Archiv der Kategorie: Wahrheit

SPRICHT GOTT MIT CYBORGS? (CHRISTLICHE) SPIRITUALITÄT IM ZEITALTER DER DIGITALISIERUNG DES MENSCHEN – Teil 1

DAS WOR ‚GOTT‘ IN DEN MUND NEHMEN

  1. Heutzutage das Wort ‚Gott‘ in den Mund zu nehmen ist unmittelbar ein Akt potentieller Selbstzerstörung. Angesichts der vielen, fast schon unzählbar vielen, Strömungen, Richtungen, Bewegungen, Vereinigungen und Kirchen, die je auf ihre Weise einen Deutungsanspruch auf das Wort ‚Gott‘ anmelden, und mindestens genauso vielen, die dem Wort ‚Gott‘ jegliche Deutung absprechen, ist jeder individuelle Sprechakt, in dem man die Wortmarke ‚Gott‘ benutzt, genauso vielen Deutungsakten ausgesetzt, wie es verbreitete Meinungen zur Wortmarke ‚Gott‘ gibt.
  2. Als Autor dieses Textes kann ich zwar versuchen, mich formell von jenen Deutungsansprüchen abzugrenzen, die ich aus meinen eigenen Gründen für unpassend oder gar falsch empfinde, dies wird aber engagierte Vertreter anderer Deutungsversuche kaum bis gar nicht beeindrucken. Es ist ein Wesenszug von uns Menschen, dass wir dazu tendieren, das Bild von der Welt, welches wir aktuell in unserem Kopf mit uns herumtragen, zum Maßstab für die Welt zu machen, selbst wenn es vollständig falsch ist. Falschen Bildern in unserem Kopf kann man nicht direkt ansehen, dass sie falsch sind! Sie riechen nicht schlecht, sie verursachen keine direkte Schmerzen, sie kommentieren sich nicht selbst, sie sind da, in unserem Kopf, und lassen uns die Welt sehen, wie diese Bilder die Welt in unserem Kopf vorzeichnen. Solche falschen Bilder in unserem Kopf zu erkennen, sich von ihnen zu befreien, ist eine eigene Lebenskunst, eine Kulturtechnik, die zu beherrschen, selbst für die Besten, immer nur im Modus der kontinuierlichen Annäherung gelingt, wenn überhaupt.
  3. Aufgrund dieses umfassenden Dilemmas überhaupt nichts mehr zu sagen scheint auch keine attraktive Verhaltensweise zu sein. Damit würde man nicht nur sich selbst möglicher Erkenntnisse berauben, nein, man würde auch jenen, die aktuell ein anderes Bild von der Welt haben, die Chance nehmen, im Handeln eines anderen Menschen etwas zu erfahren, was von seinem aktuellen Weltbild abweicht. Das Auftreten einer Differenz zum eigenen Bild, das Sich-Ereignen von etwas Anderem, kann immer eine vorzügliche Gelegenheit sein, auf Unterschiede zum eigenen aktuellen Bild aufmerksam zu werden, der mögliche kleine Anstoß, der zum Nachdenken über sein eigenes aktuelles Bild anregt. Viele Wochen, Monate, gar Jahre oder Jahrzehnte mögen solche auftretenden Differenzen scheinbar keine Wirkung zeigen, aber dann kann dieser magische Moment eintreten, in welchem dem Inhaber eines bestimmten Weltbildes nachhaltig dämmert, dass sein vertrautes Bild – zumindest an dieser einen Stelle – falsch ist. Diese kleine Verschiebung kann andere Verschiebungen nach sich ziehen, und aus vielen solchen kleinen Verschiebungen kann plötzlich eine ganze Lawine ins Rollen kommen, die zu einer völligen Neuausrichtung des eigenen Weltbildes führt. Aus Verfolgern werden plötzlich Anhänger, aus gequälten Menschen werden plötzlich begeisterte Befürworter, aus Gegnern werden Freunde, ein zerstrittenes Land findet zu einer, für unmöglich gehaltenen, neuen Einheit.

DIE ANDERSHEIT IST LEBENSWICHTIG

  1. Ja, es ist dieses Auftreten von Andersheiten, Neuheiten, welche die Voraussetzung dafür sind, dass wir in unserem Wahrnehmen und Deuten darauf aufmerksam werden können, dass unser aktuelles Weltbild möglicherweise unpassend, unangemessen, falsch ist. In starren, scheinbar unveränderlichen Umgebungen ist das kognitive Reizklima zur Entstehung von Andersheit gering; damit auch die Chance für den Inhaber eines Weltbildes sehr klein, die mögliche Fehlerhaftigkeit seines Weltbildes zu bemerken. Erhöht man die Intensität des kognitiven Reizklimas, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass man Unterschiede zum eigenen aktuellen Weltbild bemerkt, dass diese Unterschiede zum Anlass werden, über das eigene Weltbild neu nachzudenken. Die besten Mittel zur Erhöhung des kognitiven Reizklimas sind Vielfalt und Veränderungen.
  2. Beim individuellen Menschen kann man aber kulturübergreifend feststellen, dass er, wenn er nicht in einer Notsituation ist, nicht in einer Anforderungssituation, stark dazu tendiert, die als angenehm empfundene Situation zu stabilisieren, zu konservieren, sie abzusichern. Möglichst nichts verändern. Stillstand; eine Art ‚stehendes Gewässer‘.
  3. Von der Gehirnforschung heute wissen wir, dass das Gehirn ein lebendes, dynamisches Netzwerk von Zellen ist, die hochsensibel auf Veränderungen reagieren. Wird das Gehirn beansprucht, dann ist es aktiv, Zellen differenzieren und verbinden sich; ist es weniger aktiv, dann sterben Verbindungen und Zellen ab. Das Gehirn schaltet sich gleichsam selbst ab (Energie sparen!). Diese partielle Selbstabschaltung vermindert Erregungen, Interessen, Aktivitäten, was in einer negativen Spirale dazu führt, dass der Inhaber dieses Gehirns tendenziell noch weniger macht, was das Gehirn weiter abschwächt.

WIR SIND EXPERIMENTELL GEWORDENE

  1. Betrachtet man den größeren Rahmen, den individuellen Menschen als Teil der ganzen Population des homo sapiens (sapiens), diesen wiederum als Teil des gesamten biologischen Lebens, dann wird schnell klar, warum Veränderung so wichtig ist (Siehe Schaubild)
Stammbaum der Lebensform homo sapiens bis zu den Wurzeln (Man beachte die noch unbefriedigende Koordinierung der Datierungen)
Stammbaum der Lebensform homo sapiens bis zu den Wurzeln (Man beachte die noch unbefriedigende Koordinierung der Datierungen)
  1. Wir Menschen als Mitglieder der Art homo sapiens, stehen am Ende eines langen Stammbaums von Lebensformen, der nach heutigem Wissen mindestens 3.5 Milliarden Jahre zurück reicht. Die Geschichte, die dieser Stammbaum erzählt, ist die Geschichte einer sehr langen Kette von Experimenten des Lebens mit sich selbst, um auf die sich ständig verändernde Situation auf der Erde jene überlebenswirksamen Strukturen, Funktionen und Interaktionen zu finden, die ein Leben auf der Erde ermöglichen. Immer wieder sind Lebensformen ausgestorben; in manchen Phasen bis zu 90% (manche schätzen sogar bis zu 99%) aller Lebensformen auf der Erde. Vor diesem Bild erscheint das Leben keinesfalls als ein ruhiges, gefälliges Dasein, dessen höchstes Ziel die Selbstgenügsamkeit ist, die Ruhe, das Nichtstun, die Gleichförmigkeit, sondern das genaue Gegenteil. Leben auf der Erde war und ist immer ein intensiver Prozess des Findens, Umbauens, Ausprobierens, Testens mit einem kontinuierlich hohen Risikoanteil, der den individuellen Tod als konstitutiven Erneuerungsfaktor umfasst.
  2. Dass bei diesem Überlebens-Findungs-Prozess ‚Bilder im Kopf‘ überhaupt eine Rolle spielen, ist vergleichsweise neu. Wann diese Fähigkeit im großen Maßstab wirksam wird, ist möglicherweise nicht genau zu datieren; klar ist aber, dass spätestens mit dem Auftreten des homo sapiens eine Lebensform auftrat, die ganz klar die Gegenwart durch Abstraktion, Gedächtnis, Vergleichen, Kombinieren, Bewerten, Planen und Experimentieren durchbrechen und überwinden konnte. Spätestens mit dem homo sapiens hat sich die Situation des Lebens auf der Erde grundlegend gewandelt. Mit einem Mal konnte man in die Vergangenheit und hinter die Phänomene schauen. Mit einem Male konnte man die sich verändernden Phänomene der Erde und des Lebens im Kopf einsammeln, sortieren, neu zusammenbauen und nach verborgenen Regeln und Dynamiken suchen. Mit einem Mal begann die materielle Welt sich im Virtuellen des gehirnbasierten Denkens zu verdoppeln. Von jetzt ab gab es die gedachte virtuelle Welt im Kopf und die reale Welt drum herum, die auch den Körper mit dem Gehirn stellte. Die physikalische Welt schenkte sich im denkenden Gehirn eine Art ‚Spiegel‘, in dem sie sich selbst anschauen konnte, und zwar in jedem Gehirn, tausendfach, millionenfach, milliardenfach. In der Virtualität des Denkens vervielfältigte sich die Erde. Was war jetzt die wahre Welt: jene, die Körper, Gehirne und Denken ermöglicht oder jene, die im Denken virtuell erstand; für den Denkenden die primäre Realität; für die reale Welt ein sekundäres Abbild. Die gedachte Welt kann falsch sein.

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EMERGING MIND PROJEKT – OFFIZIELLE VORSTELLUNG – EIN PLÄDOYER FÜR EINE GEMEINSAME ZUKUNFT

Mi 20.Januar 2016 um 19:30h

Am Mi 20.Januar 2016 um 19:30h wird das Emerging Mind Projekt als ein Projekt im Institut für Neue Medien (INM), Frankfurt, Schmickstrasse 18, vorgestellt werden. Wie man aus der Ankündigung des INM entnehmen kann, handelt es sich nicht um eine Gala- Veranstaltung, sondern um ein Werkstattgespräch mit den ‚Machern‘; also Emerging Mind Projekt unplugged.

Werkstattgespräch mit den Machern

Das ‚Emerging-Mind Projekt‚ versteht sich als ein öffentliches Wissenschaftsprojekt, das Hochschulen, Schulen, Firmen und interessierten Bürgern die Möglichkeit bieten soll, sich über einige zentrale Fragen der heutigen gesellschaftlichen Entwicklung aus eigener Anschauung eine qualifizierte Meinung zu bilden.

Datenräume und eigenständige Algorithmen

Wir leben in einer Zeit, in der die Evolution, vermittelt durch die Menschen, neuartige Technologien hervorgebracht hat, die sich wie ein zweiter Körper um den ersten Körper schmiegen, versehen mit einer Aura von Datenräumen und eigenständigen Algorithmen, die ein globales Eigenleben führen, die sich unserer direkten Wahrnehmung und Kontrolle entziehen. Wir sind einzelne, erleben uns als einzelne, aber als Teil der globalen algorithmisierten Datenräume sind wir nur noch Aktivitätspunkte in einem großen Netzwerk, einem neuen Datensuperorganismus, der den individuellen Willen nur noch als statistisches Momentum betrachtet. Tatsächlich herrschen die Algorithmen nach eigenen Regeln.

 

Manager als neue Sklaven iher Algorithmen?

Offiziell gibt es Firmen und Manager dieser Firmen, die diese globalen algorithmisierten Datenräume eingerichtet haben, betreiben und kontrollieren. Offiziell, aber inoffiziell entziehen sich diese global arbeitenden Algorithmen schon heute jeder ernsthaften Kontrolle. Kein einzelner Mensch kann mehr verstehen, was die Algorithmen wirklich tun, warum sie etwas tun, ob das gut oder schlecht ist, was sie tun. Die Manager als Herrscher über die Datenräume sind schon jetzt immer mehr die Getriebenen: ihre Firmen hängen von den globalen algorithmisierten Datenräumen ab. Sie können sie nicht mehr abschalten; dann bricht ihre Firma zusammen. Wenn sie sie nicht abschalten, verselbständigt sich das systembedingte Chaos. Da diese Algorithmen als solche nichts über die Welt oder über wahre Sachverhalte wissen, verrechnen sie Daten gegen Daten. Wenn aber die Referenzdaten falsch sind, werden diese Berechnungen falsch. Nahezu jeder hat schon mehrfach erlebt, wie er aus Versehen falsche Eingaben produziert hat, diese aber nicht korrigieren kann; das System lässt Korrekturen nicht zu. Schon jetzt existieren im System viele falsche Daten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die falschen Daten die richtigen überwiegen. Schöne neue Welt der Superalgorithmen.

Einen wirklichen Wahrheitsfindungsalgorithmus gibt es noch nicht.

Einen wirklichen Wahrheitsfindungsalgorithmus gibt es noch nicht. Woher auch? Die Entwickler dieser Algorithmen, die Menschen, haben diese Hausaufgabe bislang nicht gelöst. Die bisherige Philosophie, die aktuell Wissenschaften, sie alle bilden aktuell das Bild eines riesigen Daten- und Meinungschaos ohne erkennbares Prinzip der Konsolidierung.

Eine neue Weltreligion?

Der Glaube an die Maschine, die alles irgendwie richten wird, obwohl die Erzeuger selbst es bislang nicht schaffen, ist offensichtlich sehr groß, geradezu mystisch. Ist das die neue Weltreligion, die alle besoffen macht und das Denken verabschiedet? Der nächste Super-Börsencrash scheint damit vorprogrammiert.

Keine billige Polemik

Im Emerging Mind Projekt geht es aber nicht um billige Polemik. Diese nützt niemandem. Das Emerging Mind Projekt lebt sogar von der Vision, dass neue, algorithmisierte, intelligente und lernfähige Netzstrukturen als Moment an der evolutionären Entwicklung tatsächlich zur Logik der Evolution gehören. Diese nächste Stufe der Evolution – wir sind mitten drin – muss sich möglicherweise vollziehen. Die Frage ist nur: wie?

Notwendigkeit einer neuen umfassenden Entwicklungswissenschaft

Historisch ist dieser Zustand radikal neu. Er bildet als solcher eine gewisse Singularität (neben den vielen anderen Singularitäten, die wir schon kennen und von denen wir beeinflusst sind). Was wir hier brauchen, wäre ein neues, vertieftes philosophisch-wissenschaftliches Verständnis. Alle bekannten Disziplinen greifen hier aber zu kurz; sie betrachten immer nur Ausschnitte des Problems. An dieser Stelle hat sich das Emerging Mind Projekt verstärkt, erweitert durch ein kooperierendes Parallelprojekt genannt Emergent Life Academy (ELA), in der die Vision einer neuen, umfassenden Entwicklungswisseschaft soweit konkretisiert werden soll, dass sie arbeitsfähig wird und uns allen helfen kann, das umfassende globale Phänomen einer Entwicklung auf allen Ebenen denken zu können.

Entstehung einer Anti-Wissenschaft?

Neben den umfassenden Aspekten des Phänomens einer globalen Entwicklung, die wie ein Sturm über die menschlichen Gesellschaftssysteme hereinbricht (letztlich ein Merkmal von Evolution seit Anbeginn), gibt es aber auch schon Einsichten in die innere Logik, in die innere Maschinerie von Entwicklung, von Intelligenz, Lernen, Bewusstsein, Psyche und Geist. Die Algorithmen in den Computern und Netzwerken sind erfahrbare konkrete Beispiele. Für die Mehrheit der Menschen sind diese Algorithmen aber fremd, unverständlich; ihre Macher lieben das Kryptische, Verborgene. Und da Algorithmen mittlerweile ein Rohstoff für industrielle Produktion und militärische Macht darstellen, werden sie zusätzlich geschützt, abgeschottet, unter ‚Top Secret‘ gestellt, so dass man noch weniger versteht, was unsere Welt im innersten zusammenhält. Galt es lange Zeit als Credo moderner Wissenschaft, die Welt zu erklären, sie transparent zu machen, sie einer verantwortungsvollen Gestaltung zuzuführen, hat die Erfindung der Berechenbarkeit, der Computer und der Netzwerke dazu geführt, dass es eine neue Anti-Wissenschaft gibt: Wissen dient nicht mehr zum Verstehen und nicht mehr für ein besseres Leben für alle, sondern wird abgeschottet, um die Herrschaft weniger über den Rest der Menschheit zu begründen. Das ist eine Umkehrung bisheriger Werte. Die Moderne, das Demokratische, die Menschenrecht zerbröseln im algorithmischen Alltag zu Lapalien, die immer weniger Wertschätzung besitzen.

