehbare Tendenz lebender Systeme, ‚aus sich heraus‘ immer ‚mehr Komplexität zu ermöglichen‘ und zu integrieren widerspricht allen bekannten physikalischen Prinzipien. Die ‚Entropie‘ wird gerne als Argument benutzt, um diese Form von ‚biologischer Selbstdynamik‘ mit Verweis auf eine simple ‚obere Schranke‘ als ‚begrenzt‘ zu relativieren, doch macht dieser Verweis das originäre Phänomen des ‚Lebendigen‘ damit nicht vollständig zunichte.

Besonders spannend wird es, wenn man es wagt, an dieser Stelle die Frage nach der ‚Wahrheit‘ zu stellen. Lokalisiert man die Bedeutung des Begriffs ‚Wahrheit‘ zunächst mal in der Situation, in der ein biologisches System (hier der Mensch) innerhalb seines Denkens eine gewisse ‚Korrespondenz‘ zwischen seinen abstrakten Begriffen und solchen konkreten Wissensstrukturen herstellen kann, die sich über einen Interaktionsprozess mit Eigenschaften einer erfahrbaren Welt in Verbindung bringen lassen, und zwar nicht nur als einzelnes Individuum, sondern zusammen mit anderen Individuen, dann hat jedes abstrakte Ausdruckssystem (genannt ‚Sprache‘) nur in dem Maße einen ‚wahren Wirklichkeitsbezug‘, als es biologische Systeme gibt, die solche Bezüge herstellen können. Und diese Bezüge hängen weiterhin ab von der Struktur der Wahrnehmung und der Struktur des Denkens dieser Systeme; diese wiederum hängen ab von der Beschaffenheit der Körper als Kontext der Gehirne, und die Körper hängen wiederum sowohl ab von der materiellen Struktur und Dynamik der Umgebung wie auch von den gesellschaftlichen Alltagsprozessen, die weitgehend festlegen, was ein Mitglied einer Gesellschaft erleben, lernen, arbeiten, planen und tun kann. Was immer ein Individuum kann bzw. könnte, die Gesellschaft verstärkt entweder das individuelle Potential oder ‚friert‘ es ein. ‚Wahrheit‘ existiert unter diesen Bedingungen als ein ‚frei beweglicher Parameter‘, der durch die jeweilige Prozessumgebung erheblich beeinflusst wird. Das Reden von ‚kultureller Vielfalt‘ kann eine gefährliche ‚Verniedlichung‘ von massiver Unterdrückung ‚alternativer Lern- und Handlungsprozessen‘ sein, die einer Gesellschaft ‚entzogen‘ werden, weil sie ’sich selbst einsperrt‘. Unwissenheit ist tendenziell kein guter Ratgeber. Wissen als solches garantiert aber auch kein ‚richtiges‘ Handeln. Der ‚Prozess der Freiheit‘ auf dem Planet Erde ist ein ‚galaktisches Experiment‘, dessen Ernsthaftigkeit und Ausmaß bislang kaum gesehen wird.

DER AUTOR

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ANMERKUNGEN

[1] Auf Literaturangaben wird hier verzichtet. Es wären viele hunderte Texte zu erwähnen. Das kann keine Skizze leisten.

[2] Siehe Kurt Gödel, Unvollständigkeitssätze, 1931: https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_G%C3%B6del#Die_Unvollst%C3%A4ndigkeitss%C3%A4tze

Pazifismus als ‚Pseudonym‘ für Realitätsverweigerung?

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 24.Februar 2023 – 4.März 2023
URL: cognitiveagent.org, Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch (cagent@cognitiveagent.org)

Kontext

Dieser Text ist eine spontane Reaktion auf die vielen Stimmen, die in unterschiedlichen Tonlagen einen ‚Pazifismus‘ vertreten, dessen eigentliche ‚Natur‘ sich in viel schillernden Vagheiten präsentiert, die bei Nachfragen immer genau das nicht sein sollen, für das man sie halten möchte. Den letzten Kick zur folgenden schriftlichen Reaktion ergab die Lektüre eines Textes von Annete Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland.[1]

‚Ecce Homo‘

Frau Kurschus schleudert dem Leser gleich zu Beginn den Ausdruck ‚Ecce Homo‘ entgegen, einen Ausdruck, den die meisten Menschen heute kaum sogleich verstehen werden, da er aus einer Zeit und Denkwelt kommt, die längst vergangen ist. ‚Ecce Homo‘ ist einer lateinischen Übersetzung des Neuen Testaments entnommen, das ursprünglich in Griechischer Sprache übermittelt worden ist.[2]

Der Kontext des Ausdrucks ist ein Text im Neuen Testament, dessen Überlieferungsgeschichte komplex ist, weder stammt er von Jesus selbst noch vermutlich von einem ‚Jünger‘ Jesu. [3] Die starken textlichen Abweichungen des Johannesevangeliums von den anderen sogenannten ‚Evangelien‘ deuten auf spezielle ‚Deutungsperspektiven‘ hin. Warum also ausgerechnet eine ‚literarische Formulierung‘ von einer möglicherweise ‚literarischen Situation‘ für uns heute in einer gänzlich anderen Situation relevant sein soll, das erschließt sich auf den ersten Blick keineswegs, vielleicht auch nicht auf einen zweiten Blick … was hat letztlich die Situation eines einzelnen Menschen, der machtlos vor dem Vertreter einer Staatsgewalt steht (wohlgemerkt: in einer literarisch fiktiven Situation), in die er sich durch sein eigenes Verhalten hinein manövriert hat, mit der Situation eines ganzen Volkes zu tun, das entgegen allen geltenden Verträgen und entgegen vorausgehenden russischen Beteuerungen plötzlich brutal überfallen wurde. Das tägliche brutale Zerstören und Ermorden seit nunmehr einem Jahr lässt unter normalen Menschen und bei Betrachtung der realen Geschehnisse keine zweite Deutung zu.

Dass eine liturgische Tradition unter Christen sich darin gefällt, den Leidensweg eines einzelnen Menschen zu betrachten (wo es täglich Millionen von Menschen gibt, die ähnlich oder noch furchtbarer leiden), mag ja sein, diese ‚fromme Übung‘ aber mit der brutalen Realität eines Vernichtungskriegs eines ganzen Volkes gleich zu setzen, erscheint mehr als grenzwertig.

Gewissheit der Kirche – Ungewissheit – Kontingenz

Die weitere Wortspielerei mit einer ‚Ungewissheit‘ angesichts der prinzipiellen ‚Kontingenz der Geschichte‘ und einer damit einhergehenden ‚Begrenztheit, weil wir Menschen‘ sind, und nicht Gott, klingt wie intellektueller Hohn angesichts von Menschen, die von anderen Menschen gegen ihren Willen mit brutalen Tötungen und unmenschlichen Gewalttaten überzogen werden, die weder ‚unsicher‘ noch ‚kontingent‘ sind sondern ‚brutal gewiss‘ und ‚brutal zwingend‘.

Dass wir Menschen unsere Welt — aus philosophischer Sicht! — als ‚unsicher‘ erleben können, als ‚kontingent‘, das verweist auf eine ‚Rahmenbedingung‘ unserer menschlichen Existenz, die nunmehr seit Anbeginn des Lebens auf dem Planeten Erde (seit ca. 3.5 Milliarden Jahren) gegeben ist. Diese Ungewissheit gehört zum Leben auf diesem Planeten, und Leben musste sich schon immer darin behaupten, und Herausforderungen, große Krisen, hohe Todesraten, bis hin zu 80 – 90% aller Lebensformen auf dem Planet Erde, gehören zu dieser ‚planetarischen Realität‘.

Wir selbst als Teil dieses planetarischen Lebens, gibt es nur, weil das Leben trotz anhaltender konkreter Bedrohungen sich immer wieder unter Aufbietung aller Fähigkeiten und aller Kraft dagegen gestemmt hat; dies schließt sehr oft mit ein, dass ganze Teile einer Population ihr eigenes Leben einsetzen mussten — und auch heute müssen — , um die Population als ganze für das weitere Leben zu retten![4]

Ja, Kontingenz, Ungewissheit gibt es, es ist eine Grundkonstante des Lebens auf diesem Planeten, diese Ungewissheit aber als ‚Ausrede‘ zu benutzen, um nichts zu tun, weil man ja etwas Falsches tun könnte, widerspricht der Erfahrung des Lebens auf dem Planeten von 3.5 Milliarden Jahren: nur weil das Leben zu allen Zeit massiv ‚ins Risiko gegangen‘ ist gerade weil man nicht wissen konnte, was kommt, gab es zu allen Zeiten eine hinreichend große ‚Risiko-Dividende‘, die ein Weiterleben — auch bei größten Änderungen der Umwelt — ermöglicht hat, zumindest bis heute. Wenn aber mit dem Vorwand eines ‚Pazifismus‘ genau jenes Ringen um Leben im Risiko gleichsam verhöhnt wird, dann stehen die Chancen für ein Weiterleben schlecht. Das grenzt dann an freiwillige ‚Selbstaufgabe‘ nur weil man möglicherweise ‚Angst‘ hat, das Wenige zu verlieren, was man gerade hat, was man aber auf jeden Fall verlieren wird, wenn man sich dem Unheil nicht entgegen stellt. Die egoistische Angst von einzelnen ist kein gutes Überlebensprinzip für das Überleben einer Population.

Die Unlogik der Unvollständigkeit

Es wundert nach all diesen bisherigen Überlegungen nicht, dass Frau Kurschus weitere ‚Tautologien‘ in ihrem Text benutzt.

So benutzt Sie auch eine Aussage, wie die, dass ‚keine Waffe allein den Frieden schaffen wird.‘ Noch etwas frappierender „Auch ein Sieg … schafft noch keinen Frieden.“ Bedenkt man, dass Sie an anderer Stelle die Kontingenz beschwört, die keine klaren Prognosen zulässt, so verwundert die in Worte gefasste Gewissheit, dass ‚Waffen‘ und ‚Siege‘ keinen Frieden bewirken können. Die Geschichte erzählt uns überwiegend das Gegenteil.

In diesen Beispielen deutet sich ein grundsätzliche Haltung von Frau Kurschus im Umgang mit Ungewissheit an: Wie in dem berühmten Beispiel von dem halb vollen Glas, das die einen als ‚eher voll‘, die anderen als ‚eher Leer‘ interpretieren, so nehmen die einen die durchgängige Ungewissheit und Unvollständigkeit als Argument, eher ’nichts‘ zu tun, man könnte ja Fehler machen, die anderen nehmen die durchgängige Ungewissheit und Unvollständigkeit als Argument, darum zu ringen, Ungewissheit und Unvollständigkeit so gut es geht zu ‚minimieren‘: angesichts einer sich ständig wandelnden Welt bedeutet ‚Stillstand‘ der Handelnden automatisch ‚Untergang‘. Ein schlechtes Wissen wird durch Abwarten nicht besser, sondern konstant schlechter. Stattfindendes Unheil muss man direkt bekämpfen, jedes Zögern verschlimmert es. Angst war noch nie ein guter Ratgeber.

