Mit Hypothese 1 ergibt sich ein weiteres Paradox: Wenn die Struktur unseres menschlichen Körpers (mit seinem Gehirn) so ausgelegt ist, dass es keine direkte dauerhafte eins-zu-eins Abbildung der realen Körperwelt außerhalb des Gehirns in den inneren Zuständen des Körpers (mit Gehirn) gibt, wie können Menschen dann ‚empirisch wahre Aussagen‘ über etwas außerhalb des Körpers bzw. außerhalb des Gehirns sinnvoll bilden und nutzen?
Im Alltag können wir alle folgende Erfahrungen machen:
Wenn mindestens zwei Personen beteiligt sind und diese keine besonderen Einschränkungen aufweisen, dann können wir folgende Fälle unterscheiden:
Fall 1: Es gibt ein Objekt mit bestimmten Eigenschaften, das die beteiligten Personen sinnlich wahrnehmen können. Dann kann eine Person A sagen: „Da gibt es ein Objekt X mit Eigenschaften Y“. Und eine andere Person B kann sagen: „Ja, ich stimme zu“.
Fall 2: Ein bestimmtes Objekt X mit Eigenschaften Y kann von den beteiligten Personen sinnlich nicht wahrnehmen werden. Dann kann eine Person A sagen: „Das Objekt X mit Eigenschaften Y ist nicht da“. Und eine andere Person B kann sagen: „Ja, ich stimme zu“.
Fall 3: Es gibt ein Objekt mit bestimmten Eigenschaften, das die beteiligten Personen sinnlich wahrnehmen können, das sie vorher noch nie gesehen haben. Dann kann eine Person A sagen: „Da gibt es ein Objekt mit Eigenschaften, das kenne ich noch nicht. Das ist für mich neu“. Und eine andere Person B kann dann sagen: „Ja, ich stimme zu“.
Fall 4: Ein bestimmtes Objekt X mit Eigenschaften Y kann aktuell von den beteiligten Personen sinnlich nicht wahrgenommen werden, es war aber vorher da. Dann kann eine Person A sagen: „Das Objekt X mit Eigenschaften Y ist nicht mehr da“. Und eine andere Person B kann sagen: „Ja, ich stimme zu“.
Fall 1: Einführung von Hypothese 2
Der Fall 1 wird verständlich, wenn man annimmt, dass die sinnlichen Reize, die vom Objekt X mit den Eigenschaften Y in den Sinnesorganen zu Aktivierungen führen, eine sinnliche Wahrnehmung generieren, die für die Dauer der Präsenz von Objekt X bestehen kann.
Um diese temporäre Wahrnehmung als ein ‚Objekt der Art X mit Eigenschaften Y‘ identifizieren und klassifizieren zu können, müssen die beteiligten Personen über eine ‚Erinnerung‘ verfügen, die ein ‚abstraktes Objekt der Art X mit Eigenschaften Y‘ parat hält.
Die ‚realisierte Übereinstimmung‘ zwischen der Wahrnehmung von Objekt X mit der Erinnerung eines passenden abstrakten Objektes X ermöglicht dann die Entscheidung, dass es zum abstrakten Objekt X eine aktuelle Wahrnehmung gibt, deren ‚wahrgenommenen Eigenschaften‘ mit den ‚abstrakten Eigenschaften‘ ‚hinreichend übereinstimmen‘.
Wichtig: aus dieser im Gehirn stattfindenden Übereinstimmung zwischen einem wahrgenommenen Objekt und einem erinnerten Objekt X folgt nichts über die realen konkreten Umstände, die zur Wahrnehmung des Objekts geführt hat.[1]
Dieser Sachverhalt beschreibt das, was mit Hypothese 2 gemeint ist: Personen können ein wahrgenommenes Objekt als ein Objekt der Art X mit Eigenschaften Y erkennen, wenn sie über eine Erinnerung verfügen, die im Moment der aktuellen Wahrnehmung verfügbar ist.
Wichtig: Diese Hypothese 2 bezieht sich bislang auf das, was mit und in einer einzelnen Person passiert. Eine andere Person kann von diesen Vorgängen im Normalfall nichts wissen. Interne Prozesse in Personen sind — bislang — für andere nicht wahrnehmbar.[2]
[1] Moderne Simulationstechniken können für die meisten Menschen so ‚echt‘ sein, dass sie den ‚Unterschied‘ zur realen Welt allein aufgrund der sinnlichen Wahrnehmung nur noch schwer erkennen lassen, falls überhaupt. Dies wäre der Fall, dass eine sinnliche Wahrnehmung mit einem erinnerten abstrakten Objekt im Gehirn eine weitgehende Übereinstimmung aufweist, obgleich es kein ‚echtes‘ empirisches Objekt ist, das die Wahrnehmung auslöst. … Allerdings, der Computer, der die Simulation so ausführt, dass sie für einen Betrachter ‚täuschend echt‘ aussieht (oder die technische Schnittstelle, über die das Signal des Computers die Sensoren des Menschen erreicht) , ist natürlich weiter ein empirisches Objekt, das als Teil der Wahrnehmung signalisieren kann, dass das Gezeigte nicht real ist …
[2] Wenn mit modernen Messtechniken der Gehirnwissenschaften elektrische und chemische Eigenschaften und Aktivitäten sichtbar gemacht werden können, lässt sich aus diesen Aktivitäten aber — bislang — niemals direkt auf die darin verborgene Funktionalitäten schließen. Im analogen Fall, wenn man die elektrischen Aktivitäten der Chips in einem Computer misst (was geht und was man tut), dann kann man damit niemals auf die Algorithmen schließen, die aktuell ausgeführt werden, selbst wenn man diese Algorithmen kennt!
Fall 1: Einführung von Hypothese 3
Der Fall 1 umfasst ja auch noch den Aspekt, dass eine Person A einer anderen Person B etwas ’sprachlich mitteilt‘. Ohne diese sprachliche Mitteilung wüsste B nichts von dem, was in A vorgeht. Im Alltag nimmt eine Person gewöhnlich mehr als nur ein Objekt wahr, möglicherweise viele Objekte gleichzeitig. Zu wissen, dass eine Person gerade ein bestimmtes Objekt meint und nicht eines der vielen anderen Objekte ist daher nicht selbstverständlich.
In Fall 1 soll also gelten: Eine Person A sagt: „Da gibt es ein Objekt X mit Eigenschaften Y“. Und eine andere Person B sagt: „Ja, ich stimme zu“.
Wenn eine Person etwas ’sagt‘, was alle Beteiligten als ‚Elemente einer Sprache L‘ erkennen, dann sind diese Elemente der Sprache L ‚Laute‘, also Schallwellen, die einerseits von einem Sprechorgan (mit einem Mund) erzeugt und auf der anderen Seite von einem ‚Ohr‘ empfangen werden. Nennen wir das erzeugenden Organ einfach ‚Aktor‘ und das empfangende Organ weiterhin ‚Sensor‘, dann produziert eine Person bei sprachlicher Kommunikation mit einem Aktor also Laute und der Teilnehmer der Kommunikation empfängt über seinen Sensor diese Laute.
Es ist natürlich klar dass die gesprochenen bzw. dann auch gehörten Laute einer Sprache L direkt keinerlei Beziehung aufweisen zu den internen Prozessen der Wahrnehmung, des Erinnerns und des ‚Übereinstimmungsprozesses‘ von Wahrnehmung und Erinnerung. Man kann aber annehmen, dass es im Sprecher und Hörer ‚interne neuronale Prozesse‘ geben muss, die eine ‚Entsprechung‘ zu den generierten Lauten aufweisen müssen, da ansonsten der Aktor nicht in Aktion treten kann.[1] Im Fall des Sensors wurde ja schon zuvor darauf hingewiesen, wie Reize der Außenwelt zu Aktivierungen von Neuronen führen, über die ein neuronaler Signalfluss entsteht.
So wie allgemein angenommen wurde, dass es zu wahrgenommenen Objekten neuronale Signalflüsse und unterschiedliche abstrakte Strukturen von Objekten gibt, die ‚intern‘ gespeichert und weiter bearbeitet werden können, so kann und muss man Ähnliches für die neuronale Kodierung von gesprochen und gehörten Lauten annehmen. Sofern man im gesprochenen akustischen Lautmaterial einer Sprache Elemente sowie bestimmte Kombinationen von Elementen unterscheiden kann, so liegt es nahe, anzunehmen, dass sich diese äußerlich identifizierbaren Strukturen auch in der inneren neuronalen Realisierung wieder finden.
Der Kerngedanke von Hypothese 3 lässt sich dann so formulieren: Zu der akustisch wahrnehmbaren Struktur einer Sprache L gibt es eine neuronale Entsprechung, die überdies der ‚aktive‘ Teil ist beim Hervorbringen von gesprochener Sprache und beim ‚Übersetzen‘ von gesprochenen Lauten in die entsprechenden neuronalen Repräsentationen.
[1] Gerade das Sprachorgan des Menschen ist ein hoch komplexes System, bei dem viele Systeme zusammen wirken, die alle neuronal angesteuert und koordiniert werden müssen.
Fall 1: Einführung von Hypothese 4
Mit Hypothese 2 (Erinnerung, Vergleich von Wahrnehmung und Erinnerung) und Hypothese 3 (selbständiges Lautsystem einer Sprache) ergibt sich die nächste Hypothese 4, dass es zwischen dem Lautsystem einer Sprache L und den erinnerbaren Objekten samt aktueller Wahrnehmung irgendwie eine ‚Beziehung‘ geben muss (mathematisch: eine Abbildung), durch die ‚Laute‘ mit ‚Objekten (samt Eigenschaften)‘ und umgekehrt verbunden werden können.
Im Fall 1 gibt es von Person A die Wahrnehmung eines Objektes X mit Eigenschaften Y, dazu eine Erinnerung, die ‚hinreichend übereinstimmt‘, und Person A sagt: „Da gibt es ein Objekt X mit Eigenschaften Y“. Und eine andere Person B sagt: „Ja, ich stimme zu“.
Angesichts der Vielfalt der Welt, angesichts von ständigen Veränderungen und der Vielfalt möglicher Lautsysteme [1], sowie angesichts der Tatsache, dass Menschen massive Wachstumsprozesse durchlaufen vom Embryo bis zum sich immer weiter entwickelten Menschen, ist auszuschließen, dass mögliche Beziehungen zwischen Sprachlauten und wahrgenommene und erinnerten Objekten ‚angeboren‘ sind.
Dies impliziert, dass diese Beziehung (Abbildung) zwischen Sprachlauten und wahrgenommenen und erinnerbaren Objekten sich ‚im Laufe der Zeit‘ erst herausbilden muss, was oft als ‚Lernen‘ bezeichnet wird. Ohne bestimmte Vorgaben kann Lernen sehr langsam verlaufen, bei verfügbaren Vorgaben deutlich schneller. Im Fall von Sprachlernen wächst ein Mensch normalerweise in der Gegenwart anderer Menschen auf, die in der Regel schon eine Sprache praktizieren, die für heranwachsende Menschen als Bezugssystem dienen kann.
Sprache lernen ist jedenfalls ein langwieriger Prozess, der neben der individuellen Aneignung immer auch die inter-individuelle Abstimmung zwischen all denen mit einschließt, die eine bestimmte Sprache L gemeinsam praktizieren.
Im Ergebnis führt das Erlernen einer Sprache dazu, dass nicht nur die ‚Struktur des Lautsystems‘ gelernt wird, sondern auch die Zuordnung von Elementen des Lautsystems zu Elementen der Wahrnehmungs-Erinnerungs Struktur.[2]
Im Fall 1 muss also Person A wissen, welche Lautstruktur in der Anwendungsgruppe für Sprache L für ein Objekt X mit Eigenschaften Y benutzt wird, und ebenso Person B. Falls A und B über das gleiche ‚Beziehungswissen‘ von Lauten zu Objekten und umgekehrt verfügen, kann Person B die sprachliche Äußerung von A „Da gibt es ein Objekt X mit Eigenschaften Y“ ‚verstehen‘, weil er zugleich auch eine Wahrnehmung von diesem Objekt hat und er ein Objekt X erinnert, das für ihn mit dem wahrgenommenen Objekt hinreichend übereinstimmt und er B diesen Sachverhalt genauso benennen würde wie A es getan hat. Dann kann Person B sagen: „Ja, ich stimme zu“.
[1] Man beachte nur die vielen tausend Sprachen, die es immer noch auf dem Planeten Erde gibt, wobei unterschiedliche Sprachen in der gleichen Lebenswelt benutzt werden können. Die gleichen ‚Wahrnehmungsobjekte‘ können auf diese Weise — je nach Sprache — anders benannt werden.
[2] Die Erforschung dieser Sachverhalte hat zwar schon eine lange Geschichte mit sehr, sehr vielen Publikationen, aber eine allgemein akzeptierte einheitliche Theorie dazu gibt es noch nicht.
(Start: 29.Mai 2024, Letzte Änderung: 5.Juni 2024)
Es geht um das Paradox, dass wir zwar beständig das Gefühl haben, uns in einer realen Welt zu bewegen, dass aber der ‚Inhalt unseres Gehirns‘ natürlich nicht ‚die reale Welt‘ ist, sondern das Produkt von vielen neuronalen Transformationsprozessen, die ‚Reize aus der realen Welt‘ in ‚interne Zustände‘ verwandeln, die wir dann so behandeln, als ob es die reale Welt ist. Dieses ‚als ob‘ ist keine freie Entscheidung, da diese Situation aus der Art und Weise resultiert, wie unser Gehirn in unserem Körper arbeitet. Durch unseren Körper, durch unser Gehirn sind wir also zunächst mal ‚locked-In‘ Systeme.
Man kann sich dies auch dadurch verdeutlichen, dass unser Körper sich — das nehmen wir alle an — in einer Alltagswelt vorfindet, die aus vielen anderen Körpern und Objekten besteht, mit denen unser Körper ‚interagiert‘: wir können uns in der Alltagswelt bewegen und verändern dadurch unser ‚Position‘ in dieser Welt. Wir können Gegenstände berühren, anfassen, greifen, bewegen, verändern und manches mehr. Aber diese Gegenstände der Alltagswelt können auch auf uns einwirken: Wir empfinden ‚Geruch‘, wir ‚hören‘ Laute, wir ’sehen‘ Formen, Farben, Helligkeit und vieles mehr.
Diese ‚Wahrnehmung‘ unserer Alltagswelt durch verschiedene ‚Sinnesorgane‘ ist nah besehen aber keinesfalls einfach: wenn visuelle Reize auf unsere ‚Augen‘ treffen oder akustische Reize auf unsere ‚Ohren‘, dann werden diese physikalischen Reize der Alltagswelt im ‚Sinnesorgan‘ umgesetzt/ verwandelt/ transformiert in chemische Zustandsveränderungen von Nervenzellen, die diese wiederum in elektrische Potentiale verwandeln, die sich dann als ‚Signale‘ durch weitere Nervenzellen ‚fortpflanzen‘ können. Es entsteht ein ‚Signalfluss‘. Das beeindruckende an diesen Signalflüssen ist, dass sie alle chemisch-physikalisch die gleichen Eigenschaften haben, egal ob sie durch visuelle oder akustische Reize ausgelöst wurden (oder durch noch andere Sinnesorgane).
Was immer wir also mittels unserer Sinnesorgane in Verbindung mit den Nervenzellen ‚wahrnehmen‘, das, was dann in unserem Gehirn stattfindet, das ist nicht direkt ‚die Welt da draußen‘, wie sie physikalisch-chemisch beschaffen ist, sondern die Welt, wie sie durch unsere Sinnesorgane und die angeschlossenen Nervenzellen in ’neuronale Signalflüsse‘ verwandelt wurde, die im Gewebe der Milliarden von Nervenzellen weiter verarbeitet werden.