Algorithmen auf dem Prüfstand

Damit erklärt sich die zweite Dimension des Emerging Mind Projektes; neben Emergent Life Academy für die globalen Entwicklungszusammenhänge sollen die konkreten Algorithmen vorgestellt, untersucht, reflektiert und bewertet werden; nicht isoliert, sondern im Kontext möglicher Wirkzusammenhänge, speziell im Kontext des menschlichen Lebens, der menschlichen Gesellschaft: Was ist künstliche Intelligenz? Was kann sie wirklich? Ist eine Symbiose zwischen Menschen und künstlicher Intelligenz möglich? Könnten die intelligenten Maschinen sich verselbständigen? Dies sind einige der Leitfragen.

Öffentliche Lernräume für das eigene Lernen

Um diese Fragen zu beantworten werden in einem öffentlichen kollaborativen virtuellem Raum virtuelle Bereiche eingerichtet, in denen man solche Algorithmen und ihre Wirkungsweise studieren kann, mitdiskutieren, mit entwickeln, mit experimentieren. Dies geschieht schrittweise eingebunden in echte Lernprozesse von Schulen, Hochschulen und Betrieben. Wir wollen selber lernen, unser Lernen reflektieren und dabei weiter entwickeln. Zukunft als Alltag.

Auch ein eigenes Kunstprojekt: PHILOSOPHY-IN-CONCERT

Und wer denkt, das war es jetzt, dem sei gesagt, dass wir nicht nur Philosophie und Wissenschaft zusammenbringen wollen, nicht nur Theorie und Lernpraxis, sondern auch all das zusätzlich verbunden mit einem Kunstprojekt genannt PHILOSOPHY-IN-CONCERT. Aktuell weiß vielleicht noch niemand, wie das genau funktionieren soll; klar ist nur, dass wir uns die Freiheit nehmen, philosophisch-wissenschaftliche Gedanken und Algorithmen als Material zu benutzen, um eine neue Art von Kunst-Performance zu leben: Menschen und intelligente Maschinen zusammen in einem hybriden Team, im Spiel mit sich selbst, der Welt, der Geschichte, um mögliche Zipfel der Zukunft zu erhaschen. Schon immer war der schwierigste Part im Leben das Kreative, die Innovation, der Beginn des Neuen. Für wirklich Neues nützen die alten Rezepte nur bedingt. Die DNA einer Zelle kann Anhaltspunkt für eine neue Zelle sein, ihre unveränderte konservative Übernahme für eine Zukunft wäre aber ein sicheres Todesrezept. Machthaber lieben solche kritiklosen konservativen Reproduktionen; das ist auch das sicherste Mittel der Selbstzerstörung.

Spuren der Vergangenheit, Medienreflexe

In diesem Blog gab es viele Beiträge, die mehr oder weniger in die Richtung des aktuellen Emerging Mind Projektes deuten. Ein Beitrag vom 10.Oktober 2012 lautete

NACHTGESPRÄCH im INM (Frankfurt) oder REENGINEERING VON GOETHES FAUST

und deutet an, dass die Gedanken dazu herumspukten. In einem Beitrag vom 18.November 2012, der auf einen Vortrag zurückging, wurde die Frage nach der Möglichkeit eines künstlichen geistes explizit gestellt:

KANN ES DOCH EINEN KÜNSTLICHEN GEIST GEBEN?

Am 31.Dez.2012 gab es einen Textversuch mit vielen technischen Begriffen mit dem Titel:

GEIST-SICHTBARMACHUNGS-EXPERIMENT, Teil 1, Begriffe und theoretischer Rahmen

Am 28.April 2013 folgten dann Reflexionen im Kontext des Phänomens Komplexität in der Evolution mit dem Ttel:

Randbemerkung: Komplexitätsentwicklung (Singularität(en))

Wegen der zahlreichen kontroversen Diskussionen zur Idee der Komplexitätssteigerung im Kontext von Evolution gab es am 23.Mai 2013 dazu einen weiteren Beitrag mit dem Titel

Randbemerkung: Komplexitätsentwicklung (Singularität(en)) – Teil 2

Es folgten dann weitere Stellungnahmen wie die am 14.Juni 2014:

EMERGING MIND PROJECT – SICHTBARMACHUNG DES GEISTES PROJEKT – Erste Lebenszeichen

Dicht gefolgt vom nächsten Beitrag am 15.Juni 2014 mit dem Titel:

EMERGING MIND – Mögliche Konsequenzen

Mittlerweile war das Thema auch außerhalb des INM angekommen. Am 25.April 2015 erschien ein Beitrag in telepolis:

Der Traum vom künstlichen Geist

Es folgte am 20.Mai 2015 ein Vortrag im Rahmen einer dpa-Veranstaltung mit dem Titel:

Über Industrie 4.0 und Transhumanismus. Roboter als Volksverdummung? Schaffen wir uns selbst ab?

in dem Phänomene des Alltags reflektiert wurden mit Blick auf die treibenden Strukturen. Es folgten dann immer wieder Presseartikel im Umfeld des Themas.

 

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KURZNOTIZ: POHLMANN – ENTSTEHUNG DES KORANS – Teil 1

Karl-Friedrich Pohlmann (3.komplett überarbeitete und erweiterte Aufl., 2015), Die Entstehung des Korans. Neue Erkenntnisse aus der Sicht der historisch-kritischen Biblwissenschaft, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG)

 

VORBEMERKUNG

  1.  Der folgend Text ist nicht einfach nur eine Kurzdarstellung der Aussagen von Pohlmann (schon auch), sondern nimmt die Aussagen von Pohlmann an verschiedenen Stellen zum Anlass, verschiedene Überlegungen und Fragen einzuschieben.
  2. Während die Vorbereitungen für die offizielle Gründung des Emerging-Mind Projektes auf Hochtouren laufen (Eröffnungsveranstaltung am 10.Nov.2015 um INM Frankfurt) lese ich weiter in verschiedenen Büchern. Besonders interessant finde ich die neue, 3.Aufl. des Buches von Pohlmann.
  3. KORAN UNANTASTBAR

  4. Wie bekannt tut sich die muslimische Welt bislang eher schwer, den Text des Korans historisch-kritisch zu betrachten, da man in der Haltung des Glaubens meint, dass der Koran nur dann ein heiliges Buch sei, wenn alle Worte mehr oder weniger direkt auf Mohammed zurückgeführt werden können, der wiederum alles direkt von Gott gehört haben soll.
  5. BIBEL, THORA UNANTASTBAR

  6. Im Christentum war dies bis mindestens ins 18.Jahrhundert nicht anders. Der Text der Bibel – altes wie neues Testament – galt auch als von Gott inspiriert und am aktuellen Wortlaut zu rütteln galt als Unglaube, der je nach Zeit und Umständen mit Folter und Tod enden konnte.
  7. Auch im Judentum, insbesondere bei den orthodoxen Juden, war (und ist?) dies so.
  8. HALTUNG DES GLAUBENS

  9. Von außen betrachtet erscheint es merkwürdig, warum Menschen eine Haltung einnehmen, die sie ‚Glauben‘ nennen, die dann dazu führt, dass sie sich weigern, die Realitäten der Welt, dazu zählen auch die historischen Umstände der Textentstehung, anzuerkennen, wie sie sind. Stattdessen blenden sie diese bewusst und willentlich aus. Als man 1972 in Sanaa (Jemen) alte Koranfragmente gefunden hatte, wurden diese zwar restauriert und mikroverfilmt, aber bis heute gibt es keine internationale textkritische Ausgabe unter Berücksichtigung dieser Fragmente, da die Behörden dies nicht zulassen. (vgl. S.24f) Das wenige, was die Forscher trotz der behördlichen Einschränkungen schon jetzt sehen konnten, waren viele Hinweise auf sehr alte Texte, auf Varianten, auf mehrere Textschichten, die auf einen Entstehungsprozess hindeuten. (vgl. S.25)
  10. Eine häufig zu beobachtende Tendenz von Menschen, die etwas Bestimmtes fest glauben (auch jenseits der großen Offenbarungsreligionen gibt es eine große Vielzahl von kleinen Religionen, Heilsgemeinschaften aller Arten, auch im Alltag die unzählig vielen ‚Spieler‘, die an ihr Glück glauben, viele politische Parteigänger, usw.), besteht darin, dass sie diesen ihren Glauben dazu benutzen, um eine ernsthafte und offene Beschäftigung mit dem, was außerhalb ihres Glaubens liegt schlichtweg auszuklammern bzw. nur Argumente zu sammeln, die dagegen sprechen, aber keine dafür. Diese Argumente können sehr abstrus sein.
  11. Man kann sich fragen, warum Menschen dies tun? Warum verleugnen sie den größten Teil der Welt, um ihr kleines Stück Glauben zu bewahren? Viele Äußerungen deuten darauf hin, dass sie in dem, was sie glauben, alle ihre Hoffnungen beheimatet sehen, während sie im Rest der Welt (der eigentlich überwältigend viel größer und reicher ist), nichts zu erkennen vermögen, was ihnen hilft. Obwohl diese Menschen mit ihren realen Augen offensichtlich sehen können, machen ihr inneren Einstellungen sie für den Rest der Welt geistig blind.
  12. Jetzt ist die Frage nach der Wahrheit natürlich eine durch alle Zeiten schwierige Frage, aber die Basis für alle mögliche Wahrheit ist die Wahrnehmung der Welt, wie sie tatsächlich ist und eine geistige (psychische, kognitive,..) Deutung, die die Strukturen und Dynamiken der Welt erkennen lässt, wie sie wirklich ist. Wenn Menschen sich über Gegebenheiten des Alltag nicht mehr einigen können, wird es schwer. Ob man etwas sieht und wie man etwas sieht ist bei Menschen weitgehend abhängig von der inneren Einstellung. Vorausgesetzt, das Wahrnehmungssystem ist intakt, können Menschen jede Wahrnehmung trotzdem verweigern. Sie können sie bewusst ausblenden, können wegsehen, können sie uminterpretieren. So wunderbar diese Fähigkeit einerseits ist, so verheerend können die Folgen sein, wenn man nur um bestimmte liebgewordenen Ideen zu retten, den Rest der Welt mehr oder weniger verleugnet.
  13. Dabei sollte man wissen, dass solche Verleugnungsphänomene vor niemandem halt machen. Selbst in den empirischen Wissenschaften gab es zu allen Zeiten und gibt es auch heute noch viele Beispiele, wie Forscher, die sich dem Ideal des objektiven wissenschaftlichen Wissens verschrieben haben, lange Zeit an Auffassungen festgehalten haben, gegen die viele Fakten sprachen. Dies kann man als Hinweis darauf deuten, dass das Phänomen des Glaubens offensichtlich sehr tief in uns drin sitzt und dass es eine permanente Herausforderung ist, sich selbst immer wieder ernsthaft in Frage zu stellen oder in Frage stellen zu lassen.
  14. SOUVERÄNITÄT GOTTES

  15. Schon mehrfach habe ich in diesem Blog die Auffassung geäußert, dass die Existenz Gottes – sollte es tatsächlich so etwas wie Gott geben – in keinem Fall in irgendeiner Weise davon abhängen würde, ob und wie Menschen über Gott reden oder Menschen leben. Als die ersten Menschen auftraten bestand das heute bekannte Universum schon seit ca. 13.5 Milliarden Jahren.
  16. KORAN ENTSTEHUNG ISLAMISCH

  17. Kehre wir zurück zur Entstehung des Koran.
  18. Auf Seiten der islamischen Koranforschung geht man bislang davon aus, dass (i) Mohammed in der Zeit 610 – 632 n.Chr. Gott direkt gehört und arabisch kommuniziert habe, und dass (ii) seine Anhänger bald nach seinem Tod alles zuverlässig gesammelt, rezensiert, und zu einem Kodex zusammen gestellt haben (beim Tode Mohammeds soll es noch keinen abgeschlossenen Text gegeben haben (vgl. S.21)). Diskutiert wird allenfalls (iii) ob Mohammed selbst überhaupt etwas aufgeschrieben habe, und falls ja, ab wann; ferner (iv) ob frühere Offenbarungen durch spätere Offenbarungen nachträglich abgeändert worden sind, und schließlich (v) ab wann der Koran dann überhaupt als geschlossenes Buch vorlag. (vgl. S.16) Die verbreitetste Auffassung ist die, dass der caliph Abu Bakr bald nach dem Tode Mohammeds eine erste Sammlung von allem angeordnet habe, geschrieben auf Blätter. Zu dieser Zeit waren schon viele der Gefährten aufgrund der vielen Kriege nicht mehr am Leben. Nach dem Tode von Abu Bakr ging das Material an seinen Nachfolger ‚Umar; nach ‚Umars Tod an dessen Tochter Hafsa, eine der Frauen Mohammeds. 20 Jahre nach der Kollektion von Abu Bakr gab es unterschiedliche Strömungen und Versionen, die dazu führten, dass der caliph ‚Utman (644 – 656 n.Chr) unter Leitung des ehemaligen Schreibers von Mohammed, Zhayd b.Thabit, eine neue Kollektion beauftragte, die dann zum allgemein akzeptierten Text unter den Muslimen wurde.(vgl. S.21) Diese äußerliche Kette verbindet sich mit der Überzeugung, dass die Offenbarungsinhalte, die Mohammed direkt von Gott empfangen haben soll, angemessen über all die Jahre, Umstände und verschiedenen Personen hinweg überliefert worden ist.
  19. Bislang gilt heute als beste Textausgabe des Korans der Kairiner Koran, der auf Veranlassung von König Fuad und einem Gremium von Azhar-Gelehrten 1923 erstmals in Kairo gedruckt wurde. (vgl. S.22) Dennoch handelt es sich bei diesem Text nicht um eine wissenschaftlich editierte kritisch-historische Textausgabe.(vgl. S.23) Die Funde von sehr alten Koranfragmenten in Sanaa (Jemen) wurden jedenfalls bislang offiziell nicht berücksichtigt. (vgl.SS.24-28)
  20. KORAN ENTSTEHUNG WESTLICH

  21. In der westlichen Islamwissenschaft gibt es zwei Strömungen: die einen übernehmen mehr oder weniger die Grundeinstellung der islamischen Koranwissenschaft, dass es trotz aller Schwankungen eine zuverlässige Überlieferungskette gibt und dass weitere historisch-kritische Forschungen nicht notwendig sind. Die andere Strömung sieht sehr wohl viele offene Fragen, die geklärt werden müssten, aber bislang konnte diese Forschung nur begrenzte Erfolge erzielen.(ausführlicher siehe SS.29-43)
  22. 100 JAHRE ERFAHRUNG TEXTANALYSE

  23. Berücksichtigt man die über 100 Jahre Erfahrungen, die im Bereich der wissenschaftlichen Untersuchungen von christlichen Offenbarungstexten gemacht werden konnten, dann verstärkt sich eigentlich der Verdacht, dass sehr Ähnliches auch für den Korantext gilt.
  24. Der Umbruch und Fortschritt in der wissenschaftlichen Untersuchung der christlichen Bibel (die in ihrem alttestamentlichen Teil weitgehend auch mit den jüdischen Texten übereinstimmt) begann erst, als man (i) bereit war, viele liebgewordene Unterstellungen mal in Frage zu stellen, und (ii) als man tatsächlich die realen Texte einer genaueren historisch-kritischen und redaktionellen Untersuchung unterzog.
  25. Am Beispiel der Texte, die den Propheten Jesaja, Ezechiel und Jeremia zugesprochen wurden (vgl. SS.45-55), denen alle eine direkte göttliche Inspiration zuerkannt worden war, zeigt Pohlmann auf, wie Schritt für Schritt aufgedeckt werden konnte, dass alle diese Texte Entstehungsgeschichten haben, vielfache Überarbeitungen aufweisen, die in unterschiedliche Zeiten mit unterschiedlichen Aussageabsichten verweisen. Für die einen erschien dies wie ein Verlust (ihres Idealbildes), für die anderen fingen die Texte damit erstmalig an zu sprechen, enthüllten sie ihre inneren Strukturen, die dahinter liegenden historischen Prozesse, die Sorgen und Hoffnungen der beteiligten Menschen.
  26. PERSÖNLICHES