In diesem Zusammenhang Worte von Jesus zu zitieren, die aus einem völlig anderen Kontext gerissen werden (der zudem in seinem Überlieferungsstatus — wie alle biblischen Texte — mehr oder weniger unklar ist), ist keine ernst zu nehmende Antwort. Es erscheint eher wie eine ‚Flucht aus der eigenen Verantwortung‘: Ja, man kann sich irren, man kann sogar Fehler machen, aber das Zitieren einer teils historischen, weitgehend literarischen Gestalt, deren Kontext in keiner Weise vergleichbar ist, ist auf jeden Fall Flucht aus der eigenen Verantwortung. Im übrigen ist seit Jahrtausenden klar, dass ‚Lernen‘ — der Erwerb von neuem Wissen für ein besseres Handeln — niemals gelingen kann, wenn nicht bewusst und systematisch Fehler in Kauf genommen werden. Ein aktuelles ‚Nicht-Wissen‘ kann man nur durch mutiges Handeln unter Risiko in ein ‚besseres Wissen‘ verwandeln; das Scheitern und Sterben sind im Erwerb von neuem Wissen inbegriffen. ‚Wahres Neues‘ gibt es niemals zum Nulltarif.

Na dann …

Da ‚Wahrheit‘ kein Gegenstand ist, der sich ‚einfach so aufdrängt‘, sondern nur ’sichtbar‘ werden kann, wenn wir in unsrem Fühlen und Denken jenen Sachverhalten Raum gewähren, die ‚wahre Gegebenheiten konstituieren‘, ist es zunächst einmal jedem freigestellt, zu denken und zu sagen, was er will.

Viele bezweifeln ja heute, dass es überhaupt so etwas wie ‚Freiheit‘ und ‚Wahrheit‘ gibt, aber eine Weise, wie sich die grundlegende Freiheit des Lebens manifestiert, besteht genau darin, dass niemand in seinem Denken ‚gezwungen‘ wird, etwas Bestimmtes zu Denken. Unter Menschen ist es zwar ein beliebter Sport, dass der eine dem anderen versucht, bestimmte Meinungen ‚einzureden‘ oder gar ‚vorzuschreiben‘, aber ‚die Wahrheit selbst‘ zwingt sich nicht auf. Wir müssen sie ‚aktiv suchen‘, wir müssen konkret darum ringen. Die Entstehung der modernen empirischen Wissenschaften ist ein sehr spätes Produkt der Evolution, genauso die Gesellschaftsform der Demokratie. Aber beide ‚Systeme von Verhaltensweisen‘ können jederzeit wieder in sich zusammenfallen, weil ihre ‚innere Dynamik‘ auf Freiheit basiert, und auf ein ‚aktives und tägliches Bemühen um Wahrheit‘. ‚Dummheit‘ treibt alleine vor sich hin, egal was einer tut, und ‚Diktaturen‘ versuchen mit Anwendung von vielerlei Gewaltmittel jenes Denken und Handeln zu erzwingen, was einige wenige meinen, als richtig erkannt zu haben. Dies kann aber niemals wahre Freiheit und darin verborgene Wahrheit ersetzen.

Die Kraft des Lebens zu ‚gelingen‘ ist zwar um Dimensionen größer als sich die einzelnen vorzustellen vermögen, aber ‚partielles Scheitern‘ — auch von ganzen Völkern — ist damit nicht ausgeschlossen. Freiheit ist eine nicht hintergehbare Realität, die bis ins letzte Zipfelchen unsere Energie-Materie Wirklichkeit verankert ist.

ANMERKUNGEN

(Letzte Änderung: 4.März 2023)

wkp-de : = Deutsche Wikipedia

wkp-en: Englische Wikipedia

[1] Siehe FAZ, 24.Februar 2023, S.8., Annette Kurschus, „Keine Pflicht zu radikalem Pazifismus“, Dieser Text ist im Prinzip weitgehend ‚austauschbar‘ mit vielen anderen, die in diesen Monaten in Verbindung mit dem Begriff ‚Pazifismus‘ veröffentlicht werden. Allerdings enthält er das besondere Merkmal eines zusätzlichen Bezugs zum (evangelischen) Christentum.

[2] Siehe ‚ecce homo‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Ecce_homo; etwas ausführlicher ‚ecce homo‘ in der wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Ecce_homo. Anmerkung: Überlieferungsgeschichtlich werden sogar für die Zeit vor der
Verschriftlichung noch andere lokal übliche Sprachformen angenommen

[3] Siehe ‚Das Johannesevangelium‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelium_nach_Johannes

[4] Haben wir schon jetzt vergessen, was notwendig war, um das menschenverachtende Machtstreben und die Tötungsorgien eines Hitler und seiner Unterstützer aufzuhalten? Waren die vielen Millionen Menschen, die ihr Leben geopfert haben, um dem Wahnsinn eines Hitlers Einhalt zu bieten, irregeleitet‘, ‚Friedensstörer‘, letztlich die eigentlichen ‚Kriegstreiber‘ und damit in den Augen von Menschen, die sich Christen nennen, ‚Ungläubige‘? Immerhin gab und gibt es ja zu allen Zeiten — auch heute — genügend viele Menschen, die sich Christen nennen, brutale Kriege richtig finden, und darin sogar einen ‚heiligen Dienst‘ sehen.

Lesetip 1: Das Thema des ‚Paradigmenwechsels‘, das sich im Umgang mit Begriffen wie ‚Pazifismus‘ heute vielfach in der Gesellschaft findet, finde ich in dem Artikel von Daniel Strassberg „Wenn Weltbilder wackeln“ sehr gut in Szene gesetzt: https://www.republik.ch/2023/02/28/strassberg-wenn-weltbilder-wackeln

Lesetip 2: Ein sehr aufschlussreiches Interview in der Frankfurter Rundschau vom 4./5. März 2023, S.32f, mit Jörn Leonhard, Professor für Neuere und Neueste Geschichte, der zwei Bücher zum Umfeld des ersten Weltkriegs veröffentlicht hat, in denen es genau auch um die Fragen geht ‚Wann ein geeigneter Zeitpunkt gewesen wäre‘, einen Frieden zu schließen und warum der spätere ‚Friedensvertrag‘ mehrfache Keime für die nachfolgenden Konflikte und dann den zweiten Weltkrieg in sich trug. Wenn Putin aufgrund seines sehr speziellen Geschichtsbildes imperialen Zielen folgt und er seine Position gegenüber ’seinem Volk‘ an einen Sieg über jene knüpft, die er als ‚Feinde‘ einstuft‘, dann kann es keinen wirklichen Frieden geben, bevor er, Putin, sein Ziel auf seine Weise nicht eingelöst hat. Die Zahl der Toten spielt für ihn — genauso wenig wie für die Deutsche Generalität im ersten Weltkrieg — keine Rolle, solange noch die geringste Hoffnung besteht, das eigene Ziel zu erreichen.

DER AUTOR

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Glauben statt Wissen – Neuer Ausbruch einer alten kognitiven Pandemie?

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 7.Dezember 2022 – 22.Dezember 2022
URL: cognitiveagent.org, Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch (cagent@cognitiveagent.org)

Kontext

Hier nur der allgemeine Blog-Kontext.[0]

Inhalt

Es beginnt mit Beispielen aus dem Alltag …

Was um uns herum passiert …

Im auslaufenden Jahr 2022 kann man in Deutschland — aber auch weltweit — sehr leicht viele unterschiedliche ‚Meinungen‘ zu unserer Welt, zu unserer Gesellschaft, zu unserem Alltag, ja auch ‚zu sich selbst‘ wahrnehmen. Meinungen, die sich unterscheiden, die ‚gegenteilig‘ und damit ‚widersprüchlich‘ erscheinen. Und solche gegenteiligen Meinungen haben — gesehen aus der eigenen Perspektive — vorzugsweise ‚die anderen‘ (Rechte, Linke, Konservative, Liberale, Moderne, Altvordere, Schmarotzer, Demokraten, Autoritäre, …). Man selbst wundert sich aber eventuell (viele wundern sich nicht) darüber, dass die anderen die eigene Meinung nicht akzeptieren wollen. „Wie das, habe ich nicht Recht? Ich weiß es doch ganz genau …“

Wissen ist nicht Wissen

Für die allermeisten Menschen ist das, was sie zu wissen meinen, und auch alles andere, was sie selbst auszeichnet, ‚real‘. Das was sie denken, schreiben und lesen ist erst einmal ‚real‘. Daran zu zweifeln käme für die meisten einer Selbstzerstörung gleich. Ich ’sehe‘ es doch; ich ‚weiß‘ es doch; ich habe es doch ‚gelesen‘; der XYZ hat es doch ‚gesagt’…

Die ernüchternde (eigentlich befreiende, für die meisten aber bedrohliche) Wahrheit ist, dass alles, was wir so meinen, fühlen, denken, erinnern usw. sich erst einmal ausschließlich in unserem eigenen Kopf befindet, genauer: in unserem Gehirn. Da es ‚unser‘ Gehirn ist, ist alles, was sich im Gehirn abspielt (nur weniges ist ‚bewusst‘) für uns ‚real‘. Für uns als ‚Besitzer‘ unseres Gehirns ist grundsätzlich alles, was dieses Gehirn unermüdlich rund um die Uhr für uns produziert ‚das Reale‘, die ‚reale Welt‘. Und was immer wir fühlen und denken: es ist erst einmal für uns als ‚Besitzer‘ und ‚Produzenten‘ maximal ‚real‘. So sind wir geboren. So funktionieren wir. [1]

In den empirischen Wissenschaften (experimentelle Psychologie, experimentelle Neurowissenschaften, …) kann man diese Sachverhalte heute sehr direkt untersuchen und kann dann die Arbeitshypothese aufstellen, dass die Prozesse in unserem Gehirn, sofern sie Eigenschaften der Welt außerhalb des Gehirns in unserem eigenen Körper wie auch außerhalb unseres eigenen Körpers ‚repräsentieren‘, in dieser Beziehung als ‚virtuell‘ zu bezeichnen sind gegenüber den ‚realen‘ Prozessen außerhalb des Gehirns. Für uns selbst bleiben diese virtuellen Prozesse aber ‚real‘, es sind eben ‚unsere‘ Prozesse.

Ein wunderbares Medium, anhand dessen man sehr viele (die meisten) Phänomene dieser ‚Welt – Gehirn‘ Diskrepanz illustrieren kann, ist die Alltagssprache, unsere ’normale Sprache‘.

Wenn wir mit anderen am Frühstückstisch sitzen und jemand sagt „Kannst Du mir den Kaffee rüber reichen“, dann weiß der andere normalerweise (aufgrund seines Situationswissens, seiner aktuellen Wahrnehmung, und seines erlernten Sprachwissens) welcher Gegenstand auf dem Frühstückstisch gemeint ist. Irritiert wäre man dann aber, wenn der andere statt der Kaffeekanne zu einem leeren Glas greifen würde (was bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen sehr wohl geschehen könnte).

Würde einer der Frühstücksteilnehmer nebenbei in eine Zeitung schauen, könnte es passieren,dass er plötzlich laut sagt: „Toll das Politiker XY das sagt“, worauf es genauso passieren könnte, dass ein anderer Frühstücksteilnehmer spontan erwidert: „Das ist doch nur Betrug. Weißt Du denn nicht …“ Und schon entwickelt sich möglicherweise ein Streitgespräch, das emotional ausarten kann.