Aus Sicht von uns Menschen, die wir diesen Körper mit seinem Gehirn haben, erzeugen diese Signalflüsse in uns eine ‚Realität‘, die wir als ‚bare Münze‘ nehmen, obgleich sie im Vergleich zur Realität der Außenwelt nur ‚virtuell‘ ist, also eine ‚Virtualität‘. In diesem Sinne kann man sagen, dass die ‚Realität der Außenwelt‘ in uns als ‚Virtualität‘ vorkommt, die im Bereich der Signalflüsse von den Sinnesorganen von der ‚Realität der Außenwelt‘ angeregt/ induziert wird.
Ursprünglich hatte ich gechrieben, dass „Dieser Text … keine direkte Fortsetzung von einem anderen Text [ist]. Allerdings gibt es verschiedene Artikel mit einer ähnlichen Thematik als vorausgehende Posts. So gesehen ist der aktuelle Text eine Art ‚Weiterentwicklung‘ dieser Ideen.“ Aber, nur ein kurzer Blick zurück genügt, um zu sehen, dass es mindestens einen Text gibt, der ’sehr nah‘ beim Thema dieses vorliegdnen Textes ist: NARRATIVE BEHERRSCHEN DIE WELT. Fluch & Segen. Dazu Kommentare von @chatGPT4 ( https://www.cognitiveagent.org/2024/02/02/narrative-beherrschen-die-welt-fluch-segen-dazu-kommentare-von-chatgpt4/)
Im Alltag …
… magische Links
kennt fast jeder jemanden — oder sogar mehrere –, der viele Emails — oder anderweitige Mitteilungen — versendet, die nur noch Links enthalten, Links auf irgendwelche Videos, von denen das Netz ja heute genügend parat hält, oder Bilder mit ein paar Schlagworten.
Da die Zeit meist knapp ist, würde man gerne wissen, ob es sich lohnt, dieses Video anzuklicken. Aber erklärende Informationen fehlen.
Spricht man den Versender darauf an, ob es nicht möglich wäre, ein paar erklärende Worte mit zu versenden, dann bekommt vom Versender fast immer die Antwort, dass er selbst dies nicht so gut formulieren könne wie das Video selbst.
Interessant: Jemand versendet einen Link zu einem Video ohne in der Lage zu sein, seine Meinung dazu in eigene Worte zu fassen …
Rückfragen …
Wenn ich dann schon mal einen Link anklicke und versuche, mir eine Meinung zu bilden, ist natürlich eine der ersten Fragen, wer denn das Video (oder einen Text) veröffentlicht hat. Der gleiche Sachverhalt kann — wie tausendfach belegt und von jedem im Alltag nachprüfbar — je nach Perspektive des Betrachters ganz unterschiedlich, ja sogar im vollen Widerspruch, erzählt werden. Und da das, was wir sinnlich wahrnehmen können, sowieso immer nur sehr fragmentarisch ist, an den Oberflächen, am Augenblick hängt, direkt zunächst nicht unbedingt einen Zusammenhang erkennen lässt, bietet jede Beobachtung aus sich heraus zunächst einmal sehr viel Interpretationsspielraum. Ohne gründliche Betrachtung des Kontextes und der Vorgeschichte ist eigentlich eine Interpretation schlicht nicht möglich … es sei denn, jemand hat schon eine ‚fertige Meinung‘, die sich das ‚(willenlose) Fragment der Beobachtung‘ unverzüglich ‚aneignet‘.
Das Rückfragen und Recherchieren wäre also eigentlich ’normal‘, aber unser ’schnelles Gehirn‘ sucht erst einmal ‚automatische Antworten‘, da braucht man nicht viel nachdenken, ist schneller, weniger Energieaufwand, und diese ‚Automatik des Interpretierens‘ liefert trotz allem ein ‚befriedigendes Gefühl‘: Ja, man ‚weiß genau, was da vorliegt‘. Also wozu Rückfragen?
Immunisieren …
Als Wissenschaftler bin ich darauf trainiert, alle Rahmenbedingungen zu klären, auch meine eigenen Voraussetzungen. Das kostet natürlich Mühe und Zeit und ist alles andere als fehlerfrei. Deswegen mehrere Prüfungen, Rückfragen bei anderen, wie diese das sehen, usw.
Wenn ich aber die ‚wortlosen Versender von Links‘ frage, wenn mir etwas auffällt, vor allem, wenn ich da einen Konflikt mit der mir bekannten Realität anspreche, dann variieren die Reaktionen in der Richtung, dass ich dies falsch verstanden habe, oder dass der Autor das so gar nicht gemeint habe. Wenn ich dann auf andere Quellen verweise, die als ’stark geprüft‘ gelten, dann gehören diese zur ‚Lügenpresse‘ oder die Autoren werden sogleich als ‚Agenten einer finsteren Macht‘ enttarnt (es gibt eine ganze Palette von solchen ‚finsteren Mächten), und wage ich es dann, auch hier nachzufragen, woher denn Informationen stammen, dann bin ich ganz schnell ein naiver, dummer Mensch, dass ich dies alles nicht weiß.
Also, jeder Versuch, die Grundlagen von Aussagen zu klären, sie auf nachvollziehbare Sachverhalte zurück zu führen, endet im Konfliktfall schon weit vor jeder Klärung im Versuch, meine Fragen und Hinweise in jede Richtung zu diskreditieren.
Wahrheit Tschüß …
Nun ist ja das Thema ‚Wahrheit‘ selbst in der bisherigen Philosophie leider nicht mehr als ein Ideenlager für verschiedenste Perspektiven. Und selbst die modernen Wissenschaften, im Kern empirisch, verheddern sich zusehends in der Vielzahl ihrer Disziplinen und Methoden in einer Weise, dass ‚integrierende Sichten‘ selten sind und der ’normale Bürger‘ tendenziell eher ein Verständnisproblem hat. Keine gute Ausgangslage um die Ausbreitung des ‚kognitiven Märchenvirus‘ effektiv zu verhindern.
Booster Demokratie und Internet
Das Bizarre an unserer heutigen Situation ist, dass ausgerechnet die zwei wichtigsten Errungenschaften der Menschheit, die Gesellschaftsform der ‚Demokratie‘ (seit ca. 250 Jahren (in einer Geschichte von ca. 300.000 Jahren)) und das Werkzeug des ‚Internets‘ (Browser basiert seit ca. 1993), die zum ersten Mal ein Maximum an Freiheit und an Vielfalt des Ausdrucks möglich gemacht haben, dass ausgerechnet diese beiden Errungenschaften nun genau jene Bedingungen geschaffen haben , dass sich das kognitive Märchenvirus so ungehemmt ausbreiten kann.
Wichtig: das heutige kognitive Märchenvirus ereignet sich im Kontext von ‚Freiheit‘! In früheren Jahrtausenden gab es das kognitive Märchenvirus auch schon, da war es aber unter Kontrolle der jeweiligen autoritären Herrscher, die damit das Denken und Fühlen ihrer Untertanen zu ihren Gunsten gesteuert haben. Die ‚Vagheiten‘ der Bedeutungen haben immer nahezu alle Deutungen erlaubt; und wenn ein bisheriges Märchen nicht gereicht hat, dann wurde schnell ein neues erfunden. Solange eine Kontrolle durch Realität nicht wirklich möglich ist, kann man alles erzählen.
Mit der Entstehung der Demokratie verschwanden zwar die autoritären Machtstrukturen, aber die Menschen, die wählen durften und sollten, waren letztlich die gleichen wie zuvor in autoritären Herrschaften. Wer hat schon wirklich Zeit und Lust, sich mit den komplizierten Fragen der realen Welt zu beschäftigen, vor allem, wenn es einen nicht direkt selbst betrifft? Das machen doch unsere gewählten Vertreter….
In den (anscheinend) ruhigen Jahren seit dem 2.Weltkrieg schien die Aufgabenteilung doch gut zu funktionieren: hier die Bürger, die alles delegieren, und dort die gewählten Vertreter, die alles richtig machen. Eine ‚Kontrolle‘ der Macht sollte über Verfassung, Justiz und durch eine funktionierende Öffentlichkeit‘ garantiert werden…
Was man aber nicht voraus gesehen hatte waren so Kleinigkeiten wie:
Die Zunahme der Bevölkerung und das Voranschreiten der Technologien induzierte immer komplexere Prozesse mit eben solchen komplexen Wechselwirkungen, die sich mit den üblichen Methoden aus der Vergangenheit nicht mehr angemessen bewältigen ließen. Fehler und Konflikte waren vorprogrammiert.
Die Delegierung an wenige gewählte Vertreter mit ’normalen Fähigkeiten‘ kann nur funktionieren, wenn diese wenigen Vertreter in Kontexten arbeiten, die sie mit all den notwendigen Kompetenzen versorgen, die ihr Amt benötigt. Diese Aufgabe scheint immer schlechter gelöst zu werden.
Die wichtige ‚funktionierende Öffentlichkeit‘ wurde durch die ungeheuren Möglichkeiten des Internet immer mehr fragmentiert: es gibt nicht mehr ‚die‘ Öffentlichkeit, sondern ganz viele Öffentlichkeiten. Dies ist an sich nicht schlecht, aber wen die verfügbaren Kanäle von starken Interessengruppen das ’schnelle und bequeme Gehirn‘ anziehen wie das Licht die Mücken, dann gelangen die Köpfe immer mehr in den Bereich der ‚kognitiven Viren‘, die nach nur kurzen ‚Inkubationszeiten‘ einen Kopf ‚in Besitz‘ nehmen und ihn von da ab ’steuern‘.
Die Wirkungen dieser drei Faktoren kann man seit einigen Jahren ganz klar beobachten: die ungelösten Probleme der Gesellschaft, die vom existierenden demokratisch-politischen System immer schlechter gelöst werden, führen ‚vor Ort‘ bei den einzelnen Menschen dazu, dass sie ihre Unzufriedenheiten und Ängste immer mehr und ausschließlich unter dem Einfluss des kognitiven Märchenvirus interpretieren und danach handeln. Damit wird die Situation schleichend noch schlechter, da die konstruktiven Kapazitäten zur Problemanalyse und die gemeinsame Kraft zur Lösung von Problemen abnimmt.
Keine Heilmittel verfügbar?
Blickt man zurück in die vielen tausend Jahre Geschichte der Menschen dann ist greifbar, dass ‚Meinungen‘, ‚Bilder von der Welt‘, immer nur in begrenzten Bereichen mit der realen Welt harmonierten, dort, wo es zum Überleben wichtig war. Aber selbst in diesen kleinen Bereichen gab es jahrtausendelang viele Anschauungen, die sich zu späteren Zeiten als ‚falsch‘ herausstellten.
Schon sehr früh beherrschten wir Menschen die Kunst, uns Geschichten zu erzählen, wie alles mit allem zusammen hängt. Diese wurden begierig gehört, diese wurden geglaubt, und erst viel später konnte man bisweilen erkennen, was an den früheren Geschichten ganz oder teilweise falsch war. Doch zu Lebzeiten, für diejenigen, die mit diesen Geschichten aufwuchsen, waren diese Geschichten ‚wahr‘, ergaben ‚Sinn‘, man ist für sie sogar in den Tod gegangen.
Erst ganz am Ende der bisherigen Entwicklung des Menschen (die Lebensform des Homo sapiens), also — bei 300.000 Jahre als 24 Stunden — nach ca. 23 Stunden und 59 Minuten entdeckten die Menschen mit den empirischen Wissenschaften eine Methode, wie man ‚wahre Erkenntnisse‘ gewinnen kann, die nicht nur für den Augenblick funktionieren, sondern womit man Millionen, ja Milliarden Jahre ‚zurück in der Zeit‘ schauen kann, und für viele Faktoren auch Milliarden Jahre in die Zukunft. Dazu kann die Wissenschaft in die tiefsten Tiefen der Materie schauen und versteht immer besser das komplexe Wechselspiel all der wunderbaren Faktoren.
Und just in diesem Augenblick der ersten großen Sternstunden der Menschheit auf dem Planet Erde bricht der kognitive Märchenvirus ungehemmt aus und droht sogar die modernen Wissenschaften komplett auszulöschen!
Welche Menschen auf diesem Planeten können diesem kognitiven Märchenvirus widerstehen?
Hier eine kleine Zeitungsnotiz vor wenigen Tagen: Unter dem Titel „Game macht Fake News spielerisch erkennbar“ [1](siehe auch [2-3]) wird von einem Experiment schwedischer Wissenschaftler mit Schülern berichtet, dass es möglich war, das Bewusstsein von Schülern für ‚fake news‘ (hier: das kognitive Märchenvirus) messbar zu schärfen.
Ja, wir wissen, dass junge Menschen durch eine angemessene Bildung ihr Bewusstsein so gestalten können, dass sie gegen das kognitive Märchenvirus besser gewappnet sind. Aber was geschieht, wenn die offiziellen Bildungseinrichtungen eine solche Wissenstherapie kaum oder gar nicht durchführen können, wenn entweder die Lehrer es schon nicht mehr können oder, die Lehrer könnten es schon noch, aber die politischen Institutionen lassen es nicht zu? Letztere Fälle sind bekannt, sogar in sogenannten Demokratien!
Epilogue 1
Folgende Arbeitshypothesen deuten sich an:
Das Märchenvirus, die ungehemmte Neigung zum (unkontrollierten) Geschichten erzählen, ist den Menschen mit in die (genetische) Wiege gelegt.
Weder Intelligenz noch sogenannte ‚akademische Bildung‘ sind ein automatischer Schutz dagegen.
‚Kritisches Denken‘ und ‚empirische Wissenschaft‘ sind spezielle Eigenschaften, die Menschen sich nur mit eigenem großen Engagement aneignen können. Für sie müssen in einer Gesellschaft minimale Voraussetzungen existieren, ohne die es nicht geht.
Aktive Demokratien scheinen das Märchenvirus bis auf ca. 15-20% der gesellschaftlichen Praxis eindämmen zu können (obwohl es in den Menschen immer da ist). Sobald die Prozentzahl der aktiven Märchenerzähler erfahrbar steigt, muss man davon ausgehen, dass das Konzept ‚Demokratie‘ sich in der gesellschaftlichen Praxis — aus vielerlei Gründen — zunehmend abschwächt.
Epilogue 2
Wer aktiv vom Märchen-Virus befallen ist, hat eine Sicht von der Welt, von sich selbst und den anderen, die mit der realen Welt ‚da draußen‘, jenseits seines eigenen Denkens, so wenig zu tun hat, dass die realen Ereignissen das eigene Denken nicht mehr beeinflussen. Man lebt in seiner eigenen ‚Denk-Blase‘. Grundsätzlich gilt dies für jeden Menschen, aber jene, die gelernt haben ‚kritisch und wissenschaftlich‘ zu denken, haben Techniken gelernt und wenden sie an, die das Denken in der eigenen Blase immer wieder einem ‚Reality-Check‘ unterzieht. Dieser Check beschränkt sich nicht auf punktuelle Ereignisse oder punktuelle Aussagen … und da wird es schwierig.
Das Thema Mensch und Maschine durchzieht den gesamten Blog von Anfang an. Es liegt daher nahe, diese Thematik auch in Vorträgen zu thematisieren. Allerdings, jede der beiden Komponenten ‚Mensch‘ wie auch ‚Maschine‘ ist in sich sehr komplex; eine Wechselwirkung zwischen beiden umso mehr. Dazu ‚einfach mal so‘ einen Vortrag zu halten erscheint daher fast unmöglich, wie eine ‚Quadratur des Kreises‘. Dennoch lasse ich mich gelegentlich darauf ein.
