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ZUR LAGE DER MENSCHHEIT … Ausgangspunkt im Alltag

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 2.August 2020
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

PROLOG I: GENERVT IM ALLTAG

Sind Sie genervt von den vielen — aus ihrer Sicht — Halbwahrheiten, Unsinnigkeiten, Lügen, die ihren Alltag durchtränken? Von all den Leuten, die scheinbar nur sich selbst sehen, sich als erstes, und die versuchen, ‚ihr Ding‘ zu machen, egal zu welchem Preis? Haben Sie nicht auch schon diese Gefühle gehabt, diese Verzweiflung über das — in ihren Augen — Versagen anderer Menschen, über den Betrug einzelner an der Gemeinschaft, die vielen ‚Deals im Hintergrund‘, die manchmal bekannt werden und breites Entsetzen auslösen? Sind sie auch manchmal unangenehm berührt, enttäuscht, wenn Sie erfahren wie — in ihren Augen — unsinnig manche Behörden gehandelt haben, wie wenig Durchblick und Weitblick in Verwaltungen herrscht, wie berühmte Firmen plötzlich ins Schleudern geraten, weil ihre Manager ‚die Zeichen der Zeit‘ nicht rechtzeitig erkannt haben?

Wenn Sie diese Enttäuschungen nicht für sich behalten, sondern sie aussprechen, laut, bei anderen, mit anderen, werden sie feststellen, dass Sie nicht alleine sind. Da sind sehr viele Menschen um sie herum, die solche Enttäuschungen teilen. Fast scheint es so zu sein, als ob diese Enttäuschungen zum Alltag gehören, gleichsam wie eine untergründige Melodie, wie ein musikalisches Thema, das alles irgendwie zu durchziehen scheint. … es beschleicht Sie das Gefühl, dass es ja alles noch viel schlimmer ist, als sie gedacht haben. Ihre Ohnmacht, ihre Angst, ihr Ärger erscheinen übermächtig.

Und dann entdecken Sie vielleicht andere, einen Text, ein Video, einen Podcast, eine Veranstaltung, eine Bewegung, die das alles genau so ausspricht, wie sie es ständig empfinden. Da gibt es diese Menschen, die Antworten auf ihre Enttäuschungen haben, die die Ereignisse mit ihren Worten in Zusammenhänge einordnen, die ihnen plausibel erscheinen. Mit einem Mal bekommen ihre diffusen Ängste Namen von Menschen und Gruppen, die die Verursacher sind. Mit einem Mal bekommen Sie Worte angeboten, Slogans, Texte, die ihnen alles ‚erklären‘, ganz einfach, und sie beginnen, sich ‚zu Hause‘ zu fühlen. Da sind welche, die sie ‚verstehen‘. Menschen wie Sie selbst, persönlich, konkret, ganz nah, nicht in den Tiefen des Netzes, nicht verdeckt hinter den Fassaden der Macht….

Sie glauben, jetzt beginnt für Sie etwas Neues, neben den Enttäuschungen glimmt Hoffnung auf. Sie sind nicht alleine. Da sind andere mit ihnen….

PROLOG II: ALLTAG AUFBRECHEN

Wenn wir in unseren Alltag eingetaucht sind, dann können wir die Welt um uns herum, unsere Welt, unseren Alltag, genauso erleben, wie eingangs beschrieben, und es ist tatsächlich so, dass sehr viele Menschen heute es genau so erleben.

Wir kennen aber auch die Metapher, von dem Wald, den man vor lauter Bäumen nicht sieht. Wenn wir uns im Wald befinden, sehen wir nur viele Bäume, aber nicht den Wald als Ganzes. So ist es vielfach auch mit unserem Alltag: wir sind eingebettet in viele Abläufe, Verpflichtungen, Gewohnheiten, wen wir treffen, was wir arbeiten, was wir bei verschiedenen Gelegenheiten so sagen, mit wem wir was besprechen, welchen Informationsquellen wir folgen, was wir so essen und dementsprechend einkaufen …. ein Außenstehender könnte uns vielleicht sogar ziemlich gut beschreiben in allem, was wir tun. Google-Algorithmen, Handy-Algorithmen, und viele andere, tun dies rund um die Uhr, Woche um Woche. Deswegen können sie auch vieles sehr gut vorhersagen, oder Auftraggeber können wissen, was sie tun müssen, um uns zu bestimmten Verhaltensweisen anzuregen …

Wenn wir dies alles so tun, jeden Tag, Woche um Woche, heißt dies nicht unbedingt, dass wir selber genau wissen, was wir da tun; ja, wir tun es, aber warum genau? Welchen Zweck befolgen wir? Haben wir ein Ziel, was uns wie ein Licht vorausleuchtet über das Jetzt hinweg, für einen Punkt in der Zukunft, wo wir hinwollen? Oder treiben wir eher so dahin, fühlen wir uns gezwungen und dirigiert von den Umständen, die uns übermächtig erscheinen? Sind wir täglich von unserer Arbeit so ausgelaugt, dass uns schlicht die Kraft fehlt, am Abend, zwischendurch, an Alternativen zu denken, an irgendetwas anderes, an Freundschaften, an eine andere Form zu leben? Nehmen wir es also einfach so hin, was passiert, wie es passiert, ohne wirklich zu verstehen, warum dies geschieht, wer da im Hintergrund die Fäden spinnt?

MIT ANDEREN AUGEN

Manchmal gibt es sie dann doch, diese seltenen Momente, wo Sie irgendwie zur Ruhe kommen, wo Sie ein Buch lesen, dessen Worte sie gefangen nehmen, einen Film sehen, der Sie anspricht, einen Song hören, der sie berührt, oder mit einem anderen Menschen reden, der Ihnen zuhört, und der Ihnen dann Worte sagt, die ihnen helfen, sich selbst mal mit anderen Augen zu sehen, ihr Leben, ihr Tun; eine Freundin, ein Freund, oder jemand Fremdes,….

Jeder von uns hat seinen eigenen Blick, den wir uns in vielen Jahren angeeignet haben, die eigene Sprache, die eigenen Vorlieben, und dann sehen wir andere Menschen, die es anders machen, und irgendwie haben wir das Gefühl, das fühlt sich gut an… oder unser Gegenüber hört uns zu und fragt dann zurück, warum wir dies und jenes überhaupt so machen. Warum machen wir ständig A, warum nicht auch einmal B? Und im Moment, wo wir gefragt werden, schrecken wir vielleicht zurück und fangen sofort an, uns zu verteidigen, oder, wir zögern einen Moment, merken vielleicht, da wird ein Punkt berührt, der einen schon lange irgendwie beschäftigt, aber man hatte noch nie die Muße, den Mut, ihn ernsthaft ins Auge zu fassen, ihn wirklich an sich heran kommen zu lassen…

Entscheidend ist, dass es meistens irgendwelche Ereignisse braucht, die uns dazu bringen, im gewöhnlichen Ablauf inne zu halten, etwas zu merken, aufmerksam zu werden auf etwas in unserem Leben, an uns, von dem wir spüren, das könnte auch anders sein. Hier können sehr viele Emotionen im Spiel sein, Ängste wie auch Hoffnungen, Schmerzen wie auch Lustgefühle, Erinnerungen, die uns lähmen und solche, die uns ermutigen…

Die Gefühle, die Emotionen alleine sind es aber nicht, auch wenn sie uns vielleicht lähmen, fesseln können. Es braucht schon auch ein Bild, eine Vision, eine Vorstellung, eine Idee die uns Zusammenhänge sichtbar macht, mögliche alternative Zustände, die so sind, dass wir daraus mögliche Handlungen ableiten können, eine mögliche neue Richtung, was man mit anderen konkret tun könnte: andere Menschen, andere Orte, andere Bewegungsformen, anderes sehen, anderes ….

Mit dem neuen Tun ändert sich die eigene Wahrnehmung, ändert sich die eigene Erfahrung, kann sich das Bild von der Welt, von den anderen, von sich selbst ändern; dadurch können sich Gefühle ändern. Was vorher so aussichtslos, fern erschien, erscheint plötzlich vielleicht erreichbar… so ein bisschen kann man dann erahnen, dass man selbst vielleicht mehr ist als nur ein Bündel von Gewohnheiten, die feststehen …. dass man irgendetwas in sich hat, was die Abläufe ändern kann, etwas, das das ganze Gefüge in Bewegung setzt. Ich muss nicht immer das Gleiche machen, ich kann anders … die Welt ist mehr als ds Bild, was ich gerade noch im Kopf hatte, mein Bild, das mich eingesperrt hat in mich selbst …

EREIGNIS BEI MIR: Vor 33 Jahren …

Ereignisse, die einem helfen können, für einen Moment inne zu halten, aufzumerken, zu ahnen, zu spüren, dass da etwas ist, was anders ist, sind vielfältiger Art. Jeder kann davon bestimmt mindestens eine Geschichte erzählen. Bei mir war es die Tage ein Gespräch mit Freunden, bei dem einer (MF) das Wort autopoiesis erwähnte, ein Wort, das einem ja nicht alle Tage über den Weg läuft. Und ja, dieses Wort spiel eine zentrale Rolle in einem Buch, das den vielsagenden Titel trägt Baum der Erkenntnis. Dies ruft gleich Assoziationen an esoterisches Gedankengut wach, an Mythen und Sagen, oder auch an den berühmten Sündenfall von Eva und Adam, als sie im Paradies vom ‚Baum der Erkenntnis‘ aßen und daraufhin aus dem Paradies vertrieben wurden. Wer versteht die Botschaft in dieser Geschichte nicht: Wehe, wenn Du Dich zu sehr mit Erkenntnis beschäftigst, dann verlierst Du deine Unschuld und es wird Dir Zeit deines Lebens schlecht ergehen.

Ja, und vielleicht stimmt diese Mahnung auch, wird so mancher denken, denn das Buch, um das es hier geht, erschien 1987 erstmals und wurde von zwei Wissenschaftlern verfasst, die aufgrund ihrer jahrzehntelangen Arbeit in der Erforschung der Natur, insbesondere des biologischen Lebens, ein Bild von der Welt und uns als Menschen erarbeitet hatten, das die Geschichten aus der Bibel — und viele anderen — nicht besonders gut aussehen lassen.

Das Besondere an diesem Ereignis ist, dass ich dieses Buch noch in meinem Bücherregal hatte, ich hatte es sogar vor 33 Jahren gelesen, wovon viele Markierungen im Text Zeugnis geben, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es damals tatsächlich in seiner Tragweite verstanden hatte. Jetzt, 33 Jahre später, als ich als erstes das Schlusskapitel nochmals las, hatte ich das Gefühl, dass ich fast jeden Satz mehrfach unterstreichen konnte. Ich merkte, dass meine ganzen Arbeiten der letzten 33 Jahre (!) letztlich dazu gedient haben, die Vision in diesem Buch — ohne mir dessen vielleicht immer bewusst gewesen zu sein — durch eigenes Forschen, Experimentieren, Probieren, Schreiben, Verwerfen usw. für mich neu zu erarbeiten. Während man sicher viele Details aus dem Buch von Maturana und Varela aktualisieren muss, erscheint mir die Grundperspektive weiterhin voll gültig zu sein und es könnte uns heute, uns allen, die wir von unseren alltäglichen Abläufen oft wie ‚Gefangen genommen‘ erscheinen, vielleicht eine deutliche Hilfe sein, aus unseren — tendenziell unfertigen und falschen — Bildern auszubrechen.

AUFTRAG, NICHT SCHICKSAL

Wie eingangs angedeutet, leidet unser Alltag stark an der Unvollständigkeit unserer Bilder von uns selbst, von den anderen, von der Gesellschaft, der Welt. Und ja, man kann dadurch entmutigt werden, vielleicht sogar daran verzweifeln. Aber vielleicht hilft es, wenn man weiß, dass der fragmentarische Charakter unseres Welterlebens und Weltwissens eigentlich unsere Versicherung ist, dass wir als Menschen, als Leben auf der Erde nicht zwangsläufig zugrunde gehen müssen! Wären wir als Lebewesen von Anfang an mit einem kompletten Bild ausgestattet, dann kämen wir vielleicht eine gewisse Zeit klar mit den Gegebenheiten; da aber die Erde hochdynamisch ist, sich permanent verändert, z.T. dramatisch (Vulkane, Erdbeben, Verschiebung der Erdplatten, Klima mit vielen Eiszeiten…), würden wir bald scheitern, weil wir auf diese Veränderungen nicht vorbereitet wären. Überleben auf einer hochdynamischen Erde heißt, sein Bild von der Erde ständig weiter entwickeln, ständig korrigieren, ständig erneuern. Wichtig ist also nicht, wie viel Wissen man zu Beginn hat, sondern, ob man das Wissen verändern, weiter entwickeln kann. Wissen ist ganz klar ein Werkzeug zum Überleben! Und — was man in diesem Zusammenhang vielleicht schnell verstehen kann — Wissensfragmente benötigen zum Verändern jede Menge Kooperationen.

Die ersten Lebensformen auf der Erde waren Zellen, die unterschiedlich spezialisiert waren. Eine Zelle alleine war nicht überlebensfähig, aber alle Zellen zusammen haben u.a. die gesamte Atmosphäre der Erde verändert, sie haben unfassbar komplexe hoch organiserte Zellverbände entstehen lassen, die wir als Pflanzen, Tiere und Menschen — Wir! — kennen. Diese Winzlinge, diese Mikroben, haben dies geschafft, weil sie ihr minimales Wissen im großen Stile nicht nur immer wieder verändert haben, sondern weil sie es auch beständig ausgetauscht haben. Die Anzahl dieser Mikroben auf der Erde übersteigt die Anzahl der heute bekannten Sterne im bekannten Universum um ein Mehrfaches. Zugleich bilden sie zusammen einen Superrechner — ich nenne ihn BIOM I –, der alle heutigen Superrechner einfach nur schlecht aussehen lässt. Denn der BIOM I Supercomputer ist so, dass jedes Element von ihm beständig eigenständig dazu lernt und alle Elemente ihr Erlerntes untereinander austauschen. Davon können heutige Supercomputer nur träumen, falls sie träumen könnten.

Also, der fragmentarische Charakter unseres Wissens ist gerade kein negatives Schicksal, sondern gibt uns die Chance, unser Wissen gemeinsam weiter zu entwickeln, um so den jeweils neuen Herausforderungen gerecht werden zu können.

Anmerkung: In dem Maße, wie biologische Lebensformen die Erde bevölkern — nicht zuletzt auch der Mensch selbst — erzeugen diese aufgrund ihrer Freiheitsgrade auch Veränderungen, und zwar schwer vorausberechenbare Veränderungen. Um diesen gerecht zu werden, bedarf es um so mehr der Fähigkeit, sich dynamisch ein Bild möglicher Prozesse zu machen. Die Tendenz von Regierungen zu allen Zeiten, diese implizite Dynamik des Lebens durch autoritäre Regelsysteme einzugrenzen, zu ‚zähmen‘, hat noch nie wirklich funktioniert und wird auch niemals funktionieren, will man nicht das Leben selbst zerstören.

MONADE + MONADE = ?

Jahrtausende lang haben Menschen darum gerungen, zu verstehen, wie sie ihr Verstehen, ihr Wissen bewerten sollen: Was ist wahr? Wann denken wir richtig? Wo kommt unser Wissen her? Wie entsteht unser Wissen? Wieweit können wir unserem Wissen vertrauen? Und so ähnlich.