Jeder der Sprecher würde für sich reklamieren, dass er es doch ‚richtig‘ weiß, dass es doch ‚wahr‘ sei, dass der und die das doch ‚geschrieben‘ hat, dass der und die das doch ‚gesagt‘ haben …

Wie jeder heute im Jahr 2022 überall und jederzeit erleben kann, finden solche wundersamen Dialoge statt: jeder behauptet Recht zu haben und kann sich nicht vorstellen, dass er nicht Recht hat.

Die moderne Philosophie hätte dazu einfache klare Antworten (im Geiste Kants, der sich modernisiert hat). Aber wer kennt schon Philosophie? Wer hat die Zeit und Kraft, sich damit zu beschäftigen? Und, vor allem, wer hätte auch nur das Minimum einer Motivation, seine eigene Meinung, die doch so ‚wahr‘ und ‚wunderbar‘ ist, in Frage zu stellen? Da würde ja ein ‚Abgrund‘ drohen, womöglich ein ‚Fall‘ ins ‚Nichts’… [1],[2]

Ich komme so nicht weiter …nur in mir …

Ein sehr lieber Mensch schrieb mir die Tage: „Wenn es darum geht, zu handeln, muss man irgendwann sagen, ‚Jetzt brauche ich diese Sicherheit‘. Und wo finde ich die? Nur in mir. …..Text, jeder sagt etwas anderes….Ich als Laie komme so nicht weiter. Ich muss dann in mich gehen und einen intuitiven Zugang dazu entwickeln.“

Dieses Zeugnis von einer Person kann man von vielen anderen auch hören und lesen. Sofern man noch nicht völlig verzweifelt ist, nicht völlig ‚abgeschaltet‘ hat, noch irgendwie einen ‚Funken Leben‘ in sich verspürt, wird jeder sich ‚aufbäumen‘ gegen die Verwirrung und Unsicherheit um sich herum und wird laut sagen: ich will mich nicht einfach ergeben. Ich will leben. Ich will ‚das Richtige‘ tun. Und wem soll ich glauben wenn nicht zuerst mir selbst. Ich selbst kann doch nicht falsch sein.

Dem wird man erst einmal zustimmen müssen: die eigene Existenz ist der Dreh- und Angelpunkt für alles, was wir fühlen, denken und tun. Und das eigene Erleben wirkt so unmittelbar, so echt, so wahr, dass viele kaum einen Ansatzpunkt sehen, dass sie dies alles — und damit vermeintlich sich selbst — ‚in Frage stellen sollten‘.

Solange Menschen sehr direkt von den realen Gegebenheiten ‚um sie herum‘ abhängen (nichts zu essen, nichts zu trinken, direkte körperliche Bedrohung, Hitze und Kälte, …), gibt es ein ‚reales Grundrauschen‘, das sich mit dem ‚inneren Grundrauschen‘ zu einem ‚Sound‘ vermischt, der eine einfache ‚Dominanz‘ des inneren Rauschens verhindert. Dies bedeutet nicht automatisch, dass man deswegen ‚versteht‘, wie ‚Wirklichkeit funktioniert‘, warum man ’so und so fühlt‘, ’so und so denkt‘ usw., aber die Gefahr, sich nicht in seinen eigenen Gefühlen und Gedanken wie in einen ‚Kokon‘ einfach einzuweben ohne Rücksicht auf die Realitäten um einen herum, ist ein klein wenig geringer; der ‚realitätsgeschwängerte Sound‘ in mir kann meine ‚Introvertiertheit‘ ein wenig abmildern.

Das eigene ‚Fühlen‘: ja, es ist sehr real, man kann sich davon leiten lassen. Aber wenn man nicht versteht, dass ‚Gefühle‘ (welcher Art auch immer)‘ ‚Signale des Körpers‘ an — ja: an wen? — sind, die man ‚deuten‘ kann, aufgrund deren man ‚Erkenntnisse‘ über den Körper, die Umwelt, sein eigenes Verhalten gewinnen könnte, dann sind die ‚Gefühle‘ nur eine Form von ‚Rauschen‘, das einen irgendwie ‚betäuben‘ kann, ohne dass man daraus ein ‚besseres Verhalten‘ ableiten kann. Meistens bietet eine bestimmte Gesellschaft mit ihren kulturellen Mustern ‚Interpretationshilfen‘, was man tut, wenn man ‚Durst‘ verspürt, ‚Hunger‘, ‚Müdigkeit‘, ‚Zahnschmerzen‘, ’sexuelle Erregungen‘, … aber selbst bei diesen ‚vergleichsweise einfachen‘ Gefühlen lassen gesellschaftliche Muster ein sehr breites Verhaltensspektrum zu. Die Antwort auf das Gefühl ‚Hunger‘ verweist z.B. auf das Muster ‚Ernährung‘, zu dem es heute eine Unmenge an ‚Rezepten‘ gibt, was man wann wie essen sollte, um sich ‚gesund‘ zu ernähren (für viele Millionen Menschen auf diesem Planeten irrelevant, weil sie sowieso kaum etwas zum Essen haben…). Bei anderen Gefühlen wie ‚Zuneigung‘, ‚Verliebtsein‘, ‚Angst‘ … wird es schon schwieriger. Was sind dies überhaupt für ‚Signale‘ aus ‚meinem Inneren‘?

Verschiedene Wissenschaften haben mittlerweile ‚Indizien‘ dafür geliefert, dass bestimmte Gefühle (z.B. Angstgefühle) nicht nur aufgrund einer aktuellen Gegebenheit entstehen, sondern auf intensive Erfahrung in der eigenen Geschichte zurück verweisen, die anlässlich von Situationen, die eigentlich nicht bedrohlich sind, wieder ‚aufgeweckt‘ werden und uns überfluten. Wer sich spontan seinen ‚aktuellen Gefühlen‘ hingibt, der kann zu dem falschen Schluss kommen, dass es dieser merkwürdige Gesichtsausdruck in einem Gegenüber ist, der mir zufällig begegnet. Tatsächlich ist es aber eine Form von ‚erinnerter Vergangenheit‘, die in mir ‚aufpoppt‘ und mich mit einem Gefühl flutet, für das die aktuelle Situation nur als ‚Katalysator‘ wirkt. Die meisten Menschen bräuchten ‚professionelle Hilfe‘ (eine Art ‚Gefühls-Trainer‘), um zu ‚lernen‘, dass bestimmte Gefühle eben gerade nicht das sind, für das wir sie halten.

Dieses Beispiel gilt nicht nur für die ‚Angst‘, es gilt eigentlich für alle (!) Gefühle. Jedes Gefühl folgt einer klaren ‚Logik‘; diese Logik liegt aber nicht ‚einfach so auf dem ‚Tisch‘. Man muss sich damit beschäftigen, immer wieder, über längere Zeiträume, um Zusammenhänge zwischen ‚aktuellem Gefühl‘ und konkreten Erlebnissen und eigenem Tun schrittweise zu erkennen. Eine Gesellschaft könnte mit geeigneten kulturellen Mustern dem einzelnen helfen, geeignete ‚Lernprozesse‘ durchleben zu können. Populär — und zugleich bei vielen kritisch beäugt — sind moderne psychologisch basierte ‚Therapien‘, letztlich ‚Trainingsprozesse‘. Ebenfalls populär — bei einigen — sind vielfältige Formen von Meditation und ‚geistlicher Beratung‘. Alle diese Methoden sind ‚anfällig für Fehler‘, da der Gegenstand dieser ‚Trainingsformen‘ das Komplexeste ist, was es auf diesem Planeten gibt: die Gefühlswelt eines ‚Hochleistungslebewesens‘, das in komplexe Körper- und Weltprozesse eingebettet ist, die zusätzlich durch das eigene Verhalten verändert werden. Niemand kann hier wirklich der ‚absolute Guru‘ sein, der ‚alles‘ versteht (er kann aber so tun und die ‚Gläubigen‘ des Gurus können sich in ihr Vertrauen an ihn wie in einen ’selig spendenden Kokon‘ einwickeln lassen). Aber vor dem ‚alles‘ stehen sehr viele ‚Fragmente‘, die — jedes für sich — ein ‚Mosaikstein‘ sein kann für ein immer größer werdendes Gesamtbild, das dann der Kultur einer Gesellschaft — und damit allen — nützen kann. Besser sollten wir vielleicht sagen ‚könnte‘, denn bislang scheinen wir in unserem gesellschaftlichen Selbstverständnis von solch einem Bild noch weit entfernt zu sein; noch gibt es zu viele, die glauben, sie alleine könnten das Heil für alle bringen.

Ozean der Erregungen

Der Geist in der Flasche

Das Gehirn in einer Galaxie von Ereignissen

Chimäre Digitalisierung: Engel oder Teufel?

Wo bitte geht’s zur Welt?

Die großen Erzählungen der Religionen: viel Gift und wenig Heil?

Stadt der Erleuchtung …

Die Geschichte zur Geschichte vom Großvater, seinen Enkeln, und der Stadt der Erleuchtung.

Die Welt als Erleuchtung?

Noch nicht fertig

… man muss Geduld haben, nicht nur als Leser, auch als Autor: Wenn der Kopf ‚voll‘ ist, die Zeit aber ‚knapp‘ … wer entscheidet dann eigentlich ‚was‘ ‚wie‘ getan werden soll? … Pläne sind oft nur eine faule Ausrede um nicht das zu tun, was man ‚eigentlich‘ tun sollte … das ‚Geheimnis des Lebens‘ lässt sich nicht immer und überall durch Pläne lösen … es ‚pocht in uns‘ …

Kommentare

[0] Es gibt zwei andere Blogs, die eng mit diesem Blog verbunden sind, ohne dass man den Zusammenhang ‚auf den ersten Blick‘ erkennen wird: ‚Citizen Science 2.0/ Bürgerwissenschaft 2.0‘ und ‚Integrating Engineering and the Human Factor‘. Jeder der drei Blogs beschreibt — aus einer unterschiedlichen Perspektive — ein und dieselbe Sache: uns Menschen, wir auf unserem Planeten, und unsere täglichen Versuche, damit klar zu kommen. …. und natürlich gibt es unendlich mehr, was nicht in diesen drei Blogs steht … das tröstet: unser Denken ist nicht alles, auch wenn wir das gerne glauben.

[1] Der große Philosoph Immanuel Kant würde sein berühmtes Werk ‚Kritik der reinen Vernunft‘ (Erste Auflage 1781) heute im Kontext der modernen Philosophie (mit den empirischen Wissenschaften als Teildisziplinen) vermutlich komplett umschreiben. Das Transzendentale wäre (was Konrad Lorenz in einem Beitrag über Kant 1941 schon getan hat [2]) dann verankert in der Struktur unseres Körpers mit dem Gehirn, und die Arbeitsweise des Körpers mit seinem Gehirn legt fest, ob und wie wir denken, wahrnehmen, erinnern usw.

[2] K. Lorenz: Kants Lehre vom Apriorischen im Lichte gegenwärtiger Biologie. In: Blätter für Deutsche Philosophie. Band 15, 1941, S. 94–125

DER AUTOR

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POPPER: FRÜH – MITTEL – SPÄT. Empirische Theorie

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 13.März 2022 – 13.März, 11:11h
URL: cognitiveagent.org, Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@doeben-henisch.de)

Kontext

Bei diesem Beitrag handelt es sich um die Fortsetzung des Diskurses zu den zuvor besprochenen Artikeln von Popper:  „A World of Propensities“ (1988, 1990),  „Towards an Evolutionary Theory of Knowledge“ (1989,1990)[1] sowie „All Life is Problem Solving“ (1991, 1994/1999). [2] Der Beitrag „(SPÄTER) POPPER – WISSENSCHAFT – PHILOSOPHIE – OKSIMO-DISKURSRAUM“ spielt hier keine Rolle. Es wird aber direkt Bezug genommen auf einen Text von Popper von 1971 „Conjectural Knowledge: My Solution of the Problem of Induction.“[3],[4] Dieser wurde in meinem Englischen Blog diskutiert „POPPER – Objective Knowledge (1971). Summary, Comments, how to develope further„.