Überblick
Im Teil 1 wird eine Ausgangslage beschrieben, die in Vorbereitung eines Vortrags angenommen worden ist. Im Rahmen des Vortrags konnte das Thema aber nur ansatzweise behandelt werden. In den nachfolgenden Texten soll die Themenstellung daher nochmals aufgegriffen und ausführlicher behandelt werden.
Ankündigung des Vortrags
Im offiziellen Ankündigungs-Flyer konnte man folgenden Text lesen:
Das Eigentümliche von freien Vorträgen ist, dass man die Zusammensetzung des Publikums vorab nicht kennt. Man muss mit einer großen Vielfalt rechnen, was auch am 21.Febr 2024 der Fall war. Ein voller Saal, immerhin fast alle hatten schon mal Kontakt mit chatGPT gehabt, manche sogar sehr viel Kontakt. Wie ein roter Faden liefen aber bei allen Fragen der Art mit, was man denn jetzt von dieser Software halten solle? Ist sie wirklich intelligent? Kann sie eine Gefahr für uns Menschen darstellen? Wie soll man damit umgehen, dass auch immer mehr Kinder und Jugendliche diese SW benutzen ohne wirklich zu verstehen, wie diese SW arbeitet? … und weitere Fragen.
Als Vortragender kann man auf die Vielzahl der einzelnen Fragen kaum angemessen eingehen. Mein Ziel war es, ein Grundverständnis von der Arbeitsweise von chatGPT4 als Beispiel für einen chatbot und für generative KI zu vermitteln, und dieses Grundverständnis dann in Bezug zu setzen, wie wir Menschen mit dem Problem Zukunft umgehen: auf welche Weise kann chatGPT4 uns helfen, Zukunft gemeinsam ein wenig zu verstehen, so dass wir dadurch gemeinsam etwas rationaler und zielgerichteter handeln können.
Ob und wieweit mir dies dann faktisch im Vortrag und bei den Gesprächen gelungen ist, bleibt eine offene Frage. Bei einigen, die aufgrund ihrer individuellen Experimente mit chatGPT sich schon ein bestimmtes Bild von chatGPT gemacht hatten, sicher nicht. Sie waren so begeistert davon, was chatGPT alles kann, dass sie weiterführende Überlegungen eher abwehrten.
Absicht des Vortragenden
Wie schon angedeutet, gab es die Themenkomplexe (i) chatbots/ generative KI/ KI, (ii) Zukunft verstehen und gestalten sowie (iii) Ob und wie kann generative KI uns Menschen dabei helfen.
Chatbots/ Generative KI/ KI
Aufgrund der heute stark ausgefächerten Terminologie mit stark verschwommenen Bedeutungsrändern habe ich eine Skizze des Begriffsfelds in den Raum gestellt, um dann Eliza und chatGPT4 als Beispiel für chatbots/ generative KI/ maschinelles Lernen näher zu betrachten.
Das Programm Eliza [1,2] ist insoweit von historischem Interesse, als es der erste chatbot [3] war, der einige Berühmtheit erlangte. Trotz seiner einfachen Struktur (ohne jede explizite Wissensbasis) übte der chatbot eine starke Wirkung auf die Menschen aus, die mit dem Programm per Tastatur und Bildschirm interagierten. Alle hatten das Gefühl, dass der chatbot sie ‚versteht‘. Dies verweist auf Grundmuster der menschlichen Psychologie, Vertrauen zu schenken, wenn erlebte Interaktionsformen den persönlichen Erwartungen entsprechen.
Verglichen mit Eliza besitzt der chatbot chatGPT4 [4a,b,c] eine unfassbar große Datenbasis von vielen Millionen Dokumenten, sehr breit gestreut. Diese wurden miteinander ‚verrechnet‘ mit Blick auf mögliche Kontexte von Worten samt Häufigkeiten. Zusätzlich werden diese ‚Sekundärdaten‘ in speziellen Trainingsrunden an häufig vorkommende Dialogformen angepasst.
Während Eliza 1966 nur im Format eines Psychotherapeuten im Stil der Schule von Rogers [5] antworten konnte, weil das Programm speziell dafür programmiert war, kann chatGPT4 ab 2023 viele verschiedene Therapie-Formen nachahmen. Überhaupt ist die Bandbreite möglicher Interaktionsformen von chatGPT4 erheblich breiter. So kann man folgenden Formate finden und ausprobieren:
Fragen beantworten …
Texte zusammenfassen …
Texte kommentieren …
Texte entwerfen …
Übersetzen …
Text zu Bild …
Text zu Video
… und weitere …
Bewertung
Eine Software wie chatGBT4 zu benutzen ist das eine. Wie aber kann man solch eine Software bewerten?
Aus dem Alltag wissen wir, dass wir zur Feststellung der Länge eines bestimmten räumlichen Abschnitts ein standardisiertes Längenmaß wie ‚das Meter‘ benutzen oder für das Gewicht eines Objekts das standardisierte Gewichtsmaß ‚das Kilogramm‘.[6]
Wo gibt es eine standardisierte Maßeinheit für chatbots?
Je nachdem, für welche Eigenschaft man sich interessiert, kann man sich viele Maßeinheiten denken.
Im hier zur Debatte stehenden Fall soll es um das Verhalten von Menschen gehen, die gemeinsam mittels Sprache sich auf die Beschreibung eines möglichen Zustands in der Zukunft einigen wollen, so, dass die einzelnen Schritte in Richtung Ziel überprüfbar sind. Zusätzlich kann man sich viele Erweiterungen denken wie z.B. ‚Wie viel Zeit‘ wird die Erreichung des Ziels benötigen?‘, ‚Welche Ressourcen werden benötigt werden zu welchen Kosten?‘, ‚Wie viele Menschen mit welchen Fähigkeiten und in welchem zeitlichem Umfang müssen mitwirken? … und einiges mehr.
Man merkt sofort, dass es hier um einen ziemlich komplexen Prozess geht.
Um diesen Prozess wirklich als ‚Bezugspunkt‘ wählen zu können, der in seinen einzelnen Eigenschaften dann auch ‚entscheidbar‘ ist hinsichtlich der Frage, ob chatGPT4 in diesem Kontext hilfreich sein kann, muss man diesen Prozess offensichtlich so beschreiben, dass ihn jeder nachvollziehen kann. Dass man dies tun kann ist keineswegs selbstverständlich.
Anforderungen für eine gemeinsame Zukunftsbewältigung
BILD : Andeutung der Fragen, die beantwortet werden müssen, um möglicherweise eine Antwort zu bekommen.
ZUKUNFT KEIN NORMALES OBJEKT
Generell gilt, dass das mit dem Wort ‚Zukunft‘ Gemeinte kein normales Objekt ist wie ein Stuhl, ein Auto, oder ein Hund, der gerade über die Straße läuft. Zukunft kommt für uns immer nur in unserem Denken vor als Bild eines möglichen Zustands, das sich nach einer gewissen Zeit möglicherweise ‚bewahrheiten kann‘.
Wollen wir also möglichst viele Menschen in die Zukunft mitnehmen, dann stellt sich die Aufgabe, dass das gemeinsamen Denken möglichst viel von dem, was wir uns für die Zukunft wünschen, ‚voraus sehen‘ können muss, um einen Weg in ein mögliches gedachtes Weiterleben zu sichern.
BEISPIEL MIT BRETTSPIEL
Dies klingt kompliziert, aber anhand eines bekannten Brettspiels kann man dies veranschaulichen. Auf Deutsch heißt dies Spiel ‚Mensch ärgere Dich nicht‘ (auf dem Bild sieht man eine Version für die Niederlande).[7]
BILD : Spielbrett des Spiels ‚Mensch ärgere Dich nicht‘
BILD : Strukturelemente einer Spielsituation und die darin angenommenen Beziehungen. Die reale SPIELSITUATION wird im Text der SPIELANLEITUNG vorausgesetzt und beschrieben. Neben den ELEMENTEN der Spielsituation enthalten die SPIELREGELN Beschreibungen möglicher Aktionen, um die Spielsituation zu verändern sowie die Beschreibung einer möglichen Konfiguration von Elementen, die (i) als STARTSITUATION gelten soll wie auch als ZIELZUSTAND (ZIEL). Ferner gibt es eine ANLEITUNG, WER WAS WANN WIE tun darf.
Was man in der Gegenwart sieht, das ist ein Spielbrett mit diversen Symbolen und Spielsteinen. Zusätzlich gibt es noch den Kontext zum Spielbrett bestehend aus vier Spielern und einem Würfel. Alle diese Elemente zusammen bilden eine Ausgangslage oder Startzustand oder den aktuellen IST-Zustand.
Ferner muss man annehmen, dass sich in den Köpfen der Mitspieler ein Wissen befindet, aufgrund dessen die Mitspieler die einzelnen Elemente als Elemente eines Spiels erkennen können, das ‚Mensch ärgere dich nicht‘ heißt.
Um dieses Spiel praktisch spielen zu können, müssen die Spieler auch wissen, wer wann welche Veränderungenwie auf dem Spielbrett vornehmen darf. Diese Veränderungen werden beschrieben durch Spielregeln, zu denen es noch eine geschriebene Spielanleitung gibt, aus der hervorgehen muss, welche Regel wann wie von wem angewendet werden darf.
Wenn die Spieler nach den vorgegebenen Regeln Veränderungen auf dem Spielbrett vornehmen, dann kann das Spiel beliebig lange laufen, es sei denn, es gibt eine klar Beschreibung eines Zielzustands, der als Ziel und gleichzeitig als Ende vereinbart ist. Wenn dieser Zielzustand auf dem Brett eintreten sollte, dann wäre das Spiel beendet und jener Spieler, der den Zielzustand als erster erreicht, wäre dann ein Gewinner im Sinne des Spiels.
Nicht zu vergessen: Genauso wichtig die die Beschreibung eines Zielzustandes ist die Beschreibung eines Startzustands, mit dem das Spiel beginnen soll.
Für die Frage der Zukunft im Kontext Spiel wird sichtbar, dass die Zukunft in Gestalt eines Zielzustands zwar in Form einer textlichen Beschreibung existiert, aber nicht als reale Konfiguration auf dem Spielbrett. Es wird von den beteiligten Spielern aber angenommen, dass die beschrieben Zielkonfiguration durch wiederholte Ausführung von Spielregeln beginnend mit einer Startkonfiguration irgendwann im Verlaufe des Spiels eintreten kann. Im Fall des Eintretens der Zielkonfiguration als reale Konfiguration auf dem Spielbrett wäre dies für alle wahrnehmbar und entscheidbar.
Interessant in diesem Zusammenhang ist der Sachverhalt, dass die Auswahl eines Zielzustands nur möglich ist, weil die Vorgabe einer Startsituation in Kombination mit Spielregeln einen Raum von möglichen Zuständen markiert. Der Zielzustand ist dann immer die Auswahl einer spezifischen Teilmenge aus dieser Menge der möglichen Folgezuständen.
Spiel und Alltag
Wenn man sich den Alltag anschaut, auch dort, wo nicht explizit ein Spiel gespielt wird, dann kann man feststellen, dass sehr viele — letztlich alle ? — Situationen sich als Spiel interpretieren lassen. Ob wir die Vorbereitung eines Essens nehmen, den Tisch decken, Zeitung lesen, Einkaufen, Musik machen, Auto fahren …. alle diese Tätigkeiten folgen dem Schema, dass es eine Ausgangssituation (Startsituation) gibt, ein bestimmtes Ziel, das wir erreichen wollen, und eine Menge von bestimmten Verhaltensweisen, die wir gewohnt sind auszuführen, wenn wir das spezielle Ziel erreichen wollen. Verhalten wir uns richtig, dann erreichen wir — normalerweise — das gewünschte Ziel. Diese Alltagsregeln für Alltagsziele lernt man gewöhnlich nicht in er Schule, sondern durch die Nachahmung anderer oder durch eigenes Ausprobieren. Durch die Vielfalt von Menschen und Alltagssituationen mit unterschiedlichsten Zielen gibt es eine ungeheure Bandbreite an solchen Alltags-Spielen. Letztlich erscheinen diese als die Grundform menschlichen Verhaltens. Es ist die Art und Weise, wie wir als Menschen lernen und miteinander handeln. [8]
Im Unterschied zu expliziten Spielen verlaufen die Alltagsspiele nicht starr innerhalb der von der Spielanleitung beschriebenen Grenzen, sondern die Alltagsspiele finden innerhalb einer offenen Welt statt, sie sind ein kleiner Teil eines größeren dynamischen Gesamtgeschehens, welches dazu führen kann, dass während der Umsetzung eines Alltagsspiels andere Ereignisse die Umsetzung auf unterschiedliche Weise behindern können (Ein Telefonanruf unterbricht, Zutaten beim Kochen fehlen, beim Einkaufen findet man nicht den richtigen Gegenstand, …). Außerdem können Ziele im Alltag auch scheitern und können neben schlechten Gefühlen real auch negative Wirkungen erzeugen. Auch können Alltagsspiele irgendwann unangemessen werden, wenn sich die umgebende dynamische Welt soweit geändert hat, dass ein die Regeln des Alltagsspiels nicht mehr zum erhofften Ziel führen.
Vor diesem Hintergrund kann man vielleicht verstehen, dass explizite Spiele eine besondere Bedeutung haben: sie sind keine Kuriositäten im Leben der Menschen, sondern sie repräsentieren die normalen Strukturen und Prozesse des Alltags in zugespitzten, kondensierten Formaten, die aber von jedem Menschen mehr oder weniger sofort verstanden werden bzw. verstanden werden können.[9] Die Nichterreichung eines Zieles im expliziten Spiel kann zwar auch schlechte Gefühle auslösen, hat aber normalerweise keine weiteren reale negative Auswirkungen. Explizite Spiele ermöglichen es, ein Stück weit reale Welt zu spielen ohne sich dabei aber einem realen Risiko auszusetzen. Diese Eigenschaft kann für Mitbürger eine große Chance auch für den realen Alltag bieten.
Wissen und Bedeutung oder: Der Elefant im Raum
Ist man erst einmal aufmerksam geworden auf die Allgegenwart von Spielstrukturen in unserem Alltag, dann erscheint es fast ’normal‘, dass wir Menschen uns im Format des Spiels scheinbar schwerelos bewegen können. Wo immer man hinkommt, wen man auch immer trifft, das Verhalten im Format eines Spiels ist jedem vertraut. Daher fällt es meistens gar nicht auf, dass hinter dieser Verhaltensoberfläche einige Fähigkeiten des Menschen aktiv sind, die als solche alles andere als selbstverständlich sind.
Überall dort, wo mehr als ein Mensch sich im Format eines Spiels verhält, müssen allebeteiligten Menschen (Mitspieler, Mitbürger,…)in ihrem Kopf über ein Wissen verfügen, in dem alle Aspekte, die zu einem spielerischen Verhalten gehören, vorhanden (repräsentiert) sind. Wenn ein Spieler beim Fußballspiel nicht weiß, wann er im Abseits steht, macht er einen Fehler. Wer nicht weiß, dass man beim Einkaufen am Ende seine Waren bezahlen muss, macht einen Fehler. Wer nicht weiß, wie man bei der Essenszubereitung richtig schneidet/ würzt/ brät/ … verändert dies das erhoffte Ergebnis. Wer nicht weiß, wie er Bargeld aus dem Automat bekommt, hat ein Problem … Jeder lernt im Alltag, dass er wissen muss, um richtig handeln zu können. Was aber hat es genau mit diesem Wissen auf sich?