Aber, selbst die besten Philosophen und Wissenschaftler blieben immer im Gestrüpp ihres Selbstbewusstseins hängen. Im Nachhinein betrachtet glichen die Philosophen den berühmten Mücken, die immer um das Licht kreisen, an dem sie dann verbrennen. Und war nicht Eva auch so eine ‚Mücke‘, die um das ‚Licht der Erkenntnis‘ kreiste, um dann daran zu zerschellen?

Es ist schwer zu sagen, wann genau wer jetzt diese Form der Selbstbezüglichkeit durchbrach. Vermutlich war es wie immer, dass es die vielen Versuche einzelner waren, von denen man sich dann untereinander erzählt hatte, die so langsam eine Atmosphäre, ein Ahnen, einen Sack voller Experimente mit sich brachten, die dann zu einem Durchbruch geführt haben, der — so erscheint es von heute aus — in vielen Disziplinen gleichzeitig stattgefunden hat, jeweils speziell und anders, aber dann doch so, dass sich mit den vielen Puzzlesteinen langsam ein Gesamtbild andeutete, das zu einem bisher nie dagewesenen Durchbruch im Verstehen unserer selbst als Teil der Natur, des Universums geführt hat.

Fairerweise muss man sagen, dass frühere Generationen tatsächlich auch keine reale Chance hatten, diesen Durchbruch vorweg zu nehmen, da wir Menschen einige Jahrtausende und dann speziell die letzten Jahrhunderte gebraucht haben, unser Wissen über die Welt, die Natur, das Leben so weit auszudehnen, dass wir letztlich verstehen konnten, dass und wie unser Körper aus einer großen Anzahl von Galaxien an Zellen besteht, dass diese Zellen, jede für sich, autonom sind, dass sie es aber schaffen, so miteinander zu kooperieren, dass es eine Vielzahl von Organen in unserem Körper gibt, die die unglaublichsten Dinge vollbringen, ohne dass wir bis heute dieses Geschehen vollständig verstehen. Speziell das Gehirn versetzt uns mehr und mehr in Erstaunen, wenn wir langsam begreifen, was es alles leistet. Ein zentraler Punkt — wie vielfach schon in diesem Blog dargelegt — ist der, dass das Gehirn im Körper aus all den verfügbaren Körpersignalen ein Bild von der Welt errechnet, das für den ganzen Organismus zur Orientierung dient. Konkret, alles, was wir von der Welt sehen ist nicht die Welt selbst, sondern das, wie sich unser Gehirn die Welt vorstellt!

Vieles, was Leibniz damals 1714 unter der Idee einer Monadologie beschrieben hatte, könnte man auf das Gehirn anwenden, das vollständig auf sich selbst bezogen damit beschäftigt ist, ein Bild von sich selbst und der Umgebung zu entwickeln mit dem wichtigen Zweck, zu überleben. Entscheidend dabei ist der dynamische Charakter des Gehirns und seiner Berechnungen. Es kann zwar einerseits Strukturen bilden, die ihm zur Orientierung dienen, es kann aber auch, diese Strukturen ständig wieder abändern, um sie den veränderten Erfahrungen anzupassen.

Im Unterschied zu einer reinen Monade haben Gehirne die Fähigkeit ausgebildet, viele ihrer inneren Zustände mit beliebigen sprachlichen Ausdrücken zu assoziieren, zu korrelieren, so dass Manifestationen von sprachlichen Ausdrücken außerhalb des Körpers von anderen Gehirnen wahrgenommen werden können. Wie immer die Gehirne dies irgendwie und irgendwo geschafft haben, sie haben es geschafft, mit Hilfe solcher Manifestationen gemeinsame Bedeutungen zu vereinbaren und dann auch gemeinsam, synchron zu nutzen. Damit war symbolische Kommunikation grundgelegt.

Während zwei Monaden nach dem Modell von Leibniz strikt Monaden bleiben, können zwei biologische Monaden, die über ein Gehirn mit Sprache verfügen, durch Kommunikation zu Kooperationen zusammen finden, aus denen eine nahezu unendliche Menge neuer Zustände entstehen kann. Letztlich können biologische Monaden das gesamte Universum umbauen!

VERTRAUEN ALS NATURGEWALT ? !

Wenn wir von Naturgewalten sprechen, denken wir sicher erst mal an Unwetter, Erdbeben, Vulkane und dergleichen. In den Wissenschaften hat man Worte wie z.B. die Gravitation, um eine Eigenschaft zu beschreiben, die wir überall im heute bekannten Universum beobachten können als eine Kraft, die sich indirekt zeigt: auf der Erde fallen alle Gegenstände ’nach unten‘ und alle Körper haben ein ‚Gewicht‘.

Das biologische Leben gehört aber auch zur Natur, es ist Natur durch und durch. Allerdings, biologische Strukturen haben eine Komplexität angenommen, die weit über alles hinausgeht, was wir aus dem physikalisch erforschten Universum kennen. Und so wie es die Gravitation als eine Kraft gibt, die die Strukturbildung im physikalischen Universum stark prägt, so gibt es im Bereich biologischer Systeme die Kraft der Kooperation, die schier Unvorstellbares möglich macht (wer kann sich bei Betrachtung einfacher Zellen von vor 3.5 Milliarden Jahren ernsthaft vorstellen, wie sich von diesem Ausgangspunkt aus Zellformationen bilden können, die zusammen ca. 240 Billionen (10^12) Zellen umfassen, und dann als homo sapiens auftreten?) Aber nicht nur das. Je größer der Grad der Komplexität wird, um so mehr zeigt sich in diesen biologischen Lebensformen ein immer höherer Grad an Freiheitsgraden! Verglichen mit den anderen Lebensformen hat der Homo sapiens eine bislang besonders hohes Ausmaß an Freiheitsgraden erreicht. Dies eröffnet eine schier unendliche Menge an Möglichkeiten, stellt aber den Akteur auch vor entsprechend große Herausforderungen. Alleine hat er nahezu keine Chance. Zusammen mit anderen erhöht sich die Chance. Allerdings — und dies zeigt unser Alltag nahezu stündlich — Kooperationen verlangen einen ‚Grundstoff‘, ohne den überhaupt nichts geht: Vertrauen! Da wir uns permanent in unvollständigen Situationen bewegen, die unsere Gehirne durch geeignetes Wissen partiell ‚ausfüllen‘ können, können wir Unbekanntheiten partiell überbrücken, partiell mit Möglichkeiten ausfüllen, aber wir brauchen als ‚Vorschuss‘ jede Menge Vertrauen, um uns überhaupt gemeinsam in diese Richtung zu bewegen. Es ist eine qualitative Besonderheit des Homo sapiens, dass er über diese seltene Gabe als eine besondere Kraft der Natur verfügt.

Vertrauen ist lebensnotwendig, Voraussetzung für jede Form von Zukunftsgestaltung.

WISSEN ALS ZUKUNFTSTECHNOLOGIE

Das Verhältnis von uns Menschen zum Wissen ist durchwachsen. Einerseits wissen wir es zu schätzen, weil es uns vielfach hilft, unsere Lebensbedingungen zu verbessern. Andererseits wird es aber gerade auch von denen, die primär an Macht und monadischen Selbstinteressen orientiert sind, vielfach missbraucht zum Schaden vieler anderer. Und als einzelner, als Kind, als Jugendlicher wird das Abenteuer des Wissens vielfach schlecht oder — in vielen Ländern dieser Welt — so gut wie gar nicht vermittelt. Damit schaden wir uns selbst in hohem Maße!

Man kann über die uns verfügbaren Freiheitsgrade schimpfen, über sie lamentieren, sie verleugnen … aber es ist eine Eigenschaft, die wir als Homo sapiens jetzt haben und die uns prinzipiell die Möglichkeit gibt, in vertrauensvoller Kooperation mit allen anderen Wissen zu erarbeiten, das helfen kann, den fragmentarischen Charakter unserer einzelnen partiellen Bilder zu ergänzen und dadurch zu überwinden. Unser Ziel kann es nicht sein, den beschämenden gegenwärtigen Zustand der Weltbevölkerung fest zu schreiben. Was wir als Menschen zur Zeit veranstalten, das ist in hohem Maße dumm, grausam, lebensverachtend, zukunftsunwillig, welt-zerstörerisch.

Wissen ist kein Luxus! Wissen ist neben Kooperation und Vertrauen der wichtigste Rohstoff, die wichtigste Technologie, um uns ein Minimum an Zukunft zu sichern, einer Zukunft, die das ganze Universum in den Blick nehmen muss, nicht nur unsere eigene Haustür!

Verantwortungsbewusste Digitalisierung. Ein erster Versuch

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062
URL: cognitiveagent.org
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Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

Do 25.Januar 2020

KONTEXT

Am 3.Dezember 2019 fand die Gründungssitzung des hessischen Zentrums für ‚Verantwortungsbewusste Digitalisierung‘ [HZVD] statt. Natürlich stellen sich in diesem Zusammenhang viele Fragen. Der Autor dieses Textes fragt sich z.B., wie er selber die Frage beantworten würde, was denn der Ausdruck ‚Verantwortungsbewusste Digitalisierung‘ meinen könnte bzw. sollte. Im folgenden einige erste Gedanken. Es ist sicher kein Zufall, dass der vorausgehende Beitrag ‚Philosopie der Demokratie‚ (und natürlich viele andere Beiträge aus diesem Blog) mit diesen Gedanken mehrfache Bezüge aufweisen.

KEINER IST DRAUSSEN

Wenn irgendjemand anfängt, über Digitalisierung zu reden, dann ist er heute damit nicht alleine, weil es sich hier um ein wirklich globales Phänomen handelt, das in allen Ländern dieses Planeten auftritt. In einigen mehr, in anderen weniger, aber es ist da, überall: diese Technologie hat sich buchstäblich ‚hineingefressen‘ in alle Bereiche der Gesellschaft. Früher habe ich noch versucht, an dieser Stelle aufzuzählen, wo überall in der Gesellschaft sich Digitalisierung zeigt. Mittlerweile wäre es eher interessant, zu fragen wo eigentlich noch nicht? Wenn selbst schon kleinste Kinder mit digitalisierten Geräten umgehen, als ob es ein eigenes Körperteil ist. Wenn natürliche Verhaltensweisen, Bewegungsmuster, die noch vor ca. 30 Jahren ’normal‘ erschienen, heute schon garnicht mehr bekannt sind, dann ist dies ein sehr tiefgreifendes Anzeichen — und sogar nur eines unter vielen — für Veränderung, die den einzenen erreicht haben, aber in der Summe dann natürlich uns alle betreffen.

JENSEITS VON TECHNOLOGIE

Dieses einfache Beispiel als Indikator für Prozesse, die uns alle betreffen, kann verdeutlichen, dass die sogenannte Digitalisierung auf eine Technologie verweist, die wie keine andere eben nicht einfach nur eine Technologie ist, wie wir sie von ‚früher‘ kennen (vor 70 Jahren von heute rückwärts war die Welt noch ‚in Ordnung‘). Diese Technologie ist anders, sie ist radikal anders. Sie geht mit Menschen, mit ganzen gesellschaftlichen Systemen eine Symbiose ein, durch die sich diese Gesellschaft grundlegend ändert. Digitale Technologien können sich an die Schnittstellen des Menschen anschmiegen, können alle Äußerungen eines Menschen quasi aufsaugen, sie sich einverleiben, und dann irgendwo und irgendwann wieder ausspucken in einer Weise, die mit dem Ursprung nichts mehr zu tun haben muss. Lebensäußerungen eines Menschen können durch die Symbiose mit der digitalen Technologie beliebig verwandelt werden, und kommen dann als etwas Verwandeltes wieder zurück, zu anderen, die von dieser Verwandlung garnichts merken müssen, oder sogar zum Absender, der es vielleicht auch garnicht merkt, weil es so stark verwandelt hat.

Ich drücke Tasten auf einem Keyboard, und im Kopfhörer höre ich die Klänge eines Orchesters. Ich male ein paar Striche auf einem leeren Bildschirm, und es entstehen wie von Zauberhand Figuren, Landschaften, dreidimensional, sehr natürlich. Ich spreche in ein Mikrofon und ich höre eine Stimme, die die eines anderen sein könnte. Ich setze eine Brille auf und sehe nicht einfach die normale Strasse, sondern zusätzlich Namen von Gegenständen, Namen von Menschen, die an mir vorbei laufen, Namen, die vielleicht falsch sind, Bezeichnungen, die in die Irre führen können. Ich schreibe eine Nachricht an eine Bekannte, und diese Nachricht wird von vielen anderen mitgelesen, während sie als Datenstrom ihren Weg durch das unsichtbare Datennetzwerk nimmt bis hin zum Empfänger. Mein Smartphone liegt auf dem Tisch, ich unterhalte mich mit anderen, und die Mikrophone des Smartphones sind eingeschaltet, nicht von mir, und alles was wir erzählen, geht irgendwohin, von dem wir nichts wissen. Die Sekretärin im Büro schreibt einen Brief, und während sie schreibt wird der gesamte Text mehrfach — unbemerkt — ins Internet verschickt… Kleine Beispiele aus einem Alltag, der uns schon alle ‚hat‘. Die Organisatoren dieses Alltags sind nicht unsere Freunde, sondern Menschen die irgendwo auf diesem Planeten sitzen, und sich beständig überlegen, was sie jetzt am gewinnbringendsten mit diesen Daten machen. Zwischen lupenreiner Diktatur und radikalem Kommerz gibt es hier alles, was wir uns denken können.

TREIBENDE KRÄFTE

Als Bürger eines — noch — demokratischen Staates sind wir gewohnt in Kategorien der Kontrolle von Macht, von Transparenz zu denken, von Grundwerten, von einer sozialen Gesellschaft, in der versucht wird, zwischen den verschiedenen Kräften einen Ausgleich dergestalt herzustellen, dass nicht einzelne Interessengruppen alle anderen dominieren und in undemokratischer Weise beherrschen.

Mit dem Auftreten einer umfassenden Digitalisierung sind diese Spielregeln mittlerweile immer mehr außer Kraft gesetzt; man kann sich mittlerweile fast schon vorstellen, dass diese Spielregeln bei einer weiteren politisch unkontrollierten Digitalisierung ganz außer Kraft gesetzt werden. Dazu muss man nicht einmal eine klassische Revolution durchführen. Es reicht einfach, die Gehirne aller Menschen, die über die Symbiose im Alltag mit der großen universalen digitalen Maschine verknüpft sind, von allen Inhalten und Kommunikationen fern zu halten, die notwendig sind, um sich gemeinsam ein realistisches Bild der gemeinsamen Gesellschaft zu machen. Wenn die berühmte demokratische Öffentlichkeit nicht mehr stattfindet, wenn alle Gehirne unsichtbar voneinander getrennt wurden, weil sie an Datenräume gekoppelt sind, die von demokratiefernen Gruppierungen betrieben und manipuliert werden, dann gibt es keine demokratische Gesellschaft mehr; dann sind die Politiker digital isoliert, hängen selber in digitalen Subräumen, die voneinander nichts mehr wissen, die selber hochgradig manipuliert sein können. Wer kann denn heute noch unterscheiden, ob er mit einem Menschen oder einer Software redet? Nicht nur die Stimme, nein, sogar das gesamte Äußere lässt sich täuschend echt simulieren.

In vielen Ländern Europas, in vielen gesellschaftlichen Gruppen, ist das, was ich hier schreibe, keine Fiktion mehr. Die Menschen sind real über ihr digitale Symbiose von manipulativen digitalen Subräumen so eingenommen, dass für sie eine realitätsgerechte Meinungsbildung nicht mehr möglich ist … was sich politisch konkret auswirkt.