Vorbemerkung

Die Begegnung des Autors mit Popper spielt sich in unterschiedlichen Etappen ab. Die erste Begegnung fand statt im März 2021 mit einer Diskussion der ersten 17 Kapitel von Popper’s Frühwerk „Logik der Forschung“ (1935), allerdings in der Englischen Fassung von 1959.[5] Diese erste Begegnung war eingebettet in eine größere Diskussion (mehrere längere Posts) zum Theoriebegriff und dem Zusammenhang mit dem oksimo Projekt.

In dieser ersten Begegnung wurde die Position Poppers vornehmlich wahrgenommen aus einer bestimmten, schon bestehenden wissenschaftsphilosophischen Perspektive, zusätzlich eingefärbt durch den Blick auf die Anwendbarkeit dieses Theoriebegriffs auf das oksimo Projekt. Wenngleich für den Autor in vielfacher Hinsicht sehr erhellend, kommt die Position Popper’s nicht so richtig zum Vorschein.

Erste die Lektüre von drei Beiträgen Popper’s aus der Zeit 1988 – 1991 führte zu einer neuen mehr Popper-zentrierten Wahrnehmung. In diesem Spannungsfeld von ‚frühem‘ Popper 1935/1959 und ’spätem‘ Popper 1988 – 1991 führte die Begegnung mit dem Text des ‚mittleren‘ Popper von 1971 zu einer sehr direkten Begegnung, die die Gedanken zu Popper weiter belebten.

Popper: Früh – Mittel – Spät

Die hier provisorisch vorgenommene Einordnung Poppers in einen ‚frühe‘, bzw. ‚mittleren‘ bzw. ’späten‘ Popper ist natürlich — gemessen an dem gesamten Werk Poppers ein bisschen gewagt. Dies entspricht aber letztlich dem Stil einer Theoriebildung im Sinne von Popper, in der — ausgehend von einzelnen Beobachtungen –, schrittweise Hypothesen gebildet werden, die dann versuchsweise angewendet werden. Im Scheitern bzw. in partiellen Bestätigungen entwickelt sich dann solch eine Theorie weiter. Eine ‚absolute Endform‘ wird sie nie haben, aber sie kann immer differenzierter werden, begleitet von immer stärkeren ‚Evidenzen‘, die allerdings ‚Wahrheit‘ niemals ersetzen können.

So also hier eine meine ‚Mini-Theorie‘ über Popper anhand von nur vier Artikeln und 17 Kapiteln aus einem Buch.

Bei meiner bisherigen Lektüre entsteht der Eindruck, dass die Strukturen des ‚frühen‘ (1935 – 1959) Popper denen des mittleren‘ (1971) Popper sehr ähnlich sind. Die Texte des ’späten‘ (1988 – 1991) Popper hingegen bringen einen starken neuen Akzent in die Überlegungen ein.

Wahrheit ohne Wahrheit

Ein Grundthema des frühen und mittleren Popper ist einerseits die starke Betonung, dass ‚Wahrheit‘ — zumindest als ‚regulative Idee‘ — unverzichtbar ist, soll empirische Wissenschaft stattfinden, andererseits aber sein unermüdliches Bemühen, darauf hinzuweisen, dass die Aussagen einer Theorie, selbst wenn sie sich eine lange Zeit ‚bewährt‘ haben, dennoch keine ‚absolute Wahrheit‘ widerspiegeln; sie können jederzeit widerlegt werden.[6] Diese Position führt ‚aus sich heraus‘ natürlich zu der Frage, was denn ‚Wahrheit als regulative Idee‘ ist bzw. zu der komplementären Frage, welchen ‚Status‘ dann jene Aussagen haben, auf die Theorieentwürfe aufbauen. Was ist eine ‚Beobachtungsausage‘ (Spezialfall ein ‚Messwert‘), die zum Ausgangspunkt von Theorien werden?

Poppers Prozessmodell von Wahrheit

Man kann Poppers Konzept einer objektiven (= ‚wahren‘) empirischen Theorie von ihren ‚Bestandteilen‘ her als ein ‚Prozessmodell‘ rekonstruieren, in dem sich — auf eine nicht wirklich geklärte Weise — beobachtungsgestützte Aussagen mit einem formalen Konzept von Logik ‚vereinen‘. Details dazu finden sich in einem Englischen Blogbeitrag des Autors.

Popper löst das Problem der notwendigen Wahrheit, die eigentlich nicht da ist, aber irgendwie dann doch, indem er in seinem 1971-Text [4] die einzelnen Aspekte dieses Wahrheitsbegriffs schildert und sie dann auf den letzten Seiten (29-31) wie in einem ‚Puzzle‘ zusammenfügt, allerdings so, dass viele Details offen bleiben.

Primären Halt in der empirischen Realität bieten Beobachtungssätze, die im Fall der Überprüfung einer Theorie, die Rolle von ‚Testsätzen‘ übernehmen. Die Theorie selbst besteht aus einer Ansammlung von ‚Hypothesen‘ (‚conjectures‘), in denen einzelne Beobachtungsaussagen zueinander in Beziehung gesetzt werden, die als solche natürlich nicht beobachtet (‚gemessen‘) werden können.[7]

Bei dem Übergang vom ‚Beobachtungswert‘ (‚Messwert‘) zur ‚Hypothese‘ finden aber unweigerlich ‚Verallgemeinerungen‘ statt [8], die dann sprachlich repräsentiert werden. Nur die ‚teilnehmenden‘ Beobachter wissen ‚implizit‘, auf welches konkrete Ereignis sie sich mit ihren sprachlichen Ausdrücken beziehen. Der Versuch der Wissenschaft, dieses Problem des ‚impliziten‘ (= subjektiven)‘ Wissens durch vereinbarte Messprozeduren aufzulösen, hilft nur partiell. Das Zustandekommen des Beobachtungsereignisses wird damit zwar ‚objektiviert‘, aber die ‚Übersetzung‘ dieses objektivierten Ereignisses, das als Wahrnehmungsphänomen bei den teilnehmden Beobachtern ‚ankommt‘, wird im Beobachter ‚unbewusst‘ zu einem Konzept verarbeitet, dass dann in einen sprachlichen Ausdruck transformiert wird, der dann als Beobachtungsaussage ‚funktioniert‘. Alle, die an diesem ‚Spiel‘ [9] teilnehmen, wissen, wie sie sich verhalten sollen. Ein ‚Außenstehender‘ versteht es nicht automatisch.

Anders betrachtet, selbst objektivierenden Beobachtungsprozesse klammern die subjektvie Komponenten nicht völlig aus.

Hat man verallgemeinernde Beobachtungsaussagen („Der Main-Kinzig Kreis hat 2018 418.950 Einwohner.“, „Dieser Stein wiegt 4.5 kg.“, „Das Wasser hat eine Temperatur von 13 Grad Celsius.“) , dann kann man auf dieser Basis versuchen, Hypothesen zu bilden (z.B. bzgl. des Aspektes möglicher Veränderungen wie Einwohnerzahl, Länge, Temperatur). Im Fall der Einwohnerzahl bräuchte man dann z.B. Beobachtungen zu mindestens zwei verschiedenen Zeitpunkten‘ (2018, 2019)[14], um aus der ‚Differenz‘ Hinweise ‚abzuleiten‘, welches Ausmaß ein ‚Wachstumsfaktor‘ haben könnte. Im Fall des Main-Kinzig Kreises wird für diesen Zeitraum z.B. ein Wachstumsfaktor von 0.4% ermittelt.

Wie ist solch ein ‚abgeleiteter Wachstumsfaktor‘ einzuordnen? Er beschreibt eine ‚abgeleitete‘ Größe, mit der man eine Formel bilden könnte wie ‚Die Einwohnerzahl im Jahr t+1 = Einwohnerzahl im Jahr t + (Einwohnerzahl im Jahr t * Wachstumsfaktor). Dies ist eine Rechenanweisung, die mit beobachteten Größen (Einwohnerzahl) und daraus abgeleiteten mathematischen Eigenschaften (Wachstumsfaktor) eine ‚Voraussage‘ berechnen lässt, wie die Einwohnerzahl in nachfolgenden Jahren aussehen [14] würde, wenn der Wachstumsfaktor sich nicht verändern würde.

Klar ist, dass solch ein sprachlicher Ausdruck seine Bedeutung aus dem ‚Bedeutungswissen‘ der Teilnehmer bezieht. Der Ausdruck selbst ist nichts anderes als eine Menge von Zeichen, linear angeordnet. Also auch hier eine fundamentale ’subjektive Dimension‘ als Voraussetzung für ein ‚objektives Agieren‘.

Diese Aspekte sprachlicher Bedeutung und deren Verankerung in der inneren Struktur der Beobachter und Theoriebauer [10] diskutiert Popper nicht explizit. Wohl postuliert er eine ‚Logik‘, die die ‚Herleitung‘ von Prognosen aus den theoretischen Annahmen beschreiben soll.

Die moderne formale Logik hat viele wunderbare Eigenschaften, aber eines hat sie nicht: irgendeinen Bezug zu irgendeiner Bedeutung‘. In einem formalen Logikkalkül [11] gibt es eine Menge von formalen Ausdrücken, die als ‚Annahmen‘ funktionieren sollen, und das einzige, was man von diesen wissen muss, ist, ob sie als ‚wahr‘ eingestuft werden (was bei Annahmen der Fall ist). Was mit ‚wahr inhaltlich gemeint ist, ist aber völlig unbestimmt, zumal formale Ausdrücke als solche keine Bedeutung haben. Wenn es eine Bedeutung geben soll, dann muss man die formalen Ausdrücke an die ’subjektive Bedeutungsdimension der Teilnehmer‘ knüpfen, die nach Bedarf spezielle Messverfahren zu Hilfe nehmen.

Angenommen, man hat die ‚formalisierten Ausdrücke‘ mit den verallgemeinerten Aussagen der Hypothesen verknüpft [12] und man nutzt die Logik, um ‚Ableitungen‘ zu machen, die zu ‚Prognosen‘ führen[13], dann stellt sich das Problem, wie man das Verhältnis einer ‚abgeleiteten‘ Aussage zu einer ‚Beobachtungsaussage‘ bestimmten soll. Popper benutzt hier zwar Klassifikationen wie ‚bestätigend‘, ’nicht bestätigend‘, ‚falsifiziert‘, aber eine Diskussion im Detail zu „A bestätigt B“/ „A bestätigt B nicht“/ „A falsifiziert B“ scheitert an vielen ungeklärten Details und Randbedingungen, die im vorausgehenden Text nur angedeutet werden konnten.

Der Diskurs geht weiter.