Und, um die Geschichte vollständig zu erzählen: Im Alltag operieren wir ständig mit Alltagssprache: wir produzierenLaute, die andere hören können und umgekehrt. Das Besondere an diesen Lauten ist, dass alle Teilnehmer des Alltags die eine gleiche Alltagssprache gelernt haben, diese Laute spontan in ihrem Kopf mit Teilen des Wissens verknüpfen, über das sie verfügen. Die gesprochenen und gehörten Laute sind daher nur ein Mittel zum Zweck. Als solche haben die Laute keine Bedeutung (was man sofort merken kann, wenn jemand die benutzte Alltagssprache nicht kennt). Aber für die, die die gleiche Alltagssprache im Alltag gelernt haben, stimulieren diese Laute in ihrem Kopf bestimmte Wissenselemente, falls wir über sie verfügen. Solche Wissenselemente, die sich durch die Laute einer gelernten Alltagssprache in einem Mitbürger stimulieren lassen, nennt man gewöhnlich sprachliche Bedeutung, wobei hier nicht nur die gehörten Laute alleine eine Rolle spielen, sondern normalerweise sind viele Kontexteigenschaften zusätzlich wichtig: Wie jemand etwas sagt, unter welchen Begleitumständen, in welcher Rolle usw. Meist muss man in der Situation des Sprechens anwesend sein, um all diese Kontextfaktoren erfassen zu können.
Hat man verstanden, dass jede geteilte Alltagssituation im Spielformat zentral zum notwendigen Alltagswissen auch eine Alltagssprache voraussetzt, dann wird auch klar, dass jedes explizite Spiel im Format einer Spielanleitung genau jenes Spielwissen bereit zu stellen versucht, welches man kennen muss, um das explizite Spiel spielen zu können. Im Alltag entsteht das notwendige Wissen durch Lernprozesse: durch Nachahmung und Ausprobieren baut jeder in seinem Kopf jenes Wissen auf, das er für ein bestimmtes Alltagshandeln benötigt. Für sich alleine braucht man nicht unbedingt einen Text, der das eigene Alltagshandeln beschreibt. Will man aber andere Mitbürger in sein Alltagsverhalten einbeziehen — gerade auch wenn es viele sein sollen, die nicht unbedingt am gleichen Ort sind –, dann muss man sein Alltagsverhalten mittels Alltagssprache ausdrücken.
Wissenschaftliches Denken und Kommunizieren
Für alle die, die nicht direkt mit wissenschaftlicher Arbeit zu tun haben, bildet Wissenschaft eine Zusammenballung von vielen unverständlichen Begriffen, Sprachen und Methoden. Dies führt in der Gegenwart leider vielfach zu einer Art Entfremdung der normalen Bürger von der Wissenschaft. Was nicht nur schade ist, sondern für eine Demokratie sogar gefährlich werden kann.[10,11]
Diese Entfremdung müsste aber nicht stattfinden. Die Alltagsspiele wie auch die expliziten Spiele, welche unsere natürlichen Wissens- und Verhaltensformen im Alltag darstellen, haben bei näherer Betrachtung die gleiche Struktur wie wissenschaftliche Theorien. Begreift man, dass Alltagsspiele strukturgleich mit wissenschaftlichen Theorien sind, dann kann man sogar entdecken, dass Alltagtheorien sogar noch umfassender sind als normale wissenschaftliche Theorien. Während eine empirisch Theorie (ET) erklären kann, was mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in einer möglichen nachfolgenden Situation passieren kann, falls gewisse Voraussetzungen in einer Situation gegeben sind, gehen Alltagstheorien über diese Beschreibungskraft in der Regel hinaus: In einer Alltagstheorie wird nicht nur gesagt, was passieren wird, wenn man in einer bestimmten Situation eine bestimmte Änderung vornimmt, sondern im Alltag wählt man normalerweise auch ein bestimmtes Ziel aus, das man mit Anwendung des Veränderungswissenserreichen möchte.
Im Unterschied zu einer normalen empirischen Theorie, die sich auf erklärende Zusammenhänge beschränkt, besteht im Alltagsprozess die beständige Herausforderung, den Lebensprozess des einzelnen wie jenen von unterschiedlichen Gruppen von Menschen bestmöglichst am Laufen zu halten. Dies aber geht nicht ohne explizite Ziele, deren Einlösung als Beitrag zur Erhaltung des alltäglichen Lebensprozesses angenommen wird.
Die normale Wissenschaft hat diesen Aspekt der Einbeziehung von Zielen in eine Theoriebildung noch nicht in ihre normale Arbeit integriert. Die Verknüpfung von Erklärungswissen in Form einer empirischen Theorie (ET) mit irgendwelchen Zielen überlässt die Wissenschaft bislang der Gesellschaft und ihren unterschiedlichen Gruppierungen und Institutionen. Dies kann gut sein, weil dadurch eine maximale Bandbreite an möglichen Ideen zur Sprache kommen kann; es kann aber auch schlecht sein, wenn mangels Verständnis von Wissenschaft und überhaupt aufgrund von mangelndem Wissen keine guten Ziel-Vorschläge zustande kommen.
Alltagstheorie (AT) und Empirische Theorie (ET)
Mancher wird sich an dieser Stelle vielleicht fragen, wie man sich jetzt genau die Struktur-Gleichheit von Alltagstheorien(AT) und Nachhaltigen Empirischen Theorien (NET) vorstellen kann. Hier ein kurze Beschreibung.
BILD : Skizze der Struktur einer empirischen Theorie ohne Ziele. Eine empirische Theorie (ET) mit Zielen wäre eine ’nachhaltige empirische Theorie (NET)‘. Siehe Text weiter unten.
Diese Skizze zeigt menschliche Akteure hier nicht als die Anwender einer Theorie — wie im Beispiel eines Brettspiels — sondern als Autoren einer Theorie, also jene Menschen, die Theorien in Interaktion mit dem realen Alltag entwickeln.
Hier wird davon ausgegangen, dass Theorie-Autoren im Normalfall irgendwelche Bürger sind, die ein Interesse eint, bestimmte Vorgänge in ihrem Alltag besser zu verstehen.
Zum Start müssen sie sich darauf einigen, welchen Ausschnitt aus ihrem Alltag sie als Startsituation(S) benutzen wollen. Diese Startsituation muss in einem Text beschrieben werden, der sich von allen Beteiligten als im Alltag zutreffend(wahr) erweist.
Aufgrund des verfügbaren Wissens über die bisherige Vergangenheit müssen die Theorie-Autoren sich darauf einigen, welche Arten von Veränderungen (V) sie für ihre Theorie benutzen wollen.
Schließlich müssen sie sich auch darüber einigen, auf welche Weise die ausgewählten Veränderungsbeschreibungen (V) auf eine gegebene Situation (S) so angewendet werden können, dass sich dadurch die Beschreibung jener Situation S1 ergibt, die durch die angewendeten Veränderungen entsteht. Abkürzend geschrieben: V(S)=S1.
Da sich in den meisten Fällen die angenommenen Veränderungsregeln V auch auf die neue nachfolgende Situation S1 wieder anwenden lässt — also V(S1)=S2 usw. –, reichen diese drei Elemente <S, V, Anwendung> aus, um aus einer Gegenwart S heraus mit Hilfe von Veränderungswissen bestimmte Zustände als möglich in einer Zukunft zu prognostizieren.
Dies beschreibt die Struktur und den Inhalt einer gewöhnlichen empirischen Theorie (ET).
Nachhaltige Empirische Theorie (NET) = ET + Ziele
Der Übergang von einer normalen empirischen Theorie (ET) zu einer nachhaltigen empirischen Theorie (NET) ist vergleichsweise einfach: man muss nur das empirische Wissen mit solchen Zielen (Z) verknüpfen, die aus der Gesellschaft heraus als interessante Kandidaten für eine mögliche gute Zukunft erwachsen.
BILD : Ergänzend zur normalen empirischen Theorie (ET) kann die Gesellschaft, die den Kontext zu einer empirischen Theorie bildet, Ziele (Z) generieren, von denen sie glaubt, dass sie für möglichst viele eine möglichst gute Zukunft unterstützen. Formulierte Ziele können zugleich als Benchmark benutzt werden, um aktuelle Zustände S daraufhin zu evaluieren, welche große Übereinstimmung (in %) sie mit dem gewählten Ziel Z aufweisen.
Während empirisches Wissen als solches wertneutral ist, d.h. keine bestimmte Richtung in eine mögliche Zukunft favorisiert, können aber die Wertvorstellungen, die die Auswahl von realen Fragestellungen leiten, indirekt dazu führen, dass wichtiges Wissen aufgrund von der Wissenschaft vorgelagerten Entscheidungen nicht generiert wird. 12]
Fortsetzung: Teil 2
Kann Maschinelles Lernen im Format einer generativen KI einen Beitrag zur Bildung von nachhaltigen empirischen Theorien (NET) leisten?
QUELLEN
[1] Eliza Computer Programm in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/ELIZA, ELIZA is an early natural language processingcomputer program developed from 1964 to 1967[1] at MIT by Joseph Weizenbaum.[2][3] Created to explore communication between humans and machines, ELIZA simulated conversation by using a pattern matching and substitution methodology that gave users an illusion of understanding on the part of the program, but had no representation that could be considered really understanding what was being said by either party.[4][5][6]
[2] Joseph Weizenbaum, ELIZA A Computer Program For the Study of Natural Language Communication Between Man And Machine, Communications of the ACM Volume 9 / Number 1, January 1966, pp: 36-45
[3] chatbot in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Chatbot, „Ein Chatterbot, Chatbot oder kurz Bot ist ein textbasiertes Dialogsystem, das Chatten mit einem technischen System erlaubt. Er hat je einen Bereich zur Textein- und -ausgabe, über die sich in natürlicher Sprache mit dem System kommunizieren lässt. Chatbots können, müssen aber nicht in Verbindung mit einem Avatar benutzt werden. Technisch sind Chatbots näher mit einer Volltextsuchmaschine verwandt als mit künstlicher oder gar natürlicher Intelligenz. Mit der steigenden Computerleistung können Chatbot-Systeme allerdings immer schneller auf immer umfangreichere Datenbestände zugreifen und daher auch intelligente Dialoge für den Nutzer bieten, wie zum Beispiel das bei OpenAI entwickelte ChatGPT oder das von Google LLC vorgestellte Language Model for Dialogue Applications (LaMDA). Solche Systeme werden auch als virtuelle persönliche Assistenten bezeichnet. Es gibt auch Chatbots, die gar nicht erst versuchen, wie ein menschlicher Chatter zu wirken (daher keine Chatterbots), sondern ähnlich wie IRC-Dienste nur auf spezielle Befehle reagieren. Sie können als Schnittstelle zu Diensten außerhalb des Chats dienen, oder auch Funktionen nur innerhalb ihres Chatraums anbieten, z. B. neu hinzugekommene Chatter mit dem Witz des Tages begrüßen. Heute wird meistens durch digitale Assistenten wie Google Assistant und Amazon Alexa, über Messenger-Apps wie Facebook Messenger oder WhatsApp oder aber über Organisationstools und Webseiten auf Chatbots zugegriffen[1][2].“
[4] Generative KI als ‚Generativer Vortrainierter Transformer‘ (Generative pre-trained transformers GPT) in wkp-de, https://de.wikipedia.org/wiki/Generativer_vortrainierter_Transformer, „Generative vortrainierte Transformer (englischGenerative pre-trained transformers, GPT) sind eine Art großes Sprachmodell[1][2][3] und ein bedeutendes Framework für generative künstliche Intelligenz.[4][5] Der erste GPT wurde 2018 vom amerikanischen Unternehmen für künstliche Intelligenz (KI) OpenAI vorgestellt.[6] GPT-Modelle sind künstliche neuronale Netzwerke, die auf der Transformer–Architektur basieren, auf großen Datensätzen unbeschrifteten Textes vorab trainiert werden und in der Lage sind, neuartige, menschenähnliche Inhalte zu generieren.[2] Bis 2023 haben die meisten LLMs diese Eigenschaften[7] und werden manchmal allgemein als GPTs bezeichnet.[8] OpenAI hat sehr einflussreiche GPT-Grundmodelle veröffentlicht, die fortlaufend nummeriert wurden und die „GPT-n“-Serie bilden. Jedes dieser Modelle war signifikant leistungsfähiger als das vorherige, aufgrund zunehmender Größe (Anzahl der trainierbaren Parameter) und des Trainings. Das jüngste dieser Modelle, GPT-4, wurde im März 2023 veröffentlicht. Solche Modelle bilden die Grundlage für ihre spezifischeren GPT-Systeme, einschließlich Modellen, die für die Anweisungsbefolgung optimiert wurden und wiederum den ChatGPT–Chatbot-Service antreiben.[1] Der Begriff „GPT“ wird auch in den Namen und Beschreibungen von Modellen verwendet, die von anderen entwickelt wurden. Zum Beispiel umfasst eine Reihe von Modellen, die von EleutherAI erstellt wurden, weitere GPT-Grundmodelle. Kürzlich wurden auch sieben Modelle von Cerebras erstellt. Auch Unternehmen in verschiedenen Branchen haben auf ihren jeweiligen Gebieten aufgabenorientierte GPTs entwickelt, wie z. B. „EinsteinGPT“ von Salesforce (für CRM)[9] und „BloombergGPT“ von Bloomberg (für Finanzen).[10]„
[4c] Tutorial zu chatGPT: https://blogkurs.de/chatgpt-prompts/
[5] Person-Centered Therapy in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Person-centered_therapy
[6] Messung in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Messung
[7] Mensch ärgere Dich nicht in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Mensch_%C3%A4rgere_Dich_nicht
[8] Elain Rich, 1983, Artificial Intelligence. McGraw-Hill Book Company. Anmerkung: In der Informatik der 1970iger und 1980iger Jahre hatte man gemerkt, dass die Beschränkung auf die Logik als Beschreibung von Realität zu einfach und zu umständlich ist. Konfrontiert mit dem Alltag wurden Begriffe aktiviert wie ‚Schema‘, ‚Frame (Rahmen)‘, ‚Script‘, ‚Stereotype‘, ‚Rule Model (Rollenmodell)‘. Doch wurden diese Konzepte letztlich noch sehr starr verstanden und benutzt. Siehe Kap.7ff bei Rich.
[9] Natürlich gibt es auch Spiele, die einen Umfang haben, der von den Spielern eine sehr intensive Beschäftigung verlangt, um sie wirklich voll zu verstehen. Ermöglichen solche komplexe Spiele aber zugleich wertvolle ‚Emotionen/ Gefühle‘ in den Spielern, dann wirkt die Komplexität nicht abschreckend, sondern kann zu einer lang anhaltenden Quelle von Spiellust werden, die in Spielsucht übergehen kann (und vielfach auch tatsächlich in Spielsucht übergeht).
[10] Warren Weaver, Science and the Citizens, Bulletion of the Atomic Scientists, 1957, Vol 13, pp. 361-365.
[11] Philipp Westermeier, 23.Nov. 2022, Besprechung Science and the Citizen von Warren Weaver, URL: https://www.oksimo.org/2022/11/23/besprechung-science-and-the-citizen-von-warren-weaver/
[12] Indirekt kann empirisches Wissen einen gewissen Einfluss auf eine mögliche Zukunft ausüben, indem bei der Auswahl einer zu erstellenden empirische Theorie (ET) gerade solche Aspekte nicht ausgewählt werden, die vielleicht für eine bestimmte Zielerreichung wichtig wären, jetzt aber eben nicht verfügbar sind. Dies kann sich vielfach manifestieren, z.B. durch eine Forschungspolitik, die von vornherein viele Themenfelder ausblendet, weil sie im Lichte aktueller Trends als nicht vorteilhaft eingestuft werden.