  27. Als ich selbst, erst als Schüler, dann später als Student, erstmalig anhand der hebräischen Texte des alten Testaments mit all den wunderbaren neuen historisch-kritischen Erkenntnissen über die Entstehung der Texte konfrontiert wurde, war dies für mich wie eine Erlösung; erstmalig konnte ich mit diesen Texten tatsächlich etwas anfangen, sie kamen ganz nah, man konnte die realen Menschen dahinter spüren. Vorher wirkten die Texte fremd, abstrakt, unverständlich.
  28. Die voranschreitende ‚Vergöttlichung‘ in allen Texten sagte dann mehr über uns Menschen aus als über den unbekannten Gott. Offensichtlich tendieren wir Menschen dazu, in allem etwas Besonderes zu sehen. Wir neigen dazu, etwas Normales zu Überhöhen. Was zuvor menschliche Worte waren, normale Ereignisse, wird plötzlich zum Wort Gottes oder zu einer göttlich verursachten Tat hochstilisiert.
  29. ISLAMISCHE THEOLOGIE UNBERÜHRT

  30. Trotz der überwältigenden Erkenntnisse von mehr als 100 Jahren westlicher wissenschaftlicher Analyse biblischer Texte ist nach Pohlmann immer noch nicht zu erkennen, dass islamische Theologen einen ähnlichen Weg wissenschaftlicher Analyse der Korantexte beschreiten. (vgl. S.57) Wovor haben Muslime Angst bei einer intensiveren Begegnung mit den Korantexten (gilt natürlich gleichermaßen auch für Juden und Christen, die die Texte ähnlich fundamentalistisch sehen)? (siehe ausführlicher SS.45-58)
  31. EIN GOTT – VIELE MENSCHEN

  32. Egal wie Juden ihre Thora interpretieren, Christen ihre Bibel und die Muslime ihren Koran, die Welt ist entstanden, wie sie entstanden ist, und sie findet statt, unabhängig von diesem Glauben, und wenn die Sonne sich in etwa 1 Mrd. Jahren aufgrund ihrer Kernfusionsprozesse soweit ausgedehnt haben wird, dass ein Leben auf der Erde nicht mehr möglich sein wird, dann wird sie dies auch tun, egal wie bestimmte Menschengruppen bestimmte Texte interpretieren. Außerdem müssen sich alle Offenbarungsreligionen die Frage stellen, warum der eine Gott sich jeweils so unterschiedlich mitgeteilt haben soll. Dass auch so viele Menschen außerhalb des Judentums, des Christentums und des Islams Gott erfahren haben wollen und auch heute noch erfahren, ist damit auch noch nicht befriedigend geklärt. Dass ein Gott sich allen Menschen in gleicher Weise mitteilt wäre eigentlich naheliegend; dass dann einzelne Menschen für sich einen privilegierten Zugang zu Gott beanspruchen spricht vielleicht eher gegen diese Menschen und nicht für Gott. Schließlich müssen sich die Religionen fragen, warum sie noch nie ernsthaft überprüft haben, ob nicht die anderen den gleichen Gott erfahren. Wer hat dies jemals ernsthaft untersucht? Liegt dies nicht schlicht daran, dass viele, die sich in ihrem Glauben auf Gott beziehen, noch niemals wirklich selbst Gott erfahren haben? Dass sie letztlich gar nicht selbst wissen, wie Gott ‚wirklich‘ ist? Dass sie gar keine objektiven Kriterien haben, um zu unterscheiden, ob der andere tatsächlich Gott erfahren hat oder nicht? Wenn Gott tatsächlich der Schöpfer von allem sein soll, wie behauptet wird, dann würde er in allem und jedem stecken. Dies zu verleugnen wäre dann der eigentliche Unglaube.

Eine Fortsetzung folgt HIER.

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POETISCHE MOMENTE UND WAHRHEIT – oder: WAHRHEIT UND POETISCHE MOMENTE

Letzte Änderung: 16.März 20:15, 23:23h (Hinzufügung von Soundtracks zu den beiden poetischen Texten)

1. Getrimmt auf Präzision, auf formale Präzisierung, auf Strukturenwahrnehmung in der Gegenwart besteht schon die Gefahr, bisweilen, Zwischentöne zu verpassen. Denn unser ‚Verstand‘, diese geheimnisvolle Fähigkeit des ‚Ordnens‘ von Phänomenen, besitzt auch einen Modus der ‚Selbstwahrnehmung‘, die etwas über ihn selbst verrät; etwas, nicht alles; aber immerhin.

2. So kann es z.B. zu folgender Beobachtung kommen:

funken des anderen?

das lachen klang nach
verlor sich im raum
der angst, die hervorkroch
aus dem dunkel des unbekannten.
ein lichtstrahl erlosch, kaum
das er aufgeblitzt war,
als die angst hervorkroch
aus dem dunkel in dir.
bleibst du stehen, dann?
verharrst du im schweigen?
wie gelähmt von dir selbst?
oder hast du in dir
diesen funken des anderen,
dieses glühen von vertrauen
das zugeht auf dunkelheit,
das aus sich leuchtet, stark,
und du schaust wo der schalter ist
für mehr licht in unserem leben?
hast du das?

Hier eine Vertonung von ‚funken des anderen‘.

3. Poetisierende Texte sind vieldeutig. Klingen an, lassen anklingen, inspirieren. In der Tat gibt es viele alltägliche Situationen, in denen wir manchmal bewusst, meist eher unbewusst, an Punkte geraten, wo wir zurückzucken, einen Gedanken nicht denken wollen, einen Tat nicht tun wollen, weil in uns dieses diffuse, schwer fassbare Gefühl auftaucht, das uns warnt, Angst macht; was, wenn es schief geht? Was werden die anderen denken? Machen sie sich dann lustig über mich? Bin ich dann der Dumme?

4. Dies trifft jeden, überall, auch – und gerade? – renommierte Wissenschaftler. Wie viele zentrale Probleme schleppt die Wissenschaft seit Jahrzehnten mit sich herum, und doch – wie bei unsichtbaren schwarzen Löchern – meiden alle bestimmte Überlegungen, meiden alle bestimmte Methoden, meiden alle bestimmte Fragen, weil niemand der erste sein will, da er / sie sich ‚verbrennen‘ könnte.

5. Oder all die religiös Überzeugten, die über nichts diskutieren wollen: sie verteidigen eine Wahrheit, von der niemand weiß, ob sie stimmt, weil niemand bereit ist, sie zu überprüfen. Man kann zwar andere verurteilen, ihnen die Köpfe abschlagen, sich selbst aber eine einfache Frage zuzumuten, das kann man nicht.

6. Da die ‚innere Angst‘ vor dem unbekannten Scheitern sich wie ein roter Faden durch alle Menschen und damit alle menschliche Situationen zieht, habe wir hier eine unsichtbare Realität, die sich dahingehend auswirkt, dass die ‚reale‘ Realität dadurch verzerrt wird. Nicht nur die ungeheure Masse eines physikalischen schwarzen Lochs kann das Licht ablenken, auch die psychischen Ängste in jedem von uns können unsere Wahrnehmung der Welt, des anderen, beeinflussen, und auch unsere Taten. Damit entsteht in jedem Augenblick ein Stück Verzerrung, die sich milliardenfach vervielfacht und eine Welt in den Augen der Betrachter erscheinen lässt, die es so vermutlich gar nicht gibt, nicht als reale Welt, aber als eingebildete.

7. Die schier unfassbare Maschinerie allein der US-amerikanischen Geheimdienste ist ‚rational‘ betrachtet ‚irrational‘, aber vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen ‚inneren Angst‘ naheliegend und unausgesprochen ‚plausibel‘. Wer ‚aus der Angst‘ lebt, der kann sich nicht vorstellen, dass es anders sein kann, dass die ‚reale‘ Welt vielleicht ganz anders ist.

8. Und die vielen unfassbaren Grausamkeiten, die weltweit zu beobachten sind, deuten an, dass die ‚innere‘ Angst umfassend und mächtig ist.

9. Wir wissen, dass ein menschliches Leben letztlich nie isoliert möglich ist; wir hängen nahezu vollständig von einem komplexen Netzwerk von Voraussetzungen ab (selbst der sprichwörtliche ‚Einsiedler‘ braucht für seine physische Existenz alleine viele Billionen Bakterienzellen in und auf seinem Körper, er braucht die Luft, die komplexen Bedingungen unterliegt, das Wasser, usw. usw.). Bewusst, aktiv und verantwortungsvoll können wir nur ‚miteinander‘ leben, wenn wir ‚kommunizieren‘. Und im digitalen Netzzeitalter durch das Medium des Digitalen:

‚MailFail‘ – Digitales Schweigen

deine worte sind zum sprung bereit –
doch der mund, der digitale, öffnet
sich nicht: ‚technische störung‘
heisst es; deine worte frieren ein.
niemand hört dich.
niemand sieht dich.
du bist allein.
deine 4 billionen körperzellen
sind da, bersten vor leben, vibrieren,
aber niemand hört dich.
du bist allein, außerhalb des
digitalen kosmos; kein einziges bit.
es strömt, und summt, läuft heiß,
energie verraucht, aber
niemand hört dich,
du bist allein.

Hier in einer digitalen Vertonung (mit erweitertem Text)

10. Wenn man mit anderen Menschen zusammen ist und jemand schweigt, kann man nachfragen. Wenn die Mails nicht mehr fliegen, gibt es nur noch das große Schweigen. Ja, gewiss, man kann noch andere Mailkanäle haben, dazu SMS, soziale Netze …. doch diese kann man leicht unterbrechen; jeder Admin kann manipulieren, was er will; von den Geheimdiensten wollen wir gar nicht sprechen. Und was google, amazon, facebook und Co alles mit unseren Daten machen, mit ‚uns‘, das weiß letztlich keiner (das, was bislang in Erfahrung gebracht werden konnte, ist Grund genug, das aller Schlimmste zu befürchten). Wider Willen sind wir ‚digitale Sklaven‘, deren Rechte hohnlächelnd beiseite gewischt wurden.

11. Offiziell gibt es Menschenrechte; die ‚Menschenwürde‘ ist sogar das Fundament des deutschen Grundgesetzes. Dazu gehört die Wahrung der Authentizität des einzelnen. Durch die – technologisch und lebensstilmäßige bedingte – Verknüpfung von Authentizität und technologisch vermittelter Kommunikation und Informationsbeschaffung haben sich die Grenzen des ‚Privaten‘ mit dem ‚Öffentlichen‘ vermischt. Hat sich mit der Digitalisierung des Privaten damit das Private ‚aufgelöst‘. Brauchen wir keine Menschenwürde mehr weil es keine privaten Individuen mehr gibt?

12. Wenn man die Praxis der Wirtschaft betrachtet und die Tendenz der Gesetzgebung (vor allem auch in den USA), dann kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass die alten Werte, die Menschenwürde, schrittweise einem globalen Kapitalinteresse geopfert werden, die in keiner Weise eine nachhaltige demokratische Gesellschaft unterstützen. Dass sogenannte ‚demokratische‘ Politiker dieser Aushöhlung demokratischer Grundrechte nichts Entschiedenes entgegen setzen, ist auffällig; fällt aber auch ein wenig auf uns selbst zurück: warum haben wir solche Politiker?

Einen Überblick über alle Blogeinträge von cagent nach Titeln findet sich HIER.

GEMEINSAMKEIT IN DER VIELFALT – GRASWURZEL-/ BOTTOM-UP-PHILOSOPHIE – Memo zur philosophieWerkstatt vom 12.Okt.2014

Dieses Memo bezieht sich auf die philosophieWerkstatt v.2.0 vom 12.Okt.2014.

1. Ein neuer Ort, eine neue Zeit, neue Menschen …. die philosophieWerkstatt v2.0 ging an den Start und trotz schönem Wetter und vielen Grippeinfizierten gab es eine bunte Runde von Gesprächsteilnehmern die sich zu einem philosophischen Gespräch zusammen fanden.

2. In einer kleinen ‚Aufwärmphase‘ konnte jeder etwas von sich und seinen Erwartungen erzählen und es wurde ein erstes Begriffsfeld sichtbar, das von Vielfalt kündete und einen erkennbaren Zusammenhang noch vermissen lies (siehe nachfolgendes Bild).

Begriffe im Raum, unverbunden, der Anfang
Begriffe im Raum, unverbunden, der Anfang

3. Es stand die Frage im Raum, ob und wie man hier zu einem verbindlichen Zusammenhang kommen könne? Wie – hier vorgreifend auf das Ergebnis des Gespräches – das abschließende Gesprächsbild andeutet, kam es zu immer mehr Differenzierungen, wechselseitigen Abhängigkeiten, Verdichtungen und Abstraktionen, die – wenngleich noch zaghaft – eine erste Struktur andeuten, an der man bei einem Nachfolgegespräch weiter anknüpfen könnte.

Begriffe in einem beginnenden Zusammenhang, Umrisse einer Struktur
Begriffe in einem beginnenden Zusammenhang, Umrisse einer Struktur

BILDER VON DER WELT – BEDEUTUNG

4. Eine erste Wendung im Gespräch kam durch den Hinweis, dass die ‚Bedeutung‘, die wir von den ‚Ausdrücken‘ einer Sprache unterscheiden, ‚in unserem Kopf‘ zu verorten sei. Dort. ‚in unserem Kopf‘ haben wir ‚Bilder von der Welt‘ (‚Vorstellungen‘, ‚mentale Repräsentationen‘), die für uns ‚Eigenschaften der umgebenden Welt‘ repräsentieren.

VORWISSEN

5. Bald kam auch der Begriff des ‚Vorwissens‘, der ‚bisherigen Erfahrung‘, einer ‚Vorprägung‘ ins Spiel: gemeint war damit, dass wir in jedem Augenblick nicht vom Punkt Null beginnen, sondern schon Erfahrungen in der Vergangenheit gemacht haben, die auf die aktuelle ‚Wahrnehmung der Welt‘ einwirken: als ‚Erwartungen‘, als ‚Vor-Urteil‘, als ‚Übertragung‘.

SOZIALER DRUCK

6. Hier wurde auch darauf hingewiesen, dass die ‚Interpretation der Wahrnehmung‘ von anderen Menschen (‚Gruppenzwang‘, ‚gesellschaftliche Gewohnheiten/ Erwartungen‘, ‚Prüfungssituationen‘) zusätzlich beeinflusst werden kann. Während man normalerweise spontan (fast unbewusst) entscheidet, wie man eine Wahrnehmung interpretieren soll (obgleich sie vieldeutig sein kann), kann dieser Prozess unter sozialem Druck gestört werden; wie zögern, werden unsicher, bemerken, dass die Situation vielleicht nicht eindeutig ist, und suchen dann nach Anhaltspunkten, z.B. nach den Meinungen der anderen. Oft ist es so, dass die ‚Mehrheit‘ besser ist als die Meinung eines einzelnen; die Mehrheit kann aber auch völlig daneben liegen (berühmtes Galileo-Beispiel).

ÄHNLICHKEITEN ZWISCHEN PERSONEN

7. Die Frage war, wie es denn überhaupt zu ‚Ähnlichkeiten‘ zwischen Personen kommen kann, wenn jeder seine Bilder im Kopf hat?

8. Ein Schlüssel scheint darin zu liegen, dass jeder seine Bilder in seinem Kopf anlässlich der Gegebenheiten der umgebenden Welt ‚formt‘. Sofern die umgebende Welt für alle die ‚gleiche‘ ist, lässt sich von daher eine gewisse Ähnlichkeit der Bilder motivieren.

9. Zusätzlich gibt es aber auch die Sachlage, dass die Körper der Menschen mit ihren Organen und Prozessen, insbesondere mit ihrem Gehirn und den darauf basierenden Information verarbeitenden Prozessen, eine gewisse Ähnlichkeit zwischen allen Menschen aufweisen, so dass auch dadurch Ähnlichkeiten zwischen den Bildern im Kopf begünstigt werden.