IN DER DIGITALEN SCHLEIFE

Was früher reine Science Fiction Geschichten waren, das erleben wir mittlerweile als weitreichende Realität. Durch die permanente Ankopplung unserer Gehirne an die große digitale Maschine hängen wir schon jetzt in einer Weise von diesem digitalen Pseudo-Raum ab, dass ein Arbeiten ohne ihn faktisch nur noch für Fast-Einsiedler möglich ist. Immer mehr alltägliche Abläufe sind ohne Benutzung eines Smartphones entweder gar nicht oder nur sehr beschwerlich möglich. Unsere Städte, unsere Firmen brechen sofort zusammen, wenn die große digitale Maschine zu stottern anfängt oder wegen Energiemangel still steht. Den immer umfangreicheren Datenmissbrauch (‚Cybercrime‘) übergehen wir mal großzügig. Den gibt es offiziell ja nicht eigentlich, obwohl er ein Ausmaß annimmt, das die digitale Maschine und damit das Leben, das symbiotisch an ihr hängt, immer stärker bedroht.

GROSSE HILFLOSIGKEIT

Bislang ist es noch wenig üblich, einzuräumen, dass die wunderschöne neue Welt des Digitalen vielleicht nicht nur schön ist, dass hinter alltäglicher Bürosoftware, die in ganz Europa in allen Büros benutzt wird, vielleicht ein gigantischer Datenmissbrauch stattfindet, täglich, stündlich, minütlich … solche Gedanken sind verpönt, weil dann ja plötzlich alle Opfer wären…

So muss man feststellen, dass die gesamte Gesellschaft bislang eher den Eindruck einer ‚Hilflosigkeit‘ erweckt, dass sie mehr ‚getrieben‘ wirkt als tatsäch bewusst, verantwortungsvoll handelnd. Flächendeckend ist kein Bürger auf diese rasante Entwicklung wirklich vorbereitet. Ob Schule, Kommune, Gesundheitssystem, Arbeitswelt, … es finden sich kaum hinreichende Kompetenzen, um auf diese Situation qualifiziert, interdisziplinär, im Verbund, nachhaltig zu reagieren. Auch wenn man es nicht wahrhaben will, diese ‚Opferrolle‘ erzeugt unterschwellig viele Ängste, Belastungen, Unwägbarkeiten. Die Chancen einer umfassenden Manipulation von Menschen waren nie größer als heute.

WAS KANN MAN TUN?

Wenn jemand Durst hat und weiß, wo er/ sie etwas zu trinken bekommt — und er/ sie auch über die Mittel vefügt, das Wissen umzusetzen! –, dann holt er sich einfach etwas zu trinken und trinkt.

Wenn wir symbiotisch mit der großen digitalen Maschine leben und wir wollen nicht, dass wir zu einem reinen Spielball digitaler Prozesse werden, die von uns unbekannten Fremden beliebig manipuliert werden können, dann ist die Antwort ganz klar; (i) wir benötigen so viel Wissen als notwendig, damit wir verstehen, was passiert und was wir selbst real tun können, um unser eigenes Ding machen zu können, und (ii) wir benötigen die Kontrolle über alle Ressourcen, die man benötigt, um die große digitale Maschine nach den eigenen Regeln zu nutzen. Ja, und wir brauchen auch (iii) einen für alle bekannten und genutzen gemeinsamen digitalen Raum, den wir als demokratische Bürger eines digitalen Staates nutzen, um uns gemeinsam eine Meinung darüber bilden zu können, was wir gemeinsam wollen. Gibt es diesen gemeinsamen Raum nicht, nützt uns unser individuelles Wissen nicht viel. Gibt es die Kontrolle über die Ressourcen nicht, bleiben wir ohne Wirkung; wir können uns nicht einmal artikulieren. Fehlt uns das Wissen, wissen wir erst garnicht, was wir tun können oder sollten.

ENDE OFFEN

Ob wir als demokratische Gesellschaft es schaffen, uns gemeinsam ein Bild der Lage zu verschaffen, was angemessen ist, was wir miteinander teilen, ob wir in der Lage sind, genügend Kräfte zu mobilisieren, die Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen, ob wir genügend gute Ideen haben werden, zukünftige Prozesse nachhaltig zu gestalten, das entscheidet sich im Alltag, an dem jeder auf seine Weise mitwirkt. Glücklicherweise ist die Realität in Europa und Deutschland noch nicht ganz so schwarz, wie ich es im vorausgehenden Text gezeichnet habe. Aber die aktuellen Tendenzen lassen alle Optionen real erscheinen: wir können gemeinsam in einen digitalen Nihilismus abdriften, der von wenigen anonymen Kräften genutzt wird, oder wir können alles in einen digitalen Konstruktivismus verwandeln, in dem wir die große digitale Maschine bewusst und kraftvoll für unsere gemeinsam geteilte Zukunftsvision nutzen. Aber die brauchen wir dann auch, eine gemeinsam geteilte Zukunftsvision. Mit Wegschauen, übergroßer Korrektheit, reinem Sicherheitsdenken, und Kontrollwahn wird es keine lebbare Zukunft geben. Den homo sapiens –also uns — gibt es nur, weil das biologische Leben in 3.5 Mrd. Jahren immer auch ein Minimum an Unangepasstheit und Verrücktheit vorgelebt hat, und dadurch ein frühes Aussterben verhindert hat. … für die ewigen Pessimisten ein permanenter Stein des Anstoßes… ein Pessimist empfindet die bloße Tatsache des Lebens als Zumutung: verantwortungsvoll handeln, selbst handeln, mit all den Risiken: Igitt es könnte ja schief gehen …. Ja, es kann schiefgehen, das genau charakterisiert biologisches Leben, das aus Freiheit erwächst… Leben ist niemals fertig, sondern muss sich permanent weiter finden, er-finden! Das ist nichts für Angsthasen oder für die ewigen Weltverschwörer…

Einen Überblick über alle Blogeinträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

PROBLEME und LÖSUNGEN. Überlegungen zur Zukunftsfähigkeit

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 17.Sept. 2019
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Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

KONTEXT

Das Reden von der ‚Zukunft‘ klingt oft so isoliert, so abgetrennt, so fern, so unerreichbar, und doch begleitet uns die potentielle Zukunft — unsere potentielle Zukunft — auf Schritt und Tritt in unserem Handeln.

Es sind unsere eigenen Entscheidungen, was wir tun wollen, die immer wieder einen kleinen Schritt in eine bestimmte Richtung nach nicht ziehen, die unsere Zukunft eröffnen.

Natürlich sind diese individuellen Entscheidungen nicht isoliert vom Kontext, vom gesamten Lebenszusammenhang, aber doch, ja, wir kopieren nicht irgendetwas, wir mit unserer konkreten Persönlichkeit erzeugen ein kleines Stück Wirklichkeit, das eine Teil des je größeren Zukunftsszenariums darstellt.

Diese unseren individuellen konkreten Handlungen können zufällig sein, intuitiv, mögen planlos erscheinen, aber in der Regel stehen dahinter konkrete Motivationen, bestimmte Bilder, die wir aktuell von der Welt haben, und das Ganze meistens mit anderen vernetzt durch Kommunikation.

Im allgemeineren Fall, dort, wo es etwas professioneller wird, begegnet uns die Zukunft im Rahmen von Problemlösungen. Einer bestimmten Gruppe von Menschen stellt sich ein ‚Problem‘ verbunden mit einer minimalen ‚Vision‘ wie es denn stattdessen sein sollte, und dann versucht man diese Vision möglich zu machen, ein Stück Arbeit für die Zukunft und dann deren Realisierung.

Probleme müssen in vielen Bereichen gelöst werden und entsprechend haben sich in vielen Bereichen unterschiedliche Vorgehensweisen etabliert, wie man das macht: in den empirischen Wissenschaften, bei den Ingenieuren, bei Ärzten, Architekten, Kriminalpolizei, im Case Management, und vielem mehr.

Im folgenden Text soll von diesen speziellen Verfahren abstrahiert werden und der Frage nachgegangen werden, wie eine Problemlösung im Alltag funktionieren kann bei der beliebige Menschen beteiligt sind, vorzugsweise Gruppen von Bürgern, Kommunalverwaltungen, ganze Kommunen (Gemeinden, Städte).

ALLTAGSPROBLEME AUS DEN MEDIEN

Wenn man sich heutzutage in den Medien umschaut, mit Freunden und Bekannten spricht, dann kann man den Eindruck gewinnen, wir sind von Problemen umzingelt. Hier ein kleine Stichprobe aus drei Zeitungen von wenigen Tagen:

  1. Ortsbeiräte und Stadtverordnete sollen durch eine bürgernahe Stadtwerkstatt ergänzt werden, um die Anliegen der Bürger besser einbinden zu können
  2. Das Problem des bezahlbaren Wohnraumes wird in den Städten immer schlimmer. Jährlich fallen deutlich mehr Wohnungen aus der Sozialbindung als neue geschaffen werden
  3. Eine Großstadt verweigert sich offiziell, Sozialwohnungen ohne Befristung zu bauen.
  4. Forscher konstatieren zum Teil dramatischen Rückgang bei bestimmten Vogelarten. Dies verweist auf einen Mangel an geeignete Lebensräume.
  5. Die Waldbesitzer in ganz Deutschland melden riesige Schäden durch Trockenheit.
  6. Die Bedrohung von BürgermeisterInnen durch radikale Gruppierungen nimmt beständig zu; einige geben auf
  7. Ortsbeiräte sollen das besondere Ohr zum Bürger darstellen. Aber, welcher Bürger kennt seinen Ortsbeirat? Und in der Stadtverordnetenversammlung, wer hört die Ortsbeiräte?
  8. Immer wieder Auffälligkeiten, dass der Verfassungsschutz Bezüge zu rechten Gefährdern unterbewertet
  9. Ein Kultusministerium will ein Schulamt weg verlegen aus seinem Bezirk und bürdet damit seinen Mitarbeitern zusätzliche Belastungen auf.
  10. Das ganze politische System Deutschlands benötigt ein Update, um zukunftsfähig zu werden
  11. Die großen Internetkonzerne merken, dass ihre Wirkung auf die Gesellschaft langsam Rückwirkungen erzeugen, die in immer größeres Misstrauen, wenn nicht gar partiell Feindschaft umschlagen. Plötzlich sprechen sie davon, dass Vertrauen das Wichtigste sei, sowohl in der Firma wie auch zur umgebenden Gesellschaft.
  12. Saubere Motoren alleine reichen nicht für eine weltweite Verbesserung des Verkehrs in den Metropolen
  13. International ist viel Geld da, das nach Anlage drängt, gleichzeitig gibt es aber zu wenige gute Anlageobjekte. Das Anlegen geschieht dennoch, vorbei an regulierten Finanzmärkten; Wertsteigerungen auf dem Papier werden verbucht, denen immer weniger realer Gegenwert entspricht (dies erzeugt eine massive Inflation, die von den Zentralbanken nicht erfasst wird)
  14. Der Chef eines der größten internationalen Ölkonzerns verkündet den nachhaltigen Umbau des Konzerns in Richtung Unterstützung erneuerbaren Energien, investiert aber bis auf Weiteres immer noch den größten Teil des Geldes in das Ölgeschäft
  15. Während der größten internationalen (Auto)-Mobil(itäts)-Ausstellung stehen sich tausende von Demonstranten und zehntausende Besucher ideell gegenüber.
  16. Keiner der weltweit größten Erdöl- und Erdgas-Konzerne ist auf Klimakurs
  17. Während die Reduzierung den Einsatz von EMobilität pushed, zeigen Fachleute vielfältige Probleme auf, die damit noch nicht gelöst sind oder gar durch EMobilität erst neu erzeugt werden.
  18. Bahn und Nahverkehr sollen ausgebaut werden, beim Bahnhofsumbau z.B. in Frankfurt sind viele Fragen noch offen; es wird Jahre dauern…
  19. Eine Buchbesprechung thematisiert die neue Sichtweise der Neurowissenschaften und die Wirkung auf andere bisherige Sichtweisen auf den Menschen. Vereinfacht gesagt: Die Reduktion des Menschenbildes auf Gehirnfunktionen.
  20. Der Konflikt zwischen einem Whistleblower (Snowden), der von seinem eigenen Staat nicht als solcher anerkannt wird, und der für die Interessen einer offenen, demokratischen Gesellschaft gegen ihre scheinbar übermächtig gewordenen geheimen Institutionen eintritt.
  21. Eine Diskussion um das rechte Verhältnis von Import/ Export, Realzinsen, und Fiskalpolitik im globalen Miteinander. Missverhältnisse können zu Verzerrungen, Abschottungen und mehr führen.
  22. Die intransparente Rolle von politischen Beratern jenseits der demokratischen Verfahren.
  23. Weltweit steigen die Schäden für Rückversicherer.
  24. Weltkonzerne stehen vor der Aufgabe, sich global neu zu orientieren ohne aber verlässliche politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu haben.
  25. Der starke Verfall von demokratischen Rechten und Gepflogenheiten in Hongkong am Beispiel der Fluggesellschaft
  26. Mikroplastik ist überall (Weltmeere, Flüsse, auch durch die Luft) auf dem Vormarsch
  27. Das Ringen um eine europäische Cloud als Alternative für mehr Unabhängigkeit im Datenverkehr.
  28. Der Zuwachs an Rechenkapazität in der Forschung wird durch technische Barrieren verlangsamt. Die Forschung wird durch Vorlieben der Bundesregierung nur einseitig gefördert.

Schon diese kleine Auswahl lässt ganz unterschiedliche Kontexte aufblitzen, die jeweils vorausgesetzt werden:

  1. Es geht um Menschen, verschiedene Tierarten und den Wald, deren Lebensräumen sich wechselseitig beeinflussen.
  2. Es geht um die Umwelt, die durch die Aktivitäten des Menschen unterschiedlich verändert wird.
  3. Es geht um Kommunen/ Städte, die den direkten Lebensraum für die Menschen (und viele Tiere) darstellen.
  4. Es geht um staatliche Institutionen, die bestimmte Aufgaben erfüllen sollen.
  5. Es geht um Bürgerrechte und die Demokratische Öffentlichkeit.
  6. Es geht um globale Konzerne, die sich mit unterschiedlichen nationalen Forderungen arrangieren müssen.
  7. Es geht um Technologien, um technologischen Abhängigkeiten und deren Bedeutung für die Wirtschaft und die staatliche Autonomie.
  8. Es geht um Weltbilder, die von unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen gespeist werden.
  9. Es geht bei allem auch immer um einzelne (Bürger, Bürgermeister, Stadtverordnete, Ortsbeiräte, Präsidenten, Firmenchefs, …), die sich in den jeweiligen Kontexten ‚verwirklichen‘ wollen.
  10. Einzelne lassen sich von dem jeweiligen Weltbild in ihrem Kopf leiten oder holen sich spezielle Berater, die ihr Weltbild unterstützen sollen.

WANN IST ETWAS EIN PROBLEM?

Dies aufgelisteten Fälle vorausgesetzt kann man die Frage aufwerfen, ob man bei den eingangs erwähnten Beispielen tatsächlich von ‚Problemen‘ sprechen sollte. Warum soll eine bestimmte geschilderte Sachlage als ein ‚Problem‘ bezeichnet werden? Warum sollte man in der mangelnden Einbindung von Bürgern in den Kommunen ein Problem sehen? Warum ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ein Problem? usw.