DER AUTOR
Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.
Wenn jemand in seinem Kopf schon entschieden hat, dass es ja gar keine Probleme gibt, der wird auch kein Problem sehen … und wer ein Problem sieht, wo gar keines ist, der hat auch wenig Chancen, etwas lösen zu können.
Einfach gesagt: wir können die Lösung sein, wenn wir nicht selbst das Problem sind
Am Ende eines Briefes … …
VORBEMERKUNG
Der ursprüngliche — zugegeben etwas lange — Text mit dem Titel „MODERNE PROPAGANDA – Aus philosophischer Sicht. Erste Überlegungen“ startete mit der Frage, was eigentlich den Kern von Propaganda ausmacht, und landete dann bei der zentralen Einsicht, dass das, was so ‚Propaganda‘ genannt wird, nur ein Spezialfall von etwas viel Allgemeinerem ist, was unser Denken als Menschen beherrscht: die Welt der Narrative. Es folgte dann dort in diesem Text noch eine relativ lange philosophische Analyse zu den kognitiven und emotionalen Grundlagen dieses Phänomens.
Da der zentrale Text zur Rolle der Narrative als Teil des genannten größern Textes für viele ein bisschen ‚unsichtbar‘ war, hier ein Blogbeitrag, der diesen Text nochmals herausstellt, und gleichzeitig diesen Text mit einem Experiment verbindet, in dem die einzelnen Abschnitte des Textes von @chatGPT4 kommentiert wird.
Erkenntnisse zu @chatGPT4 als Kommentator
Beginnen wir mit den Ergebnissen des Begleitexperimentes mit der Software @chatGPT4. Wer die Funktionsweise des Programms @chatGPT4 kennt, der erwartet, dass das Programm einerseits den vom Benutzer eingegebenen Text mehr oder weniger wiederholt und dann relativ zu diesem Text ein paar Assoziationen einspielt, deren Umfang und Originalität von jenem internen Wissen abhängt, über das das System verfügt. Wie man bei der Lektüre der Kommentare von @chatGPT4 erkennen kann, halten sich die Kommentarfähigkeiten von @chatGPT4 in engen Grenzen. Natürlich könnte man dem System durch Zusatzfragen noch mehr Informationen entlocken, aber dann müsste man wieder menschliches Wissen investieren, um der Maschine zu ermöglichen, mehr und origin aller zu assoziieren. Ohne zusätzliche Hilfe bleiben die Kommentare sehr überschaubar.
Zentrale Rolle von Narrativen
Wie der nachfolgende Text anklingen lässt, kommt den Narrativen sowohl für den einzelnen Menschen wie auch für die Kollektive, in denen ein einzelner Mensch vorkommt, eine zentrale Bedeutung zu: die Narrative in den Köpfen der Menschen entscheiden darüber, wie Menschen die Welt sehen, erleben, interpretieren und auch, welche Handlungen sie spontan oder überlegt vornehmen. Bei einer Maschine würden wir sagen: Narrative sind das Programm, das uns Menschen steuert. Prinzipiell haben Menschen zwar die Fähigkeit, jene Narrative, die sie beherrschen, zu hinterfragen oder gar partiell zu ändern, aber dies können nur die wenigsten, da es dazu nicht nur bestimmte Fähigkeiten braucht, sondern in der Regel sehr viel Training im Umgang mit dem eigenen Wissen. Intelligenz ist hier kein besonderer Schutz; es scheint sogar so zu sein, dass es gerade sogenannte intelligente Menschen sind, die zu den schlimmsten Opfern ihrer eigenen Narrative werden können. In diesem Phänomen offenbart sich eine eigentümliche Ohnmacht des Wissens vor sich selbst.
Dieses Thema verlangt nach weiteren Analysen und nach mehr öffentlicher Diskussion.
DER TEXT ZUR ROLLE DER NARRATIVE
Weltweit können wir heute im Zeitalter von Massenmedien, insbesondere im Zeitalter des Internets, feststellen, dass einzelne Menschen, kleine Gruppen, spezielle Organisationen, politische Gruppierungen, ganze Religionsgemeinschaften, eigentliche alle Menschen und ihre gesellschaftlichen Ausprägungen, einem bestimmten ‚Narrativ‘ [1,2] folgen, wenn sie handeln. Typisch für das Handeln nach einem Narrativ ist, dass diejenigen, die dies tun, individuell glauben, dass es ‚ihre eigene Entscheidung‘ ist und dass das Narrativ ‚wahr‘ ist, und dass sie daher ‚im Recht sind‘, wenn sie danach handeln.[3] Dieses sich ‚im Recht fühlen‘, kann bis dahin gehen, dass man für sich das Recht in Anspruch nimmt, andere zu töten, weil sie im Sinne des ‚Narrativ‘ ‚falsch handeln‘. Man sollte hier daher von einer ’narrativen Wahrheit‘ sprechen: Im Rahmen des Narrativs wird ein Bild von der Welt gezeichnet, das ‚als Ganzes‘ eine Perspektive ermöglicht, die von den Anhängern des Narrativ ‚als solche‘ ‚gut gefunden‘ wird, als ‚Sinn stiftend‘. Im Normalfall ist die Wirkung eines Narrativs, was als ‚Sinn stiftend‘ erlebt wird, so groß, dass der ‚Wahrheitsgehalt‘ im einzelnen nicht mehr überprüft wird.[4]
POPULÄRE NARRATIVE
In den letzten Jahrzehnten erleben wir ‚moderne Formen‘ von Narrativen, die nicht als religiöse Erzählungen daher kommen, die aber dennoch eine sehr ähnliche Wirkung entfalten: Menschen empfinden diese Narrative als ‚Sinn stiftend‘ in einer Welt, die für jeden heute immer unübersichtlicher und daher bedrohlich wird.[5] Einzelne Menschen, die Bürger, empfinden sich zudem als ‚politische hilflos‘, so dass sie — selbst in einer ‚Demokratie‘ — das Gefühl haben, nichts direkt bewirken zu können: die ‚da oben‘ machen doch, was sie wollen. In einer solchen Situation sind ‚vereinfachende Erzählungen‘ eine Wohltat für die geschundene Seele; man hört sie und hat das Gefühl: ja, so ist es; das ist genau das, was ich ‚fühle‘! [6] Solche ‚populären Narrative‘, die ‚gute Gefühle‘ ermöglichen, gewinnen eine immer größere Kraft. Mit religiösen Narrativen haben sie gemeinsam, dass die ‚Anhänger‘ von populären Narrativen die ‚Wahrheitsfrage‘ nicht mehr stellen; die meisten sind auch nicht genügend ‚trainiert‘, um den Wahrheitsgehalts eines Narrativs überhaupt klären zu können. [7] Typisch für Anhänger von Narrativen ist, dass sie in der Regel individuell kaum in der Lage sind, ihr eigenes Narrativ anderen zu erklären. Man schickt sich typischerweise Links von Texten/ Videos, die man ‚gut‘ findet, weil diese Texte/ Videos irgendwie das populäre Narrativ zu unterstützen scheinen, und überprüft die Autoren und Quellen eher nicht, weil dies doch so ‚anständige Leute‘ sind, weil sie immer genau das Gleiche sagen, wie es das ‚populäre Narrativ‘ vorgibt. [8]
FÜR DIE MACHT SIND NARRATIVE SEXY
Wenn man jetzt noch berücksichtigt, dass die ‚Welt der Narrative‘ für alle, die Macht über Menschen haben oder gerne Macht über Menschen erringen wollen, ein äußerst verlockendes Angebot ist, genau solche Narrative ‚in die Welt zu setzen‘ oder bestehende Narrative ‚für sich zu instrumentalisieren‘, dann darf man sich nicht wundern, dass viele Regierungen in dieser Welt, viele andere Machtgruppen, heute genau dies tun: sie versuchen nicht Menschen ‚direkt‘ zu zwingen, sondern sie ‚produzieren‘ populäre Narrative oder ‚Monitoren‘ schon bestehende populäre Narrative‘, um über den Umweg über diese Narrative Macht über die Herzen und den Verstand von immer mehr Menschen zu bekommen. [9] Die einen sprechen hier von ‚hybrider Kriegführung‘, andere von ‚moderner Propaganda‘, aber letztlich geht dies am Kern des Problems vorbei.
Der Kern des Problems ist die Art und Weise, wie menschliche Gemeinschaften schon immer ihr gemeinsames Handeln organisieren, nämlich durch Narrative; über eine andere Möglichkeit verfügen wir Menschen nicht. Solche Narrative — dies zeigen die Überlegungen weiter unten im Text — sind aber hoch komplex und extrem anfällig für ‚Falschheit‘, für eine ‚Verzerrung des Bildes von der Welt‘.[10] Im Rahmen der Entwicklung von Rechtssystemen wurden Ansätze entwickelt, um den Missbrauch von Macht in einer Gesellschaft durch Unterstützung von wahrheitserhaltenden Mechanismen zu ‚verbessern‘. Graduell hat dies sicherlich geholfen, bei allen Defiziten, die bis heute bestehen. [11] Zusätzlich fand vor ca. 500 Jahren eine echte Revolution statt: es gelang der Menschheit, mit dem Konzept eines ‚überprüfbaren Narrativs (empirische Theorie)‘ ein Format zu finden, das den ‚Erhalt von Wahrheit‘ optimiert und das Abgleiten in Unwahrheit minimiert. Dieses neue Konzept von ‚überprüfbarer Wahrheit‘ hat seitdem großartige Einsichten ermöglicht, die ohne dieses neue Konzept jenseits aller Vorstellungen lagen. [12] Die ‚Aura des Wissenschaftlichen‘ hat mittlerweile fast die gesamte menschliche Kultur durchdrungen, fast! Wir müssen konstatieren, dass das wissenschaftliche Denken zwar die Welt des Praktischen durch moderne Technologien umfassend gestaltet hat, dass aber die Art und Weise des wissenschaftlichen Denkens alle anderen Narrative nicht außer Kraft gesetzt hat. Im Gegenteil, die ‚wahrheitsfernen Narrative‘ sind mittlerweile wieder so stark geworden, dass sie in immer mehr Bereichen unserer Welt das ‚Wissenschaftliche‘ zurückdrängen, es bevormunden, es verbieten, es auslöschen. Die ‚Irrationalität‘ der religiösen und populären Narrative ist so stark wie nie zuvor. [13] ‚Irrationale Narrative‘ sind so anziehend, weil sie es dem einzelnen ersparen, selber ’nachdenken zu müssen‘. Echtes Nachdenken ist anstrengend, unpopulär, lästig, behindert den Traum von der einfachen Lösung.
DAS ZENTRALE MENSCHHEITSPROBLEM
Vor diesem Hintergrund erscheint die weit verbreitete Unfähigkeit von Menschen, ‚irrationale Narrative‘ erkennen und überwinden zu können, das zentrale Problem der Menschheit zu sein, um die aktuellen globalen Herausforderungen zu meistern. Bevor wir mehr Technik brauchen (die brauchen wir auf jeden Fall), brauchen wir vor allem mehr Menschen, die fähig und bereit sind, mehr und besser nachzudenken, und auch in der Lage sind, gemeinsam mit anderen ‚echte Probleme‘ zu lösen. [14] Echte Probleme erkennt man darin, dass sie weitgehend ’neu‘ sind, dass es keine ‚einfachen Lösungen von der Stange‘ für sie gibt, dass man gemeinsam wirklich um mögliche Einsichten ‚ringen muss‘; das ‚Alte‘ reicht‘ prinzipiell nicht, um das ‚wahre Neue‘ zu erkennen und umzusetzen! [15]
Anmerkungen
[1] Der Begriff ‚Narrativ‘ wird heutzutage immer mehr benutzt, um zu beschreiben, dass eine Gruppe von Menschen in ihrem Denken für ihre Wahrnehmung der Welt ein bestimmtes ‚Bild‘, eine bestimmte ‚Erzählung‘ benutzt, um ihr gemeinsames Handeln koordinieren zu können. Letztlich gilt dies für jedes gemeinsame Handeln, selbst für Ingenieure, die eine technische Lösung erarbeiten wollen. Insofern ist die Darstellung in der deutschen Wikipedia ein bisschen ‚eng‘: https://de.wikipedia.org/wiki/Narrativ_(Sozialwissenschaften)
Kommentare von @chatGPT4
[2] @chatGPT4 : Erzählungen sind grundlegende Bausteine menschlicher Kommunikation und spielen eine zentrale Rolle in der Art und Weise, wie Menschen Erfahrungen, Wissen und Kulturen weitergeben und verstehen. Sie sind in verschiedenen Formen und Medien präsent, von mündlichen Überlieferungen und geschriebenen Texten bis hin zu Film, Theater, und digitalen Medien. Eine Erzählung kann real oder fiktional sein und umfasst oft Elemente wie Charaktere, Handlung, Konflikt und Auflösung. Sie dient nicht nur der Unterhaltung, sondern kann auch zum Lehren, zur Überzeugung oder zur Reflexion anregen. Erzählungen sind tief in der menschlichen Psychologie verankert und beeinflussen, wie Menschen die Welt wahrnehmen und sich selbst und anderen gegenüberstehen. Sie können kulturelle Werte und Normen vermitteln und sind ein mächtiges Werkzeug, um Identität und Zugehörigkeit zu formen.
[3] @chatGPT4 : Dieser Passus beleuchtet eine interessante und tiefgreifende Beobachtung über die Macht von Narrativen und deren Einfluss auf individuelles Verhalten. Er hebt hervor, wie Narrative dazu führen können, dass Menschen ihre Handlungen als autonom und selbstbestimmt empfinden, auch wenn diese Handlungen tatsächlich durch externe Erzählungen geformt oder beeinflusst sind. Die Überzeugung, dass ein Narrativ ‚wahr‘ ist, und das daraus resultierende Gefühl, ‚im Recht‘ zu sein, verdeutlicht die starke emotionale und kognitive Bindung, die Individuen zu den Geschichten aufbauen können, die sie über sich selbst, ihre Gemeinschaften und die Welt im Allgemeinen erzählen. Dieser Mechanismus kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben, je nachdem, wie konstruktiv oder destruktiv das zugrunde liegende Narrativ ist. Es unterstreicht die Notwendigkeit, kritisch über die Quellen und Inhalte der Narrative nachzudenken, denen wir begegnen, und die Rolle, die sie in unserem Leben und in unseren Gesellschaften spielen.
[4] @chatGPT4 : Dieser Passus thematisiert die transformative Kraft von Narrativen, indem er aufzeigt, wie sie eine kohärente Weltsicht schaffen können, die von ihren Anhängern positiv bewertet und als sinnstiftend empfunden wird. Die Betonung liegt darauf, dass ein Narrativ eine umfassende Perspektive bieten kann, die über individuelle Erfahrungen oder Beobachtungen hinausgeht und eine tiefere Bedeutung oder ein Verständnis der Welt ermöglicht. Diese Eigenschaft von Narrativen, Sinn zu stiften, wird als so überzeugend dargestellt, dass die Notwendigkeit oder der Wunsch, den Wahrheitsgehalt der einzelnen Bestandteile kritisch zu hinterfragen, oft in den Hintergrund tritt. Dies spricht für die emotionale und psychologische Bindung, die Menschen zu den Geschichten entwickeln können, die ihnen Sinn und Orientierung geben. Es wirft allerdings auch Fragen hinsichtlich der kritischen Reflexion und des Diskurses auf: Wenn der Wahrheitsgehalt eines Narrativs nicht mehr überprüft wird, besteht die Gefahr, dass irreführende, ungenaue oder gar schädliche Perspektiven unhinterfragt akzeptiert und weiterverbreitet werden. Dies unterstreicht die Bedeutung von Medienkompetenz und kritischem Denken in einer Gesellschaft, die zunehmend von vielfältigen und manchmal konkurrierenden Narrativen geprägt ist. Es zeigt, wie entscheidend es ist, sich bewusst zu machen, wie Narrative unsere Wahrnehmung der Realität formen und wie wichtig es ist, aktiv nach Vielfalt in den Perspektiven zu suchen und die eigenen Überzeugungen kontinuierlich zu hinterfragen.