BEGRENZUNG DES BEWUSSTSEINS

10. In der neuzeitlichen Orientierung am Bewusstsein als primärer Erkenntnisquelle (ungefähr seit Descartes und später bis zur Phänomenologie) gab es keine Ansatzpunkte, um diese implizite ‚Harmonie der Körper und Erkenntnisse‘ aufzuhellen. Die antike Philosophie – insbesondere Aristoteles und seine Schüler – hatte zwar Ansatzpunkte, die Erkenntnisse über die Welt einzubeziehen, aber die damaligen ‚Welterkenntnisse‘ reichten nicht aus, um das moderne empirische Wissen über die physikalische, chemische, biologische und kulturelle Evolution vorweg zu nehmen. Erst mit den neuen Wissenschaften und einer davon inspirierten Strömung einer ‚evolutionär inspirierten‘ Erkenntnistheorie und Philosophie lieferte erste sachdienliche Hinweise, dass die unübersehbare ‚Harmonie der Körper‘ auch ein Grund für die Ähnlichkeit zwischen den Bildern in den verschiedenen Köpfen sein kann.

SCHLÜSSEL EVOLUTION

11. Mehr noch, die verblüffende ‚Passung‘ von menschlicher Erkenntnis zur ‚umgebenden Welt‘ ist letztlich vollständig induziert von einer evolutionären Entwicklung, in der sich nur solche Organismen ‚durchsetzen‘ konnten, die relativ am besten die ‚lebensfördernden Eigenschaften‘ der umgebenden (aber auch in sich sich verändernden) Welt aufgreifen und nutzen konnten.

12. Wenn man davon sprechen kann, dass der Menschen ein ‚Ebenbild‘ sei, wie es biblische Texte nahelegen (hier ohne kritischen Kommentar), dann zunächst mal ein Ebenbild der vorgegebenen Erde als Teil eines Sonnensystems als Teil einer Galaxie als Teil eines BigBang-Universums (Weiterreichende Interpretationen sind damit per se noch nicht ausgeschlossen).

BILDER IM KOPF vs. WELT

13. Es wurde auch festgestellt, dass man zwischen den ‚Bildern von der Welt im Kopf‘ und den ’sprachlichen Ausdrücken‘ unterscheiden muss.

ALLGEMEINBEGRIFFE

14. Die ‚Bilder von der Welt‘ repräsentieren irgendwie (mal mehr, mal weniger ‚passend‘) die ‚Gegebenheiten‘ der umgebenden Welt. Dies geschieht durch eine ‚denkerische‘ Mixtur aus ’sinnlicher Erfahrung von Einzelnem‘ und ‚denkerischer Abstraktion von Allgemeinheiten‘, so dass wir in jedem Moment zwar einen einzelnen konkreten Gegenstand identifizieren können, zugleich aber auch immer einen ‚allgemeinen Begriff‘, eine ‚Kategorie‘ zur Verfügung haben, die anhand von ‚abstrahierten Eigenschaften‘ einzelne Gegenstände als ‚Beispiele‘ (‚Instanzen‘) einer allgemeinen Struktur erscheinen lässt. Unser Denken lässt gar nichts anderes zu; es ‚zwingt‘ uns zur ‚automatischen‘ (‚unbewussten‘) Konstruktion von ‚Allgemeinbegriffen‘.

SPRACHE UND DING

15. Es wurde darauf hingewiesen, dass wir ja auch verschiedene Sprachen sprechen und dass möglicherweise die ‚Bilder im Kopf‘ bis zu einem gewissen Grade unabhängig von der verwendeten Sprache sind. Deswegen können wir auch zwischen den Sprachen übersetzen! Weil die körpergebundenen Sachstrukturen – bis zu einem gewissen Grade – sprachunabhängig gegeben sind und sich ‚aufbauen‘, können die Ausdrücke einer Sprache L darauf Bezug nehmen und durch andere ‚bedeutungsgleiche‘ Ausdrücke ‚ersetzt werden.

VERÄNDERLICHE WELT vs. STATISCHE BILDER

16. Die ‚Bedeutung‘ sprachlicher Ausdrücke (ihre ‚Semantik‘) begründet sich also von den körperbedingten Objektstrukturen her. Wenn nun die umgebende Welt sich ändert (Prozess, Geschichte, Evolution, …), dann ändern sich zwar die Sachstrukturen in der Welt, nicht aber unbedingt synchron die Bilder im Kopf eines Menschen. Damit entsteht das, was wir oft erleben: Menschen benutzen Ausdrücke einer Sprache L, ‚Begriffe‘, ‚Termini‘, die sie mit bestimmten ‚Bildern im Kopf‘ verknüpfen (assoziieren), aber diese Bilder können ‚veraltet‘ sein, da sich die Gegebenheiten in der Welt mittlerweile verändert haben (im Gespräch wurde der Ausdruckswandel des Begriffs ‚Student‘ angesprochen).

EINFACH vs. KOMPLEX

17. Vor dem Hintergrund einer ‚erlernten‘ Bedeutung kann es dann passieren, dass die ‚erlernten‘ Bedeutungen aus einer früheren Zeit die Welt ‚einfacher‘ erscheinen lassen als die gegenwärtige Welt mit ihrer wachsenden Vielfalt (es standen die Bemerkungen im Raum, dass Mädchen und junge Frauen es früher ‚einfacher‘ gehabt haben sollen als Mädchen und junge Frauen heute).

WAS IST WAHRHEIT?

18. An diesem Punkt im Gespräch angekommen stellte sich nochmals die Frage nach der ‚Wahrheit‘, ein Begriff, der ganz am Anfang etwas isoliert im Raum stand.

19. Ausgangspunkt ist die alltägliche Beobachtung, dass wir manchen Aussagen als ‚richtig‘, manche als ‚falsch‘ bezeichnen. Dies knüpft an dem Umstand an, dass ‚Behauptungen über die Gegebenheiten der Welt‘ bis zu einem gewissen Grade ‚überprüfbar‘ sind. D.h. es scheint, dass wir die ‚Bilder in unserem Kopf‘ mit den sinnlich wahrnehmbaren Gegebenheiten der umgebenden Welt bis zu einem gewissen Grad so ‚vergleichen‘ können, dass wir eine ‚Übereinstimmung‘ oder ‚Nicht-Übereinstimmung‘ feststellen können, und zwar alle Menschen in gleicher Weise.

20. Wenn wir diesen grundsätzlichen Sachverhalt zum Ausgangspunkt nehmen, dann würde der Begriff ‚Wahrheit‘ in diesem Kontext bedeuten, dass eine Aussage mit ’sinnlicher Bestätigung‘ sowohl ‚richtig‘ als auch ‚wahr‘ wäre bzw. — falls keine Übereinstimmung vorliegt –, ’nicht richtig‘ bzw. ‚falsch‘ bzw. ’nicht wahr‘ wäre.

21. Bei diesem Interpretationsansatz werden damit die ‚Gegebenheiten der Welt‘ zum Ausgangspunkt, zur ‚Vorgabe‘, zum ‚Maßstab‘, an dem wir uns letztlich orientieren. Davon abgeleitet könnte man dann auch – ganz im Sinne der antiken Metaphysik und Ontologie – davon sprechen, dass ‚das Seiende‘, wie es uns – in gewissem Sinne ‚a priori‘ – vorgegeben ist, das ‚Wahre‘, die ‚Wahrheit‘ verkörpert, an der wir uns orientieren müssen, wollen wir im Sinn der Welt/ des Sonnensystems/ der Galaxie/ des BigBang-Universums/ des … ‚wahr‘ sein. Empirische Wissenschaft ist dann nichts anderes als antike Metaphysik (dafür gäbe es noch mehr Argumente).

22. Eine solcherart (ontologisch) verstandene Wahrheit ist dann nicht beliebig, sondern eher ‚verpflichtend‘: wer das ‚Leben‘ ‚achtet‘ und ‚liebt‘ muss sich eigentlich an dieser Wahrheit orientieren. Dies wäre damit auch die mögliche Begründung einer ‚Ethik des Lebens‘, die sich z.B. als ‚ökologisches Denken‘ manifestiert.

ANALYTISCH WAHRHEIT

23. Wenn wir annehmen, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt ‚Bilder im Kopf‘ von der umgebenden Welt haben und wir diese Bilder als ‚zutreffen‘ – sprich als ‚wahr‘ – betrachten, dann können wir oft auch auf der Basis dieser vorausgesetzten Bilder ‚Schlüsse ziehen‘. Berühmt sind die Beispiele mit Syllogismen wie (Annahme 1) ‚Alle Menschen sind sterblich‘, (Annahme2:) ‚Sokrates ist ein Mensch‘, (Schluß:) ‚Sokrates ist sterblich‘. Nimmt man an, dass Annahme 1 und 2 ‚wahr‘ sind, dann folgt ‚analytisch‘ (ohne Bezug auf die aktuelle empirische Welt), der Schluss. Die Wissenschaft der Logik arbeitet im Prinzip nur mit solchen analytischen Schlüssen und ihren möglichen (formalen) Formen. Sie weiß als Wissenschaft der Logik nichts von der Welt (was sich auch darin auswirkt/ auswirken kann, dass sie formale Strukturen entwickelt, die mehr oder weniger ‚unbrauchbar‘ für das weltbezogene Alltagsdenken sind).

ALLE SIND TRÄGER DER WAHRHEIT

24. Rückblickend zu diesem Gespräch kann man also sagen, dass letztlich jeder Stücke der allgemeinen Wahrheit mit sich herum trägt und dass es eigentlich nur darauf ankommt, diese einzelnen Fragmente zusammen zu sammeln und sie in rechter Weise ‚zusammen zu fügen’… Graswurzel-Philosophie … Bottom-Up Philosophie … induktives Denken …

Die Ankündigung zur nächsten Sitzung am 9.Nov.2014 findet sich HIER.

Für einen Überblick über alle Blogeinträge zur Philosophiewerkstatt siehe HIER

Für einen Überblick über alle Blogeinträge nach Titeln siehe HIER

AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 15

VORGESCHICHTE

Für einen Überblick zu allen vorausgehenden Beiträgen dieser rekonstruierenden Lektüre von Avicennas Beitrag zur Logik siehe AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – BLITZÜBERSICHT.

Übersicht zum Wissen K bestehend aus Ausdrücken E, Objekten O sowie Bedeutungsbeziehungen M
Übersicht zum Wissen K bestehend aus Ausdrücken E, Objekten O sowie Bedeutungsbeziehungen M

WAHR UND FALSCHE AUSSAGEN

1. Nach dem Blogeintrag Avicenna 14b gibt es jetzt Ausdrücke A, B, …, die ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ sein können und die wir deshalb ‚Aussagen‘ (auch ‚Propositionen‘) nennen. Aussagen können mittels aussagenlogischer Operatoren wie ‚NEGATION‘, ‚UND‘, ‚IMPLIKATION‘ usw. zu komplexeren Ausdrücken so verknüpft werden, dass jederzeit ermittelt werden kann, wie der Wahrheitswert des komplexen Ausdrucks lautet, wenn die Wahrheitswerte der Teilausdrücke bekannt sind. Ob im Einzelfall eine Aussage A ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ ist, muss durch Rückgriff auf ihre Bedeutungsbeziehung M(A) geklärt werden. Bislang ist nur klar, dass die Bedeutungsbeziehung M nur allgemein eine Beziehung zu den (kognitiven) Objekten O herstellt (siehe Grafik oben).

2. Avicenna spricht aber nicht nur von Aussagen A allgemein, sondern unterscheidet die Teilausdrücke ‚Subjekt‘ S und ‚Prädikat‘ P, zusätzlich oft noch ‚Quantoren‘ Q.

FEINSTRUKTUR DER BEDEUTUNG VON AUSDRÜCKEN

3. Man kann und muss dann die Frage stellen, ob und wie sich auf der Bedeutungsseite die Unterscheidung in S und P auf der Ausdrucksseite widerspiegelt?

ECHTE UND UNECHTE OBJEKTE

4. In vorausgehenden Blogeinträgen zu Avicenna (Avicenna 4, 5, 7 und 11) wurde schon unterschieden zwischen ‚echten‘ und ‚unechten‘ Objekten. ‚Unechte Objekte‘ sind solche Wissenstatbestände, die man zwar identifizieren und unterscheiden kann, die aber immer nur im Kontext von ‚echten Objekten‘ auftreten. ‚Unechte‘ Objekte werden meistens als ‚Eigenschaften‘ bezeichnet. Beispiel: die Farbe ‚Rot‘ können wir wahrnehmen und z.B. von der Farbe ‚Blau‘ unterscheiden, die Farbe ‚Rot‘ tritt aber nie alleine auf so wie z.B. Gegenstände (Tassen, Stühle, Früchte, Blumen, …) alleine auftreten.

5. Hier wird davon ausgegangen, dass die Objekthierarchie O primär von echten Objekten gebildet wird; unechte Objekte als Eigenschaften treten nur im Kontext eines echten Objekts auf.

GATTUNG UND ART; KATEGORIEN

6. Ein Objekt kann viele Eigenschaften umfassen. Wenn es mehr als ein Objekt gibt – also O1, O2, … — die sowohl Eigenschaften Ex gemeinsam haben wie auch Eigenschaften Ey, die unterschiedlich sind, dann kann man sagen, dass alle Objekte, die die Eigenschaften Ex gemeinsam haben, eine ‚Gattung‘ (‚genus‘) bilden, und dass man anhand der ‚unterscheidenden Eigenschaften Ey‘ unterschiedliche ‚Arten‘ (’species‘) innerhalb der Gattung unterscheiden kann.

7. Gattungen, die keine Gattungen mehr ‚über sich‘ haben können, sollen hier ‚Kategorien‘ genannt werden.

ONTOLOGISCHE UND DEFINITORISCHE (ANALYTISCHE) WAHRHEIT

8. Bislang ist der Wahrheitsbegriff $latex \top, \bot$ in dieser Diskussion an der hinreichenden Ähnlichkeit eines vorgestellten/ gedachten kognitiven) Objekts $latex a \in Oa$ mit sinnlichen wahrnehmbaren Eigenschaften $latex s \subseteq Os$ festgemacht worden. Ein ‚rein gedachtes Objekt $latex a \in Oa$ ist in diesem Sinne weder ‚wahr‘ $latex \top$ noch ‚falsch‘ $latex \bot$.

9. Setzt man allerdings eine Objekthierarchie O voraus, in der man von einem beliebigen individuellem Objekt a immer sagen kann, zu welchem Objekt Y es als seiner Gattung gehört, dann kann man eine Aussagen der Art bilden ‚a ist eine Tasse‘.

10. Wenn man zuvor in einer Definition vereinbart haben sollte, dass zum Begriff der ‚Tasse‘ wesentlich die Eigenschaften Ex gehören, und das Objekt a hätte die Eigenschaften $latex Ex \cup Ey$, dann würde man sagen, dass die Aussage ‚a ist eine Tasse‘ ‚wahr‘ ist, unabhängig davon, ob es zum kognitiven Objekt a ein ’sinnliches‘ ‚Pendant‘ geben würde oder nicht. Die Aussage ‚a ist eine Tasse‘ wäre dann ‚rein definitorisch‘ (bzw. ‚rein analytisch‘) ‚wahr.

11. Im Gegensatz zu solch einer rein definitorischen (analytischen) Wahrheit eines Objekts a, die als solche nichts darüber sagt, ob es das Objekt a ‚tatsächlich‘ gibt, soll hier die ursprünglich vereinbarte ‚Wahrheit‘ durch Bezug auf eine ’sinnliche Gegebenheit‘ $latex s \subseteq Os$ ‚ontologische‘ Wahrheit genannt werden, also einer Wahrheit, die sich auf das ‚real Seiende‘ in der umgebenden Welt W bezieht.