WELTBILD UND ZIELVORSTELLUNGEN

Offensichtlich setzt das Sprachspiel ‚Problem‘ voraus, dass die Beteiligten als Teil ihres jeweiligen Weltbildes bestimmte ‚Zielvorstellungen‚ haben, die für sie als ‚erstrebenswert‘ gelten, und im Lichte dieser Zielvorstellungen kann dann eine bestimmte Sachlage als ‚Problem‘ klassifiziert werden. So z.B.: Wenn man die Einbindung der Bürger innerhalb einer Kommune als erstrebenswert ansieht (Begründung?), dann kann man eine mangelnde Einbindung als ‚Problem‘ klassifizieren; wenn hinreichend verfügbarer bezahlbarer Wohnraum als erstrebenswert angesehen wird (Begründung?), dann kann man den Mangel als Problem klassifizieren. Und analog in all den anderen Fällen.

Was sich schon in diesen wenigen Beispielen andeutet, ist die Notwendigkeit, dass man zur Diagnose von Problemen über ‚erstrebenswerte Zielvorstellungen‘ verfügt, die auch von den anderen Beteiligten geteilt werden.

Wie diese ersten Beispiele aber auch zeigen, kann man nicht unterstellen, dass alle Beteiligten tatsächlich über eine Zielvorstellungen verfügen und falls doch, dass diese bei allen Beteiligten gleich sind.

So ist das Wort Bürgerbeteiligung in vieler Munde, man kann aber wenig konkrete Maßnahmen erkennen, die dies real unterstützen. Fachabteilungen in Kommunen sind einer Bürgerbeteiligung gegenüber tendenziell eher ablehnend, weil es die Arbeit ‚verkompliziert‘. Über hinreichend viel bezahlbaren Wohnraum wird seit Jahren diskutiert, seit Jahren aber tut sich nichts. Die Zerstörung von Lebensräumen von bestimmten Tierarten wird von Naturschützern angeklagt, aber viele handelnde Gruppierungen interessiert dies nicht. Fehlleistungen des Verfassungsschutzes (im Bund und auf Landesebene) werden immer wieder diagnostiziert, aber diese öffentliche Kritik zeigt bislang keine erkennbare Wirkung. Die einen ziehen aus den bisherigen Erkenntnissen zur Klimaänderung bestimmte Schlüsse (z.B. für den ganzen Bereich Verkehr, Mobilität), andere sehen dies als überzogen und unrealistisch an. Und so weiter.

Schon beim Aufsammeln von Problembeschreibungen stößt man also auf eine nicht einfache Problematik: die Ausgangslage für die Problemfeststellung liegt in den jeweiligen Weltbildern der Beteiligten, und dort insbesondere im Bereich der ‚erstrebenswerten Zielvorstellungen‘. Setzt man diese ‚erstrebenswerten Zielvorstellungen‘ ‚absolut‘, dann gibt es harte, unversöhnliche Fronten.

Andererseits, Weltbilder und erstrebenswerte Zielvorstellen sind nicht angeboren sondern resultieren aus Interaktionen des einzelnen mit seiner Lebenswelt. Im allgemeinsten Sinne kann man dies ‚Lernen‚ nennen: die Aneignung von Vorstellungen über die Welt, mit Hilfe deren man sich die Welt ‚erklärt‚ und mit deren Hilfe man sein Verhalten ‚orientiert‚.

Grundsätzlich kann man also immer versuchen, die eigene gelernte Sicht der Welt auf den Tisch zu legen und dabei deutlich machen, warum man bestimmte Ansichten für erstrebenswert hält.

FAKTOR MOTIVATION

Der Faktor Weltbild inklusive möglicher Zielvorstellungen ist im Alltag allerdings nur ein Faktor. Zusätzlich wirksam sind noch viele psychische Faktoren, die hier aus Sicht des Verhaltens zusammenfassend angenommen werden als ‚Motivation‚, also jene internen subjektiven Faktoren, die einen Menschen dazu bringen, sich eher einer Sache ‚zuzuwenden‘, sie ‚aktiv zu betreiben‘, oder, ganz im Gegenteil, sich ‚zu verschließen‘, eine ‚ablehnende Haltung‘ einzunehmen, eine Mitwirkung ‚zu verweigern‘.

Überall dort, wo es gilt, gemeinsame Entscheidungen zu fällen, ist neben allen Arten von Argumenten für oder gegen eine Sache immer auch die Motivation der einzelnen im Spiel. Direkt oder indirekt unterstützen sie den Prozess positiv oder blockieren ihn negativ. Rationale Argumente alleine reichen oft nicht aus, die motivationalen Faktoren zu beeinflussen.

Die Faktoren, die eine Motivation beeinflussen können, sind äußerst vielfältig, in der heutigen Forschung nur partiell geklärt, und können von Person zu Person, von Situation zu Situation fast beliebig variieren. Persönliche Vorlieben, persönliche Erlebnisse, Sympathie und Antipathie, Einbindung in Milieus mit bestimmten fixierten Rollen oder speziellen Werten, und vieles mehr. Ein unbeliebtes Beispiel: wenn ein Politiker bestimmten Lobbyisten nahe steht, deren konkrete wirtschaftliche Interessen durch Bürgerinteressen betroffen sind, wird es für die Bürger schwer, sich politisch Gehör zu verschaffen.

OHNE KOMMUNIKATION GEHT NICHTS

Sollte jemand über genügend Wissen verfügen (was praktisch nie der Fall ist, weil man als Spezialist viele andere Spezialisten benötigt) und sollte jemand zugleich auch noch motiviert sein, sein Wissen wirksam einzusetzen (keinesfalls selbstverständlich, nicht für alle denkbaren Situationen), wird es zusätzlich notwendig sein, mit all jenen Menschen in Verbindung zu treten, die für eine Lösung des Problems wichtig sind. Das geht nicht ab ohne Kommunikation. Überwiegend wird diese Kommunikation eine sprachliche Kommunikation sein, oft zusätzlich unterstützt durch Bilder, Videos, Pläne, Modelle, und vieles mehr.

Kommunikation ist nicht einfach. Nicht nur, dass man überhaupt in der Lage sein sollte vor und mit anderen sinnvoll sprechen zu können, man muss auch alle wichtige Punkte durch die Kommunikation dem anderen verständlich machen. Jeder, der spezielle Ausbildungen durchlaufen hat (was letztlich schon in der Schule beginnt), weiß, dass es oft viele Monate, Jahre, oder gar Jahrzehnte an Lernen und Praxis braucht, um gewisse Wissensgebiete zu verstehen und sie zur Anwendung bringen zu können. Fachgespräche sind hier nur mit solchen Menschen möglich, die eine ähnliche Ausbildung durchlaufen haben und ähnliche Expertise anhäufen konnten. Was aber, wenn solch eine Experte von Gebiet A auf einen Nicht-Experten trifft (z.B. einen Stadtverordneten) oder auf einen Experten auf Gebiet B? Eine solche Kommunikation kommt nicht wirklich zustande, oder verläuft pro forma, oder aber, ist man ernsthaft an wirklichem Verstehen interessiert, man nimmt sich füreinander hinreichend viel Zeit.

In einer Welt wie der unseren, ist aber Zeit ein äußerst knappes Gut geworden. Ich selbst habe es über Jahre erlebt, dass wir zwar einen interdisziplinären, viele Fachbereiche und Disziplinen übergreifenden Studiengang gründen durften, aber die geltenden Kapazitätspläne, die festlegen, wie viel Zeit ein Lehrender für eine bestimmte Zahl von Studierenden aufwenden darf, sehen nicht vor, dass Lehrende aus verschiedenen Disziplinen natürlich einen erheblich höheren Zeitbedarf für die Vorbereitung, Abstimmung und Nachbereitung benötigen, da sie sich ja auch mit den verschiedenen Wissenshorizonten ihrer Kollegen-innen auseinander setzen müssen. Bei einem Lehrdeputat, das sowieso schon grenzwertig ist, führen daher freiwillige zusätzliche Kommunikationszeiten zu einer erheblichen Mehr- und letztlich grenzwertigen Belastung. Dabei ist diese individuelle Belastung ja gar nicht das zentrale Problem, sondern die Möglichkeit, einen pädagogisch und wissenschaftlich vertretbaren Konsens herzustellen (eine ähnliche Situation findet sich heute in vielen Schulen, wo durch Inklusion und erhöhten Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund die Anforderungen an das Lehrpersonal sehr gestiegen ist, ohne dass dafür von Kultusministerien zusätzlich hinreichende Unterstützungen bereitgestellt wurden).

Während also der Aufwand an Kommunikation erheblich steigt, wenn die Zahl der Beteiligten und die Anzahl der unterschiedlichen Wissenskulturen zunimmt, wird die Zeit für Prozesse konträr eher immer knapper, was die Prozessqualität unausweichlich verschlechtert.

SIMULIERTES DENKEN

Angesichts der wachsenden Komplexität von Sachverhalten und der Zunahme an unterschiedlichen Erfahrungswerten, die die einzelnen Personen in einem Problemlösungsprozess einbringen, hat sich im Bereich des Engineering schon seit Jahrzehnten durchgesetzt, dass man das versammelte Wissen zum Problem in Form von ‚Simulationen‚ für alle in gewisser Weise sichtbar macht. In besonderen Kontexten benutzt man sogar ‚interaktive Simulationen‚, die es erlauben, dass der einzelne direkte eigene Erfahrungen sammeln kann, wie das System, die Umgebung, die anderen Beteiligten, auf die eigenen Handlungen reagieren (plakative Beispiele: Flugsimulator, Autosimulator, Schiffssimulator). Die Komplexität heutiger Anwendungen und Situationen erlauben es nicht mehr, dass man alle Eventualitäten rein gedanklich ‚vorweg nimmt‘.

Lange Zeit waren solche Simulationen vornehmlich bei den Ingenieuren zu Hause. Militärische Manöver, Unternehmensspiele oder vielfältige Rollenspielszenarien verdeutlichen aber, dass Simulationen nicht auf rein technische Anwendungen beschränkt sein müssen. Und wenn heute (laut Statistik) im Jahr 2018 ca. 40 Mio Bundesbürger regelmäßig Computerspiele spielen (auch jenseits der 50!), online, auch in Teams mit anderen, dann zeigt dies, das das Format ‚interaktive Simulation‘ ein sehr allgemeines, leistungsfähiges Lern- und Kommunikationsformat ist.

Umso erstaunlicher ist es, dass dieses Format seinen Weg noch nicht in den Bereich von allgemeinen Kommunikations- und Problemlösungsverfahren (Planungsverfahren) gefunden hat.

NUR DREI SIND EINS

So grob die bisherige Systematik erscheint, die Faktoren Wissen (Erfahrung), Motivation und Kommunikation sind alle drei bis zu einem gewissen minimalen Grad notwendig, damit ein einzelner zu einem konstruktiven Prozess beitragen kann. Mangelndes Wissen kann prinzipiell mit Hilfe von Motivation und Kommunikation ‚aktiviert‘ werden; mangelnde Kommunikation kann auch mit Hilfe von Motivation und Wissen ‚aktiviert‘ werden; Mangelnde Motivation jedoch ist sehr schwer ‚aktivierbar‘. Dabei erscheint der Faktor Motivation der wichtigste und zugleich heikelste Faktor von allen dreien zu sein. Das ‚Aktivieren‘ eines Faktors, das heißt der nachträgliche ‚Erwerb‘ von Wissen oder Kommunikationsfähigkeit – oder auch Motivation — ist prinzipiell möglich, erfordert aber echte Anstrengungen und real Zeit, ohne Erfolgsgarantie.

FORTSETZUNG

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ZUR ENTDECKUNG DER VERGANGENHEIT UND ZUKUNFT IN DER GEGENWART. Zwischenbemerkung

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 10.Dez. 2017
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: cagent
Email: cagent@cognitiveagent.org

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IDEE

Wenn man gedanklich in komplexen Strukturen unterwegs ist, kann es bisweilen helfen, sich zwischen drin bewusst zu machen, wo man gerade steht,
worum es eigentlich geht. Dies ist so ein Moment.

I. BILDERFLUT AUS MÖGLICHKEIT

Wir leben in einer Zeit, wo die Technik die
Möglichkeit eröffnet hat, Bilder zu erschaffen, die
mehr oder weniger alles zum Gegenstand haben, auch
Unsinniges, Idiotisches, reinste Fantasien, explizite
Lügen, Verleumdungen, … und für einen normalen homo
sapiens, der – bei intaktem Sehvermögen – primär ein
visuell orientiertes Lebewesen ist, führt diese Bilderflut
dazu, dass die wahre Realität sich immer mehr auflöst
in dieser Bildersuppe. Selbst wenn die Bilder noch als
Science Fiction, Fantasy, Crime, … gelabelt werden, im
Gehirn entsteht eine Bildersuppe, wo sich wahres Reales
mit Irrealem zu einem Gebräu mischt, das den Besitzer
dieses Gehirns in einen Dauerzustand der zunehmenden
Desorientierung versetzt. Der einzelne Bildproduzent
mag vielleicht sogar redliche Absichten haben, aber die
Masse der irrealen Bilder folgt ihren eigenen Gesetzen.
Das einzelne Gehirn verliert Orientierungsmarken.
Die Bereitschaft und Neigung von Menschen aller
Bildungsschichten selbst mit Doktortiteln (!), beliebig
wirre populistische, fundamentalistische oder esoterische
Anschauungen über die Welt als ’wahr’ zu übernehmen,
ist manifest und erschreckend. Wenn die grundlegenden
Wahrheitsfähigkeit von Menschen versagt, weil das
Gehirn über zu wenig verlässlich Ankerpunkte in der
Realität verfügt, dann ist alles möglich. Ein alter Lehrsatz
aus der Logik besagt: Aus Falschem folgt alles.

More than Noise – But What?

II. RÜCKERINNERUNG AN DIE WAHRHEIT

In einem vorausgehenden – eher grundlegenden –
Blogeintrag sind jene elementaren Grundstrukturen angesprochen worden, durch die jeder homo sapiens eine elementare Wahrheitsfähigkeit besitzt, auch in
Kommunikation und Kooperation mit anderen.
Aus diesem Text geht hervor, dass es grundsätzlich
möglich ist, dass dies aber kein Selbstgänger ist,
keinen Automatismus darstellt. Das Gelingen von
Wahrheit erfordert höchste Konzentration, erfordert
kontinuierliche Anstrengung, und vor allem auch das
Zusammenspiel vieler Faktoren. Moderne Demokratien
mit einer funktionierenden Öffentlichkeit, mit einem
ausgebauten Bildungs- und Forschungssystem kommen
diesen wissenschaftsphilosophischen Anforderungen
bislang am nächsten.

Wer die Bedeutung dieser Mechanismen zur
Voraussetzung von Wahrheit kennt und sich die
reale Welt anschaut, der kann weltweit eine
starke Rückentwicklung dieser Strukturen und
Prozesse beobachten, eine weltweite Regression
von Wahrheitsprozessen. Die Folgen sind schon jetzt
katastrophal und werden sich eher verstärken. Den Preis
werden letztlich alle zahlen. Wer glaubt, man könne sich
in einem Teilprozess isolieren, der täuscht sich.
Allerdings, im Fall der Wahrheit gelten andere Regel
als rein physikalische: Wahrheit selbst ist ein nicht-
physikalisch beschreibbares Phänomen. Es entstand
gegen alle Physik, es entstand auf eine Weise, die wir
bislang noch nicht richtig verstehen, und es macht im
Ansatz alle zu Verlierern, die sich außerhalb stellen.
Genauso irrational, wie sich weltweit eine Regression
von Wahrheit ereignen kann – und aktuell ereignet –,
genauso bizarr ist zugleich, warum so viele Mächtige
solch eine ungeheure Angst vor Wahrheit haben
(schon immer). Warum eigentlich? Warum gibt es
diesen ungeheuren Drang dazu, andere Menschen
zu kontrollieren, Ihnen Meinungen und Verhalten
vorzuschreiben, Algorithmen zu entwickeln, die die
Menschen in Richtungen leiten sollen, die schon falsch
sind, als sie ausgedacht wurden?