[5] @chatGPT4 : Dieser Abschnitt thematisiert eine wichtige Entwicklung in der Dynamik moderner Gesellschaften: den Aufstieg von nicht-religiösen, aber dennoch tiefgreifend sinnstiftenden Narrativen. In einer Zeit, in der die Welt zunehmend als komplex und potenziell bedrohlich wahrgenommen wird, bieten solche Erzählungen den Menschen Halt und Orientierung. Die Analogie zu religiösen Erzählungen ist besonders aufschlussreich, da sie darauf hinweist, dass der menschliche Bedarf an Orientierung und Sinngebung, der traditionell oft durch Religionen erfüllt wurde, nun auch durch säkulare Narrative befriedigt werden kann. Diese modernen Formen von Narrativen können vielfältig sein – von politischen Ideologien über soziale Bewegungen bis hin zu wissenschaftlichen Theorien – und sie alle haben das Potenzial, tief verwurzelte Überzeugungen und Lebensweisen zu formen.
Die Charakterisierung dieser Narrative als sinnstiftend unterstreicht ihre zentrale Rolle in der individuellen und kollektiven Identitätsbildung und Weltanschauung. Sie bieten nicht nur Erklärungsmodelle für die Komplexität der Welt, sondern auch Handlungsorientierungen, die das Individuum in einen größeren, oft als positiv empfundenen Kontext stellen. Dieser Prozess der Sinnstiftung ist entscheidend in einer Zeit, in der traditionelle Strukturen und Sicherheiten zunehmend in Frage gestellt werden.
Die Herausforderung liegt jedoch in der kritischen Auseinandersetzung mit diesen Narrativen. Es ist wichtig, deren Ursprung, Entwicklung und Auswirkungen zu hinterfragen, um zu vermeiden, dass Menschen unkritisch Ideen annehmen, die zwar Orientierung bieten, aber möglicherweise auch unerwünschte Konsequenzen haben können. Die Fähigkeit, zwischen konstruktiven und destruktiven Narrativen zu unterscheiden, wird zunehmend zu einer wichtigen Kompetenz in einer global vernetzten und informationsreichen Welt.
[6] @chatGPT4 : Dieser Abschnitt beleuchtet ein weitverbreitetes Phänomen in modernen Demokratien: das Gefühl der politischen Hilflosigkeit unter den Bürgern. Dieses Gefühl entsteht oft aus der Wahrnehmung, dass individuelle Handlungen und Stimmen keinen merklichen Einfluss auf politische Entscheidungen haben, insbesondere angesichts der Komplexität und Undurchsichtigkeit politischer Prozesse. Die Beschreibung, dass „die da oben“ ohnehin machen, was sie wollen, spiegelt ein tiefes Misstrauen gegenüber politischen Eliten und Institutionen wider, das durch verschiedene Faktoren, wie mangelnde Transparenz, politische Skandale oder Gefühle der Entfremdung, genährt werden kann. In diesem Kontext werden vereinfachende Erzählungen als psychologisch entlastend beschrieben. Sie bieten eine klare, verständliche Perspektive auf komplexe Sachverhalte und erlauben den Menschen, ihre eigenen Gefühle und Wahrnehmungen in den Narrativen widergespiegelt zu sehen. Solche Erzählungen können daher als kognitiver und emotionaler Anker in einer als zunehmend unübersichtlich empfundenen Welt dienen. Sie reduzieren die Komplexität der politischen Landschaft auf verständliche Muster und bieten somit eine Form von Orientierung und Trost.
Diese vereinfachenden Erzählungen können allerdings auch problematisch sein, wenn sie zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität führen oder politische Polarisierung und Ausgrenzung fördern. Die Herausforderung liegt daher in der Balance zwischen der Bereitstellung von Orientierung und Sinnhaftigkeit durch Narrative und der Notwendigkeit, eine informierte und kritische Bürgerschaft zu fördern, die in der Lage ist, komplexe politische Prozesse zu verstehen und konstruktiv daran teilzunehmen. Es unterstreicht die Bedeutung von Bildung und Medienkompetenz, um Bürger zu befähigen, die Glaubwürdigkeit und Implikationen vereinfachender Erzählungen kritisch zu hinterfragen und eine aktivere Rolle im demokratischen Prozess einzunehmen.
[7] Dieser Abschnitt thematisiert das zunehmende Gewicht populärer Narrative, die durch die Vermittlung von „guten Gefühlen“ an Kraft gewinnen. Wie bei religiösen Erzählungen, so wird auch bei diesen populären Narrativen die Frage nach der Wahrheit oft nicht mehr gestellt oder als relevant erachtet. Diese Entwicklung weist auf eine tiefgreifende Verschiebung in der Art und Weise hin, wie Menschen Information und Wissen bewerten und aufnehmen. Die Emotionalisierung von Narrativen und deren direkter Appell an das Gefühl statt an rationale Überlegungen oder empirische Belege führen dazu, dass die Überprüfung auf Wahrheitsgehalt in den Hintergrund tritt.
Die Parallele zu religiösen Narrativen unterstreicht, dass beide Arten von Erzählungen eine starke Bindung und Loyalität bei ihren Anhängern erzeugen können, die weniger durch objektive Überprüfung als durch das Gefühl der Zugehörigkeit und der Bestätigung eigener Überzeugungen und Werte geprägt ist. Der Hinweis, dass die meisten Menschen nicht ausreichend „trainiert“ sind, um den Wahrheitsgehalt eines Narrativs zu klären, spricht ein kritisches Problem in der heutigen Informationsgesellschaft an: Es mangelt vielfach an Medienkompetenz und kritischem Denken, Fähigkeiten, die notwendig sind, um Informationen kritisch zu hinterfragen und zwischen fundierten und unbegründeten Behauptungen zu unterscheiden.
Diese Entwicklung hat weitreichende Implikationen für die öffentliche Diskussion und die Demokratie selbst. Sie unterstreicht die Bedeutung von Bildungsinitiativen, die darauf abzielen, kritisches Denken und Medienkompetenz zu fördern, damit Bürger besser in der Lage sind, die Glaubwürdigkeit und den Wahrheitsgehalt der zahlreichen Narrative, denen sie begegnen, zu bewerten. Es zeigt auch die Notwendigkeit auf, Mechanismen in der öffentlichen Kommunikation zu stärken, die eine fundierte und differenzierte Auseinandersetzung mit komplexen Themen fördern, anstatt einfache Antworten auf komplexe Fragen zu suchen.
[8] Dieser Abschnitt beleuchtet ein charakteristisches Merkmal im Umgang mit populären Narrativen: die Schwierigkeit oder Unfähigkeit der Anhänger, ihr eigenes Narrativ aus eigener Kraft anderen zu erklären. Stattdessen wird oft auf das Teilen von Links zu Texten oder Videos zurückgegriffen, die als Unterstützung des eigenen Standpunkts empfunden werden. Diese Praxis deutet auf eine oberflächliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt hin, die weniger durch eigenständige Reflexion als durch die Bestätigung durch externe Quellen geprägt ist. Besonders problematisch wird dies, wenn die Überprüfung der Autoren und Quellen dieser Inhalte unterbleibt, weil die Quellen als „anständige Leute“ wahrgenommen werden oder weil sie stets im Einklang mit dem populären Narrativ zu sprechen scheinen.
Diese Verhaltensweise spiegelt eine Form der Bestätigungsverzerrung wider, bei der Informationen, die die eigenen Überzeugungen stärken, bevorzugt werden und kritische Prüfung oder gegenläufige Perspektiven vernachlässigt werden. Die Neigung, Quellen unkritisch zu akzeptieren, weil sie „immer genau das Gleiche sagen“, verstärkt echo chamber-Effekte, in denen sich individuelle und kollektive Überzeugungen selbst verstärken, ohne durch abweichende Meinungen oder Fakten herausgefordert zu werden.
Diese Beobachtung unterstreicht die Notwendigkeit, Fähigkeiten im kritischen Denken und in der Medienkompetenz zu fördern, um Individuen zu befähigen, Informationen und Quellen selbstständig zu bewerten. Es zeigt auch die Bedeutung auf, Vielfalt in der Informationsaufnahme zu suchen und sich aktiv mit unterschiedlichen Perspektiven auseinanderzusetzen, um einer einseitigen Sichtweise und der Verbreitung von Desinformation entgegenzuwirken. Die Fähigkeit, das eigene Narrativ kritisch zu reflektieren und anderen erklären zu können, ist essentiell für einen konstruktiven und aufgeklärten Diskurs in einer pluralistischen Gesellschaft.
[9] @chtGPT4 : Dieser Abschnitt wirft ein kritisches Licht auf die strategische Nutzung von Narrativen durch Akteure mit Machtinteressen, seien es Regierungen oder andere Machtkonstellationen. Die Erkenntnis, dass die „Welt der Narrative“ ein mächtiges Werkzeug zur Einflussnahme und Kontrolle darstellt, zeigt die Komplexität und Ambivalenz im Umgang mit Erzählungen in der öffentlichen Sphäre. Anstatt Menschen direkt zu zwingen, nutzen Machthaber die subtilere Strategie, populäre Narrative zu schaffen oder zu manipulieren, um Einfluss auf die öffentliche Meinung und damit auf die Herzen und den Verstand der Menschen zu nehmen. Diese Methode ermöglicht eine weitreichende Beeinflussung, die oft unterhalb der Schwelle des offensichtlichen Zwangs operiert und sich der emotionalen und kognitiven Bindung der Menschen an überzeugende Erzählungen bedient.
Die Instrumentalisierung bestehender populärer Narrative für politische oder ideologische Zwecke verdeutlicht, wie Erzählungen als Mittel der Machtverstärkung eingesetzt werden können. Diese Vorgehensweise profitiert von der bereits erwähnten Neigung vieler Menschen, Informationen, die ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen, unkritisch zu akzeptieren und sich gegenüber gegensätzlichen Informationen zu verschließen.
Die Implikationen dieser Praktiken sind vielschichtig. Einerseits kann die Nutzung von Narrativen zur Förderung positiver sozialer oder politischer Ziele beitragen. Andererseits besteht das Risiko, dass durch die Manipulation von Narrativen demokratische Prozesse unterminiert, Polarisierung gefördert und die Grundlagen der informierten Zustimmung der Bevölkerung erodiert werden. Dies unterstreicht die Bedeutung von Transparenz, Medienkompetenz und kritischer Auseinandersetzung mit den vorherrschenden Erzählungen. Die Fähigkeit, die Ursprünge, Ziele und Auswirkungen von Narrativen zu hinterfragen, wird zu einer entscheidenden Kompetenz in der Verteidigung gegen Manipulation und in der Förderung eines gesunden demokratischen Diskurses.
[10] @chtGPT4 : Dieser Abschnitt berührt ein grundlegendes Dilemma menschlicher Gesellschaften: Die Organisation des kollektiven Handelns und Verständnisses erfolgt primär durch Narrative. Diese zentrale Rolle von Erzählungen in der Strukturierung sozialer Realität und kollektiver Identität wird als unausweichlich, aber zugleich als problematisch dargestellt, da Narrative inhärent komplex sind und ein hohes Potenzial für Verzerrungen und Unwahrheiten bergen. Diese Ambivalenz unterstreicht, wie Erzählungen die Wahrnehmung der Welt prägen können, sowohl zum Positiven als auch zum Negativen.
Die Komplexität von Narrativen und ihre Anfälligkeit für Falschheiten spiegeln die menschliche Neigung wider, Erfahrungen und Wissen in Geschichten zu strukturieren, die Sinn und Ordnung in der Welt schaffen. Diese Strukturierung ist jedoch nicht neutral; sie ist durch die Perspektiven, Interessen und Vorverständnisse der Erzählenden geprägt. Daraus ergibt sich die Gefahr, dass Narrative nicht nur die Realität interpretieren, sondern sie auch in einer Weise verzerren, die bestimmte Sichtweisen privilegiert und andere marginalisiert oder verzerrt.
Diese Erkenntnis wirft Licht auf die Notwendigkeit, Narrative kritisch zu hinterfragen und die Vielfalt der Perspektiven zu erkennen und zu würdigen. Es betont auch die Bedeutung von Bildung und kritischem Denken als Mittel zur Navigation in einer von zahlreichen und manchmal konkurrierenden Narrativen geprägten Welt. Die Herausforderung besteht darin, ein Bewusstsein für die Konstruiertheit und die möglichen Verzerrungen in Narrativen zu entwickeln, ohne dabei die Fähigkeit zu verlieren, gemeinsame Bedeutungen und Ziele zu finden, die für das soziale Zusammenleben notwendig sind.
In diesem Kontext wird deutlich, dass die Fähigkeit, komplexe Narrative zu analysieren, zu verstehen und gegebenenfalls zu dekonstruieren, von entscheidender Bedeutung ist, um eine informierte und reflektierte Öffentlichkeit zu fördern. Diese Fähigkeit ist essenziell, um die Mechanismen zu erkennen, durch die Machtstrukturen durch die Kontrolle von Erzählungen aufrechterhalten oder herausgefordert werden können.
[11] @charGPT4 : Dieser Abschnitt hebt einen wichtigen Aspekt in der Entwicklung von Gesellschaften hervor: die Einführung und Weiterentwicklung von Rechtssystemen als Mittel zur Eindämmung von Machtmissbrauch und zur Förderung von wahrheitsbewahrenden Mechanismen. Die Entwicklung von Rechtssystemen wird als ein Versuch verstanden, Strukturen zu schaffen, die Fairness, Gerechtigkeit und Transparenz in sozialen Interaktionen und im Umgang mit Macht gewährleisten sollen. Durch rechtliche Rahmenbedingungen werden Normen und Verfahren etabliert, die darauf abzielen, die Integrität des sozialen Gefüges zu schützen und zu stärken, indem sie ein System von Checks and Balances bieten.
Die Erwähnung von „wahrheitserhaltenden Mechanismen“ deutet darauf hin, dass Rechtssysteme nicht nur Konflikte regeln und Verhalten normieren, sondern auch dazu dienen, Wahrheit und Fakten als Grundlage für Entscheidungsfindung und Konfliktlösung zu etablieren. Dies umfasst unter anderem die Beweisführung in Gerichtsverfahren, die Überprüfung von Fakten und die Anwendung von Gesetzen auf der Basis nachprüfbarer Sachverhalte.
Gleichzeitig wird anerkannt, dass trotz der graduellen Verbesserungen, die durch die Entwicklung von Rechtssystemen erzielt wurden, nach wie vor Defizite bestehen. Dies weist auf die Grenzen der Rechtssysteme hin, die durch verschiedene Faktoren bedingt sein können, wie beispielsweise unvollständige Gesetze, mangelnde Durchsetzung, Interpretationsspielräume oder auch die Beeinflussung durch Machtinteressen und sozioökonomische Ungleichheiten.