Kommentare

[1] Karl Popper, „A World of Propensities“,(1988) sowie „Towards an Evolutionary Theory of Knowledge“, (1989) in: Karl Popper, „A World of Propensities“, Thoemmes Press, Bristol, (1990, repr. 1995)

[2] Karl Popper, „All Life is Problem Solving“, Artikel, ursprünglich ein Vortrag 1991 auf Deutsch, erstmalig publiziert in dem Buch (auf Deutsch) „Alles Leben ist Problemlösen“ (1994), dann in dem Buch (auf Englisch) „All Life is Problem Solving“, 1999, Routledge, Taylor & Francis Group, London – New York

[3] Karl R.Popper, Conjectural Knowledge: My Solution of the Problem of Induction, in: [2], pp.1-31

[4] Karl R.Popper, Objective Knowledge. An Evolutionary Approach, Oxford University Press, London, 1972 (reprint with corrections 1973)

[5] Karl Popper, The Logic of Scientific Discovery, First published 1935 in German as Logik der Forschung, then 1959 in English by  Basic Books, New York (more editions have been published  later; I am using the eBook version of Routledge (2002))

[6] Popper verweist hier gerne und häufig auf die Geschichte der Physik mit den unterschiedlichen Konzepten, wie man die Erde als Teil des Sonnensystems und dann später das ganzen Universums beschrieben hat bzw. heute beschreibt. Hauptbeispiel: Newtons System, das dann mit immer neuen Beobachtungen und dann schließlich mit Einsteins Relativitätstheorie als ‚zu eng‘ klassifiziert wurde.

[7] ‚Beziehungen‘ existieren ausschließlich in unserem ‚Denken‘ (das alte Hume Problem, das Kant schon zu lösen versuchte, und das Popper in seinen Texten wieder und wieder aufgreift). Wenn wir diese ‚gedachten Beziehungen‘ in die beobachtbaren Einzelereignisse (Zeit, Ort, Beobachter) ‚hinein-sehen‘, dann ist dies der Versuch, zu ‚prüfen‘, ob diese Beziehung sich ‚bestätigen‘ oder ‚widerlegen‘ lässt. Anmerkung: die moderne expermentelle Psychologie (auch als Neuropsychologie) hat diese Sachverhalte extensiv untersucht und mit neuen Evidenzen versehen.

[8] Wie die Alltagssprache zeigt — und die moderne Wissenschaft bestätigt –, werden konkrete empirische Phänomene immer abstrakten Konzepten zugeordnet, die dann mit Allgemeinbegriffen verknüpft werden. Ob ein konkretes Wahrnehmungsereignis zu einem abstrakten Konzept X (z.B. ‚Tasse‘) oder Y (z.B. ‚Glas‘) gehört, das entscheidet das Gehirn unbewusst (Menschen können nur entscheiden, welche sprachlichen Ausdrücke sie verwenden wollen, um die kognitven Konzepte zu ‚benennen‘).

[9] … erinnert an das Sprachspielkonzept des späten Wittgenstein …

[10] Manche glauben heute, dass die Rolle des ‚Beoachters‘ und/oder des ‚Theoriebauers‘ von ‚intelligenten Programmen‘ übernommen werden können. In ‚Kooperation mit Menschen‘ im Rahmen eines modernen Konzepts von ‚kollektiver Intelligenz‘ kann es funktionieren, aber nur in Kooperation.

[11] Es gibt nicht nur ‚einen‘ Logikkalkül, sondern — rein formal — nahezu unendliche viele. Welcher für welche Aufgabenstellung ‚geeignet‘ ist, muss im Rahmen einer konkreten Aufgabe ermittelt werden.

[12] In der Wisenschaftsphilosophie ist dies bis heute noch nicht so gelöst, dass es dazu ein allgemein akzeptiertes Verfahren gibt.

[13] Da es viele verschiedene Ableitungsbegriffe gibt, von denen bis heute kein einziger meta-theoretisch für bestimmte empirische Bereich als ‚zuverlässig im Sinne eines Kriteriums K‘ erwiesen wurde, ist die lose Bezugnahme auf einen solchen Ableitungsbegriff eigentlich zu wenig.

[14] An dieser Stelle wird deutlich, dass das Beobachten wie auch dann die Auswertung von einer ‚Menge‘ von Beobachtungswerten in unserer Körperwelt ein ‚Zeitmodell‘ voraussetzt, in dem Ereignisse ein ‚vorher‘ und ’nachher‘ haben, so dass das Konzept einer ‚Prognose’/ ‚Voraussage‘ überhaupt Sinn macht.

DER AUTOR

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WISSENSCHAFT IM ALLTAG. Popper 1988/1990

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 16.-17.Februar 2022, 18:00h
URL: cognitiveagent.org, Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@doeben-henisch.de)

Vorbemerkung

In einer Welt voller Bücher — gefühlt: unendlich viele Bücher — ist kaum voraussagbar, welches Buch man im Februar 2022 lesen wird. Dass es dann das Büchlein ‚A World of Propensities‘ (1990 (reprint 1995))[2a] von Karl Popper [1] sein würde, hing von einem ganzen Bündel von Faktoren ab, von denen jeder für sich ‚eine Rolle‘ spielte, aber dass es dann zu diesem konkreten Buch zu diesem konkreten Zeitpunkt gekommen ist, war aus Sicht der einzelnen Faktoren nicht direkt ableitbar. Auch das ‚Zusammenspiel‘ der verschiedenen Faktoren war letztlich nicht voraussagbar. Aber es ist passiert.

Im Rahmen meiner Theoriebildung für das oksimo-Paradigma (einschließlich der oksimo-Software)[4] Hatte ich schon viele Posts zur möglichen/ notwendigen Theorie für das oksimo-Paradigma in verschiedenen Blocks geschrieben [3a], sogar einige zum frühen Popper [3b], aber mir scheint, so richtig bin ich mit der Position von Popper in seiner ‚Logik der Forschung‘ von 1934 bzw. dann mit der späteren Englischen Ausgabe ‚The Logic of Scientific Discovery‘ (1959)[2b] noch nicht klar gekommen.

Im Frühjahr 2022 war es eine seltene Mischung aus vielerlei Faktoren, die mich über den Umweg der Lektüre von Ulanowizc [5], und zwar seines Buches „Ecology: The Ascendant Perspective“ (1997), auf den späten Popper aufmerksam machten. Ulanowizc erwähnt Popper mehrfach an prominenter Stelle, und zwar speziell Poppers Büchlein über Propensities. Da dieses schmale Buch mittlerweile vergriffen ist, kam ich dann nur durch die freundliche Unterstützung [6b] der Karl Popper Sammlung der Universität Klagenfurt [6a] zu einer Einsicht in den Text.

Der nachfolgende Text beschäftigt sich mit dem ersten der beiden Aufsätze die sich in dem Büchlein finden: „A World of Propensities: Two New Views of Causality“.[7][*]

Wahrscheinlichkeit, Wahrheit, Hypothese, Bekräftigung, … Vorgeplänkel

In seiner Einleitung im Text erinnert Popper an frühere Begegnungen mit Mitgliedern des Wiener Kreises [1b] und die Gespräche zu Theme wie ‚absolute Theorie der Wahrheit‘, ‚Wahrheit und Sicherheit‘, ‚Wahrscheinlichkeitsbasierte Induktion‘, ‚Theorie der Wahrscheinlichkeit‘ sowie ‚Grad der Bekräftigung einer Wahrscheinlichkeit‘.

Während er sich mit Rudolf Carnap 1935 noch einig wähnte in der Unterscheidung von einer Wahrscheinlichkeit im Sinne einer Wahrscheinlichkeitstheorie und einem ‚Grad der Bestätigung‘ (‚degree of confirmation‘) , war er sehr überrascht — und auch enttäuscht — 1950 in einem Buch von Carnap [8], [8b] zu lesen, dass für Carnap dies alles das Gleiche sei: mathematische Wahrscheinlichkeit und empirische Bestätigung eines Ereignisses. Hatte Carnap mit dieser Veränderung seiner Auffassung auch die Position einer ‚Absolutheit der Wahrheit‘ verlassen, die für Popper 1935 immer noch wichtig war? Und selbst in der Rede von 1988 hält Popper das Postulat von der Absolutheit der Wahrheit hoch, sich dabei auf Aristoteles [9], Alfred Tarski [10] und Kurt Gödel [11] beziehend (S.5f).

In einer Welt mit einem endlichen Gehirn, in einem endlichen Körper (bestehend aus ca. 36 Billionen Zellen (10^12)[12], in einer Welt von nicht-abzählbar vielen realen Ereignissen, war mir nie klar, woran (der frühe) Popper (und auch andere) die Position einer ‚absoluten Wahrheit‘ fest machen konnten/ können. Dass wir mit unserem endlichen – und doch komplexen, nicht-linearem — Gehirn von ‚Konkretheiten‘ ‚abstrahieren‘ können, Begriffe mit ‚offenen Bedeutungen‘ bilden und diese im Kontext der Rede/ eines Textes zu Aussagen über Aspekte der Welt benutzen können, das zeigt jeder Augenblick in unserem Alltag (ein für sich außergewöhnliches Ereignis), aber ‚absolute Wahrheit‘ … was kann das sein? Wie soll man ‚absolute Wahrheit‘ definieren?

Popper sagt, dass wir — und wenn wir uns noch so anstrengen — in unserem „Ergebnis nicht sicher“ sein können, das Ergebnis kann sogar „nicht einmal wahr“ sein.(vgl. S.6) Und wenn man sich dann fragt, was dann noch bleibt außer Unsicherheit und fehlender Wahrheit, dann erwähnt er den Sachverhalt, dass man von seinen „Fehlern“ auf eine Weise „lernen“ kann, dass ein „mutmaßliches (‚conjectural‘) Wissen“ entsteht, das man „testen“ kann.(vgl. S.6) Aber selbst dann, wenn man das Wissen testen kann, sind diese Ergebnisse nach Popper „nicht sicher“; obwohl sie „vielleicht wahr“ sind, diese Wahrheit aber ist damit dennoch „nicht endgültig bestätigt (‚established‘)“. Und er sagt sogar: „Selbst wenn sie [ergänzt: die Ergebnisse] sich als nicht wahr erweisen, … eröffnen sie den Weg zu noch besseren [ergänzt: Ergebnissen].“ (S.6)

Diese ‚changierende Sprechweise‘ über ‚wahre Ergebnisse‘ umschreibt das Spannungsfeld zwischen ‚absoluten Wahrheit‘ — die Popper postuliert — und jenen konkreten Sachverhalten, die wir im Alltag zu ‚Zusammenhängen (Hypothesen)‘ verdichten können, in denen wir einzelne Ereignisse ‚zusammen bringen‘ mit der ‚Vermutung‘, dass sie auf eine nicht ganz zufällige Weise zusammen gehören. Und, ja, diese unsere alltägliche Vermutungen (Hypothesen) können sich ‚alltäglich bestätigen‘ (wir empfinden dies so) oder auch nicht (dies kann Zweifel wecken, ob es ‚tatsächlich so ist‘).(vgl. S.6)

Das Maximum dessen, was wir — nach Popper — in der alltäglichen Erkenntnis erreichen können, ist das Nicht-Eintreten einer Enttäuschung einer Vermutung (Erwartung, Hypothese). Wir können dann „hoffen“, dass die Hypothese „wahr ist“, aber sie könnte sich dann beim nächsten Test vielleicht doch noch als „falsch“ erweisen. (vgl. S.6)

In all diesen Aussagen, dass ein Ergebnis ’noch nicht als wahr erwiesen wurde‘ fungiert der Begriff der ‚Wahrheit‘ als ein ‚Bezugspunkt‘, anhand dessen man eine vorliegende Aussage ‚vergleichen‘ kann und mit diesem Vergleich dann zum Ergebnis kommen kann, dass eine vorliegende Aussage ‚verglichen mit einer wahren Aussage‘ nicht wahr ist.