12. [Anmerkung: Dieses – auch im Alltagsdenken – unterstellte ‚Sein‘, die unterstellte übergreifende ‚Realität‘ ist nicht nur eine ‚Extrapolation‘ aufgrund sinnlicher Gegebenheiten ‚im‘ wissenden System, sondern ist in seiner unterstellten ‚Realität‘ auch nur eine sehr spezifische Form von Realität. Wie wir heute aufgrund immer komplexerer Messprozeduren wissen, gibt es ‚Realitäten‘, die weit jenseits aller sinnlichen Qualitäten liegen. Es fällt uns nur nicht so auf, weil diese gemessenen Eigenschaften X durch allerlei Prozeduren für unsere Sinnesorgane ‚umgerechnet‘, ‚transformiert‘ werden, so dass wir etwas ‚Sehen‘ oder ‚Hören‘, obgleich das gemessene X nicht zu sehen oder zu hören ist.]

13. Solange wir uns in unseren Aussagen auf das Enthaltensein eines Objektes a in einem Gattungsobjekts X beschränken ‚a ist ein X‘ oder das Feststellen von Eigenschaften der Art ‚a hat b‘ kann man sagen, dass eine Aussagestruktur wie (S P) wie folgt interpretiert werden kann: Es gibt einen Ausdruck A=(AsAp), bei dem ein Ausdrucksteil As sich auf ein echtes Objekt M(As) = $latex a \in Oa$ bezieht und der andere Ausdrucksteil Ap bezieht sich auf die Beziehung zwischen dem Objekt a und entweder einem Gattungsobjekt X (Ap = ‚ist ein X‘) oder auf eine Eigenschaft Y (Ap = ‚hat Y‘).

14. Derjenige Ausdrucksteil As, der sich auf das echte Objekt a bezieht, ‚von dem‘ etwas ausgesagt werden soll (‚ist ein…‘, ‚hat …‘), dieser Ausdrucksteil wird als ‚Subjekt‘ S bezeichnet, und der Ausdrucksteil Ap, mittels dem etwas über das Subjekt ausgesagt wird, wird ‚Prädikat‘ P genannt.

15. Hierbei ist eine gewisse ‚Asymmetrie‘ zu beachten. Die Bedeutung vom Ausdrucksteil As – M(As) – bezieht sich auf eine ‚konkrete‘ Eigenschaftsstruktur innerhalb der Objekthierarchie. Die Bedeutung vom Ausdrucksteil Ap – M(Ap) – bezieht sich auf eine ‚Beziehung‘ / ‚Relation’/ ein ‚Verhältnis‘ [R] zwischen dem bezeichneten Bedeutungsobjekt M(As) = a und einem anderen bezeichneten Bedeutungsobjekt M(Ap), also R(M(As), M(Ap)). Die Beziehung R ist selbst kein ‚Objekt‘ so wie das Objekt a oder das implizit angenommene ‚Bezugsobjekt‘ X bzw. Y von a. Eine solche Beziehung R setzt – um prozessural ‚hantierbar‘ zu sein – eine zusätzliche ‚Objektebene‘ voraus, auf der es ein R-Objekt gibt, das die Beziehung zwischen dem a-Objekt und dem X-Y-Objekt ‚repräsentiert.

16. [Anmerkung: Bei ’neuronalen Netzen‘ wäre das R-Objekt jenes Neuron, das die Verbindung zwischen zwei anderen Neuronen ‚realisiert‘.]

17. Fassen wir zusammen: Bei einem Ausdruck A der Art A=’Hans ist ein Mensch‘ gibt es den Ausdrucksteil As=’Hans‘ und den Ausdrucksteil Ap=’ist ein Mensch‘. Die Bedeutung des Ausdrucksteils As M(As) als M(‚Hans‘) ist ein Objekt h in der unterstellten Bedeutungshierarchie O des Sprechers, das gewisse Eigenschaften E(h) besitzt. Die Bedeutung des Ausdrucksteils Ap als M(Ap) bzw. M(‚ist ein Mensch‘) ist sowohl ein Objekt M mit Eigenschaften E(M) als auch eine Beziehung R_ist zwischen dem Objekt h und dem Objekt M, also R_ist(h,M). Die Beziehung ist definitorisch/ analytisch ‚wahr‘ wenn es gilt, dass die definierenden Eigenschaften E(M) des Objekts Mensch M auch bei den Eigenschaften E(h) von Hans zu finden sind, also $latex E(M) \subset E(h)$ .

BEZIEHUNGSRAUM – TRANSZENDENTALE BEDINGUNGEN

18.

Fortsetzung folgt

QUELLEN

  • Avicenna, ‚Avicennas Treatise on Logic‘. Part One of ‚Danesh-Name Alai‘ (A Concise Philosophical Encyclopedia) and Autobiography, edited and translated by Farang Zabeeh, The Hague (Netherlands): Martinus Nijhoff, 1971. Diese Übersetzung basiert auf dem Buch ‚Treatise of Logic‘, veröffentlicht von der Gesellschaft für Nationale Monumente, Serie12, Teheran, 1952, herausgegeben von M.Moien. Diese Ausgabe wiederum geht zurück auf eine frühere Ausgabe, herausgegeben von Khurasani.
  • Digital Averroes Research Environment
  • Nicholas Rescher (1928 – ),The Development of Arabic Logic. University of Pittsburgh Press, 1964
  • Hans-Jörg Sandkühler (Hg.) unter Mitwirkung von Dagmar Borchers, Arnim Regenbogen, Volker Schürmann und Pirmin Stekeler-Weithofer, ‚Enzyklopädie Philosophie‘, 3 Bd., Hamburg: FELIX MEINER VERLAG, 2010 (mit CD-ROM)
  • Stanford Encyclopedia of Philosophy, Aristotle’s Logic
  • Whitehead, Alfred North, and Bertrand Russell, Principia Mathematica, 3 vols, Cambridge University Press, 1910, 1912, and 1913; Second edition, 1925 (Vol. 1), 1927 (Vols 2, 3). Abridged as Principia Mathematica to *56, Cambridge University Press, 1962.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume One. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-182-3.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume Two. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-183-0.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume Three. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-184-7

Eine Übersicht über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER

AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 14

VORGESCHICHTE

Für einen Überblick zu allen vorausgehenden Beiträgen dieser rekonstruierenden Lektüre von Avicennas Beitrag zur Logik siehe AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – BLITZÜBERSICHT.

1. Wenn also eine Formulierung von Konvertierungsregeln nicht ohne Bezug auf irgend eine Bedeutung M hinter den Ausdrücken möglich ist, stellt sich zum wiederholten Male die Frage, über welche mögliche Bedeutung M ‚hinter‘ den Ausdrücken gesprochen werden muss.

KONVERTIERUNG MIT BEDEUTUNG – MIT WELCHER?

2. Beginnen wir mit dem Ausgangspunkt, dass Aussagen PROP solche Ausdrücke von der Menge aller Ausdrücke E sind, die ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ sein können. ‚Treffen sie zu‘ gelten sie als ‚wahr‘; ‚treffen sie nicht zu‘ gelten sie als ‚falsch‘.
3. Bislang hatten wir schon die generelle Annahme geäußert, dass das Denken und Wissen eines Menschen im ‚Innern‘ dieses Menschen zu verorten sei und der Mensch ‚in‘ einer umgebenden Welt W mit realen Ereignissen X vorkommt.
4. Um die Begriffe ‚wahr/ falsch‘ bzw. ‚zutreffen/ nicht zutreffen‘ zu ‚erklären‘, nehmen wir an, dass die Menge des möglichen Wissens K eines einzelnen Menschen sich zerlegen lässt in die Teilmengen ‚Vorgestellt‘ K_v, ‚Erinnert‘ K_m sowie ’sinnlich präsent‘ K_s. Es gilt also $latex K = K_{s} \cup M_{v} \cup M_{m}$.
5. Eine Bedeutung wird dann durch eine Beziehung zwischen dem Wissen K und möglichen Ausdrücken $latex PROP \subseteq E$ gebildet: $latex M \subseteq PROP \times K$.
6. Speziell gilt aber, dass man zwischen einer ’neutralen‘ Bedeutung $latex M_n \subseteq E \times (K_{v} \cup K_{m})$ unterscheiden muss, die weder ‚wahr‘ noch ‚falsch‘ ist, und der ’sinnlich fundierten‘ Bedeutung $latex M_s \subseteq E \times K_{s}$. Gibt es zwischen einer neutralen Bedeutung $latex M_{n}$ und einer sinnlich fundierten Bedeutung $latex M_{s}$ eine Beziehung des ‚Zutreffens‘ $latex M_{s} \models M_{n}$, dann kann man sagen, dass das Wissen $latex K_{n}$ in dieser Beziehung ‚wahr‘ ist, andernfalls nicht, geschrieben $latex M_{s} \not\models K_{n}$.
7. Zusätzlich kann man im Bereich des erinnerten Wissens $latex K_{m}$ noch unterscheiden zwischen einem solchen, das Bezug zu ‚vormals sinnlich fundiertem Wissen‘ aufweist als $latex K_{ms}$ und solchem, das ‚keinen Bezug zu vormals fundiertem sinnlichen Wissen‘ aufweist als $latex K_{mns}$.
8. Erinnertes Wissen mit Bezug zu vormals fundiertem Wissen $latex K_{ms}$ hat die Eigenart, dass sich in Abhängigkeit von der ‚Häufigkeit‘ der erinnerbaren Wissenselementen in $latex K_{ms}$ eine Art ‚Erwartung‘ bzgl. des neuerlichen Eintretens dieses Wissens als sinnliches Wissen $latex K_{vs}$ ausbildet: $latex \mu: K_{ms} \longrightarrow K_{vs}$ mit $latex K_{vs} \subseteq K_{v}$, d.h. im Bereich des vorgestellten Wissens $latex K_{v}$ gibt es solches mit einem speziellen Erwartungsanteil $latex K_{vs}$ hervorgerufen durch besondere Erinnerungen.

EXKLUSIVE MODALOPERATOREN

9. An dieser Stelle könnte man dann noch die Begriffe ‚möglich‘ $latex \diamond$ und ’notwendig‘ $latex \boxempty$ wie folgt einführen: ein vorgestelltes Wissen gilt als ‚möglich‘, wenn der Erwartungswert nicht gleich 1 ist, also $latex \diamond K_{v} \leftrightarrow \mu(K_{v}) \not= 1$, andernfalls als notwendig, also $latex \boxempty K_{v} \leftrightarrow \mu(K_{v}) = 1$
10. Daraus kann man ableiten, dass gelten soll $latex \boxempty K_{v} \leftrightarrow \neg\diamond K_{v}$ oder $latex \neg\boxempty K_{v} \leftrightarrow \diamond K_{v}$.
11. Diese Definition von ‚möglich‘ und ’notwendig‘ entspricht nicht ganz der ‚Intuition‘, dass etwas, was ’notwendig‘ ist, auf jeden Fall auch möglich sein sollte; allerdings folgt – intuitiv — aus der Möglichkeit keine Notwendigkeit. Die vorausgehende Definition von möglich und notwendig erinnert ein wenig an das ‚exklusive Oder‘, das auch ’schärfer‘ ist als das normale Oder. Nennen wie die hier benutzte Definition von ‚möglich‘ $latex \diamond$ und ’notwendig‘ $latex \boxempty$ daher auch die ‚exklusiven Modaloperatoren‘: Wenn etwas notwendig ist, dann ist es nicht möglich, und wenn etwas möglich ist, dann ist es nicht notwendig.
12. Anmerkung: wenn etwas ‚gedanklich notwendig‘ ist, folgt daraus in diesem Rahmen allerdings nicht, dass es auch tatsächlich sinnlich eintritt. Aus der gedanklichen Notwendigkeit folgt nur, dass es in der erinnerbaren Vergangenheit bislang immer eingetreten ist und daher die Erwartung sehr hoch ist, dass es wieder eintreten wird.

WAHR und FALSCH ABKÜRZUNGEN

13. Wenn man von einer Aussage $latex e \in E$ sagen kann, dass das zugehörige vorstellbare Wissen $latex M(e)=K_{v}$ ‚wahr‘ ist, weil es auf ein sinnliches Wissen $latex K_{s}$ ‚zutrifft oder eben ‚falsch‘, weil es ’nicht zutrifft‘, dann soll dieser Sachverhalt hier wie folgt abgekürzt werden:
14. Eine Aussage A soll genau dann mit ‚wahr‘ $latex \top$ bezeichnet werden, wenn es ein sinnliches Wissen gibt, das das zugehörige vorgestellte Wissen ‚erfüllt‘, also $latex (A)\top \leftrightarrow M(A)=K_{v}$ und es gibt ein sinnlich fundiertes Wissen $latex K_{s}$, so dass gilt $latex K_{s} \models K_{v}$.
15. Eine Aussage A soll genau dann mit ‚falsch‘ $latex \bot$ bezeichnet werden, wenn es kein sinnliches Wissen gibt, das das zugehörige vorgestellte Wissen ‚erfüllt‘, also $latex (A)\bot \leftrightarrow M(A)=K_{v}$ und $latex K_{s} \not\models K_{v}$. [Anmerkung: Es gibt nur ein einziges sinnlich fundiertes Wissen, und zwar das jeweils aktuelle!]

AUSSAGEOPERATOREN

16. Jetzt kann man folgende Operatoren über Aussagen definieren:
17. NEGATION: die Verneinung einer Aussage A ist wahr, wenn die Aussage selbst falsch ist, also $latex (\neg A)\top \leftrightarrow (A)\bot$.
18. KONJUNKTION: die Konjunktion $latex \wedge$ von zwei Aussagen A und B ist wahr, wenn beide Aussagen zugleich wahr sind; ansonsten ist die Konjunktion falsch, also $latex (A \wedge B)\top \leftrightarrow (A)\top\ und\ zugleich\ (B)\top$; ansonsten falsch.
19. DISJUNKTION: die Disjunktion $latex \vee$ von zwei Aussagen A und B ist wahr, wenn eine von beiden Aussagen wahr ist; ansonsten ist die Disjunktion falsch, also $latex (A \vee B)\top \leftrightarrow (A)\top\ oder\ (B)\top$; ansonsten falsch.
20. EXKLUSIVE DISJUNKTION: die exklusive Disjunktion $latex \sqcup$ von zwei Aussagen A und B ist wahr, wenn genau eine von beiden Aussagen wahr ist; ansonsten ist die exklusive Disjunktion falsch, also $latex (A \sqcup B)\top \leftrightarrow\ Entweder\ (A)\top\ oder\ (B)\top$; ansonsten falsch.
21. IMPLIKATION: die Implikation $latex \rightarrow$ von zwei Aussagen A und B ist wahr, wenn nicht A wahr ist und zugleich B falsch, also $latex (A \rightarrow B)\top \leftrightarrow\ nicht (A)\top\ und\ zugleich\ (B)\bot$; ansonsten falsch.

Fortsetzung folgt

QUELLEN

  • Avicenna, ‚Avicennas Treatise on Logic‘. Part One of ‚Danesh-Name Alai‘ (A Concise Philosophical Encyclopedia) and Autobiography, edited and translated by Farang Zabeeh, The Hague (Netherlands): Martinus Nijhoff, 1971. Diese Übersetzung basiert auf dem Buch ‚Treatise of Logic‘, veröffentlicht von der Gesellschaft für Nationale Monumente, Serie12, Teheran, 1952, herausgegeben von M.Moien. Diese Ausgabe wiederum geht zurück auf eine frühere Ausgabe, herausgegeben von Khurasani.
  • Digital Averroes Research Environment
  • Nicholas Rescher (1928 – ),The Development of Arabic Logic. University of Pittsburgh Press, 1964
  • Stanford Encyclopedia of Philosophy, Aristotle’s Logic
  • Whitehead, Alfred North, and Bertrand Russell, Principia Mathematica, 3 vols, Cambridge University Press, 1910, 1912, and 1913; Second edition, 1925 (Vol. 1), 1927 (Vols 2, 3). Abridged as Principia Mathematica to *56, Cambridge University Press, 1962.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume One. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-182-3.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume Two. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-183-0.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume Three. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-184-7

Eine Übersicht über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 13

(Letzte Änderung 8.Sept.2014, 02:59h)

VORGESCHICHTE

Für einen Überblick zu allen vorausgehenden Beiträgen dieser rekonstruierenden Lektüre von Avicennas Beitrag zur Logik siehe AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – BLITZÜBERSICHT.