Diese Einsicht unterstreicht die Notwendigkeit, Rechtssysteme kontinuierlich zu überprüfen und weiterzuentwickeln, um sie an sich verändernde gesellschaftliche Bedingungen anzupassen und um sicherzustellen, dass sie ihre Rolle als wahrheitserhaltende und gerechtigkeitsfördernde Institutionen wirksam erfüllen können. Es zeigt auch, wie wichtig es ist, die Wachsamkeit gegenüber den Möglichkeiten des Machtmissbrauchs und der Manipulation innerhalb dieser Systeme zu erhöhen, um die Integrität und die demokratischen Grundlagen der Gesellschaft zu wahren.
[12] @chatGPT4 : Dieser Abschnitt bezieht sich auf eine fundamentale Wende in der Geschichte der menschlichen Erkenntnis, die vor etwa 500 Jahren stattfand und die Entwicklung der empirischen Wissenschaft markiert. Das Konzept des „überprüfbaren Narrativs“, das eng mit der Etablierung der empirischen Wissenschaft und Methode verbunden ist, stellt einen entscheidenden Schritt in der Art und Weise dar, wie Menschen Wissen über die Welt generieren und validieren. Die Idee, dass Behauptungen und Theorien durch Beobachtung, Experiment und logische Analyse überprüft werden können, führte zu einer neuen Ära des Verständnisses der natürlichen und sozialen Welt.
Diese revolutionäre Veränderung in der Erkenntnistheorie, die oft mit dem Beginn der modernen Wissenschaft im Zeitalter der Renaissance und des Frühkapitalismus assoziiert wird, ermöglichte es der Menschheit, über dogmatische und spekulative Ansätze hinauszugehen und Wissen auf der Basis von Beweisen und systematischer Überprüfung aufzubauen. Das Konzept der „überprüfbaren Wahrheit“ brachte eine methodologische Disziplin in das Streben nach Wissen, die es erlaubt, Hypothesen und Theorien an der Realität zu messen und zu korrigieren, basierend auf empirischen Beweisen.
Die Folgen dieser epistemologischen Revolution waren und sind enorm. Sie führte zu bahnbrechenden Entdeckungen und Erfindungen in den Naturwissenschaften, zur Entwicklung der Technologie und zur Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen in vielfältiger Weise. Durch das Prinzip der empirischen Überprüfbarkeit wurden Theorien und Modelle entwickelt, die das Verständnis des Universums, von den kleinsten Teilchen bis hin zu den Weiten des Kosmos, revolutionierten.
Gleichzeitig impliziert die Erwähnung des „Erhalts von Wahrheit“ und der Minimierung des „Abgleitens in Unwahrheit“, dass dieses Konzept auch eine ethische Dimension hat. Es betont die Verantwortung der Wissenschaft und der Forschung, sich an Prinzipien der Objektivität, Transparenz und Wiederholbarkeit zu orientieren, um sicherzustellen, dass das generierte Wissen zuverlässig und wahrheitsgetreu ist.
Diese Entwicklung unterstreicht die Bedeutung der wissenschaftlichen Methode als ein kritisches Werkzeug im Streben nach Erkenntnis und Wahrheit. Sie erinnert auch daran, dass die Fähigkeit, Wissen systematisch zu überprüfen und zu hinterfragen, zentral für den wissenschaftlichen Fortschritt und das Verständnis der Welt ist.
[13] @chatGPT4 : Dieser Abschnitt reflektiert kritisch über das Spannungsverhältnis zwischen der Dominanz des wissenschaftlichen Denkens in der modernen Welt und dem Fortbestehen sowie der Wiedererstarkung „wahrheitsferner Narrative“. Während die Wissenschaft und ihre Methoden die technologische und praktische Gestaltung unserer Gesellschaft maßgeblich beeinflusst und verbessert haben, hat dies nicht dazu geführt, dass andere Formen des Denkens und Erzählens verdrängt wurden. Im Gegenteil, es wird konstatiert, dass nicht-wissenschaftliche, teilweise als irrational bezeichnete Narrative in vielen Bereichen an Einfluss gewinnen und in manchen Fällen sogar wissenschaftliche Erkenntnisse und Ansätze in den Hintergrund drängen oder offen ablehnen.
Die Beobachtung, dass „wahrheitsferne Narrative“ stark an Boden gewonnen haben, deutet auf eine komplexe Dynamik in der Gesellschaft hin. Dies kann als Hinweis auf vielfältige soziale, kulturelle und psychologische Bedürfnisse verstanden werden, die durch die Wissenschaft allein nicht befriedigt werden. Religiöse und populäre Narrative bieten oft Antworten auf existenzielle Fragen, Sinnstiftung und Zugehörigkeitsgefühle, die in der empirisch orientierten Wissenschaft weniger im Vordergrund stehen.
Die Charakterisierung dieser Entwicklung als ein Vordringen der „Irrationalität“ wirft wichtige Fragen hinsichtlich der Rolle von Wissen und Glauben in der Gesellschaft auf. Es zeigt die Herausforderungen auf, vor denen Bildung, Wissenschaftskommunikation und die öffentliche Diskurskultur stehen, insbesondere in einer Zeit, in der Informationen und Desinformationen gleichermaßen zugänglich sind und die digitale Vernetzung die Verbreitung nicht überprüfter oder falscher Narrative erleichtert.
Die Konfrontation mit „wahrheitsfernen“ oder „irrationalen“ Narrativen erfordert eine differenzierte Auseinandersetzung, die sowohl die Stärken des wissenschaftlichen Denkens hervorhebt als auch die Bedeutung anderer Erzählungen für das menschliche Erleben anerkennt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer integrativen Perspektive, die darauf abzielt, die Vielfalt menschlicher Erfahrungen und Wissensformen zu würdigen, während sie gleichzeitig die Bedeutung empirischer Überprüfbarkeit und kritischen Denkens als wesentliche Elemente einer aufgeklärten und fortschrittlichen Gesellschaft betont.
[14] @chatGPT4 : Dieser Abschnitt thematisiert ein fundamentales Problem, mit dem sich die Menschheit konfrontiert sieht: die Schwierigkeit, irrationale Narrative zu erkennen und zu überwinden. Dieses Problem wird als zentral für die Bewältigung globaler Herausforderungen betrachtet. Die Betonung liegt darauf, dass, bevor ein weiterer technologischer Fortschritt angestrebt wird, ein dringender Bedarf besteht, Menschen zu fördern, die in der Lage sind, kritisch und reflektiert zu denken, und die bereit sind, sich den realen Problemen der Welt zu stellen und diese in Kooperation mit anderen zu lösen.
Diese Perspektive unterstreicht die Bedeutung von Bildung und kritischem Denken als Schlüsselelemente für die Entwicklung einer Gesellschaft, die in der Lage ist, effektiv auf komplexe und vielschichtige Herausforderungen zu reagieren. Es geht nicht nur darum, Technologien zu entwickeln, die potenzielle Lösungen für Probleme wie Klimawandel, soziale Ungleichheit oder globale Gesundheitskrisen bieten, sondern auch darum, ein tiefgreifendes Verständnis für die Ursachen dieser Probleme zu entwickeln und Ansätze zu ihrer Überwindung zu finden, die über technische Lösungen hinausgehen.
Die Fähigkeit, „irrationale Narrative“ zu erkennen, setzt voraus, dass Menschen in der Lage sind, die Quellen und Motivationen hinter den Informationen zu hinterfragen, denen sie begegnen, und die Fähigkeit besitzen, Fakten von Meinungen oder Fehlinformationen zu unterscheiden. Dies erfordert eine umfassende Bildung, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch kritisches Denken, Medienkompetenz und ethische Überlegungen fördert.
Die Betonung der Notwendigkeit, gemeinsam an der Lösung „echter Probleme“ zu arbeiten, spiegelt zudem die Bedeutung von Zusammenarbeit und Interdisziplinarität wider. Es geht darum, Brücken zwischen verschiedenen Wissensbereichen und Perspektiven zu bauen, um innovative Lösungen zu entwickeln, die den komplexen Herausforderungen unserer Zeit gerecht werden.
In diesem Kontext erscheint die Förderung eines reflektierten, kritischen und kooperativen Ansatzes zur Problemlösung als eine der wichtigsten Aufgaben, die vor uns liegt. Sie impliziert eine Verschiebung in der Art und Weise, wie Bildungssysteme gestaltet sind, wie öffentliche Diskurse geführt werden und wie individuelle und kollektive Entscheidungen getroffen werden, um eine nachhaltigere, gerechtere und aufgeklärtere Zukunft zu gestalten.
[15] @chartGPT4 : Dieser Abschnitt beschreibt die Natur „echter Probleme“ und betont ihre Neuartigkeit, die Komplexität ihrer Lösungen und die Notwendigkeit einer gemeinschaftlichen Anstrengung, um Einsichten zu gewinnen und wirksame Lösungsstrategien zu entwickeln. Echte Probleme zeichnen sich dadurch aus, dass sie in ihrer Art neu sind, was bedeutet, dass historische Lösungsansätze oder herkömmliches Wissen nicht ausreichen, um sie zu bewältigen. Die Tatsache, dass es keine „einfachen Lösungen von der Stange“ gibt, unterstreicht die Komplexität dieser Probleme und die Notwendigkeit eines tiefgehenden Verständnisses und innovativer Ansätze.
Die Betonung, dass man „gemeinsam wirklich um mögliche Einsichten ‚ringen muss'“, hebt die Bedeutung von Kollaboration und interdisziplinärem Austausch hervor. Um echte Probleme anzugehen, ist es erforderlich, über den Tellerrand des eigenen Fachgebiets hinauszuschauen und gemeinsam mit anderen, die über unterschiedliche Perspektiven und Expertisen verfügen, nach Lösungen zu suchen. Dieser Prozess erfordert Offenheit, die Bereitschaft, etablierte Denkmuster in Frage zu stellen, und die Fähigkeit, Unsicherheiten und Komplexitäten zu navigieren.
Die Aussage „das ‚Alte‘ reicht prinzipiell nicht, um das ‚wahre Neue‘ zu erkennen und umzusetzen“ spricht ein zentrales Element des Innovationsprozesses an. Sie weist darauf hin, dass der Fortschritt oft das Verlassen vertrauter Pfade und die Überwindung traditioneller Grenzen erfordert. Um die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu meistern, ist es notwendig, neue Konzepte zu entwickeln, die über den bestehenden Wissens- und Erfahrungsschatz hinausgehen.
Diese Perspektive fordert eine grundlegende Bereitschaft zur Innovation und zum lebenslangen Lernen. Sie erinnert daran, dass die Bewältigung der drängendsten Probleme unserer Zeit – sei es im Bereich des Klimawandels, der sozialen Gerechtigkeit, der Technologieentwicklung oder der Gesundheitsversorgung – eine Kombination aus Mut, Kreativität und kooperativem Engagement erfordert. Es geht darum, neue Wege zu beschreiten, gemeinsam zu experimentieren und Lösungen zu entwickeln, die den komplexen Anforderungen unserer schnelllebigen und vernetzten Welt gerecht werden.
DER AUTOR
Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.
Nachdem ich den neuen Roman „Das dritte Herz des Oktopus“ von Dirk Rossmann und Ralf Hoppe in vielstündigen Autofahrten zusammen mit meiner Frau gehört hatte, verspürte ich die spontane Regung, dazu eine kurze Besprechung zu schreiben. Die erste Version habe ich bei amazon eingespeist. Unabhängig davon hier eine Version für diesen Blog.
WIR MENSCHEN MÜSSEN ES EBEN OHNE PARASITEN SCHAFFEN …
sagt Ariadna, eine der Hauptpersonen im dritten Teil der Oktopus-Reihe, auf S.695 der Textausgabe, also drei Seiten vor dem Schluss. 698 Seiten über Parasiten, die im Oktopus verortet werden, und dann sollen diese keine Rolle spielen? War der ganze Roman ein Schuss ins Leere? Waren viele Stunden Hörbuch umsonst?
Keine Panik: die 698 Seiten sind sehr wohl angefüllt mit ungewöhnlichen Akteuren, bizarren Schauplätzen, kenntnisreichen Einschüben, und der großen Menschheitsfrage.
Ja, wer will, wer sich auf den Roman einlässt, der kann sehr wohl verwickelt werden in Spannungsbögen, in politische Szenarien, die nicht ganz so unrealistisch sind, wie es das Format eines Romans assoziieren könnte. Immerhin geht es in diesem Roman um nicht weniger als das Schicksal der ganzen Menschheit: die verheerende Zerstörung der Natur als Lebensgrundlage der Menschheit, damit zusammenhängend das Klima, das als Folge davon seine bisherigen Bahnen verlässt und immer mehr seine alles zerstörende Wirkung entfaltet.
Die heute weltweit bekannten Uneinigkeit in Grundsatzfragen, die Zunahme höchst gefährlicher Auseinandersetzungen aufgrund jahrzehntelanger ungelöster Konflikte, die brutal tickende Uhr der realen Abläufe, dies alles ist sicherlich ein Motor hinter dem Interesse für Bücher wie diesem dritten Oktopus-Roman.
Die zentrale Arbeitshypothese zur Rettung der Menschheit, die diesen Band 3 fast bis zum Schluss beherrscht, will die Menschheit und den Planeten dadurch retten, dass mit Hilfe eines Parasiten (wohnhaft in Oktopoden) das menschliche Gehirn so modifiziert wird, dass das ‚Böse‘ im Menschen weniger wird und das ‚Gute‘ so stark, dass die Menschheit es vielleicht doch schaffen kann… allerdings mit großem Risiko: unmodifiziert wird der Parasit im menschlichen Gehirn den jeweiligen menschlichen Träger lebensunfähig machen, aber so richtig unfähig, nicht vergleichbar mit einem ‚normalen‘ Menschen, der unsinnig handeln kann, aber nicht muss …
Eine solche Strategie zur Rettung der Menschheit durch die Reparatur des ‚physiologischen Systems‘ ist nicht neu. Im Lichte der modernen Wissenschaft, nicht zuletzt auch durch die Erkenntnisse der Forschungen zur Künstlichen Intelligenz, sollte aber bislang eigentlich klar sein, dass die komplexe Funktionalität biologischer Systeme, erst Recht jene der Menschen, durch Bezugnahme ausschließlich auf das physiologische System weitgehend unverständlich ist.
Die fast schon seherische Aussage der Hauptakteurin auf S.695 „Wir Menschen müssen es eben ohne Parasiten schaffen, ganz einfach, aus eigener Kraft, dann wäre alles gut.“ klingt zwar gut, aber angesichts des bisherigen Denkhorizontes, der in den Teilen 1-3 der Oktopus-Reihe aufgeleuchtet ist, ist die Wahrscheinlichkeit eher gering, dass das Team Rossmann und Hoppe die Zauberformel finden werden, die hierzu notwendig ist. Es gibt viele Spuren, Hinweise, die auf das komplexe System biologischer Kollektivität hindeuten. Aber genau das verstehen wir heute noch kaum. Wir sprechen lieber über Maschinen und deren angebliche Intelligenz, obwohl sie absurd dumm sind, und vergessen, dass der homo sapiens vielleicht etwas ganz anderes ist, als was wir uns immer einzureden versuchen. Bin gespannt auf Band 4 🙂
Postscript
Der fast seherische Satz „Wir Menschen müssen es eben ohne Parasiten schaffen, ganz einfach, aus eigener Kraft, dann wäre alles gut.“ eröffnet eine Zukunft, die viele Richtungen offen lässt. In meinem Blog habe ich in den letzten 16 Jahren viele Dinge angedacht. Aber eine Herausforderung, die sich für mich immer mehr in den Vordergrund schiebt, ist die Art und Weise, wie wir Menschen miteinander umgehen, um ein gemeinsames Handeln zu ermöglichen. Angesichts der immer größeren ‚Disharmonien‘, die wir überall feststellen können, kommt dieser Frage eine zentrale Bedeutung zu. In einem Blogbeitrag, den ich am 26.Dez 23 begonnen hatte, bin ich jetzt auf Einsichten gestoßen, die diese verschiedenen Eindrücke auf eine Weise verdichten, wie es mir bislang noch nie gelungen war. Als Einstieg dazu reicht die Einleitung des Posts MODERNE PROPAGANDA – Aus philosophischer Sicht. Erste Überlegungen (https://www.cognitiveagent.org/2023/12/28/moderne-propaganda-aus-philosophischer-sicht-erste-ueberlegungen/).