Solange es nur einen einzigen Menschen auf dem
Planet Erde gibt, so lange gibt es die Chance für
Wahrheit. Und so lange es die Chance für Wahrheit gibt,
muss jeder, der Wahrheit verrät, unterdrückt, verleugnet
sich als Verräter sehen, als Feind des Lebens.

More Beyond Noise – How Far away? Which kind of Distance?

III. UNIVERSUM – ERDE – LEBEN

Wenn man zu ahnen beginnt, wie kostbar Wahrheit
ist, wie schwierig sie zu gewinnen ist, und wenn man
weiß, wie viele Milliarden Jahre das Leben auf der
Erde gebraucht hat, um wahrheitsfähig zu werden, auch
noch in den späten Phase der Lebensform homo bzw.
dann des homo sapiens, dann kann man umgekehrt
zu einer geradezu andächtigen Haltung finden, wenn
man sich anschaut, was die modernen experimentellen
Wissenschaften im Laufe der letzten Jahrhundert, sogar
erst in den letzten Jahrzehnten (!!!) alles offenlegen
konnten.

Man bedenke, was wir primär wahrnehmen, das
ist Gegenwart, und die unfassbaren Blicke zurück in
die Vergangenheit der Evolution des Lebens und des
Universums (und möglicher weiterer Universen) liegen
nicht auf der Straße! Die Gegenwart ist Gegenwart und
ihr, der Gegenwart, Hinweise auf eine Zeit davor zu
entlocken, das war – und ist – eine der größten geistigen
Leistungen des homo sapiens.

Die Vergangenheit kann sich ja niemals direkt zeigen,
sondern immer nur dann, wenn eine bestimmte Zeit
mit ihren Strukturen und Prozessen Artefakte erzeugt
hat, die im Fluss der Zeit dann später als Spuren,
Hinweise, vorkommen, die ein Lebewesen dieser neuen
Gegenwart dann auch als Hinweise auf eine andere Zeit
erkennt.

So hat die Geologie irgendwann bemerkt, dass die
verschiedenen Gesteinsschichten möglicherweise
Ablagerungen aus vorausgehenden Zeiten sind.
Entsprechend haben die Biologen aus Versteinerungen
auf biologische Lebensformen schließen können,
die ’früher einmal’ gelebt hatten, heute aber nicht
mehr oder, heute auch, aber eventuell verändert. Die
Physik entdeckte, dass aufgrund der unterschiedlichen
Leuchtkraft gleicher Sternphänomene große Entfernungen im Universum anzunehmen sind, und mit der Fixierung der Geschwindigkeit des Lichts konnte
man auch auf Zeiten schließen, aus denen dieses Licht
gekommen sein muss: man war plötzlich bei vielen
Milliarden Jahren vor der Gegenwart.
Diese wenigen und vereinfachten Beispiele können
andeuten, dass und wie in der Gegenwart Zeichen einer
Vergangenheit aufleuchten können, die unsere inneren
Augen des Verstehens in die Lage versetzen, die scheinbare Absolutheit der Gegenwart zu überwinden und langsam zu begreifen, dass die Gegenwart nur
ein Moment in einer langen, sehr langen Kette von
Momenten ist, und dass es Muster zu geben scheint,
Regeln, Gesetze, Dynamiken, die man beschreiben
kann, die ansatzweise verstehbar machen, warum dies
alles heute ist, wie es ist.

Es versteht sich von selbst, dass diese unfassbaren
Erkenntnisleistungen der letzten Jahrzehnte nicht nur
möglich wurden, weil der Mensch qua Mensch über
eine grundlegende Wahrheitsfähigkeit verfügt, sondern
weil der Mensch im Laufe der letzten Jahrtausende
vielerlei Techniken, Abläufe ausgebildet hat, die ihm
bei diesen Erkenntnisprozessen unterstützen. Man
findet sie im technischen Bereich (Messgeräte, Computer,
Datenbanken, Produktionsprozesse, Materialtechniken, …..), im institutionellen Training
(langwierige Bildungsprozesse mit immer feineren
Spezialisierungen), in staatlichen Förderbereichen, aber
auch – und vielleicht vor allem! – in einer Verbesserung
der Denktechniken, und hier am wichtigsten die
Ausbildung leistungsfähiger formaler Sprachen in vielen
Bereichen, zentral die Entwicklung der modernen
Mathematik. Ohne die moderne Mathematik und formale
Logik wäre fast nichts von all dem möglich geworden,
was moderne Wissenschaft ausmacht.

Wenn man um die zentrale Rolle der modernen
Mathematik weiß und dann sieht, welche geringe Wertschätzung Mathematik sowohl im
Ausbildungssystem wie in der gesamten Kultur einer
Gesellschaft (auch in Deutschland) genießt, dann kann
man auch hier sehr wohl von einem Teilaspekt der
allgemeinen Regression von Wahrheit sprechen.(Anmerkung: Es wäre mal eine interessante empirische Untersuchung, wie viel
Prozent einer Bevölkerung überhaupt weiß, was Mathematik ist. Leider
muss man feststellen, dass das, was in den Schulen als Mathematik
verkauft wird, oft nicht viel mit Mathematik zu tun hat, sondern mit
irgendwelchen Rechenvorschriften, wie man Zeichen manipuliert, die
man Zahlen nennt. Immerhin, mehr als Nichts.)

Im Zusammenspiel von grundlegender Wahrheitsfähigkeit, eingebettet in komplexe institutionelle Lernprozesse, angereichert mit wissensdienlichen
Technologien, haben die modernen experimentellen
Wissenschaften es also geschafft, durch immer
komplexere Beschreibungen der Phänomene und ihrer
Dynamiken in Form von Modellen bzw. Theorien, den
Gang der Vergangenheit bis zum Heute ansatzweise
plausibel zu machen, sondern auf der Basis dieser
Modelle/ Theorien wurde es auch möglich, ansatzweise
wissenschaftlich begründete Vermutungen über die
Zukunft anzustellen.

In einfachen Fällen, bei wenigen beteiligten Faktoren
mit wenigen internen Freiheitsgraden und für einen
begrenzten Zeithorizont kann man solche Vermutungen ü̈ber die Zukunft (kühn auch Prognosen genannt), einigermaßen überprüfen. Je größer die Zahl der
beteiligten Faktoren, je mehr innere Freiheitsgrade, je
weitreichender der Zeitrahmen, um so schwieriger wir
solch eine Prognose. So erscheint die Berechnung des
Zeitpunktes, ab wann die Aufblähung unserer Sonne
aufgrund von Fusionsprozessen ein biologisches Leben
auf der Erde unmöglich machen wird, relativ sicher
voraussagbar, das Verhalten eines einfachen Tieres in
einer Umgebung über mehr als 24 Stunden dagegen ist
schon fast unmöglich.

Dies kann uns daran erinnern, dass wir es in der
Gegenwart mit sehr unterschiedlichen Systemen zu
tun haben. Das Universum (oder vielleicht sogar die
Universen) mag komplex sein, aber es erweist sich
bislang als grundsätzlich verstehbar, ebenfalls z.B. die
geologischen Prozesse auf unserem Heimatplaneten
Erde; das, was die Biologen Leben nennen, also
biologisches Leben, entzieht sich aber den bekannten
physikalischen Kategorien. Wir haben es hier mit
Dynamiken zu tun, die irgendwie anders sind, ohne dass
es bislang gelingt, diese spezifische Andersheit adäquat
zu erklären.

Life is Energy…

IV. KOGNITIVER BLINDER FLECK

Eine Besonderheit des Gegenstandsbereiches
biologisches Leben ist, dass diejenigen, die es
untersuchen, selbst Teil des Gegenstandes sind.
Die biologischen Forscher, die Biologen – wie überhaupt
alle Forscher dieser Welt – sind selbst ja auch Teil
des Biologischen. Als Exemplare der Lebensform
homo sapiens sind sie ganz klar einer Lebensform
zugeordnet, die ihre eigene typische Geschichte hat,
die sich als homo sapiens ca. 200.000 Jahre entwickelt
hat mit einer Inkubationszeit von ca. 100.000 Jahren, in
denen sich verschiedene ältere Menschenformen verteilt
über ganz Afrika partiell miteinander vermischt haben.
Nach neuesten Erkenntnissen hat dann jener Teil, der
dann vor ca. 60.000/ 70.000 Jahren aus Ostafrika
ausgewandert ist, einige tausend Jahre mit den damals
schon aussterbenden Neandertalern im Gebiet des
heutigen Israel friedlich zusammen gelebt, was durch
Vermischungen dann einige Prozent Neandertaler-Gene
im Genom des homo sapiens hinterließ, und zwar bei
allen Menschen auf der heutigen Welt, die gemessen
wurden.

Die Tatsache, dass die erforschenden Biologen selbst
Teil dessen sind, was sie erforschen, muss nicht per
se ein Problem sein. Es kann aber zu einem Problem
werden, wenn die Biologen Methoden zur Untersuchung
des Phänomens biologisches Leben anwenden, die
für Gegenstandsbereiche entwickelt wurden, die keine
biologischen Gegenstände sind.

In der modernen Biologie wurden bislang sehr
viele grundlegende Methoden angewendet, die
unterschiedlichste Teilbereiche zu erklären scheinen: In
Kooperation mit der Geologie konnte man verschiedenen
Phasen der Erde identifizieren, Bodenbeschaffenheiten,
Klima, Magnetfeld, und vieles mehr. In Kooperation
mit Physik, Chemie und Genetik konnten die
Feinstrukturen von Zellen erfasst werden, ihre
Dynamiken, ihre Wechselwirkungen mit den jeweiligen
Umgebungen, Vererbungsprozesse, Generierung neuer
genetischer Strukturen und vieles mehr. Der immer
komplexere Körperbau konnte von seinen physikalisch-
mechanischen wie auch chemischen Besonderheiten her
immer mehr entschlüsselt werden. Die Physiologie half,
die sich entwickelnden Nervensysteme zu analysieren,
sie in ihrer Wechselwirkung mit dem Organismus
ansatzweise zu verstehen. und vieles mehr.

Die sehr entwickelten Lebensformen, speziell dann
der homo sapiens, zeigen aber dann Dynamiken, die
sich den bisher bekannten und genutzten Methoden
entziehen. Die grundlegende Wahrheitsfähigkeit des
homo sapiens, eingebunden in grundlegende Fähigkeit
zur symbolischen Sprache, zu komplexen Kooperation,
zu komplexen Weltbildern, dies konstituiert Phänomene
einer neuen Qualität. Der biologische Gegenstand homo
sapiens ist ein Gegenstand, der sich selbst erklären
kann, und in dem Maße, wie er sich selbst erklärt,
fängt er an, sich auf eine neue, bis dahin biologisch
unbekannte Weise, zu verändern.

Traditioneller Weise gab es in den letzten
Jahrtausenden spezielle Erklärungsmodelle zum
Phänomen der Geistigkeit des homo sapiens, die
man – vereinfachend – unter dem Begriff klassisch-
philosophische Erklärung zusammen fassen kann.
Dieses Erklärungsmodell beginnt im Subjektiven und
hat immer versucht, die gesamte Wirklichkeit aus der
Perspektive des Subjektiven zu erklären.

Die Werke der großen Philosophen – beginnend
mit den Griechen – sind denkerische Großtaten,
die bis heute beeindrucken können. Sie leiden
allerdings alle an der Tatsache, dass man aus der
Perspektive des Subjektiven heraus von vornherein
auf wichtige grundlegende Erkenntnisse verzichtet
hatte (in einer Art methodischen Selbstbeschränkung,
analog der methodischen Selbstbeschränkung der
modernen experimentellen Wissenschaften). Das,
was diese subjekt-basierte und subjekt-orientierte
Philosophie im Laufe der Jahrtausende bislang erkannt
hat, wird dadurch nicht falsch, aber es leidet daran,
dass es nur einen Ausschnitt beschreibt ohne seine
Fundierungsprozesse.

Eigentlich ist das Subjektive (oder das ’Geistige’,
wie die philosophische Tradition gerne sagt) das
schwierigste Phänomen für die moderne Wissenschaft, das provozierendste, aber durch die frühzeitige Selbstbeschränkung der Biologie auf die bisherigen
Methoden und zugleich durch die Selbstbeschränkung
der klassischen Philosophie auf das Subjektive wird
das Phänomen des Lebens seiner Radikalität beraubt.
Es wird sozusagen schon in einer Vor-Verabredung der
Wissenschaften entmündigt.

In einem Folgeartikel sollte dieser blinde Fleck der
Wissenschaften in Verabredung mit der Philosophie
nochmals direkt adressiert werden, etwa: Das Subjektive
im Universum: Maximaler Störfall oder Sichtbarwerdung
von etwas radikal Neuem?

KONTEXT BLOG

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WAHRHEIT ALS UNABDINGBARER ROHSTOFF EINER KULTUR DER ZUKUNFT

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 20.Nov. 2017
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: cagent
Email: cagent@cognitiveagent.org

ÜBERSICHT


I Zukunft als Politischer Zankapfel 1
II Wahrheit als Chance 2
III Wahrheit als Betriebssystem einer Kultur  2
III-A Überwindung des Augenblicks . . . .2
III-B Das ’Äußere’ als ’Inneres’ . . . . . .2
III-C Das ’Innere’ als ’Außen’ und als ’Innen’ 3
III-D Fähigkeit zur Wahrheit . . . . . . . . 3
III-E Bindeglied Sprache . . . . . . . . . . 4
IV Wahrheit durch Sprache? 4
V Wahrheit in Freiheit 5
VI Energie 5
VII Wahrheit durch Spiritualität 6
VIII Intelligente Maschinen 7
IX Der homo sapiens im Stress-Test 8
X ’Heilige’ Roboter 8
XI Singularität(en) 9
XII Vollendung der Wissenschaften 10
Quellen: 11

 

ZUSAMMENFASSUNG

Nachdem es in diesem Blog schon zahlreiche
Blogbeiträge zum Thema Wahrheit gab, geht es in diesem
Beitrag um die wichtige Ergänzung, wie Wahrheit mit einer
Kultur der Zukunft zusammenspielt. Hier wird aufgezeigt,
dass eine Kultur der Zukunft ohne Wahrheit unmöglich
ist. Wahrheit ist der entscheidende, absolut unabdingbare
Rohstoff für eine Kultur der Zukunft.

Für den vollständigen Text siehe das PDF-Dokument.

KONTEXT BLOG

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MENSCHENBILD – VORGESCHICHTE BIS ZUM HOMO SAPIENS – Überlegungen

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 27.August 2017
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

Letzte Altualisierung: 27.Aug.2017 - 17:37h
Es gibt eine Weiterentwicklung dieses Beitrags in einem Folgebeitrag!

PDF

Überblick

Eingeleitet durch wissenschaftsphilosophische
Überlegungen wird versucht, die Entwicklung der
Säugetiere bis hin zum homo sapiens anhand der aktuellen
Forschungsdaten abzubilden. Das Hauptaugenmerk liegt
auf der allgemeinen Struktur. Für die vielen Details sei auf
die Literatur verwiesen, die angegeben wird.

I. KONTEXT

Eine der Leitfragen dieses Blogs ist die Frage nach
dem neuen Menschenbild, speziell auch im Kontext
der Diskussion um die Zukunft von Menschen und
intelligenten Maschine.

Wer nach der Zukunft des Menschen fragt,
braucht ein gutes Bild vom aktuellen Menschen und
seiner Entstehungsgeschichte, um auf dieser Basis
Überlegungen zu einer möglichen Zukunft anstellen zu
können.