AVICENNAS DISKUSSION VON UMWANDLUNG (‚Conversion‘)

1. Aus der englischen Übersetzung ist nicht klar zu entnehmen, ob der Begriff ‚Umwandlung‘ (engl.: ‚conversion‘) tatsächlich eine Form von ‚Umwandlung’/ ‚Umformung’/ ‚Konvertierung‘ meint oder spezieller eine Umformung von Aussagen, die letztlich eine ‚logische Folgerung‘ darstellen. Letztere Interpretation wird angeregt, da er dann tatsächlich an entscheidender Stelle zum ersten Mal in der ganzen Abhandlung eine Folge von Aussagen präsentiert, die man als ‚Folgerungstext‘ interpretieren kann.

2. In seiner Kerndefinition gleich zu Beginn charakterisiert er den Ausdruck ‚Umformung‘ mit Bezug auf zwei Ausdrücke A und B, die Subjekte, Prädikate, Antezedenz und Konsequenz enthalten können (implizit auch Quantoren, da er diese im folgenden Text beständig benutzt). Jede der beiden Aussagen hat eine Bedeutung M(A) bzw. M(B). Umformung hat jetzt damit zu tun, dass einzelne dieser logischen Rollen (Q, S, P, …) ‚ausgetauscht‘ werden, ohne dass dadurch die ‚Bedeutung‘ verändert wird.

3. [Anmerkung: Hier gibt es folgende Unklarheiten: (i) Sollen die Bedeutungen M(A) und M(B) von vornherein ‚gleich‘ sein, und zwar so, dass sie nach dem Austausch unverändert sind? oder (ii) sind die Bedeutungen M(A) und M(B) von vornherein ungleich, sollen aber, jede für sich, auch nach der Umformung gleich sein? In beiden Fällen – so interpretiere ich seine Aussage von Avicenna, gibt es eine Bedeutung vor der Umformung – eine gemeinsame oder eine individuelle –, die nach der Umformung ‚gleich‘ geblieben ist. Schreiben wir für die Umformung als $latex \vdash$, dann würde bedeuten ‚$latex A \vdash B$‘ A wird nach B umgeformt, so dass die Bedeutung von A und B – gemeinsam oder individuell – erhalten bleibt. Es stellt sich hier wieder das Problem – wie im gesamten vorausgehenden Text –, dass der Begriff ‚Bedeutung‘ bei Avicenna nicht scharf definiert ist. Er kann alles und nichts bedeuten. Die ‚Gleichheit‘ von zwei Bedeutungen M_vorher und M_nachher ist also ein ‚offener Begriff‘.]

4. In dem folgenden Text präsentiert Avicenna einerseits einige Beispiele von Umformungen ohne genauere Begründungen, in einem Fall präsentiert er aber das Beispiel einer ausführlicheren Begründung, die wie eine Folgerungstext (wie ein logischer Beweis) aussieht. Beginnen wir mit den Beispielen ohne Begründung.

5. Mögliche Konversion: Von ‚Kein Mensch ist unsterblich‘ ($latex \neg\exists (Mensch)(ist)(unsterblich)$) kann man bedeutungserhaltend umformen in ‚Kein Unsterblicher ist ein Mensch‘ ($latex (\neg\exists (Unsterblicher)(ist)(Mensch)$).

6. Avicenna stellt die Regel auf: Von einer affirmativen All-Aussage kann ich nicht zu einer anderen affirmativen All-Aussage konvertieren.

7. Beispiel: Von ‚Jeder Mensch ist ein Lebewesen‘ kann ich nicht umformen zu ‚Jedes Lebewesen ist ein Mensch‘ (mehr formalisiert: ($latex \forall (Mensch)(ist)(Lebwesen)$) kann nicht umgeformt werden zu ($latex \forall (Lebewesen)(ist)(Mensch)$).

8. Avicenna stellt die Regel auf: Die Umformung einer affirmativen All-Aussage ist eine affirmative Partikular-Aussage.

9. Beispiel: Die Aussage ‚Alle F sind B‘ kann umgeformt werden zu ‚Einige B sind F‘ (Formalisierter: Den Ausdruck $latex \forall (F)(sind)(B)$) kann man umformen zu ($latex \exists(B)(ist)(F)$))

10. Avicenna stellt die Regel auf: Eine affirmative Partikular-Aussage kann umgeformt werden in eine affirmative Partikular-Aussage.

11. Beispiel: Der Ausdruck ‚Einige F sind B‘ kann umgeformt werden zu ‚Einige B sind F‘ (Formalisierter: ($latex \exists (F)(sind)(B)$) $latex \vdash$ ($latex \exists (B)(sind)(F)$)).

12. Avicenna stellt die Regel auf: Eine negative Partikular-Aussage kann nicht konvertiert werden.

13. Beispiel: Die Aussage ‚Kein Lebewesen ist ein Mensch‘ kann nicht konvertiert werden zu ‚Kein Mensch ist ein Lebewesen‘. (mehr formalisiert: ($latex \neg\exists (Lebewesen)(ist)(Mensch)$) $latex \not\vdash$ ($latex \neg\exists (Mensch)(ist)(Lebewesen)$))

14. [Anmerkung: Hier gibt es einigen Diskussionsbedarf. Bevor die Diskussion eröffnet wird, hier aber noch das Konvertierungsbeispiel, das wie ein Folgerungstext aussieht.]

15. Ausgangspunkt ist die Regel: Eine negative All-Aussage kann in eine negative All-Aussage konvertiert werden mit dem Beispiel: Von ($latex \neg\exists (Mensch)(ist)(Unsterblicher)$) $latex \vdash$ ($latex \neg\exists (Unsterblicher)(ist)(Mensch)$).

16. Avicenna nennt die nun folgende ‚Folge von Aussagen‘ explizit einen ‚Beweis‘ (engl.: ‚proof‘).

17. Wenn es ‚wahr‘ ist, dass gilt (Kein F ist B), dann ist es auch wahr, dass (Kein B ist F). Andernfalls [wäre der Wenn-Dann-Zusammenhang nicht wahr] würde der Widerspruch (engl.: ‚contradictory‘) folgen (Einige B sind F).

18. [Anmerkung: Zur Erinnerung, die Negation einer Implikation (Wenn A dann B) ist nur wahr, wenn A wahr wäre und zugleich B falsch, also ’nicht B‘, d.h. ’nicht(Kein B ist F)‘ d.h. (einige B sind F). Insofern bildet die Aussage (Einige B sind F) einen logischen Widerspruch zu (Kein B ist F). ]

19. Der Beweis beginnt damit, dass Avicenna eine Abkürzung einführt: Er definiert ‚H := ‚Einige B‘. [ein sehr gefährliches Unterfangen…]

20. Dann folgert er ‚H ist gleichbedeutend mit F‘

21. Er folgert weiter: ‚H ist sowohl F als auch B [Damit unterschlägt er, dass H eigentlich nur ‚einige‘ B meinen sollte]

22. Er folgert weiter: Dann gibt es ein F, das auch B ist ($latex \exists (F)(ist)(B)$

23. Er folgert weiter: Nehme ich die Aussage (Einige B sind F) als wahr an, dann komme ich zu der Aussage (Einige F sind B); dies steht aber im Widerspruch zu der Ausgangsbehauptung, das ‚Kein F ist B‘.

24. Er folgert weiter: Deshalb ist es nicht möglich, von der Ausgangsbehauptung ‚Wenn es ‚wahr‘ ist, dass gilt (Kein F ist B), dann ist es auch wahr, dass (Kein B ist F)‘ auf den Widerspruch ‚Einige F sind B‘ zu schließen.

25. Avicenna folgert weiter: Von daher, wenn es gilt, dass ‚Kein F ist B‘, dann gilt auch die Konvertierung ‚Kein B ist F‘.

DISKUSSION

KONVERTIERBARKEIT DER FORMEN (Q (A B)) zu (Q (B A)) – BEDEUTUNGSABHÄNGIG

26. In den Beispielen, die Avicenna präsentiert, gibt es zwei Beispiele, die verwirrend sind. Im einen Fall will er über ’negative All-Aussagen‘ ($latex \neg\forall$) sprechen und im anderen Fall über ’negative Partikular-Aussagen‘ ($latex \neg\exists$). Das Beispiel für negative All-Aussagen lautet ‚Kein Mensch ist unsterblich‘. Der Quantor ‚kein‘ ist aber definiert als ’nicht einige‘ bzw. ‚$latex \neg\exists$‘. Dies aber ist gleichbedeutend mit einer negativen Partikular-Aussage. Später präsentiert er als Beispiel für negative Partikular-Aussagen den Ausdruck ‚Kein Lebewesen ist ein Mensch‘ ($latex \neg\exists (Lebewesen)(ist)(Mensch)$).

27. Damit haben wir es mit folgenden Widersprüchlichkeiten zu tun: (i) Avicenna interpretiert seinen Begriff der negativen Allaussagen mit einem Beispiel, das eine negative Partikular-Aussage repräsentiert; (ii) Mit einem Beispiel, das eine negative Partikular-Aussage repräsentiert, argumentiert er, dass man bedeutungserhaltend negative All-Aussagen konvertieren kann; (iii) Mit einem anderen Beispiel einer negativen Partikularaussage argumentiert er, man könne dieses nicht konvertieren.

28. Da das Beispiel zu (ii) zeigt, dass man sehr wohl eine negative Partikular-Aussage konvertieren kann, fragt man sich, warum es in einem anderen Fall nicht gehen soll. Dazu kommt, dass das konkrete Beispiel, das Avicenna präsentiert, aus sich heraus fragwürdig erscheint: ‚Kein Lebewesen ist ein Mensch‘ soll nicht konvertierbar sein zu ‚Kein Mensch ist ein Lebewesen‘. (mehr formalisiert: ($latex \neg\exists (Lebewesen)(ist)(Mensch)$) $latex \not\vdash$ ($latex \neg\exists (Mensch)(ist)(Lebewesen)$))

29. Bekannt ist – zumindest bezogen auf diese Begriffe –, dass sehr wohl einige Lebewesen Menschen sind, also eher gilt $latex \neg\neg\exists (Lebewesen)(ist)(Mensch)$, d.h. $latex \exists (Lebewesen)(ist)(Mensch)$. Von einer Aussage wie $latex \neg\exists (Mensch)(ist)\neg(Lebewesen)$) könnte man allerdings nicht konvertieren zu $latex \neg\exists (Lebewesen)(ist)\neg(Mensch)$).

30. Trotzdem gibt es eine mögliche Konvertierung von ($latex \neg\exists (Mensch)(ist)(Unsterblich)$)) zu ($latex \neg\exists (Unsterblich)(ist)(Mensch)$)).

31. Diese Beispiele legen die Vermutung nahe, dass die bisherigen ‚Konvertierungsregeln‘ von Avicenna nicht unabhängig sind von der jeweils unterstellten Bedeutung der beteiligten Subjekte und Prädikate.

32. Bezogen auf die Struktur (Q (A B)) $latex \vdash (Q (B A))$ hängt die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Konvertierung in den Beispielen davon ab, wie sich die Bedeutungen von A und B, also M(A) und M(B), zueinander verhalten.

33. Zwei Hauptfälle kann man unterscheiden: (i) die Bedeutung von beiden Ausdrücken ist ‚gleich‘, d.h. M(A) = M(B), oder (ii) die Bedeutungen sind ungleich in dem Sinne, dass zwar alle Elemente, die zu M(B) gehören auch in M(A) sind, aber nicht umgekehrt, also $latex M(B) \subseteq M(A)$.

34. Wenn wir Fall (i) M(A) = M(B) unterstellen können, dann kann man von $latex \forall A sind B$ auf $latex \forall B sind A$ schließen, oder $latex \exists A sind B$ und umgekehrt. Die Aussage $latex \neg\forall A sind B$ wäre formal zwar möglich, wäre aber ’semantisch‘ (aufgrund der angenommenen Bedeutung) aber nicht möglich. Genau sowenig wie $latex \neg\exists A sind B$ semantisch möglich wäre, wohl aber syntaktisch.

35. Unterstellen wir hingegen den Fall (ii) $latex M(B) \subseteq M(A)$, dann würde die Konvertierung von $latex \forall A sind B$ auf $latex \forall B sind A$ nicht gelten. Entsprechend kann man die wahre Aussage $latex \forall B sind A$ nicht konvertieren zu $latex \forall A sind B$. Die Konvertierung $latex \exists A sind B$ würde gehen wie auch umgekehrt. Die Aussage $latex \neg\forall A sind B$ ist wahr, die Konvertierung zu $latex \neg\forall B sind A$ wäre falsch. Usw.

36. Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Konvertierbarkeit von Ausdrücken der Form (Q (A B)) zu (Q (B A)) eindeutig von der angenommenen Bedeutungsstruktur abhängig ist (zumindest in dem Kontext, den Avicenna diskutiert). Betrachten wir seine anderen Konvertierungsregeln.

37. (i) Von einer affirmativen All-Aussage kann ich nicht zu einer anderen affirmativen All-Aussage konvertieren.

38. (ii) Die Umformung einer affirmativen All-Aussage ist eine affirmative Partikular-Aussage.

39. (iii) Eine affirmative Partikular-Aussage kann umgeformt werden in eine affirmative Partikular-Aussage.

40. (iv) Eine negative Partikular-Aussage kann nicht konvertiert werden.

41. Zu (i): Nehmen wir an, dass gilt ($latex M(A) = M(B)$), dann trifft diese Regel zu. Nehmen wir aber an, dass gilt ($latex M(B) \subseteq M(A)$), dann gilt diese Regel nicht.

42. Zu (ii) und (iii): Nehmen wir an, dass gilt ($latex M(A) = M(B)$), dann trifft diese Regel zu. Nehmen wir aber an, dass gilt ($latex M(B) \subseteq M(A)$), dann gilt diese Regel auch.

43. Zu (iv): Dieser Fall ist von der Form her (rein syntaktisch) möglich, von der Bedeutung her (rein semantisch) aber ausgeschlossen.

44. Bei allen bisherigen Konvertierungsbeispiele von Avicenna ist zu beachten, dass sich die Bedeutung des Subjekts S und des Prädikats P in einer Aussage (S P) in der Art $latex M(A) = M(B)$ oder $latex M(B) \subseteq M(A)$ beschreiben lässt. Dies setzt voraus, dass sich ein Prädikat P auch als eine Menge von Objekten auffassen lässt, denen eine bestimmte Eigenschaft E zukommt, also etwa P := ‚eine Menge von Elementen, die die Eigenschaft P haben‘. Zu sagen ‚S ist P‘ würde dann sagen, dass die Elemente die S sind auch die Elemente sind, die P sind.

45. Man muss hier die Frage stellen, ob Prädikate immer diese Form haben.

KONVERTIERUNG OHNE BEDEUTUNG?

46. Macht man die Konvertierbarkeit von Ausdrücken der Form (Q (A B)) und (Q (B A)) von der Bedeutung M der Ausdrücke A und B abhängig, dann hängt die Formulierung der Konvertierungsregeln ab von einer brauchbaren Definition des zugrundeliegenden Bedeutungsraumes samt seiner Interaktion mit den Ausdrucksformen. Im weiteren Verlauf soll dies explizit untersucht werden. Es stellt sich aber auch die Frage, ob man Konvertierungsregeln nicht auch ohne Rückgriff auf die Bedeutung der Teilausdrücke formulieren kann.

47. Hat man nur die Ausdrücke (Q (S P)) mit der Verallgemeinerung, dass S und P ‚gleichwertig‘ sein können im Sinne von (Q (A B)) $latex \vdash$ (Q (B A)), dann stellt sich die Frage welche Kriterien man hätte, gäbe es keinen Bedeutungsbezug?

48. Man muss feststellen, dass ohne irgendeinen Bedeutungsbezug die Ausdrücke als solche keinerlei Ansatzpunkt bieten, eine Konvertierung zuzulassen oder sie zu verbieten.

49. Wenn aber Konvertierungsregeln ohne Bedeutung keinen Sinn machen, dann muss man sich fragen, welche Bedeutungsstrukturen man benötigt, dass man solche Konvertierungsregeln sinnvoll einführen kann.

KONVERTIERUNG MIT BEDEUTUNG – MIT WELCHER?

50. Wenn es also ohne Bezug auf eine Bedeutung nicht geht, stellt sich die Frage, wie eine solche Bedeutungsstruktur aussehen muss, damit solche – oder auch andere – Konvertierungsregeln formuliert werden können.