Messen als Vergleichen ist in der Wissenschaft der Goldstandard, aber auch im ganz normalen Alltag. Wo aber findet sich der Vergleichspunkt ‚wahr Aussage‘ anhand dessen eine konkrete Aussage als ’nicht dem Standard entsprechend‘ klassifiziert werden kann?

Zur Erinnerung: es geht jetzt hier offensichtlich nicht um einfache ‚Sachverhaltsfeststellungen‘ der Art ‚Es regnet‘, ‚Es ist heiß‘, ‚Der Wein schmeckt gut‘ …, sondern es geht um die Beschreibung von ‚Zusammenhängen‘ zwischen ‚isolierten, getrennten Ereignissen‘ der Art (i) ‚Die Sonne geht auf‘, (ii) ‚Es ist warm‘ oder ‚(i) ‚Es regnet‘, (ii) ‚Die Straße ist nass‘.

Wenn die Sonne aufgeht, kann es warm werden; im Winter, bei Kälte und einem kalten Wind kann man die mögliche Erwärmung dennoch nicht merken. Wenn es regnet dann ist die Straße normalerweise nass. Falls nicht, dann fragt man sich unwillkürlich, ob man vielleicht nur träumt?

Diese einfachen Beispiele deuten an, dass ‚Zusammenhänge‘ der Art (i)&(ii) mit einer gewissen Häufigkeit auftreten können, aber es keine letzte Sicherheit gibt, dass dies der Fall sein muss.

Wo kommt bei alldem ‚Wahrheit‘ vor?

‚Wahrheit an sich‘ ist schwer aufweisbar. Dass ein ‚Gedanke‘ ‚wahr‘ ist, kann man — wenn überhaupt — nur diskutieren, wenn jemand seinem Gedanken einen sprachlichen Ausdruck verleiht und der andere anhand des sprachlichen Ausdrucks (i) bei sich eine ‚Bedeutung aktivieren‘ kann und (ii) diese aktivierte Bedeutung dann entweder (ii.1) — schwacher Fall — innerhalb seines Wissens mit ‚anderen Teilen seines Wissens‘ ‚abgleichen‘ kann oder aber (ii.2) — starker Fall — seine ‚interne Bedeutung‘ mit einer Gegebenheit der umgebenden realen Ereigniswelt (die als ‚Wahrnehmung‘ verfügbar ist) vergleichen kann. In beiden Fällen kann der andere z.B. zu Ergebnissen kommen wie (a) ‚Ja, sehe ich auch so‘ oder (b) ‚Nein, sehe ich nicht so‘ oder (c) ‚Kann ich nicht entscheiden‘.

In diesen Beispielen wäre ‚Wahrheit‘ eine Eigenschaft, die der Beziehung zwischen einem sprachlichen Ausdruck mit seiner möglichen ‚Bedeutung‘ ‚zu etwas anderem‘ zukommt. Es geht in diesen Beispielen um eine dreistellige Beziehung: die beiden Größen (Ausdruck, gewusste Bedeutung) werden in Beziehung gesetzt zu (wahrgenommenem oder erinnertem oder gefolgertem Sachverhalt).[13]

‚Wahrgenommenes‘ resultiert aus Interaktionen unseres Körpers mit der umgebenden realen Ereigniswelt (wobei unsere Körper selbst ein Ereignis in der umgebenden realen Ereigniswelt ist).[14]

‚Bedeutungen‘ sind ‚gelernte Sachverhalte‘, die uns über unsere ‚Wahrnehmung‘ ‚bekannt geworden sind‘ und in der Folge davon möglicherweise auf eine schwer bestimmbare Weise in unser ‚Gedächtnis‘ übernommen wurden, aus dem Heraus wir sie auf eine ebenfalls schwer bestimmbaren Weise in einer ‚erinnerten Form‘ uns wiederholt wieder ‚bewusst machen können‘. Solche ‚wahrnehmbaren‘ und ‚erinnerbaren‘ Sachverhalte können von unserem ‚Denken‘ in schwer bestimmbarer Form eine spezifische ‚Bedeutungsbeziehung‘ mit Ausdrücken einer Sprache eingehen, welche wiederum nur über Wahrnehmung und Erinnern uns bekannt geworden sind.[15]

Aus all dem geht hervor, dass dem einzelnen Akteur mit seinen gelernten Ausdrücke und ihren gelernten Bedeutungen nur das ‚Ereignis der Wiederholung‘ bleibt, um einem zunächst ‚unbestimmt Gelerntem‘ eine irgendwie geartete ‚Qualifikation‘ von ‚kommt vor‘ zu verleihen. Kommt also etwas vor im Lichte von gelernten Erwartungen neigen wir dazu, zu sagen, ‚es trifft zu‘ und in diesem eingeschränkten Sinne sagen wir auch, dass ‚es wahr ist‘. Diese gelernten Wahrheiten sind ’notorisch fragil‘. Jene, die ‚im Laufe der Zeit‘ sich immer wieder ‚bewähren‘ gewinnen bei uns ein ‚höheres Vertrauen‘, sie haben eine ‚hohe Zuverlässigkeit‘, sind allerdings nie ganz sicher‘.

Zusätzlich erleben wir im Alltag das ständige Miteinander von ‚Konkretheiten‘ in der Wahrnehmung und ‚Allgemeinheiten‘ der sprachlichen Ausdrücke, eine ‚Allgemeinheit‘ die nicht ‚absolut‘ ist. sondern als ‚Offenheit für viel Konkretes‘ existiert. In der Sprache haben wir Unmengen von Worten wie ‚Tasse‘, ‚Stuhl‘, ‚Tisch‘, Hund‘ usw. die sich nicht nur auf ein einziges Konkretes beziehen, sondern auf — potentiell unendlich — viele konkrete Gegebenheiten. Dies liegt daran, dass es viele verschiedene konkrete Gegebenheiten gibt, die trotz Unterschiede auch Ähnlichkeiten aufweisen, die dann als ‚Tasse‘, ‚Stuhl‘ usw. bezeichnet werden. Unser Gehirn verfügt über ‚automatische (= unbewusste) Prozesse‘, die die Konkretheiten aus der Wahrnehmung in ‚Muster‘ transformieren, die dann als ‚Repräsentanten‘ von verschiedenen wahrgenommenen Konkretheiten fungieren können. Diese Repräsentanten sind dann das ‚Material der Bedeutung‘, mit denen sprachliche Ausdrücke — auch automatisch — verknüpft werden können.[15]

Unser ‚Denken‘ kann mit abstrakten Repräsentanten arbeiten, kann durch Benutzung von sprachlichen Ausdrücken Konstruktionen mit abstrakten Konzepten und Ausdrücken bilden, denen bedeutungsmäßig direkt nichts in der realen Ereigniswelt entsprechen muss bzw. auch nicht entsprechen kann. Logik [17] und Mathematik [18] sind bekannte Beispiele, wie man mit gedanklich abstrakten Konzepten und Strukturen ‚arbeiten‘ kann, ohne dass ein Bezug zur realen Ereigniswelt bestehe muss oder jemals bestehen wird. Innerhalb dieser Welt abstrakter Strukturen und abstrakter Ausdrücke kann es dann sogar in einem eingeschränkten Sinne ‚Wahrheit‘ als Übereinstimmung von abstrakten Ausdrücken, deren abstrakten Bedeutungen und den anderen gedachten abstrakten Strukturen geben, aber diese ‚abstrakten Wahrheiten‘ sind in keiner Weise auf die reale Ereigniswelt übertragbar. Für uns gibt es nur das Modell der Alltagssprache, die mit ihren ‚offenen abstrakten‘ Bedeutungen auf Konkretes Bezug nehmen kann und zwischen Gegenwart und Vergangenheit eine ‚gedachte Beziehung‘ herstellen kann, ebenso auch zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem zu einer gedachten Zukunft. Inwieweit sich diese gedachten Beziehungen (Vermutungen, Hypothesen, …) dann in der realen Ereigniswelt bestätigen lassen, muss fallweise geprüft werden.

Die Welt der Wissenschaften erweckt den Eindruck, dass es mittlerweile eine große Zahl von solchen Hypothesen gibt, die allesamt als ‚weitgehend zuverlässig‘ angesehen werden, und aufgrund deren wir nicht nur unser bisheriges Wissen beständig ‚erweitern‘, sondern auch in einer Vielzahl von praktischen Anwendungen nutzen (Technologie, Landwirtschaft, Medizin, …).

Und an dieser Stelle greift Popper sehr weit aus, indem er diese für die Wissenschaften charakteristische „mutige, und abenteuerliche Weise des Theoretisierens“, ergänzt um „seriöse Tests“, im „biologischen Leben selbst“ am Werke sieht (vgl. S.7): die beobachtbare Entwicklung zu immer „höheren (‚higher‘) Formen“ des Lebens geschah/ geschieht durch Schaffung von „neuen Versuchen“ (‚trials‘), deren „Einbringung in die Realität“ (‚exposure‘), und dann das „Ausmerzen von Irrtümern“ (‚errors‘) durch „Testen“.(vgl. S.7) Mit dieser permanenten Kreativität neuer Lösungsansätze, deren Ausprobieren und dem daraus Lernen im Beseitigen von Fehlschlägen hat es nicht nur das biologische Leben als Ganzes geschafft, nach und nach die Welt quasi zu erobern, sondern in der Variante moderner empirischer Wissenschaft ist die Lebensform des Homo sapiens dabei, diese Eroberung auf neue Weise zu ergänzen. Während die biologische Evolution vor dem Homo sapiens primär um das nackte Überleben kämpfen musste, kann der Homo sapiens zusätzlich ‚reines Verstehen‘ praktizieren, das dann als ‚Werkzeug‘ zum Überleben beitragen kann. Für Popper ist ‚Verstehen‘ (‚understand‘) und ‚Lernen‘ (‚to learn more‘) das entscheidende Charakteristikum der Lebensform des Homo sapiens (als Teil des gesamten biologischen Lebens). Und in diesem Verstehensprojekt geht es um alles: um den ganzen Kosmos bis hin zum letzten Atom, um die Entstehung des Lebens überhaupt, um den ‚menschlichen Geist‘ (‚human mind‘) und die Art und Weise wie er stattfindet.(vgl. S.7)

Nach dieser ‚Einstimmung‘ wendet sich Popper dem speziellen Problem der Kausalität zu.

Kausalität – Ein wissenschaftliches Chamäleon

Der Begriff der ‚Kausalität‘ ist uns allen über den Alltag in vielfältigen Formen bekannt, ohne dass wir dazu gewöhnlich ein klares begriffliches Konzept entwickeln.