Während zur biologischen Evolution allgemein schon
einige Blogbeiträge geschrieben wurden, fehlt es im Blog
an konkreten Daten zur Entwicklung unmittelbar vor dem
Auftreten des homo sapiens, etwa in dem Zeitfenster -10
Mio Jahren bis ca. -30.000 Jahren vor dem Jahr 0. Dies
soll hier in einem ersten Beitrag nachgeholt werden.

II. WISSENSCHAFTLICHE SICHTWEISEN

Bei der Frage nach der Entwicklung des homo
sapiens spielen mehrere wissenschaftliche Disziplinen
ineinander. Einmal ist es die Geologie (Siehe: [WD17g]),
die den Kontext Erde untersucht; dann die Klimatologie
(Siehe: [WD17n]), die sich mit den klimatischen
Verhältnissen im Kontext Erde beschäftigt. Für das
Phänomen des Lebens selbst ist die Biologie zuständig,
speziell die Evolutionsbiologie (Siehe: [SWW13],
[WD17e]). Als Teil der Evolutionsbiologie sind noch
zu nennen die Molekularbiologie (Siehe: [WD17s]) mit
der Genetik (Siehe: [WD17f]). Ferner könnte man als
Teil der Evolutionsbiologie auch noch die Paläontologie
(Siehe: [WD17u], [Par15]) nennen und auch die
Archäologie (Siehe: [WD17a]). Wobei das Wechselspiel
von Evolutionsbiologie und Archäologie nicht ganz
so klar erscheint. Viele weitere wissenschaftliche
Disziplinen tauchen innerhalb der genannten Disziplinen
in unterschiedlichsten Kontexten auf.

Diese Vielfalt spiegelt ein wenig die Komplexität der
Phänomene wieder, um die es hier geht. Der Autor
cagent selbst betrachtet die hier zu verhandelnden
empirischen Phänomene aus Sicht der Philosophie
mit den Schwerpunkten Erkenntnisphilosophie, die
Überschneidungen hat mit Phänomenen wie z.B.
‚Lernen’ und ’Intelligenz’. Dies sind Themen, die
feste Orte auch in der Psychologie haben, heute
oft parallelisiert mit der Gehirnforschung (letztere
methodisch gesehen ein Teil der Biologie).

Angesichts dieser Komplexität ist es praktisch
unmöglich, ein völlig konsistentes, einheitliches Bild der
Phänomene zu zeichnen. An dieser Stelle ist es das
Anliegen von cagent, einen ’hinreichenden’ Überblick
über die ’unmittelbare’ Vorgeschichte des homo sapiens
zu bekommen.

Der homo sapiens ist jene biologische Art (Spezies),
die zur Gattung homo gerechnet wird, die sich aus
dem biologischen Formenstrom über Jahrmillionen
herausgeschält hat. Es zeigt sich, dass die zeitliche
Abgrenzung, wann genau ’das Menschliche’ anfängt,
und wann das ’Tierische’ aufhört, irgendwie beliebig
erscheint. Der homo sapiens ab ca. -30.000 besitzt
natürlich Eigenschaften, die wir beschreiben können
wie Körperbau, genetisch bestimmte Erbanlagen,
typische Verhaltensweisen, aber diese Eigenschaften
tauchen nicht abrupt in der Geschichte auf, sind nicht
irgendwann einfach so da, sondern man findet in
der vorausgehenden Zeit eine große Formenvielfalt
in den Artefakten, mit unterschiedlichen genetischen
Distanzen zum heutigen homo sapiens. Daraus muss
man schließen, dass es einen viele Millionen dauernden
Prozess des Formenwandels gab, innerlich genetisch
und äußerlich durch die jeweiligen geologischen und
klimatologischen Verhältnisse beeinflusst, die sich
zudem noch verknüpfen mit der jeweiligen Pflanzen- und
Tierwelt. Alle diese genannten Faktoren waren selbst
einem kontinuierlichen Wandel unterworfen.

Wenn die Grenzziehung zwischen dem ’Tierischen’
und dem ’Menschlichen’ von daher nicht ganz scharf
gezogen werden kann, ist auch eine Zeitangabe dazu,
wie weit zurück in der Zeit man gehen soll, um die
Vorgeschichte’ zu beschreiben, relativ, d.h. abhängig
von den Kriterien, die man bei der Analyse anlegen
will.

In diesem Beitrag wurde der Startpunkt für die
Beschreibung bei den Lebensformen gewählt, die die
Biologen ’Primaten’ nennen, und zwar spezieller den
Punkt der Aufspaltung in die Strepsirrhini und Haplorhini
(Siehe: [WE17l] und [WD17r]), die sich um etwa -80
Mio Jahren ereignet haben soll. Aus Sicht der heutigen
menschlichen Geschichte, wo 100 Jahre oder gar 1000
Jahre eine lange Zeit sind, wirken diese 80 Millionen
Jahre sehr, sehr lang. Innerhalb der Geschichte des
Lebens mit ca. 3.5 Milliarden Jahre fallen die 0.08 Mrd
Jahre seit dieser Aufspaltung nahezu kaum ins Gewicht,
es sind gerade mal 2.2% der gesamten Entwicklungszeit
des biologischen Lebens. Betrachtet man dagegen nur
die Zeit seit dem Auftreten der Lebensform homo, die
dem heute bekannten Menschlichem schon nahe kommt
(etwa ab -2.5 Mio), dann schrumpft der Zeitanteil auf
0.071 % der Entwicklungszeit des biologischen Lebens
zusammen. Umgerechnet auf das 12-Stunden Ziffernblatt
einer Uhr mit 720 Minuten würde die Entstehung der
Lebensform homo die letzte halbe Minute auf dem
Ziffernblatt ausmachen. Die Lebensform homo sapiens,
zu der wir uns zählen, tauchte frühestens um -190.000 in
Afrika auf. Das wären auf dem Ziffernblatt dann (bei ca.
81.000 Jahren pro Sekunde) die letzten 2.3 Sekunden.

Im Spiel des Lebens erscheint dies nicht viel. Betrachtet
man aber, was sich allein in den letzten ca. 10.000
Jahren ereignet hat, und hier speziell nochmals in den
letzten 100 Jahren, dann legt sich der Schluss nahe,
dass die Lebensform homo sapiens offensichtlich über
Fähigkeiten verfügt, die gegenüber der Vorgeschichte
von ca. 3.5 Mrd Jahren etwas qualitativ ganz Neues
sichtbar macht. Autor cagent ist sich nicht sicher,
ob der homo sapiens selbst bislang wirklich begreift,
was hier passiert, welche Rolle er in diesem Prozess
spielt. Auf der einen Seite zeichnet sich eine immer
größere Zerstörungskraft ab (die auch stattfindet), auf
der anderen Seite deuten sich konstruktive Potentiale
an, die alles übersteigen, was bislang vorstellbar war.

III. DEUTUNGEN: MATERIAL, MUSTER, FUNKTION, KONTEXTE

Die Tätigkeit der eingangs erwähnten Wissenschaft
kann man verstehen als eine Deutung, ausgeführt in
einem Deutungsprozess. Diese Deutung beginnt bei der
Bestimmung der Substanzen/ Materialien, die Forscher
vorfinden. Ist das eine Gesteinsart, sind das Knochen,
sind das pflanzliche Bestandteile …. ? Ein anderer
Aspekt ist die Frage nach ’Formen’ und ’Mustern’:
kann man an dem Material auffällige Formen oder
Muster erkennen, dann auch im Vergleich zu anderen
Materialien? Schließlich auch die Frage nach möglichen funktionalen Zusammenhängen’: wenn es ein Knochen
ist, in welchem Zusammenhang eines Knochengerüsts
kommt er vor? Wenn etwas ein Zahn sein soll, wie sah
das zugehörige Gebiss aus? Oder ist dieser Knochen Teil
eines Werkzeugs, einer zu unterstellenden Handlung,
die das Stück benutzt hat? Schließlich, in welchem
Kontext kommt ein Material vor? Ist es zufälliger Kontext,
ein Kontext durch einen geologischen Prozess, ein
Kontext erzeugt durch Verhalten von Lebewesen?
Schon bei diesen Fragen bieten sich eine Vielzahl von
Deutungsmöglichkeiten, bestehen viele Ungewissheiten.

IV. DEUTUNGEN 2: ZEITLICHE ABFOLGE

Was Forscher zur Evolutionsbiologie besonders
interessiert, ist das Erfassen von zeitlichen Abfolgen:
unter Voraussetzung eines bestimmten Zeitmaßes
möchte die Evolutionsbiologie wissen, ob ein
Gegenstand/ Artefakt A im Sinne des Zeitmaßes ‚vor’ oder ’nach’ einem anderen Gegenstand/ Artefakt B ‚anzuordnen’ ist.
Diese Frage macht nur Sinn, wenn man neben
einem definierten Zeitmaß auch annehmen darf
(muss), dass sich die Erde als Generalumgebung aller
vorfindbaren Materialien/ Artefakte grundsätzlich in
einem Veränderungsmodus befindet, dass also die
Erde zu zwei verschiedenen Zeitpunkten grundsätzlich
verschieden sein kann.

Dass sich am Kontext Erde Veränderungen feststellen
lassen, dies haben Menschen schon sehr früh erleben
können: Temperatur, Regen oder nicht Regen, Tag und
Nacht, Wachstum der Pflanzen, Geboren werden und
Sterben, usw. Es passierte aber erst im 17.Jahrhundert,
dass die Fragestellung nach dem Vorher und Nachher in
der Entwicklung der Gesteine mit Nils Stensen (nicolaus
steno) eine systematische Form fand, aus der sich nach
und nach die moderne Geologie entwickelte (Siehe:
[WD17h]).

Erst durch die wissenschaftliche Geologie wissen
wir zunehmend, dass die Erde selbst ein dynamisches
System ist, das sich beständig verändert, wo sich
ganze Kontinente bilden, verschieben, verformen; wo
Vulkanismus stattfindet, Erosion, Klimaänderungen, und
vieles mehr. Erst durch die geologische Sehweise konnte
man nicht nur verschiedene Zustände der Erde entlang
einem definierten Zeitmaß identifizieren, sondern damit
dann auch Veränderungen in der Zeit’ sichtbar machen.

Dieses geologische Wissen vorausgesetzt,  besteht
plötzlich die Möglichkeit, ein Material/ Artefakt einer
erdgeschichtlichen Phase, einem Zeitpunkt in einem
Veränderungsprozess, zuzuordnen. Die Geologie hat – mittlerweile unterstützt durch viele Spezialgebiete, wie z.B. auch die Klimatologie (Siehe:
[WD17n]) – unter anderem eine zeitliche Abfolge von
Vulkanausbrüchen in den verschiedenen Regionen
der Erde identifizieren können und auch das sich
verändernde Klima.

So spricht man in der Klimatologie von sogenannten
Eiszeitaltern’ (Siehe: [WD17d]). In der schwachen
Version einer Definition von Eiszeitalter geht man davon
aus, dass mindestens eine Polkappe vereist ist. Die
letzte Eiszeit dieser Art fand statt um -33.5 Mio Jahren.
In der starken Version geht man davon aus, dass beide
Polkappen vereist sind. Die letzte Eiszeit dieser Art
begann um ca. -2.7 Mio Jahren und hält bis heute
an. In dieser Zeit gab es unterschiedliche Kalt- und
Warm-Phasen. Seit ca. -1 Mio Jahren haben sich 6
mal Kaltzeiten wiederholt: ca. -0.9 Mio, -0.77 Mio, -0.6
Mio, -0.48 Mio, -0.35 Mio, -12.000 (siehe: [WD17o],
[Rot00]:SS.173ff ).

Ein anderer starker Faktor, der das Klima
beeinflussen kann, sind Supervulkanausbrüche
(Siehe: [WD17w]). Hier eine Zusammenstellung
von Eiszeitaltern mit Kaltphasen in Kombination mit
den Supervulkanausbrüchen sofern sie das frühe
Ausbreitungsgebiet von homo und homo sapiens berührt
haben (wobei auch andere große Ausbrüche sich
weltweit auswirken konnten)(man beachte, dass die
Zeitangaben mit großen Unschärfen versehen sind):

  • Eiszeit: ab ca. -2.7 Mio Jahren
  • Vulkan:-1 Mio Äthiopien
  • Vulkan: -788.000 Indonesien
  • Kaltzeit: ca. -0.77 Mio Jahren
  • Kaltzeit: ca. -0.6 Mio Jahren
  • Vulkan: -500.000 (+/- 60.000) Äthiopien
  • Kaltzeit: ca. -0.48 Mio Jahren
  • Vulkan: -374.000 Italien
  • Kaltzeit: ca. -0.35 Mio Jahren
  • Vulkan:-161.000 Griechenland
  • Vulkan: -74.000 Indonesien
  • Vulkan:-50.000 Italien
  • Vulkan:-39.000 Italien
  • Kaltzeit: ca. -12.000

Bei der Entstehung von Eiszeiten spielen eine Vielzahl
von Faktoren eine Rolle, die ineinandergreifen. Sofern
es sich um periodische Faktoren handelt, kann sich dies
auf den Periodencharakter von Kalt- und Warmzeiten
auswirken (siehe: [WD17o], [Rot00]:SS.173ff ). Die globale Erwärmung, die
aktuell beklagt wird, ist ein Ereignis innerhalb eines noch
existierenden Eiszeitalters. Insofern ist die Erwärmung
eigentlich keine Anomalie, sondern eher die Rückkehr
zum ’Normalzustand’ ohne Eiszeitalter. Wobei sich
natürlich die Frage stellt, welcher Zustand der Erde ist
eigentlich ’normal’? Kosmologisch betrachtet – und darin
eingebettet die Wissenschaften von der Erde – wird
die Erde in einem Zustand enden, der nach heutigem
Wissen absolut lebensfeindlich sein wird (siehe: [WD17p],
[WE17b], [WE17c]). Für die Erde ist dieser Zustand
normal’, weil es dem physikalischen Gang der Dinge
entspricht, aus Sicht der biologischen Lebensformen
ist dies natürlich überhaupt nicht ’normal’, es ist ganz
und gar ’fatal’.

Insofern wird hier schon deutlich, dass
die innere Logik des Phänomens ‚biologisches Leben‘
nicht automatisch kongruent ist mit einem aktuellen
Lebensraum. Das Phänomen des biologischen Lebens
manifestiert einen Anspruch auf Geltung, für den
es im Licht der physikalischen Kosmologie keinen
natürlichen’ Ort gibt. Das biologische Leben erscheint
von daher als eine Art ’Widerspruch’ zum bekannten
physikalischen Universum, obgleich es das physikalische
Universum ist, das das biologische Leben mit ermöglicht.

V. DEUTUNGEN 3: ENTWICKLUNG VON KOMPLEXITÄT

Wenn man so weit vorgestoßen ist, dass man
Materialien/ Artefakte auf einer Zeitachse anordnen kann,
dann kann man auch der Frage nachgehen, welche
möglichen Veränderungen sich entlang solch einer
Zeitachse beobachten lassen: Bleibt alles Gleich? Gibt
es Änderungen? Wie lassen sich diese Veränderungen
klassifizieren: werden die beobachtbaren Phänomene
einfacher’ oder ’komplexer’?

Um solche eine Klassifikation in ’einfach’ oder
komplex’ vorzunehmen, braucht man klare Kriterien für
diese Begriffe. Aktuell gibt es aber keine einheitliche, in
allen Disziplinen akzeptierte Definition von ’Komplexität’.