51. Die weitere Diskussion wird in einem neuen Blogeintrag fortgeführt werden.

Fortsetzung folgt

QUELLEN

  • Avicenna, ‚Avicennas Treatise on Logic‘. Part One of ‚Danesh-Name Alai‘ (A Concise Philosophical Encyclopedia) and Autobiography, edited and translated by Farang Zabeeh, The Hague (Netherlands): Martinus Nijhoff, 1971. Diese Übersetzung basiert auf dem Buch ‚Treatise of Logic‘, veröffentlicht von der Gesellschaft für Nationale Monumente, Serie12, Teheran, 1952, herausgegeben von M.Moien. Diese Ausgabe wiederum geht zurück auf eine frühere Ausgabe, herausgegeben von Khurasani.
  • Digital Averroes Research Environment
  • Nicholas Rescher (1928 – ),The Development of Arabic Logic. University of Pittsburgh Press, 1964
  • Stanford Encyclopedia of Philosophy, Aristotle’s Logic
  • Whitehead, Alfred North, and Bertrand Russell, Principia Mathematica, 3 vols, Cambridge University Press, 1910, 1912, and 1913; Second edition, 1925 (Vol. 1), 1927 (Vols 2, 3). Abridged as Principia Mathematica to *56, Cambridge University Press, 1962.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume One. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-182-3.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume Two. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-183-0.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume Three. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-184-7

Eine Übersicht über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 11

Bildskizzen zu Avicennas Diskussion der Aussagetypen Disjunktive und Konjuntive Konditionale
Bildskizzen zu Avicennas Diskussion der Aussagetypen Disjunktive und Konjuntive Konditionale

VORGESCHICHTE

Für einen Überblick zu allen vorausgehenden Beiträgen dieser rekonstruierenden Lektüre von Avicennas Beitrag zur Logik siehe AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – BLITZÜBERSICHT.

Aufgrund des großen Umfangs enthält dieser Blogeintrag zu Avicennas Logik – im Gegensatz zu den vorausgehenden Blogeinträgen 1-9 – nur den Diskussionsteil von Blogeintrag 10. In Blogeintrag 10 wurde weiter die Position Avicennas beschrieben. Ziel der Lektüre ist die Rekonstruktion einer möglichen Theorie der Alltagslogik, wie sie dann in künstlichen lernenden Systemen eingesetzt werden soll (hier trifft die Philosophie direkt auf die Ingenieurskunst ….; man nennt dies ‚Informatik‘).

DISKUSSION

26. Wie schon mehrfach bemerkt, erscheint die Verwendungsweise der meisten Begriffe in Avicennas Abhandlung über die Logik ‚fließen‘ oder – mit einem Begriff aus der modernen Logik – ‚fuzzy‘.

27. Dies hat damit zu tun, dass Avicenna für die Verwendung seiner Begriffe keine klaren Kriterien benutzt. Typisches Beispiel ist sein Begriff der ‚Harmonie‘, den er für die Klassifikation von Antezedenz – Konsequenz Verhältnisse benutzt. Klar ist, dass er für diesen Begriff auf die Bedeutungsdimension zurückgreift; unklar ist, wie genau er dies versteht, da das, was er praktisch überall als ‚Bedeutung unterstellt‘, nirgendwo präzisiert wird. Will man diesen Nachteil beheben, muss man einen Weg finden, die Kriterien zu klären. Ein erprobtes Mittel dafür ist, alle die Umstände explizit zu machen, zu benennen, die man als für ein Kriterium ‚relevant‘ erachtet. Dies ist in der modernen Wissenschaft eine Mischung aus kontrollierten Beobachtungen und theoretischen Annahmen. Und da keine Beobachtung einen ‚Sinn‘ ergibt ohne Bezug zu vorausgesetzten Beziehungen/ Relationen/ Strukturen/ Modellen beginnt jede Klärung eines vagen Zusammenhangs mit ersten ‚theoretischen Annahmen‘ darüber, welche Zusammenhänge man für wichtig hält, mit denen man bekannte – oder noch zu messende – Phänomene ‚erklären‘ möchte.

28. Beginnen wir mit den letzten Annahmen von Avicenna.

AUSSAGEN – AUSSAGESTRUKTUREN

29. Ausgangspunkt sind solche Ausdrücke E, die ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ sein können; er nennt sie ‚Aussagen‘ [PROP]: $latex PROP \subseteq E$.
30. Aus logischer Sicht hat Avicenna bislang vier funktionale Rollen innerhalb einer Aussage unterschieden: ‚Subjekt‘, ‚Prädikat‘, ‚Aussageoperatoren‘ sowie ‚Quantoren‘.
31. Minimal benötigen wir ‚Subjekt‘ S und ‚Prädikat‘ P, so dass man im Prädikat P etwas über das Subjekt S aussagen kann: $latex (S P)$
32. Zusätzlich gibt es die Rolle der logischen ‚Aussage-Operatoren‘ ‚Negation‘ $latex \neg$, ‚Exklusive Disjunktion‘ (auch ‚Kontravalenz‘ oder ‚X-OR‘) $latex \sqcup$, und ‚Quantoren‘ Q. Hier unterscheidet er Quantoren über die ‚Anzahl‘ $latex Q_{q}$, und Quantoren über die ‚Zeit‘ $latex Q_{t}$. Man solle gleich noch die Quantoren über den ‚Raum‘ $latex Q_{s}$ ergänzen; diese erwähnt er nicht explizit, aber im Bereich des Bedeutungsraumes spielt die Dimension des Raumes eine wichtige Rolle und begegnet uns in sehr vielen Aussagen.
33. Bei der Verwendung von Quantoren bezieht man sich immer auf eine Gesamtheit. Im Falle von Zeit-Quantoren $latex Q_{t}$ sind dies Zeitpunkte angeordnet auf einem Zeitstrahl. Im Falle von Anzahl-Quantoren $latex Q_{q}$ bezieht man sich auf die Objekte, zu denen das Subjekt einer Aussage in einer Beziehung steht; im Falle von Raum-Quantoren $latex Q_{s}$ bezieht man sich auf zu definierende ‚Raumstellen‘.
34. Unter der Voraussetzung, dass eine Aussage A = (S P) ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ sein kann, kann man sagen, dass $latex \neg A$ ‚wahr‘ ist, wenn ‚A‘ alleine ‚falsch‘ ist, d.h. wenn die Aussage A= (S P) nicht zutrifft; d.h. $latex (S \neg P)$ trifft zu.
35. Die Aussage ‚Entweder A oder B‘ $latex (A \sqcup B)$ ist ‚wahr‘, wenn entweder A wahr und B falsch ist oder B wahr und A falsch. Die Verneinung von $latex \neg(A \sqcup B)$ ist wahr, wenn entweder A und B zusammen wahr oder zusammen falsch sind.
36. Die Aussage ‚Wenn A dann B‘ $latex (A \rightarrow B)$ ist nur dann falsch, wenn A zutrifft und zugleich B falsch ist. In allen anderen Fällen ist die Implikation wahr. Die Verneinung $latex \neg(A \rightarrow B)$ wäre dementsprechend wahr, wenn A wahr wäre und B nicht; in allen anderen Fällen falsch
37. Es sei angemerkt, dass die Implikation $latex (A \rightarrow B)$ äquivalent ist zu $latex \neg(A \wedge \neg B)$, wobei das Zeichen ‚$latex \wedge$‘ den aussagenlogischen Operator ‚Konjunktion‘ (‚und‘) repräsentiert. $latex (A \wedge B$ sind nur wahr, wenn A und B zugleich wahr sind, sonst falsch.
38. Quantoren werden Aussagen vorangestellt, also (Q A) bzw. (Q (S P)).
39. Anzahl-Quantoren $latex Q_{q}$ wären ‚alle‘ und verneint $latex \neg Q_{q}$ ’nicht alle‘, definiert durch ‚einige := nicht alle‘.
40. Zeit-Quantoren $latex Q_{t}$ wären ‚immer‘ und verneint $latex \neg Q_{t}$ ’nicht immer‘, definiert durch ‚manchmal := nicht immer‘.
41. Raum-Quantoren $latex Q_{s}$ wären ‚überall‘ und verneint $latex \neg Q_{s}$ ’nicht überall‘, definiert durch ‚einige := nicht überall‘.
42. Als Schreibweisen hat sich herausgebildet, im Falle von ‚alle’/ ‚immer’/ ‚überall‘ von ‚All-Quantoren‘ zu sprechen und zu schreiben $latex \forall(x)$. Das ‚x‘ steht dann für die Art von Objekten, über deren Gesamtheit quantifiziert wird. Im Fall von ‚einige’/ ‚manchmal“ spricht man von ‚Partikularquantoren‘ (missverständlich auch ‚Existenzquantoren‘) und schreibt $latex \exists(x)$. Das ‚x‘ steht wieder für die Art von Objekten, über deren Gesamtheit quantifiziert wird.
43. Im Falle von Partikularquantoren von ‚Existenzquantoren‘ zu sprechen ist leicht irreführend, da ein Existenzquantor $latex \exists(x)$ keine Aussage über die reale Existenz in der umgebenden Welt W trifft, sondern nur angibt, über wie wieviele Objekte x einer Art gesprochen werden soll.
44. Beispiel: ‚Manchmal ist der Himmel grau‘ $latex \exists(t)(der Himmel)(t)(ist grau)$. Es gibt einige Zeitpunkte t (aus der Gesamtheit der geordneten Zeitpunkte T), an denen vom Himmel gesagt werden kann, dass er grau ist.
45. Beispiel: ‚Überall scheint die Sonne‘ $latex \forall(s)(die Sonne)(scheint)$. An allen Raumpunkten s (aus der Gesamtheit der Raumpunkte S), kann von der Sonne gesagt werden kann, dass sie scheint.
46. Beispiel: ‚Alle Menschen sind sterblich‘ $latex \forall(x)(Menschen)(sind sterblich)$. Für alle Objekte aus der Gesamtheit der Menschen kann gesagt werden, dass sie sterblich sind.
47. Beispiel: ‚Nicht alle Menschen sind sterblich‘ $latex \neg\forall(x)(Menschen)(sind sterblich)$ wird übersetzt $latex \exists(x)(Menschen)(sind nicht sterblich)$, $latex \exists(x)(S)(\neg P)$, d.h. für einige Objekte aus der Gesamtheit der Menschen kann gesagt werden, dass sie nicht sterblich sind.

WAHRHEITSBEDINGUNGEN – BEDEUTUNGSRAUM

48. Mit der Einführung der Begriffe ‚Aussage‘, ‚Subjekt‘, ‚Prädikat‘, ‚Aussage-Operator‘, ‚Quantor‘ wurden Strukturelemente von Ausdrücken beschrieben. Allerdings wurde bei der ‚Charakterisierung‘ der unterschiedlichen logischen Rollen immer schon – mehr oder weniger explizit – Bezug genommen auf einen unterstellten ‚Bedeutungsraum‘ M.
49. Der wichtige Punkt hier ist, dass man den Unterschied zwischen dem Bedeutungsraum M und den Eigenschaften X der umgebenden Welt W beachtet.
50. Wie schon zuvor herausgestellt, ist der Bedeutungsraum M, auf den sich die Aussagen mit ihren Strukturen primär beziehen, zu einem gewissen Teil eine Konstruktion über bestimmten Ereignissen X in der umgebenden Welt W.
51. Dieser Unterschied ist die Voraussetzung für Begriffe wie z.B. ‚Existenz‘, ‚wahr’/ ‚falsch‘ und ‚möglich‘.
52. Denn mittels einer Aussage A bestimmte Bedeutungselemente $latex m \subseteq M$ zu benennen, zu aktivieren, ist zwar eine Grundvoraussetzung dafür, dass ein Ausdruck e als Aussage A überhaupt eine ‚Bedeutung‘ hat, diese Bedeutungselemente m sind als solche aber weder ‚wahr‘ noch ‚falsch‘; ihre ‚Existenz‘ ist unklar; ob sie ‚real‘ oder ‚möglich‘ sind folgt aus der primären Bedeutung nicht.
53. Erst wenn man davon ausgeht, dass es innerhalb des Bedeutungsraumes M solche Bedeutungselemente m* gibt, die sich von anderen Bedeutungselementen m0 dadurch unterscheiden, dass ihnen ein ‚Aktualitätsbezug‘ zu aktuellen Wahrnehmungen zusprechen kann, nur dann kann es ein Kriterium geben, wodurch eine Aussage A ’nur‘ eine ‚wahrheitsneutrale‘ Bedeutung m0 hat oder eben durch die ‚Aktualitätseigenschaft‘ m* als ‚zutreffend in der umgebenden Welt M‘ charakterisiert werden kann. An dieser Eigenschaft des ‚aktuell Zutreffens‘ in der umgebenden Welt W lassen sich die Begriffe ‚wahr‘ und ‚falsch‘ ‚anhängen‘: gibt es eine Bedeutung m0, die eine hinreichende Ähnlichkeit mit einer Bedeutung m* hat, dann kann man von der Aussage, die die Bedeutung m0 bezeichnet, sagen, dass sie ‚zutrifft‘ und damit ‚wahr‘ ist; gibt es zu einer aktuell bezeichneten Bedeutung m0 einer Aussage A keine hinreichend ähnliche Bedeutung m*, dann trifft die Bedeutung m0 der Aussage A nicht zu, d.h. sie ist falsch.
54. Sofern wir über ‚Erinnerungen‘ an Bedeutungen m(m*) verfügen, die zu ‚vorausgehenden Zeitpunkten‘ einmal ‚wahr‘ waren, kann dieses Wissen m(m*) dazu benutzt werden, um eine ‚Erwartung‘ über die umgebenden Welt W aufzubauen, dass der Sachverhalt m(m*) sich als aktuelle Wahrnehmung m* ‚reproduzieren‘ lässt; dafür, dass dem so ist, gibt es keine ‚Garantie‘; selbst die sogenannten ‚Naturgesetze‘ sind keine 100%ige Garantie dafür, dass eine erinnerbare Eigenschaft m(m*) aufgrund ihres ‚früheren‘ Auftretens als m* nochmals als m* auftreten wird.

MÖGLICH

55. Ich würde den Begriff der Möglichkeit auch an dieser Differenz aufhängen: einerseits ‚aktuell wahrgenommene‘ Bedeutungselemente m* bzw. ‚erinnert als schon mal aktuell wahrgenommen‘ m(m*)‘ und andererseits nur ‚gedacht’/ ‚vorstellbar‘ als m0 ohne Entsprechung zu einem m* bzw m(m*). Eine ‚Differenz‘ zwischen allgemein vorstellbar/ denkbar und aktuell wahrnehmbar bzw. erinnert als aktuell mal wahrgenommen ist generell ein Hinweis auf Möglichkeit. Wie ‚wahrscheinlich‘ solche möglichen Bedeutungselemente m0 mal als m* reproduziert werden können, ist allgemein kaum anzugeben. Basierend auf dem bislang verfügbaren erinnerbaren Wissen M(M*) insgesamt kann man zwar gewisse ‚Erwartungen‘ konstruieren; dies können aber – wie wir aus der Geschichte wissen – unzuverlässig sein, da sie auf falschen Annahmen bzw. Interpretationen beruhen können (‚Sonne bewegt sich um die Erde‘ oder ‚Erde bewegt sich um die Sonne‘).