Geht es hingegen ‚um Etwas‘, z.B. um Geld, oder Macht, oder um eine gute Ernte, oder die Entwicklung einer Region, usw. , dann ist die Frage ‚Was was wie bewirkt‘ nicht mehr ganz egal. ‚Soll ich nun investieren oder nicht?‘ ‚Ist dieses Futter für die Tiere besser und auf Dauer bezahlbar oder nicht?‘ ‚Wird die neue Verkehrsregelung tatsächlich Lärm und CO2-Ausstoß reduzieren oder nicht?‘ ‚Ist Aufrüstung besser als Neutralität?‘ ‚Wird die Menge des jährlichen Plastikmülls die Nahrungsketten im Meer und damit viele davon abhängige Prozesse nachhaltig zerstören oder nicht?‘

Wenn Philosophen und Wissenschaftler von Kausalität sprechen meinten sie in der Vergangenheit meist viel speziellere Kontexte. So erwähnt Popper die mechanistischen Vorstellungen im Umfeld von Descartes; hier waren alle Ereignisse klar bestimmt, determiniert.(vgl. S.7) Mit der Entwicklung der Quantenmechanik — spätestens ab 1927 mit der Entdeckung des Unsicherheitsprinzips durch Werner Heisenberg [19], [19a] — wurde bewusst, dass die Ereignisse in der Natur keinesfalls vollständig klar und nicht vollständig determiniert sind. (vgl. S7f)

Damit trat eine inhärente Unsicherheit hervor, die nach einer neuen Lösung verlangte. Die große Zeit des Denkens in Wahrscheinlichkeiten begann.[20] Man kann das Denken in Wahrscheinlichkeiten grob in drei (vier) Sichtweisen unterscheiden: (i) In einer theoretischen — meist mathematischen — Sicht [21] definiert man sich abstrakte Strukturen, über die man verschiedene Operationen definieren kann, mit denen sich dann unterschiedliche Arten von Wahrscheinlichkeiten durchspielen lassen. Diese abstrakten (theoretischen) Wahrscheinlichkeiten haben per se nichts mit der realen Welt der Ereignisse zu tun. Tatsächlich erweisen sich aber viele rein theoretische Modelle als erstaunlich ’nützlich‘ bei der Interpretation realweltlicher Ereignisfolgen. (ii) In einer subjektivistischen Sicht [22] nimmt man subjektive Einschätzungen zum Ausgangspunkt , die man formalisieren kann, und die Einschätzungen zum möglichen Verhalten des jeweiligen Akteurs aufgrund seiner subjektiven Einschätzungen erlauben. Da subjektive Weltsichten meistens zumindest partiell unzutreffend sind, z.T. sogar überwiegend unzutreffend, sind subjektive Wahrscheinlichkeiten nur eingeschränkt brauchbar, um realweltliche Prozesse zu beschreiben.(iii) In einer (deskriptiv) empirischen Sicht betrachtet man reale Ereignisse, die im Kontext von Ereignisfolgen auftreten. Anhand von diversen Kriterien mit der ‚Häufigkeit‘ als Basisterm kann man die Ereignisse zu unterschiedlichen Mustern ‚gruppieren‘, ohne dass weitergehende Annahmen über mögliche Wirkzusammenhänge mit ‚auslösenden Konstellationen von realen Faktoren‘ getätigt werden. Nimmt man eine solche ‚deskriptive‘ Sicht aber zum Ausgangspunkt, um weitergehende Fragen nach möglichen realen Wirkzusammenhängen zu stellen, dann kommt man (iv) zu einer eher objektivistischen Sicht. [23] Hier sieht man in der Häufigkeiten von Ereignissen innerhalb von Ereignisfolgen mögliche Hinweise auf reale Konstellationen, die aufgrund ihrer inhärenten Eigenschaften diese Ereignisse verursachen, allerdings nicht ‚monokausal‘ sondern ‚multikausal‘ in einem nicht-deterministischem Sinne. Dies konstituiert die Kategorie ‚Nicht deterministisch und zugleich nicht rein zufällig‘.[24]

Wie der nachfolgende Text zeigen wird, findet man Popper bei der ‚objektivistischen Sicht‘ wieder. Er bezeichnet Ereignisse, die durch Häufigkeiten auffallen, als ‚Propensities‘, von mir übersetzt als ‚Tendenzen‘, was letztlich aber nur im Kontext der nachfolgenden Erläuterungen voll verständlich wird.

Popper sagt von sich, dass er nach vielen Jahren Auseinandersetzung mit der theoretischen (mathematischen) Sicht der Wahrscheinlichkeit (ca. ab 1921) (vgl. S.8f) zu dieser — seiner — Sicht gelangt ist, die er 1956 zum ersten Mal bekannt gemacht und seitdem kontinuierlich weiter entwickelt hat.[24]

Also, wenn man beobachtbare Häufigkeiten von Ereignissen nicht isoliert betrachtet (was sich angesichts des generellen Prozesscharakters aller realen Ereignisse eigentlich sowieso verbietet), dann kommt man wie Popper zu der Annahme, dass die beobachtete — überzufällige aber dennoch auch nicht deterministische — Häufigkeit die nachfolgende ‚Wirkung‘ einer realen Ausgangskonstellation von realen Faktoren sein muss, deren reale Beschaffenheit einen ‚Anlass‘ liefert, dass ‚etwas Bestimmtes passiert‘, was zu einem beobachtbaren Ereignis führt.(vgl. S.11f, dazu auch [25]) Dies schließt nicht aus, dass diese realen Wirkungen von spezifischen ‚Bedingungen‘ abhängig sein können, die erfüllt sein müssen, damit es zur Wirkung kommt. Jede dieser Bedingungen kann selbst eine ‚Wirkung‘ sein, die von anderen realen Faktoren abhängig ist, die wiederum bedingt sind, usw. Obwohl also ein ‚realer Wirkzusammenhang‘ vorliegen kann, der als solcher ‚klar‘ ist — möglicherweise sogar deterministisch — kann eine Vielzahl von ‚bedingenden Faktoren‘ das tatsächliche Auftreten der Wirkung so beeinflussen, dass eine ‚deterministische Wirkung‘ dennoch nicht als ‚deterministisch‘ auftritt.

Popper sieht in dieser realen Inhärenz von Wirkungen in auslösenden realen Faktoren eine bemerkenswerte Eigenschaft des realen Universums.(vgl. S.12) Sie würde direkt erklären, warum Häufigkeiten (Statistiken) überhaupt stabil bleiben können. (vgl. S.12). Mit dieser Interpretation bekommen Häufigkeiten einen objektiven Charakter. ‚Häufigkeiten‘ verwandeln sich in Indikatoren für ‚objektive Tendenzen‘ (‚propensities‘), die auf ‚reale Kräfte‘ verweisen, deren Wirksamkeit zu beobachtbaren Ereignissen führen.(vgl. S.12)

Die in der theoretischen Wahrscheinlichkeit verbreitete Charakterisierung von wahrscheinlichen Ereignissen auf einer Skala von ‚1‘ (passiert auf jeden Fall) bis ‚0‘ (passiert auf keinen Fall) deutet Popper für reale Tendenzen dann so um, dass alle Werte kleiner als 1 darauf hindeuten, dass es mehrere Faktoren gibt, die aufeinander einwirken, und dass der ‚Nettoeffekt‘ aller Einwirkungen dann zu einer realen Wirkung führt die kleiner als 1 ist, aber dennoch vorhanden ist; man kann ihr über Häufigkeiten sogar eine phasenweise Stabilität im Auftreten zuweisen, so lange sich die Konstellation der wechselwirkenden Faktoren nicht ändert.(vgl. S.13) Was hier aber wichtig ist — und Popper weist ausdrücklich darauf hin — die ‚realen Tendenzen‘ verweisen nicht auf einzelne konkrete, spezielle Eigenschaften inhärent in einem Objekt, sondern Tendenzen korrespondieren eher mit einer ‚Situation‘ (’situation‘), die als komplexe Gesamtheit bestimmte Tendenzen ‚zeigt‘.(vgl. SS.14-17) [26]

Schaut man nicht nur auf die Welt der Physik sonder lenkt den Blick auf den Alltag, in dem u.a. auch biologische Akteure auftreten, speziell auch Lebensformen vom Typ Homo sapiens, dann explodiert der Raum der möglichen Faktoren geradezu, die Einfluss auf den Gang der Dinge nehmen können. Nicht nur bildet der Körper als solcher beständig irgendwelche ‚Reize‘ aus, die auf den Akteur einwirken, sondern auch die Beschaffenheit der Situation wirkt in vielfältiger Weise. Insbesondere wirkt sich die erworbene Erfahrung, das erworbene Wissen samt seinen unterschiedlichen emotionalen Konnotationen auf die Art der Wahrnehmung aus, auf die Art der Bewertung des Wahrgenommenen und auf den Prozess möglicher Handlungsentscheidungen. Diese Prozesse können extrem labil sein, so dass Sie in jedem Moment abrupt geändert werden können. Und dies gilt nicht nur für einen einzelnen Homo sapiens Akteur, sondern natürlich auch für die vielen Gruppen, in denen ein Homo sapiens Akteur auftreten kann bzw. auftritt bzw. auftreten muss. Dieses Feuerwerk an sich wechselseitig beständig beeinflussenden Faktoren sprengt im Prinzip jede Art von Formalisierung oder formalisierter Berechnung. Wir Menschen selbst können dem ‚Inferno des Alles oder Nichts‘ im Alltag nur entkommen, wenn wir ‚Konventionen‘ einführen, ‚Regeln des Verhaltens‘, ‚Rollen definieren‘ usw. um das praktisch unberechenbare ‚Universum der alltäglichen Labilität‘ partiell zu ‚zähmen‘, für alltägliche Belange ‚berechenbar‘ zu machen.

Popper zieht aus dieser Beschaffenheit des Alltags den Schluss, das Indeterminismus und freier Wille zum Gegenstandsbereich und zum Erklärungsmodell der physikalischen und biologischen Wissenschaften gehören sollten.(vgl. S.17f)

Popper folgert aus einer solchen umfassenden Sicht von der Gültigkeit der Tendenzen-Annahme für vorkommende reale Ereignisse, dass die Zukunft nicht determiniert ist. Sie ist objektiv offen.(vgl. S.18)

Näher betrachtet ist die eigentliche zentrale Einsicht tatsächlich gar nicht die Möglichkeit, dass bestimmte Wirkzusammenhänge vielleicht tatsächlich determiniert sein könnten, sondern die Einsicht in eine durchgängige Beschaffenheit der uns umgebenden realen Ereigniswelt die sich – dies ist eine Hypothese! — durchgängig als eine Ansammlung von komplexen Situationen manifestiert, in denen mögliche unterscheidbare Faktoren niemals isoliert auftreten, sondern immer als ‚eingebettet‘ in eine ‚Nachbarschaften‘, so dass sowohl jeder Faktor selbst als auch die jeweiligen Auswirkungen dieses einen Faktors immer in kontinuierlichen Wechselwirkungen mit den Auswirkungen anderer Faktoren stehen. Dies bedeutet, dass nicht nur die starke Idealisierungen eines mechanistischen Weltbildes — auch eine Hypothese — als fragwürdig angesehen werden müssen, sondern auch die Idealisierung der Akteure zu einer ‚ Monade‘ [27],[27b], die die Welt letztlich nur ‚von sich aus‘ erlebt und gestaltet — eine andere Hypothese –.[27c]

Denkt man gemeinsam mit Popper weiter in die Richtung einer totalen Verflechtung aller Faktoren in einem kontinuierlich-realen Prozess, der sich in realen Tendenzen manifestiert (vgl. S.18f), dann sind alle üblichen endlichen, starren Konzepte in den empirischen Wissenschaften letztlich nicht mehr seriös anwendbar. Die ‚Zerstückelung‘ der Wirklichkeit in lauter einzelne, kleine, idealisierte Puzzle-Teile, wie sie bis heute Standard ist, führt sich relativ schnell ad absurdum. Die übliche Behauptung, auf andere Weise könne man eben nichts Verwertbares Erkennen, läuft beständig Gefahr, auf diese Weise die reale Problematik der konkreten Forschungspraxis deutlich zu überdehnen, nur weil man in der Tat Schwierigkeiten hat, die vorfindliche Komplexität ‚irgendwie experimentell nachvollziehbar‘ zu rekonstruieren.