In der Informatik wird ein Phänomen relativ zu
einem vorausgesetzten Begriff eines ’Automaten’ als
komplex’ charakterisiert: je nachdem wie viel Zeit
solch ein Automat zur Berechnung eines Phänomens
benötigt oder wie viel Speicherplatz, wird ein Phänomen
als mehr oder weniger ’komplex’ eingestuft (Siehe
dazu: [GJ79]). Dieser vorausgesetzte Automat ist eine
sogenannte ’Turingmaschine’. Dieses Konzept entstand
in der Grundlagendiskussion der modernen Mathematik
um die Wende vom 19. zum 20.Jahrhundert, als sich
die Mathematiker (und Logiker) darüber stritten, unter
welchen Bedingungen ein mathematischer Beweis
für einen Menschen (!) als ’nachvollziehbar’ gelten
kann. Nach gut 30 Jahren heftigster Diskussionen fand
man mehrere mathematische Konzepte, die sich als
äquivalent erwiesen. Eines davon ist das Konzept der
Turingmaschine, und dieses gilt als das ’einfachste’
Konzept von allen, das sich seit 1936/7 bisher in
allen Widerlegungsversuchen als stabil erwiesen hat.
Dies ist zwar selbst kein unwiderleglicher logischer
Beweis, aber ein empirisches Faktum, was alle Experten
bislang glauben lässt, dass mit diesem Konzept eine
zentrale Eigenschaft des menschlichen Denkens
eine konzeptuelle Entsprechung gefunden hat, die
sich formal und empirische experimentell überprüfen
lässt. So, wie die Physiker zum Messen Standards
entwickelt haben wie das ’Kilogramm’, das ’Meter’
oder die ’Sekunde’, so haben die Informatiker zum
Messen der ’Komplexität’ eines Phänomens relativ zur
(menschlichen) Erkenntnisfähigkeit die ’Turingmaschine’
(samt all ihren äquivalenten Konzepten) gefunden. Der
Vorteil dieser Definition von Komplexität ist, dass man
über das zu klassifizierende Phänomen vorab nahezu
nichts wissen muss. Darüber hinaus macht es Sinn, das
menschliche Erkennen als Bezugspunkt zu wählen, da
die Frage der Komplexität jenseits des menschlichen
Erkennens keinen wirklichen Ort hat.

Zurück zum Ausgangspunkt, ob sich im ’Gang der
Dinge’ auf der Erde Phänomene erkennen lassen,
die ’im Lauf der Zeit’ an Komplexität zunehmen,
deutet sich Folgendes an: es scheint unbestritten,
dass die Beschreibung einer biologischen ’Zelle’
(siehe: [AJL+15]) einen erheblich größeren Aufwand
bedeutet als die Beschreibung eines einzelnen Moleküls.
Zellen bestehen aus Milliarden von Molekülen, die
in vielfältigsten funktionellen Zusammenhängen
miteinander wechselwirken. Der Übergang von einzelnen
Molekülen zu biologischen Zellen erscheint von daher
gewaltig, und es ist sicher kein Zufall, dass es bis heute
kein allgemein akzeptiertes Modell gibt, das diesen
Übergang vollständig und befriedigend beschreiben
kann.

Für den weiteren Verlauf der biologischen Evolution
gibt es zahllose Phänomene, bei denen eine Vielzahl
von Faktoren darauf hindeuten, dass es sich um eine
Zunahme von Komplexität’ im Vergleich zu einer
einzelnen Zelle handelt, wenngleich manche dieser
Komplexitäts-Zunahmen’ Milliarden oder hunderte von
Millionen Jahre gebraucht haben. Im Fall der Entwicklung
zum homo sapiens ab ca. -80 Millionen Jahre gibt es
auch solche Phänomene, die sich aber immer weniger
nur alleine im Substrat selbst, also im Körperbau
und im Gehirnbau, festmachen lassen, sondern wo
das ’Verhalten’ der Lebewesen ein Indikator ist für
immer komplexere Wechselwirkungen zwischen den
Lebewesen und ihrer Umwelt.

Der Körper des homo sapiens selbst umfasst ca.
37 Billionen (10^12) Körperzellen, dazu im Innern des
Körpers geschätzte ca. 100 Billionen Bakterien, und
zusätzlich auf der Körperoberfläche ca. 224 Milliarden
Bakterien (siehe dazu [Keg15]). Diese ca. 137 Billionen
Zellen entsprechen etwa 437 Galaxien im Format
der Milchstraße. Während Menschen beim Anblick
des Sternenhimmels zum Staunen neigen, bis hin
zu einer gewissen Ergriffenheit über die Größe (und
Schönheit) dieses Phänomens, nehmen wir einen
anderen menschlichen Körper kaum noch wahr (falls
er sich nicht irgendwie auffällig ’inszeniert’). Dabei
ist der menschliche Körper nicht nur 437 mal größer in seiner Komplexität
als die Milchstraße, sondern jede einzelne Zelle ist
ein autonomes Individuum, das mit den anderen auf
vielfältigste Weise interagiert und kommuniziert. So kann
eine einzelne Gehirnzelle bis zu 100.000 Verbindungen
zu anderen Zellen haben. Körperzellen können über
elektrische oder chemische Signale mit vielen Milliarden
anderer Zellen kommunizieren und sie beeinflussen.
Bakterien im Darm können über chemische Prozesse
Teile des Gehirns beeinflussen, das wiederum aufgrund dieser Signale Teile des
Körpers beeinflusst. Und vieles mehr. Obgleich
die Erfolge der modernen Wissenschaften in den letzten
20 Jahren geradezu atemberaubend waren, stehen wir
in der Erkenntnis der Komplexität des menschlichen
Körpers noch weitgehend am Anfang. Niemand hat
bislang eine umfassende, zusammenhängende Theorie.

Dazu kommen noch die vielen immer komplexer
werden Muster, die sich aus dem Verhalten von
Menschen (und der Natur) ergeben. Zusätzlich wird das Ganze
stark beeinflusst von modernen Technologi wie z.B. der
Digitalisierung.

VI. DEUTUNGEN4: SELBSTREFERENZ: CHANCE UND
RISIKO

Ist man also zur Erkenntnis einer Zunahme an
Komplexität vorgestoßen, gerät das Erkennen vermehrt
in einen gefährlichen Zustand. Das Erkennen von
Zunahmen an Komplexität setzt – nach heutigem
Wissensstand – symbolisch repräsentierte ’Modelle’
voraus, ’Theorien’, mittels deren das menschliche
(und auch das maschinelle) Denken Eigenschaften
und deren Anordnung samt möglichen Veränderungen
repräsentieren’. Sobald ein solches Modell vorliegt, kann
man damit die beobachteten Phänomene ’klassifizieren’
und in ’Abfolgen’ einordnen. Die ’Übereinstimmung’
von Modell und Phänomen erzeugt psychologisch ein
befriedigendes’ Gefühl. Und praktisch ergibt sich daraus
meist die Möglichkeit, zu ’planen’ und Zustände ’voraus
zu sagen’.

Je komplexer solche Modelle werden, um so größer
ist aber auch die Gefahr, dass man nicht mehr so leicht
erkennen kann, wann diese Modelle ’falsch’ sind. Solche
Modelle stellen Zusammenhänge (im Kopf oder in der
Maschine) her, die dann vom Kopf in die Wirklichkeit
außerhalb des Körpers ’hinein gesehen’ werden, und
mögliche Alternativen oder kleine Abweichungen können
nicht mehr so ohne weiteres wahrgenommen werden.
Dann hat sich in den Köpfen der Menschen ein bestimmtes
Bild der Wirklichkeit ’festgesetzt’, das auf Dauer
fatale Folgen haben kann. In der Geschichte der empirischen
Wissenschaften kann man diese Prozesse mit
zahlreichen Beispielen nachvollziehen (siehe den Klassiker:
[Kuh62]). Dies bedeutet, je umfassender Modelle
des Erkennens werden, um so schwieriger wird es auf
Dauer – zumindest für das aktuelle menschliche Gehirn
das ’Zutreffen’ oder ’Nicht-Zutreffen’ dieser Modelle
zu kontrollieren.

Nachdem mit dem Gödelschen ’Unentscheidbarkeitstheorem’
schon Grenzen des mathematischen Beweisens sichtbar wurden (Siehe: [WD17q]),
was dann mit der Heisenbergschen ’Unschärferelation’
(Siehe: [WD17j]) auf das empirischen Messen erweitert
wurde, kann es sein, dass das aktuelle menschliche
Gehirn eine natürliche Schranke für die Komplexität
möglicher Erklärungsmodelle bereit hält, die unserem
aktuellen Erkennen Grenzen setzt (Grenzen des Erkennens
werden im Alltag in der Regel schon weit vorher
durch psychologische und andere Besonderheiten des
Menschen geschaffen).

VII. PERIODISIERUNGEN: BIS HOMO SAPIENS

Wie schon angedeutet, ist das Vornehmen einer
Periodisierung ein Stück willkürlich. Autor cagent hat
den Zeitpunkt der Aufspaltung der Primaten um etwa
-80 Mio Jahren vor dem Jahr 0 gewählt. Dabei gilt
generell, dass solche Zeitangaben nur Näherungen sind,
da die zugehörigen Wandlungsprozesse sich immer als
Prozess über viele Millionen Jahre erstrecken (später
dann allerdings immer schneller).

Bei der Datierung von Artefakten (primär
Knochenfunden, dazu dann alle weiteren Faktoren,
die helfen können, den zeitlichen Kontext zu fixieren),
gibt es einmal den Ansatzpunkt über die äußere und
materielle Beschaffenheit der Artefakte, dann aber
auch – im Falle biologischer Lebensformen – den
Ansatzpunkt über die genetischen Strukturen und
deren Umformungslogik. Über die Genetik kann man
Ähnlichkeiten (Distanzen in einem Merkmalsraum)
zwischen Erbanlagen feststellen sowie eine ungefähre
Zeit berechnen, wie lange es gebraucht hat, um von
einer Erbanlage über genetische Umformungen zu
einer anderen Erbanlage zu kommen. Diese genetisch
basierten Modellrechnungen zu angenommenen Zeiten
sind noch nicht sehr genau, können aber helfen,
die Materie- und Formen-basierten Zeitangaben zu
ergänzen.

  • Ordnung: Primates (Siehe: [SWW13]:Kap.5.2)
    (Aufteilung ab ca. -80 Mio) –->Strepsirrhini (Lorisi-,
    Chiromyi-, Lemuriformes) und Haplorhini (Tarsier,
    Neu- und Altweltaffen (einschließlich Menschen))
    (Siehe: [SWW13]:S.428,S.432, S.435 [WE17l],
    [WD17r])
  • Unterordnung: Haplorrhini (Aufteilung ab ca. -60
    Mio) (Siehe: [WE17l]) –->Tarsiiformes und Simiiformes
    Nebenordnung: Simiiformes (Aufteilung ab ca. –
    42.6 Mio) -–>Platyrrhini (Neuwelt- oder Breitnasenaffen)
    und Catarrhini (Altwelt- oder Schmalnasenaffen)
    (Siehe: Siehe: [SWW13]:S.428, [WE17l])
  • Teilordnung: Catarrhini (Altwelt- oder Schmalnasenaffen)
    (Aufteilung ab ca. -29/-25 Mio) -–>Cercopithecoidea
    (Geschwänzte Altweltaffen) und Hominoidea
    (Menschenartige) (Siehe: Siehe: [WE17l] und
    [WD17r])

    • Überfamilie: Hominoidea (Menschenartige)
      (Aufteilung ab ca. -20 Mio/ -15 Mio) –>Hylobatidae
      (Gibbons)und Hominidae (Große Menschenaffen
      und Menschen) (Siehe: [WD17r])
    • Aufspaltung der Menschenaffen (Hominidae) in die
      asiatische und afrikanische Linie (ca. -11 Mio)
      (Siehe: [WD17r])

      • Familie: Hominidae (Menschenaffen)(Aufteilung ab
        ca. -15Mio/-13 Mio in Afrika) –>Ponginae (Orang-
        Utans) und Homininae (Siehe: [WD17r])

        • Unterfamilie: Homininae
          Aufteilung der Homininae (ab ca. -9 Mio/ -8 Mio) –>
          Tribus: Gorillini und Hominini (Siehe: [WE17d])

          • Gattung: Graecopithecus (Süden von Griechenland)
          • Spezies/ Art: Graecopithecus freybergi (Siehe: [WD17i]) (ca. -7.2 Mio)
          • Gattung: Sahelanthropus (ab ca. -7.0/ -6.0 Mio)
          • Spezies/ Art: Sahelanthropus tchadensis
            (Siehe: [WD17v] [WE17k]) (im Tschad)
        • Tribus (Stamm/ Tribe): Hominini
        • Aufteilung der Hominini (ab ca. -6.6/-4.2 Mio)
          (Siehe: [SWW13]:S.435, [WE17d]) -–>Pan
          (Schimpansen) und Homo (Die Lebensform
          Panina bildet einen Unterstamm zum
          Stamm ’homini’. Für die Trennung zwischen
          Schimpansen (Pan) und Menschen (Homo) wird
          ein komplexer Trennungsprozess angenommen,
          der viele Millionen Jahre gedauert hat. Aktuelle
          Schätzungen variieren zwischen ca. -12 Mio und
          -6-8 Mio Jahren (Siehe: [WE17a])

          • Gattung: Orrorin tugenensis (ab ca. -6.2 bis
            ca. -5.65 Mio) (Siehe: [WD17t])
          • Gattung: Ardipithecus (ab ca. -5.7 Mio bis ca.
            -4.4 Mio) (Siehe: [WD17b])
          • Gattung: Australopithecus anamensis (ab
            ca. -4.2 Mio bis ca. -3.9 Mio) (Siehe:
            [SWW13]:S.475f)
          • Gattung: Australopithecus (ab ca. -4 Mio bis
            ca. -2/-1.4 Mio) (Siehe: [SWW13]:S.475f)
          • Gattung: Australopithecus afarensis (ab
            ca. -3.5 Mio bis ca. -3 Mio) (Siehe:
            [SWW13]:S.476)
          • Gattung: Kenyanthropus platyops (ab ca. –
            3.5/ -3.3 Mio) (Siehe: [WD17m]) Kann
            möglicherweise auch dem Australopithecus
            zugerechnet werden (Siehe: [SWW13]:S.475,
            479).
          • Gattung: Australopithecus africanus (ab
            ca. -3.2 Mio bis ca. -2.5 Mio) (Siehe:
            [SWW13]:S.477)
          • Gattung: Australopithecus ghari (um ca.- 2.5
            Mio) (Siehe: [SWW13]:S.477)
          • Gattung: Paranthropus (Australopithecus)
            (ab ca. -2.7 Mio) (Siehe: [WE17j]).
            Kann möglicherweise auch dem
            Australopithecus zugerechnet werden (Siehe:
            [SWW13]:S.475).