WELT ALS FIKTION

56. Aus der bisherigen Rekonstruktion folgt, dass der Begriff der ‚umgebenden Welt W‘ streng genommen eine ‚Fiktion‘ ist. Was es gibt, sind Erregungszustände m* im Gehirn, die es zum überwiegenden Teil nicht selbst verursacht; sie werden in die Erregungsmenge des Gehirns ‚induziert‘. Verglichen damit sind die anderen (bewussten) Erregungszustände m0 ‚von innen‘ (endogen) erzeugt. Unser Gehirn nimmt diese nicht-selbst induzierten (bewussten) Erregungszustände m* als ‚etwas von ihm Verschiedenes‘, an dem sich viele ‚Eigenschaften‘ unterscheiden lassen, u.a. auch eine implizite Raumstruktur. Der Begriff der ‚Welt‘ ist in diesen nicht-selbst induzierten Erregungszuständen m* fest gemacht. Als m* sind diese Erregungszustände ‚unmittelbar‘, ‚direkt‘, so, als ob wir die ‚Welt‘ ‚direkt‘ erleben würden. Wie wir aber heute wissen (können), sind diese direkt erlebbaren Erregungszustände m* das ‚Produkt‘ eines komplizierten Übersetzungsmechanismus, den wir sinnliche Wahrnehmung perc() nennen. Im Prozess der sinnlichen Wahrnehmung perc() werden einige der Weltereignisse X in sinnliche Zustände $latex m_{p}$ abbgebildet: $latex perc: X \longrightarrow M_{p}$. Zusätzlich wissen wir heute, dass die schon verfügbaren Bedeutungselemente M auf diesen Wahrnehmungsprozess Einfluss nehmen können (Stichwort ‚Erwartungen‘, ‚Vorurteile‘ , …): $latex perc: X \times M \longrightarrow M_{p}$.
57. Dabei sind es normalerweise nicht die sinnlichen Erregungszustände $latex M_{p}$, die wir wahrnehmen, sondern die Objekte der nächsten Verarbeitungsstufe, die aus den sinnlichen Elementen als Objektelemente heraus abstrahiert werden: $latex \alpha: M_{p} \times M \longrightarrow M_{o}$. Auch hier wirken sich die schon vorhandenen Bedeutungselemente M auf den Abstraktionsprozess aus. Statt $latex M_{o}$ wird hier auch verkürzend oft nur von den ‚Objekten‘ O gesprochen, da Objekte immer nur als Elemente des Bedeutungsraumes M vorkommen.
58. Die zuvor erwähnten aktuellen Wahrnehmungen m* sind eine Teilmenge der Objektelementen $latex M_{o}$, also $latex m* \subseteq M_{o}$. Die Objektelemente ohne die aktuellen Wahrnehmungen m* gehören zu den ‚denkbaren‘ Objektelementen, also $latex (M_{o} – m*) \subseteq M0$. Dies ist möglich, weil im Gehirn ja nicht ‚reale‘ Objekte mit ‚gedachten‘ Objekten verglichen werden, sondern die ‚realen‘ Objekte treten im Gehirn schon als ‚gezähmte‘ Objekte auf, d.h. was immer an Eigenschaften X in der realen Welt W zur Konstruktion der aktuellen Wahrnehmungen m* geführt hat, m* selbst ist ein Konstrukt wie m0 auch. Deswegen lassen sich beide ‚vergleichen‘ und mit den Mitteln des ‚Denkens‘ ‚bearbeiten‘.

ERGEBNISSE

59. An dieser Stelle könnte man jetzt eine eigene große Abhandlung zur Alltagslogik schreiben. Um den Gang der weiteren Untersuchung von Avicennas Abhandlung damit aber nicht vollständig zu sprengen, beende ich hier die rekonstruierenden Überlegungen und wende mich wieder der Lektüre des Textes zu. Wie man sieht, kann solch eine Lektüre extrem anregend sein.

AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 2

VORGESCHICHTE

1. In einem vorausgehenden Beitrag AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 1 hatte ich geschildert, wie ich zur Lektüre des Textes von Avicenna gekommen bin und wie der Text grob einzuordnen ist. In diesem Teil beginnt nun die kommentierende Lektüre des Hauptteils.

DANK AN GOTT, MOHAMMED und den HERRSCHER

2. Der Text beginnt mit einem Dank an Gott, an den Propheten Mohammed und an seinen Herrschern dafür, dass er über all die Voraussetzungen verfügt, die notwendig sind, überhaupt solch einen Text schreiben zu können. Dazu gehört auch das Bewusstsein, letztlich kein Experte zu sein, der alles weiß, sondern eher ein Suchender, der versucht, nach bestem Wissen und Gewissen zu verstehen, was es zu verstehen gibt.

3. Und bevor nun Avicenna mit der eigentlichen Logik beginnt, spendiert er ein paar Gedanken zur Frage, warum Logik überhaupt wichtig ist.

WARUM LOGIK?

4. Fluchtpunkt aller konkreten Denktätigkeiten ist für ihn die Wissenschaft (’science‘), die versucht, die Eigenart der Dinge, ihre Zusammenhänge, so zu klären, dass der einzelne Mensch darin genügend Klarheit findet, seinen Weg als Mensch gehen zu können.

5. Wissenschaft hat auf jeden Fall damit zu tun, das aktuelle Wissen zu vermehren, indem das, was aktuell noch nicht gewusst wird, in Wissen umgewandelt werden soll.

6. Avicenna unterscheidet verschiedene Arten von Wissen: (i) Wissen, das durch die Sinne zu uns kommt (perzeptiv, apprehensiv, intuitiv1), Wissen, das uns intuitiv2 durch das ‚erste Prinzip‘ gegeben wird, (iii) Wissen, das wir uns durch ‚Urteile‘ erschließen, und (iv) Wissen, das wir von anderen (Autoritäten, von dem Propheten, von Weisen, über ‚allgemeine Meinungen‘, …) übernehmen.

7. Interessant ist auch das Detail, dass er aufmerksam macht auf den Zusammenhang von sinnlicher (intuiv1) Erfahrung und Worten. So habe für uns das Wort ‚Mensch‘ solange keine Bedeutung, solange wir die Verwendung des Wortes im Kontext nicht kennengelernt haben.

8. Der Weg zum Wissen ist ein langer Prozess, durch den man mehr und mehr Details und Zusammenhänge erkennen kann, die schließlich einen Menschen dazu befähigen können, alle die wichtigen Zusammenhänge hinreichend erkennen zu können, die er für sein Leben als Mensch benötigt.

9. Und insofern die Logik jener Teil der Wissenschaft ist, der sich mit der Kunst des ‚richtigen‘ Urteilens beschäftigt, ist die Logik eine unverzichtbare Voraussetzung für die Wissenschaft. Ohne eine klare Kenntnis der Logik bleibt unklar, ob das wissenschaftliche Denken zurecht einen bestimmten Zusammenhang behauptet oder nicht.

DISKUSSION

10. Obwohl Avicenna die Wissenschaft in einer sehr prominenten Rolle für das Leben der Menschen sieht, lässt er die Erklärung dessen, was Wissenschaft ist, an dieser Stelle weitgehend im Dunklen; sein Beispiel mit der Erkenntnis der reinen Form der Seele und derjenigen Neigungen, die davon wegführen, gehört eigentlich eher in die Bereiche Metaphysik und Ethik.

11. Trotz seiner Unterteilung des Wissens in verschiedene Arten bleibt manches an dieser Stelle unklar.

12. So nimmt er sinnliches Wissen an, das durch die Sinnesorgane uns zugänglich wird.

13. Nehmen wir einmal an, dass das, was Avicenna ‚Wissen‘ [KNOW, K] nennt, ‚im‘ Menschen ist, und nennen wir alles ‚um den Menschen herum‘ einmal ‚Welt‘ [WORLD, W], dann könnte man sagen, dass das sinnliche perzeptive Wissen eine Abbildung von bestimmten Eigenschaften der Welt in das Wissen K ist ($latex perc: W \longrightarrow K$). Und da das sinnliche Wissen sich offenbar von anderen Wissensarten unterscheiden lässt, nennen wir das sinnliche Wissen $latex K_{s}$, also $latex perc: W \longrightarrow K_{s}$, oder $latex perc(W) = K_{s}$ und $latex K_{s} \subseteq K $.

14. Nun weist Avicenna aber auch ausdrücklich darauf hin, dass es ’sprachlich vermitteltes Wissen‘ in der Form gibt, dass Gruppen von sinnlichen Eindrücken ($latex k \subseteq K_{s}$) mit ‚Worten‘ [EXPRESSIONS, E] ($latex E \subseteq K_{s}$) verknüpft werden können $latex M(K_{s},K_{s})$ (mit M für Meaning), dass diese Verknüpfungen einzeln gelernt werden müssen (sie sind also ‚arbiträr‘, ‚konventionell‘), und dass damit ein intuives1 Wissen entsteht, auf das sich dann das ‚Urteilen‘ beziehen kann.

15. Offensichtlich ist ein solches ’sprachliches Wissen‘ eine ‚komplexere‘ Art von Wissen, da hier nicht einfach nur Muster von sinnlichen Eindrücken als ‚Wissensgegenstände‘ genommen werden, sondern jeweils ‚Paare von Gegenständen‘ mit einem eigenen Namen, wie z.B. M(Baumeigenschaften, ‚Baum‘). Nennen wir diese Art von sprachlich vermitteltem Wissen $latex K_{m}$ (auch als eine Teilmenge von K).

16. Das ‚Urteilen’/ ‚Schlussfolgern‘ soll sich u.a. auch auf dieses sprachliche Wissen $latex K_m$ beziehen können. Avicenna erklärt hier noch nicht wirklich, was er genau unter Urteilen versteht. Allerdings bringt er ein Beispiele (in der Form eines Syllogismus). Wenn man die Annahmen macht (i) Alles, was Farben hat, ist erschaffen und (ii) Die Welt besitzt Farben, dann könnte man folgern (iii) Die Welt ist erschaffen.

17. Diese Folgerungsmuster finden sich schon ca. 1300 Jahre früher bei Aristoteles und sie besitzen eine gewisse ‚intuitive‘ Kraft, was ihnen über die Zeiten hin Eindruck verschaffte. Schaut man näher hin (und die Entwicklung der modernen formalen Logik hat hier unseren Blick geschärft), dann basiert diese ‚Intuition‘ aber auf unterschiedlichen Voraussetzungen, die weitgehend (bis heute!!!) nicht vollständig erklärt worden sind. Die moderne Logik hat sich dieses Problems dadurch entledigt, dass sie die schwer fassbaren ‚Bedeutungsanteile‘ (vgl. das Beispiel M(Baumereignisse, ‚Baum‘)) einfach ersetzt hat durch den abstrakten formalen Begriff ‚Wahrheit‘ [‚true‘, t, $latex \top$], der nur noch eine syntaktische Bedeutung besitzt, und dass die moderne Logik die komplexen sprachlichen Muster ebenfalls durch einfache isolierte Symbole ersetzt hat, um dann alle Folgerungsmuster nur noch unter Voraussetzung des abstrakten Wahrheitsbegriffes und syntaktisch heruntergedimmter Symbole zu untersuchen. Dies hat viele wertvolle Erkenntnisse geliefert, das zentrale Problem einer sprachlich vermittelten Erkenntniss wurde damit aber sich selbst überlassen. Schlimmer noch, seit über hundert Jahren glaubt die Wissenschaft, mit der Erfindung der formalen Logik jetzt alle Probleme eines logischen Alltagsdenkens gelöst zu haben. Das Gegenteil ist der Fall: durch die einseitige Fixierung auf die Spezialisierung mit der formalen Logik fiel das Wissen über das ’normale logische‘ Denken möglicherweise hinter den Reflexionsstand des Mittelalters zurück.

18. Avicenna nennt neben dem ‚intuitiven1‘ Wissen der Sinneserkenntnis und des sprachlichen Wissens noch ein anderes ‚intuitives2‘ Wissen, nämlich jenes, das aus dem ‚ersten Prinzip‘ folge. Er zitiert das Beispiel, dass man aus dem Wissen, dass A=X und B=X ‚intuitiv2‘ folgern könne, dass dann A gleich B sei (Streng genommen müsste man vielleicht einschränkend sagen, dass A nur bezogen auf X gleich B ist). Man kann hier nur vermuten, dass Avicenna ‚implizite Regeln des Denkens‘ unterstellt, die im Denken ‚wirksam‘ werden, und zwar so, dass wir diese Wirkung ‚intuitiv2‘ als ‚richtig‘ empfinden. Nennen wir dieses intutive2 Wissen aus dem ‚ersten Prinzip‘ K_p1. Vielleicht könnte man das so rekonstruieren, dass unser Denken [think, t] aufgrund des intuiven2 Wissens $latex K_{p1}$ in der Lage ist, von Wissen K allgemein auf ‚wahres Wissen‘ [KW] zu schließen, also $latex t: K \times K_{p1} \longrightarrow KW$.

19. Entsprechend könnte man vielleicht auch das ‚Urteilen‘ [judge, j] so rekonstruieren, dass das ‚Urteilen‘ von Wissen allgemein K mittels – noch zu klärender Urteilsregeln $latex K_{p2}$ – auf wahres Wissen schließen kann, also $latex j: K \times K_{p2} \longrightarrow KW$.

20. Wir nehmen hier – bis auf weiteres – einmal an, dass die Prinzipien des Urteilens $latex K_{p2}$ auch den Fall des sprachlichen Wissens einschließen.

21. Es bleibt dann noch der Fall des Wissens, das man von anderen übernommen hat; nennen wir es $latex K_{a}$ (für ‚a‘ von ‚accepted‘).

22. Wie wir wissen, kann dies vielfältige Formen haben, z.B. Verhaltensweisen, die man einfach imitiert, oder aber sprachlich vermitteltes Wissen $latex K_{m}$ über Eigenschaften und Zusammenhänge in der Welt W, das wir ‚hören‘ und zu ‚verstehen/ interpretieren‘ versuchen. Wie wir auch wissen, kann man von der sprachlichen Form grundsätzlich nicht direkt und nicht zweifelsfrei auf die damit intendierte ‚Bedeutung‘ schließen. Überliefertes sprachlich vermitteltes Wissen ist also in allen Fällen zunächst kein ‚volles‘ Wissen, sondern nur ein ‚potentielles‘ Wissen der Art, dass die sinnliche Wahrnehmung perc() von sprachlich vermitteltem Wissen $latex K_{m}$ mit dem aktuell verfügbaren Wissen K des Hörers zwar eine Hypothese [Hyp] über eine mögliche Bedeutung bilden kann, dass diese Hypothese aber dann erst einmal noch überprüft werden muss: Verstehen [‚interprete‘, int] als Abbildung der Form $latex int: perc(K_{m}) \times K \longrightarrow Hyp(M(K_{s}))$. Eine solche Überprüfung von Bedeutungshypothesen ist schwierig, aufwendig und kann niemals zu einer vollständigen Klarheit führen. Alle Welt spricht von der ‚Unschärferelation‘, die Heisenberg in die moderne Physik eingeführt hat; viel weitreichender und problematischer ist jedoch diese radikale ’semantische Unschärferelation‘, die für jeden Menschen gilt. Diese zu verstehen und praktisch zu bewältigen ist eine der wichtigsten Herausforderungen für jeden Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten.

23. Also, beim Wissen K werden spezielle Teilmengen unterschieden: sensorisches Wissen$latex K_{s}$, sprachlich vermitteltes Wissen $latex K_{m}$, implizites Denkwissen $latex K_{p1}, K_{p2}$, von anderen übernommenes Wissen $latex K_{a}$, sowie ‚wahres‘ Wissen KW; zusammenfasend $latex K=K_{s} \cup K_{m} \cup K_{p1} \cup K_{p2} \cup K_{a} \cup KW$. Die genauen Beziehungen dieser verschiedenen Wissensformen untereinander ist dabei noch offen.

24. Bezüglich Wissensaktivitäten werden unterschieden: Wahrnehmung perc(), Denken t(), Urteilen j(), Interpretieren int().

25. Alle Details im Umfeld dieser Begriffe liegen bei diesem Standpunkt der Lektüre noch im Dunklen.

26. Wenn man bedenkt, dass im Jahr 2014 alle diese Prozesse weiterhin weitgehend ungeklärt sind (!), dann darf man gespannt sein, was Avicenna vor nunmehr ca. 1000 Jahre dazu gesagt hat.

Eine Fortsetzung findet sich HIER.

QUELLEN

Avicenny, ‚Avicennas Treatise on Logic‘. Part One of ‚Danesh-Name Alai‘ (A Concise Philosophical Encyclopedia) and Autobiography, edited and translated by Farang Zabeeh, The Hague (Netherlands): Martinus Nijhoff, 1971. Diese Übersetzung basiert auf dem Buch ‚Treatise of Logic‘, veröffentlicht von der Gesellschaft für Nationale Monumente, Serie12, Teheran, 1952, herausgegeben von M.Moien. Diese Ausgabe wiederum geht zurück auf eine frühere Ausgabe, herausgegeben von Khurasani.

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Eine Übersicht über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.