Popper dehnt seine Beispiele für die Anwendbarkeit einer objektivistischen Sicht von realen Tendenzen weiterhin aus auf die Chemie (vgl. S.19f) und auf die Evolution des Lebens. (vgl. S.20) Und auch wenn er zuvor sagte, dass die Zukunft objektiv offen sei, so ist sie dennoch in der realen Gegenwart implizit gegenwärtig in den Aktivitäten der vorhandenen realen Faktoren.(vgl. S.20) Anders formuliert, jede Zukunft entscheidet sich immer jetzt, in der Gegenwart, auch wenn die lebenden Akteure zu einem bestimmten Zeitpunkt vielleicht das Geflecht der vielen Faktoren und Wirkungen nur unvollständig durchschauen. Mangelndes Wissen ist auch ein realer Faktor und kann als solcher u.U. wichtige Optionen übersehen, die — würde man sie kennen — vielleicht viel Unheil ersparen würden.

Nachbemerkung – Epilog

Verglichen mit den vielen Seiten Text, die Popper im Laufe seines Lebens geschrieben hat, erscheint der hier kommentierte kurze Text von 27 Seiten verschwindend kurz, gering, möglicherweise gar unbedeutend.

Betrachtet man aber die Kernthesen von Poppers theoretischem Prozess, dann tauchen diese Kernthesen in diesem kurzen Text letztlich alle auf! Und seine Thesen zur Realität von beobachtbaren Tendenzen enthalten alles, was er an Kritik zu all jenen Wissenschaftsformen gesagt hat, die dieser Kernthese nicht folgen. Der ganze riesige Komplex zur theoretischen Wahrscheinlichkeit, zu subjektiver Wahrscheinlichkeit und zu den vielfältigen Spezialformen von Überlegungen zur Wahrscheinlichkeit sagen letztlich nicht viel, wenn sie die objektivistische Interpretation von Häufigkeiten, dazu im Verbund mit der Annahme eines grundlegenden realen Prozesses, in dem sich alle realen Faktoren in beständiger realer Wechselbeziehung befinden, nicht akzeptieren. Die moderne Quantenmechanik wäre in einer realen Theorie der objektiven Tendenzen tatsächlich eine Teiltheorie, weil sie nur einige wenige — wenngleich wichtige — Aspekte der realen Welt thematisiert.

Poppers Mission einer umfassenden Theorie von Wahrheit als Innensicht einer umfassenden prozesshaften Realität bleibt — so scheint es mir — weiterhin brandaktuell.

Fortsetzung Popper 1989

Eine Kommentierung des zweiten Artikels aus dem Büchlein findet sich HIER.

Anmerkungen

Abkürzung: wkp := Wikipedia, de := Deutsche, en := Englische

[*] Es gibt noch zwei weiter Beiträge vom ’späten‘ Popper, die ich in den Diskurs aufnehmen möchte, allerdings erst nachdem ich diesen Beitrag rezipiert und in das finale Theorieformat im Kontext des oksimo-Paradigmas eingebunden habe.

[1] Karl Popper in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Karl_Popper (auch in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Popper )

[1b] Wiener Kreis (‚vienna circle‚) in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Kreis und wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Vienna_Circle

[2a] Karl Popper, „A World of Propensities“, Thoemmes Press, Bristol, (1990, repr. 1995)

[2b] Karl Popper, The Logic of Scientific Discovery, zuerst publiziert 1935 auf Deutsch als  Logik der Forschung, dann 1959 auf Englisch durch  Basic Books, New York (viele weitere Ausgaben folgten; ich benutze die eBookausgabe von Routledge (2002))

[3a] Die meisten wohl im uffmm.org Blog.

[3b] Oksimo und Popper in uffmm.org: https://www.uffmm.org/2021/03/15/philosophy-of-science/

[4] Das oksimo-Paradigma und die oksimo-Software auf oksimo.org: https://www.oksimo.org/

[5] Robert Ulanowizc in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Robert_Ulanowicz

[5b] Robert Ulanowizc, Ecology: The Ascendant Perspective, Columbia University Press (1997) 

[6a] Karl-Popper Sammlung der Universität Klagenfurt in wkp-de: https://www.aau.at/universitaetsbibliothek-klagenfurt/karl-popper-sammlung/

[6b] An dieser Stelle möchte ich die freundliche Unterstützung von Mag. Dr. Thomas Hainscho besonders erwähnen.

[7] Eine kürzere Version dieses Artikels hat Popper 1988 auf dem Weltkongress der Philosophie 1988 im Brighton vorgetragen (Vorwort zu [2a]).

[8] Rudolf Carnap in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Carnap

[8b] Rudolf Carnap,  Logical Foundations of Probability. University of Chicago Press (1950)

[9] Aristoteles in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Aristoteles

[10] Alfred Tarski in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Alfred_Tarski

[11] Kurt Gödel in wkp-ed: https://en.wikipedia.org/wiki/Kurt_G%C3%B6del

[12] Aus dem Buch von Kegel „Die Herrscher der Welt…“: Siehe https://www.cognitiveagent.org/2015/12/06/die-herrscher-der-welt-mikroben-besprechung-des-buches-von-b-kegel-teil-1/

[13] Natürlich ist die Sachlage bei Betrachtung der hier einschlägigen Details noch ein wenig komplexer, aber für die grundsätzliche Argumentation reicht diese Vereinfachung.

[14] Das sagen uns die vielen empirischen Arbeiten der experimentellen Psychologie und Biologie, Hand in Hand mit den neuen Erkenntnissen der Neuropsychologie.

[15] Hinter diesen Aussagen stecken die Ergebnisse eines ganzen Bündels von wissenschaftlichen Disziplinen: vorweg wieder die experimentelle Psychologie mit hunderten von einschlägigen Arbeiten, ergänzt um Linguistik/ Sprachwissenschaften, Neurolinguistik, ja auch verschiedene philosophische ‚Zuarbeiten‘ aus dem Bereich Alltagssprache (hier unbedingt der späte Wittgenstein [16] als großer Inspirator) und der Semiotik.

[16] Ludwig Wittgenstein in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Wittgenstein

[17] Logik ( ‚logic‚) in der wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Logik und wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Logic

[18] Mathematik (‚mathematics‚) in der wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Mathematik und wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Mathematics

[19] Werner Heisenberg in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Werner_Heisenberg

[19b] Unsicherheitsprinzip (‚uncertainty principle‘) in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Uncertainty_principle

[20] Natürlich gab es schon viele Jahrhunderte früher unterschiedliche Vorläufer eines Denkens in Wahrscheinlichkeiten.

[21] Theoretische Wahrscheinlichkeit, z.B. in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Probability

[22] Subjektive Wahrscheinlichkeit, z.B. in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Subjektiver_Wahrscheinlichkeitsbegriff; illustrieret mit der Bayeschen Wahrscheinlichkeit in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Bayesian_probability

[23] Objektivistische Wahrscheinlichkeit, nur ansatzweise erklärt in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Objektivistischer_Wahrscheinlichkeitsbegriff

[23b] Deskriptive Statistik in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Deskriptive_Statistik (siehe auch ‚descriptive statistics in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Descriptive_statistics

[24] Zu verschiedenen Sichten von Wahrscheinlichkeiten sie auch: Karl Popper, The Open Universe: An Argument for Indeterminism, 1956–57 (as privately circulated galley proofs;) 1982 publiziert als Buch

[25] Hier sei angemerkt, dass ein Akteur natürlich nur dann ein bestimmtes Ereignis wahrnehmen kann, wenn er (i) überhaupt hinschaut und (ii) er über geeignete Beobachtungsinstrumente (= Messgeräte) verfügt, die das jeweilige Ereignis anzeigen. So sah die Welt z.B. ohne Fernglas und Mikroskop ‚einfacher‘ aus als mit.

[26] Diese Betonung einer Situation als Kontext für Tendenzen schließt natürlich nicht aus, dass die Wissenschaften im Laufe der Zeit gewisse Kontexte (z.B. das Gehirn, der Körper, …) schrittweise immer mehr auflösen in erkennbare ‚Komponenten‘, deren individuelles Verhalten in einem rekonstruierbaren Wechselspiel unterschiedliche Ereignisfolgen hervorbringen kann, die zuvor nur grob als reale Tendenz erkennbar waren. Tatsächlich führt eine zunehmende ‚Klarheit‘ bzgl. der internen Struktur einer zuvor nicht analysierbaren Situation auch zur Entdeckung von weiteren Kontextfaktoren, die zuvor unbekannt waren.(vgl. S.14f)

[27] Gottfried Wilhelm Leibniz in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Gottfried_Wilhelm_Leibniz

[27b] Monadenlehre von Leibnuz in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Monade_(Philosophie)

[27c] Allerdings muss man bemerken, dass die Leibnizsche Monadenlehre natürlich in einem ziemlich anderen ‚begrifflichen Koordinatensystem‘ einzubetten ist und die Bezugnahme auf diese Lehre nur einen stark vereinfachten Aspekt trifft.

DER AUTOR

Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

MENSCH-MENSCH COMPUTER. Gemeinsam Planen und Lernen. Erste Notizen

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 2.-9.Oktober 2020
URL: cognitiveagent.org, Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@doeben-henisch.de)

ÜBERBLICK

Der folgende Text entstand unter dem Eindruck der theoretischen und
praktischen Arbeiten, wie sie in meinem Engineering-Blog bislang dokumentiert
sind. Letztlich geht es darum, das aktuelle Paradigma der Informatik
und der übergreifenden Digitalisierung der Gesellschaft umzudrehen:
statt den Menschen nur als Datenfutter für anonyme Algorithmen zu benutzen,
ihn als digitalen Sklaven zu behandeln, der weitgehend zu einem
rechtlosen Spielball von internationalen Konzernen geworden ist, deren
Interessen weder die Interessen der Benutzer noch derjenigen von demokratischen
Gesellschaften sind, soll wieder der Mensch in das Zentrum
der Betrachtung gerückt werden und die Frage, was können wir tun, um
den Menschen mehr zu befähigen, gemeinsam mit anderen die mögliche
Zukunft besser zu verstehen und vielleicht besser zu gestalten. Der moderne
Mensch begreift sich als Teil der umfassenden Biosphäre auf diesem
Planeten und trägt eine besondere Verantwortung für diese.

Letzte Änderung: 9.Okt.2020

PDF-Dokument

Änderung 9.Okt.2020: Die Rahmenbedingungen von einer gegebenen Situation (hier als Problem) zu einer möglichen zukünftigen Situation (hier als positive Vision) werden etwas genauer analysiert.

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