            • Spezies/ Art: Paranthropus (Australopithecus)
              aethiopicus (ab ca. -2.6 Mio bis ca. -2.3
              Mio) (Siehe: [SWW13]:S.478)
            • Spezies/ Art: Paranthropus (Australopithecus)
              boisei (ab ca. -2.3 Mio bis ca. -1.4 Mio)
              (Siehe: [SWW13]:S.478). Mit dem Australopithecus
              boisei starb der Australopithecus
              vermutlich aus.
            • Spezies/ Art: Paranthropus (Australopithecus)
              robustus (ab ca. -1.8 Mio bis ca. -1.5
              Mio) (Siehe: [SWW13]:S.478)
          • Gattung: Homo (ab ca. -2.5/ -2.0 Mio).
            Im allgemeinen ist es schwierig, sehr klare
            Einteilungen bei den vielfältigen Funden
            vorzunehmen. Deswegen gibt es bei der
            Zuordnung der Funde zu bestimmten Mustern
            unterschiedliche Hypothesen verschiedener
            Forscher. Drei dieser Hypothesen seien hier
            explizit genannt:

            1. Kontinuitäts-Hypothese: In dieser Hypothese
              wird angenommen, dass es vom
              homo ergaster aus viele unterschiedliche
              Entwicklungszweige gegeben hat, die
              aber letztlich alle zum homo sapiens
              geführt haben. Die Vielfalt der Formen
              in den Funden reflektiert also so eine
              genetische Variabilität.
            2. Multiregionen-Hypothese: In dieser Hypothese
              wird angenommen, dass sich –
              ausgehend vom homo ergaster – regional
              ganz unterschiedliche Formen ausgebildet
              haben, die dann – bis auf den homo sapiens
              mit der Zeit ausgestorben sind
            3. Out-of-Africa Hypothese: Neben
              früheren Auswanderungen aus Afrika
              geht es in dieser Hypothese darum, dass
              sich nach allen neuesten Untersuchungen
              sagen lässt, dass alle heute lebenden
              Menschen genetisch zurückgehen auf
              den homo sapiens, der ca. um -100.000
              Jahren von Afrika aus kommend nach und
              nach alle Erdteile besiedelt hat (Siehe:
              [SWW13]:S.488ff, 499).

            Natürlich ist auch eine Kombination der ersten
            beiden Hypothesen möglich (und wahrscheinlich),
            da es zwischen den verschiedenen Formen
            immer wieder Vermischungen geben
            konnte.

          • Spezies/ Art: Homo rudolfensis (von
            ca. -2.4 bis ca. -1.8 Mio) (Siehe:
            [SWW13]:S.481)
          • Spezies/ Art: Homo habilis (von ca. -2.4 Mio bis ca. 1.65 Mio). Erste Art der Gattung Homo. Benutzte Steinwerkzeuge (Oldowan Kultur). Diese Artefakte sind
            nachweisbar für -2.5 bis -700.000 (Siehe: [SWW13]:S.480)
          • Gattung: Australopithecus sediba (um ca.
            -2 Mio) (Siehe: [SWW13]:S.477)
          • Spezies/ Art: Homo gautengensis (von ca.
            -1.9 Mio bis ca. -0.6 Mio)(Südafrika) (Siehe:
            [WE17h])
          • Spezies/ Art: Homo ergaster (von ca. -1.9
            Mio bis ca. -1.0 Mio) Werkzeuggebrauch
            wahrscheinlich, ebenso die Nutzung von
            Feuer (Lagerplätze mit Hinweisen um ca.
            -1.6 Mio). Stellung zu homo erectus unklar.
            (Siehe: [SWW13]:S.482f) Funde in
            Nordafrika (ca. -1.8 Mio), Südspanien (ca. –
            1.7-1.6 Mio und -1 Mio), Italien (ca. -1 Mio),
            Israel (ca. -2 Mio), Georgien (ca. -1.8 bis –
            1.7 Mio) und China (ca. -1.0 Mio) zeigen,
            dass homo ergaster sich schon sehr früh
            aus Afrika heraus bewegt hat.
          • Spezies/ Art: Homo erectus (Siehe:
            [WE17f]) (ab ca. -1.9 Mio bis ca. -85.000/
            -56.000); entwickelte sich vor allem in
            Asien (China, Java…), möglicherweise
            hervorgegangen aus dem homo ergaster.
            Ist fas zeitgleich zu homo ergaster in Afrika
            nachweisbar. Würde voraussetzen, dass
            homo ergaster in ca. 15.000 Jahren den
            Weg von Afrika nach Asien gefunden hat.
            (Siehe: [SWW13]:S.484-487)
          • Spezies/ Art: Homo antecessor (Siehe:
            [WE17e]) (von ca. -1.2 Mio bis –
            800.000). Hauptsächlich Funde in
            Nordafrika und Südspanien. Wird zur
            ersten Auswanderungswelle ’Out of Africa’
            gerechnet, die nach Europa und Asien kam.
            Letzte Klarheit fehlt noch. Es scheint viele
            Wechselwirkungen zwischen h.ergaster,
            h.erectus, h.antecessor, h.heidelbergensis,
            h.rhodesiensis, h.neanderthalensis sowie
            h.sapiens gegeben zu haben. (Siehe:
            [SWW13]:S.489)
          • Spezies/ Art ?: Homo cepranensis
            (Datierung zwischen ca. -880.000 bis
            ca.-440.000); (Siehe: [WD17k]) noch keine
            klare Einordnung (siehe Anmerkungen zu
            h.antecessor.)
          • Spezies/ Art: Homo heidelbergensis
            (Siehe: [WD17l]) (von ca. -600.000 bis
            -200.000). Überwiegend in Europa; es
            gibt viele Ähnlichkeiten mit Funden
            außerhalb von Europa in Afrika, Indien,
            China und Indonesien, z.B. Ähnlichkeiten
            zu homo rhodesiensis. Steinwerkzeuge,
            weit entwickelte Speere, Rundbauten,
            Feuerstellen, evtl. auch Kultstätten. (Siehe:
            [SWW13]:SS.490-493).
          • Spezies/ Art: Homo rhodesiensis (Siehe:
            [WE17i]) (von ca.-300.000 bis ca. –
            125.000)(Ost- und Nord-Afrika, speziell
            Zambia)
          • Spezies/ Art: Homo neanderthalensis
            (ab ca. -250.000 bis ca. -33.000). Frühe
            Formen und späte Formen. Genetische
            Eigenentwicklung seit ca. -350.000/ -400.000. Schwerpunkt Europa, aber Ausdehnung von Portugal, Spanien, bis
            Wales, Frankreich, England, Deutschland,
            Kroatien, schwarzes Meer, Nordirak,
            Zentralasien, Syrien, Israel . Meist nie
            mehr als insgesamt einige 10.000 in ganz
            Europa. In der Schlussphase parallel
            mit homo sapiens für ca. 50.000 Jahre.
            Es kam zu geringfügigen genetischen
            Beeinflussungen. Eine eigenständige
            hohe Werkzeugkultur, die aus der
            Steinwerkzeugkultur der Acheul´een ca.
            -200.000 hervorging und bis -40.000
            nachweisbar ist. Neben Steinwerkzeugen
            auch Schmuck. Sie pflegten Kranke,
            bestatteten ihre Toten. Die differenzierte
            Sozialstruktur, das gemeinsames Jagen,die
            Werkzeugkultur, das großes Gehirn
            sowie die Genbeschaffenheit lassen es
            wahrscheinlich erscheinen, dass der
            Neandertalerüber Sprache verfügte. Ein
            besonders kalter Klimaschub um -50.000
            verursachte einen starken Rückzug aus
            West- und Mitteleuropa, der dann wieder
            mit Einwanderer aus dem Osten gefüllt
            wurde. Im Bereich Israels/ Palästina gab
            es zwischen ca. -120.000 und -50.000
            eine Koexistenz von Neandertaler und
            homo sapiens. Was auch darauf hindeutet,
            dass eine erste Auswanderungswelle von
            h.sapiens schon um ca. -120.000/ -100.000
            stattgefunden hatte, aber nur bis Israel
            gekommen ist. Warum die Neandertaler
            ausstarben ist unbekannt. homo sapiens
            hat seine Population in Europa im Zeitraum
            -55.000 und -35.000 etwa verzehnfacht.
            (Siehe: [SWW13]:SS.493-498)
          • Spezies/ Art: Homo sapiens (ab ca. -190.000 bis heute); Wanderungsbewegungen aus Afrika heraus ab ca. -125.000
            erster Vorstoß bis Arabien. Parallel gab
            es eine kleine Auswanderung um -120.000
            über das Niltal bis Palästina/Israel, die
            aber keine weitere Expansion zeigte. Um
            -70.000 von Arabien aus in den Süden des mittleren Ostens, um ca. -60.000/ -50.000 nach Neuguinea und
            Australien. Vor ca. -50.000 bis -45.000 über
            Kleinasien nach Südost-, Süd- und Westeuropa.
            Um ca. -40.000 über Zentralasien
            bis Nordchina. Von Asien aus um -19.000/ -15.000 Einwanderung in Nordamerika über
            die Beringstraße, bis nach Südamerika um
            ca. -13.000. Es gibt aber auch die Hypothese,
            dass Südamerika schon früher
            (ca. -35.000 ?)über den Pazifik besiedelt
            wurde. Die Gene der Indianer in Nord- und
            Südamerika stimmen mit Menschen aus
            Sibirien, Nordasien und Südasien überein.
            Ab der Zeit -60.000/ -40.000 wird ein deutlicher
            kultureller Entwicklungssprung beim
            homo sapiens diagnostiziert, dessen Entwicklung
            seitdem anhält und sich heute
            noch erheblich beschleunigt. Felszeichnungen
            ab ca. -40.000, Werkzeuge, Wohnungen,
            Kleidung, Sprache.
          • Spezies/ Art: Homo floresiensis
            (Siehe: [WE17g])(ca. um -38.000 bis -12.000)(Insel Flores, Indonesien). Benutze Steinwerkzeuge, beherrschte das Feuer, Kleinwüchsig, entwickeltes Gehirn. Insel
            war seit mindestens -800.000 besiedelt.
            Vorfahren könnten seit -1 Mio dort gewesen
            sein. (Siehe: [SWW13]:S.487f)
          • Spezies/ Art: Denisovaner (noch kein
            wissenschaftlicher Name vereinbart)(um
            -40.000) (Siehe: [WD17c]), Funde im
            Altai Gebirge (Süd-Sibierien); es gibt
            Funde auf den Pilippinen, in Indonesien,
            Neuguinea, Australien, auf einigen Inseln
            des südlichen Pazifik, mit den Genen der
            Denisovaner. Herkunft möglicherweise von
            h.heidelbergensis. Es gab genetischen
            Austausch mit h.sapiens. (Siehe:
            [SWW13]:S.498)

VIII. WAS FOLGT AUS ALLEDEM?

Jeder, der diesen Text bis hierher gelesen haben
sollte, wird sich unwillkürlich fragen: Ja und, was heißt
das jetzt? Was folgt aus Alledem?

In der Tat ist dieser Text noch nicht abgeschlossen.

Der Text stellt allerdings eine notwendige
Vorüberlegung dar zu der – hoffentlich – weiter führenden
Frage nach der Besonderheit des homo sapiens als
Erfinder und Nutzer von intelligenten Maschinen.

Während die abschließende Definition von potentiell
intelligenten Maschinen mit dem mathematischen
Konzept der Turingmaschine im Prinzip vollständig
vorliegt, erscheint die Frage, wer oder was denn der
homo sapiens ist, je länger umso weniger klar. Mit
jedem Jahr empirischer Forschung (in allen Bereichen)
enthüllt sich scheibchenweise eine immer unfassbarere
Komplexität vor unseren Augen, die ein Verständnis
des homo sapiens samt seinem gesamten biologischen
Kontext eher in immer weitere Ferne zu rücken scheint.

Konnten die großen Offenbarungsreligionen über
viele Jahrhunderte irgendwie glauben, dass sie
eigentlich wissen, wer der Mensch ist (obwohl sie
nahezu nichts wussten), ist uns dies heute – wenn wir
die Wissenschaften ernst nehmen – immer weniger
möglich. Wenn im jüdisch-christlichen Glauben der
Mensch bildhaft als ’Ebenbild Gottes’ bezeichnet werden
konnte und damit – zumindest indirekt – angesichts
dieser unfassbaren Erhabenheit eine Art Schauer über
den Rücken jagen konnte (ohne dass zu dieser Zeit
verstehbar war, worin denn die Besonderheit genau
besteht), so werden wir in den letzten Jahren durch
immer tiefere Einblicke in die Abgründe der Komplexität
von Leben und Lebensprozessen in einem scheinbar
lebensfremden physikalischen Universum provoziert,
herausgefordert, und Gelegenheit zum Staunen gäbe es
allerdings genug.

In diesem anwachsenden Wissen um
unser Nichtwissen begegnen wir einer schwer fassbaren
Größe, die wir salopp ’biologisches Leben’ nennen, die
aber alles übersteigt, dessen wir denkerisch fähig sind.

Eine der vielen Paradoxien des Universums ist
genau dieses Faktum: in einem scheinbar ’leblosen’
physikalischen Universum ’zeigen sich’ materielle
Strukturen, die Eigenschaften besitzen, die es strikt
physikalisch eigentlich nicht geben dürfte, und die sich
in einer Weise verhalten, die das ganze Universum
prinzipiell zu einem ’Un-Ort’ machen: das bekannte
physikalische Universum ist lebensfeindlich, das
biologische Leben will aber genau das Gegenteil:
es will leben. Wie kann das zusammen gehen? Warum
kann ein scheinbar lebloses physikalisches Universum
Überhaupt der Ort sein, wo Leben entsteht, Leben
stattfinden will, Leben sich schrittweise dem inneren
Code des ganzen Universums bemächtigt?

In weiteren Beiträgen wird es darum gehen, dieses
Phänomen ’biologisches Leben’ weiter zu erhellen,
und zu zeigen, wie das biologische Leben sich mit
Hilfe intelligenter Maschinen nicht nur generell weiter
entwickeln wird, sondern diesen Prozess noch erheblich
beschleunigen kann. Es gilt hier die Arbeitshypothese,
dass die intelligenten Maschinen ein konsequentes
Produkt der biologischen Evolution sind und dass es
gerade dieser Kontext ist, der dieser Technologie ihre
eigentliche Zukunftsfähigkeit verleiht.

Die heutigen Tendenzen, die Technologie vom biologischen Leben
zu isolieren, sie in dieser Isolation zugleich in geradezu
religiöser Manier zu Überhöhen, wird die evolutionär
induzierte Entwicklung dieser Technologie eher
behindern, und damit auch das vitale Element der
biologischen Evolution, den homo sapiens.

Der homo sapiens ist kein Individuum, er wird
repräsentiert durch eine Population, die wiederum nur
Teil einer umfassenderen Population von Lebensformen
ist, die sich gegenseitig am und im Leben halten. Es wird
wichtig sein, dass der homo sapiens diese Arbeitsteilung
versteht, bevor er mit seiner wachsenden Aufbau- und
Zerstörungskraft das biologische Universum zu stark
beschädigt hat.

Zum aktuellen Zeitpunkt kann niemand mit Gewissheit
sagen, ob das alles irgendeinen ’Sinn’ besitzt, d.h. ob es
in all den Abläufen in der Zukunft eine Menge möglicher
Zielzustände gibt, die in irgendeinem Sinne als ’gut’/
’schön’/ ’erfüllend’ oder dergleichen bezeichnet werden
können. Genauso wenig kann aber irgend jemand zum
aktuellen Zeitpunkt mit Gewissheit einen solchen Sinn
ausschließen. Rein empirisch kann man schon heute
eine solche Menge an atemberaubenden Strukturen und
Zusammenhänge erfassen, die ’aus sich heraus’ ein
Exemplar der Gattung homo sapiens in ’Erstaunen’ und
’Begeisterung’ versetzen können; aber weder gibt es für
solch ein Erstaunen einen Zwang, eine Regel, ein Muss,
noch ist all dies ’zwingend’. Noch immer können wir
nicht ausschließen, dass dies alles nur ein Spiel ist,
eine gigantische kosmologische Gaukelei, oder – wie
es die physikalischen kosmologischen Theorien nahelegen
– in einem gigantischen Kollaps endet, aus der
möglicherweise wieder ein Universum entsteht, aber ein
anderes.

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VIII. KONTEXTE

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