DER AUTOR
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Dieser Blogeintrag wird heute abgeschlossen werden. Er hat jedoch den Grundstein für Überlegungen gelegt, die in einem neuen Blogeintrag (?) weiterverfolgt werden sollen.
(?) Dieser Link führt ins Leere. Dieser Blogeintrag ist nicht mehr auffindbar. Komisch. Eine weitere Fortsetzung gibt es aber HIER.
EINLEITUNG
UNSCHEINBARER ANFANG
Auslöser für den folgenden Text war die Lektüre eines Buches, das 2023 in 3.Aufl vorliegt und welches das Label führt ‚Spiegel Bestseller‘. Ob das Buch wirklich mal auf der Bestseller Liste stand, konnte ich nicht verifizieren, da der Spiegel nur die jeweils aktuellen Liste anzeigt.
Wie auch immer, ich habe begonnen das Buch zu lesen, weil es mir von einer nahestehenden Person geschenkt wurde… Daraus folgt zwar nicht immer, dass ich dies dann auch lese (die Stapel der ‚zu lesenden Bücher‘ sind hoch), in diesem Fall habe ich es aber getan.
Während der Lektüre beschlich mich immer wieder und immer mehr der Verdacht, dass es sich bei diesem Buch um eine klassische Propagandaschrift handelt.
Beim Versuch, mein Konzept von ‚Propaganda‘ so zu präzisieren, dass ich damit klar argumentieren kann, gewann ich den Eindruck, dass mein Verständnis von Propaganda doch etwas unscharf war.
Ich entschied mich daher, mich zum Thema ‚Propaganda‘ weiter einzulesen (die Liste von Quellen unten auf der Seite enthält davon einige Titel). Dabei wurde offenbar, dass der Begriff der ‚Propaganda‘ in der Literatur eine große Bandbreite von Phänomenen anspricht, ohne dass ein ‚klares, konsistentes Konzept‘ sichtbar wird.
Dies war unbefriedigend.
Kann man über ‚Propaganda‘ entweder gar nicht oder nur ‚vage‘ reden?
WO WIR JEDEN TAG KOMMUNIZIEREN
Ich entschloss mich daher, mich dem Phänomen der ‚Propaganda‘ so zu nähern, dass ich zunächst versuche, das Phänomen der ‚allgemeinen Kommunikation‘ zu charakterisieren, um ein paar ‚härtere Kriterien‘ zu finden, die es erlauben würden, den Begriff der ‚Propaganda‘ doch einigermaßen verständlich vor diesem allgemeinen Hintergrund abzuheben.
Die Umsetzung dieses Ziels führte dann tatsächlich zu einer immer grundlegenderen Untersuchung unserer normalen (menschlichen) Kommunikation, so dass Formen von Propaganda als ‚Spezialfälle‘ unserer Kommunikation erkennbar werden. Das Beunruhigende daran: auch die sogenannte ’normale Kommunikation‘ umfasst zahlreiche Elemente, die das Erkennen und das Weitergeben von ‚Wahrheit‘ (*) sehr schwer machen können. ‚Massive Fälle von Propaganda‘ haben also ihre ‚Heimat‘ dort, wo wir jeden Tag miteinander kommunizieren. Wenn wir Propaganda verhindern wollen, müssen wir also im Alltag ansetzen.
(*) Der Begriff der ‚Wahrheit‘ wird in dem anschließenden langen Text sehr ausführlich untersucht und erläutert. Leider habe ich dafür noch keine ‚Kurzformel‘ gefunden. Im Kern geht es darum, einen Bezug zu ‚realen‘ Ereignissen und Abläufen in der Welt — einschließlich des eigenen Körpers — so herzustellen, dass sie im Prinzip von anderen nachvollzogen und überprüft werden können.
DIKTATORISCHER KONTEXT
Schwierig wird es allerdings, wenn es genügend viel politische Macht gibt, die die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen derart festsetzen kann, dass für den einzelnen Menschen im Alltag — dem Bürger ! — die allgemeine Kommunikation mehr oder weniger vorgeschrieben — ‚diktiert‘ — wird. Dann findet ‚Wahrheit‘ immer weniger bis gar nicht mehr statt. Eine Gesellschaft wird dann durch Unterdrückung von Wahrheit auf ihren eigenen Untergang gleichsam ‚programmiert‘. ([3], [6]).
ALLTAG ALS DIKTATOR ?
Die Stunde der Narrative
Aber — und dies ist die weit gefährlichere Form von ‚Propaganda‘ ! — auch wenn es nicht einen flächendeckenden Machtapparat gibt, der bestimmte Formen von ‚Wahrheit‘ vorschreibt, kann eine Verstümmelung oder eine grobe Verzerrung von Wahrheit dennoch im großen Stil stattfinden. Weltweit können wir heute im Zeitalter von Massenmedien, insbesondere im Zeitalter des Internets, feststellen, dass einzelne Menschen, kleine Gruppen, spezielle Organisationen, politische Gruppierungen, ganze Religionsgemeinschaften, eigentliche alle Menschen und ihre gesellschaftlichen Ausprägungen, einem bestimmten ‚Narrativ‘ [*11] folgen, wenn sie handeln. Typisch für das Handeln nach einem Narrativ ist, dass diejenigen, die dies tun, individuell glauben, dass es ‚ihre eigene Entscheidung‘ ist und dass das Narrativ ‚wahr‘ ist, und dass sie daher ‚im Recht sind‘, wenn sie danach handeln. Dieses sich ‚im Recht fühlen‘, kann bis dahin gehen, dass man für sich das Recht in Anspruch nimmt, andere zu töten, weil sie im Sinne des ‚Narrativ‘ ‚falsch handeln‘. Man sollte hier daher von einer ’narrativen Wahrheit‘ sprechen: Im Rahmen des Narrativs wird ein Bild von der Welt gezeichnet, das ‚als Ganzes‘ eine Perspektive ermöglicht, die von den Anhängern des Narrativ ‚als solche‘ ‚gut gefunden‘ wird, als ‚Sinn stiftend‘. Im Normalfall ist die Wirkung eines Narrativs, was als ‚Sinn stiftend‘ erlebt wird, so groß, dass der ‚Wahrheitsgehalt‘ im einzelnen nicht mehr überprüft wird.
RELIGIÖSE NARRATIVE
In der Geschichte der Menschheit gab es dies zu allen Zeiten. Besonders wirkungsvoll waren Narrative, die als ‚religiöse Überzeugungen‘ auftraten. Von daher ist es auch kein Zufall, dass fast alle Regierungen der letzten Jahrtausende religiöse Überzeugungen als Staatsdoktrin übernahmen; ein wesentlicher Bestandteil religiöser Überzeugungen ist, dass sie ’nicht beweisbar‘, sprich ’nicht wahrheitsfähig‘ sind. Damit ist ein religiöses Narrativ ein wunderbares Werkzeug in der Hand von Mächtigen, Menschen ohne Androhung von Gewalt für bestimmte Verhaltensweisen zu motivieren.
POPULÄRE NARRATIVE
In den letzten Jahrzehnten erleben wir aber neue, ‚moderne Formen‘ von Narrativen, die nicht als religiöse Erzählungen daher kommen, die aber dennoch eine sehr ähnliche Wirkung entfalten: Menschen empfinden diese Narrative als ‚Sinn stiftend‘ in einer Welt, die für jeden heute immer unübersichtlicher und daher bedrohlich wird. Einzelne Menschen, die Bürger, empfinden sich zudem als ‚politische hilflos‘, so dass sie — selbst in einer ‚Demokratie‘ — das Gefühl haben, nichts direkt bewirken zu können: die ‚da oben‘ machen doch, was sie wollen. In einer solchen Situation sind ‚vereinfachende Erzählungen‘ eine Wohltat für die geschundene Seele; man hört sie und hat das Gefühl: ja, so ist es; das ist genau das, was ich ‚fühle‘! Solche ‚populären Narrative‘, die ‚gute Gefühle‘ ermöglichen, gewinnen eine immer größere Kraft. Mit religiösen Narrativen haben sie gemeinsam, dass die ‚Anhänger‘ von populären Narrativen die ‚Wahrheitsfrage‘ nicht mehr stellen; die meisten sind auch nicht genügend ‚trainiert‘, um den Wahrheitsgehalts eines Narrativs überhaupt klären zu können. Typisch für Anhänger von Narrativen ist, dass sie in der Regel individuell kaum in der Lage sind, ihr eigenes Narrativ anderen zu erklären. Man schickt sich typischerweise Links von Texten/ Videos, die man ‚gut‘ findet, weil diese Texte/ Videos irgendwie das populäre Narrativ zu unterstützen scheinen, und überprüft die Autoren und Quellen eher nicht, weil dies doch so ‚anständige Leute‘ sind, weil sie immer genau das Gleiche sagen, wie es das ‚populäre Narrativ‘ vorgibt.(Schönes Beispiel: [10])
FÜR DIE MACHT SIND NARRATIVE SEXY
Wenn man jetzt noch berücksichtigt, dass die ‚Welt der Narrative‘ für alle, die Macht über Menschen haben oder gerne Macht über Menschen erringen wollen, ein äußerst verlockendes Angebot ist, genau solche Narrative ‚in die Welt zu setzen‘ oder bestehende Narrative ‚für sich zu instrumentalisieren‘, dann darf man sich nicht wundern, dass viele Regierungen in dieser Welt, viele andere Machtgruppen, heute genau dies tun: sie versuchen nicht Menschen ‚direkt‘ zu zwingen, sondern sie ‚produzieren‘ populäre Narrative oder ‚Monitoren‘ schon bestehende populäre Narrative‘, um über den Umweg über diese Narrative Macht über die Herzen und den Verstand von immer mehr Menschen zu bekommen. Die einen sprechen hier von ‚hybrider Kriegführung‘, andere von ‚moderner Propaganda‘, aber letztlich geht dies am Kern des Problems vorbei.
DAS NARRATIV ALS KULTURELLES GRUNDMUSTER
Das ‚Irrationale‘ wehrt sich gegen das ‚Rationale‘
Der Kern des Problems ist die Art und Weise, wie menschliche Gemeinschaften schon immer ihr gemeinsames Handeln organisieren, nämlich durch Narrative; über eine andere Möglichkeit verfügen wir Menschen nicht. Solche Narrative — dies zeigen die Überlegungen weiter unten im Text — sind aber hoch komplex und extrem anfällig für ‚Falschheit‘, für eine ‚Verzerrung des Bildes von der Welt‘. Im Rahmen der Entwicklung von Rechtssystemen wurden Ansätze entwickelt, um den Missbrauch von Macht in einer Gesellschaft durch Unterstützung von wahrheitserhaltenden Mechanismen zu ‚verbessern‘. Graduell hat dies sicherlich geholfen, bei allen Defiziten, die bis heute bestehen. Zusätzlich fand vor ca. 500 Jahren eine echte Revolution statt: es gelang der Menschheit, mit dem Konzept eines ‚überprüfbaren Narrativs (empirische Theorie)‘ ein Format zu finden, das den ‚Erhalt von Wahrheit‘ optimiert und das Abgleiten in Unwahrheit minimiert. Dieses neue Konzept von ‚überprüfbarer Wahrheit‘ hat seitdem großartige Einsichten ermöglicht, die ohne dieses neue Konzept jenseits aller Vorstellungen lagen. Die ‚Aura des Wissenschaftlichen‘ hat mittlerweile fast die gesamte menschliche Kultur durchdrungen, fast! Wir müssen konstatieren, dass das wissenschaftliche Denken zwar die Welt des Praktischen durch moderne Technologien umfassend gestaltet hat, dass aber die Art und Weise des wissenschaftlichen Denkens alle anderen Narrative nicht außer Kraft gesetzt hat. Im Gegenteil, die ‚wahrheitsfernen Narrative‘ sind mittlerweile wieder so stark geworden, dass sie in immer mehr Bereichen unserer Welt das ‚Wissenschaftliche‘ zurückdrängen, es bevormunden, es verbieten, es auslöschen. Die ‚Irrationalität‘ der religiösen und populären Narrative ist so stark wie nie zuvor. ‚Irrationale Narrative‘ sind so anziehend, weil sie es dem einzelnen ersparen, selber ’nachdenken zu müssen‘. Echtes Nachdenken ist anstrengend, unpopulär, lästig, behindert den Traum von der einfachen Lösung.
DAS ZENTRALE MENSCHHEITSPROBLEM
Vor diesem Hintergrund erscheint die weit verbreitete Unfähigkeit von Menschen, ‚irrationale Narrative‘ erkennen und überwinden zu können, das zentrale Problem der Menschheit zu sein, um die aktuellen globalen Herausforderungen zu meistern. Bevor wir mehr Technik brauchen (die brauchen wir auf jeden Fall), brauchen wir vor allem mehr Menschen, die fähig und bereit sind, mehr und besser nachzudenken, und auch in der Lage sind, gemeinsam mit anderen ‚echte Probleme‘ zu lösen. Echte Probleme erkennt man darin, dass sie weitgehend ’neu‘ sind, dass es keine ‚einfachen Lösungen von der Stange‘ für sie gibt, dass man gemeinsam wirklich um mögliche Einsichten ‚ringen muss‘; das ‚Alte‘ reicht‘ prinzipiell nicht, um das ‚wahre Neue‘ zu erkennen und umzusetzen!
Der folgende Text untersucht diese hier dargestellte Sicht im Detail.
MODERNE PROPAGANDA ?
Im Beitrag der Englischen Wikipedia zu ‚Propaganda [1b] wird eine ganz ähnliche Strategie versucht, wenn auch in der Ausführung mit nicht ganz scharfen Konturen. Es findet sich dort aber ein breiter Überblick über verschiedenste Formen von Kommunikation, eingebettet darin jene Formen, die ’speziell‘ (‚biased‘) sind, also den zu kommunizierenden Inhalt nicht so wiedergeben, wie man ihn nach ‚objektiven überprüfbaren Kriterien‘ wiedergeben würde. Die Vielfalt der Beispiele deutet aber an, dass es nicht ganz einfach zu sein scheint, eine ’spezielle‘ von einer ’normalen‘ Kommunikation abzugrenzen: Was sind denn diese ‚objektiven überprüfbaren Kriterien‘? Wer legt sie fest?
Nehmen wir für einen Moment mal an, dass es klar sei, welches dies ‚objektiven überprüfbaren Kriterien‘ sind, kann man versuchsweise für einen Ausgangspunkt eine Arbeitsdefinition für den allgemeinen (normalen?) Fall von Kommunikation versuchen:
Den allgemeinen Fall von Kommunikation könnte man versuchsweise beschreiben als schlichten Versuch, dass eine Person — nennen wir sie den ‚Autor‘ — einer anderen Person — nennen wir sie den ‚Ansprechpartner‘ — versucht, ‚etwas zur Kenntnis zu bringen‘. Das, was zur Kenntnis gebracht werden soll, nennen wir versuchsweise ‚die Botschaft‘. Aus dem Alltag wissen wir, dass ein Autor zahlreiche ‚Eigenschaften‘ aufweisen kann, die sich auf den Inhalt seiner Botschaft auswirken können.
Zum Autor:
Das verfügbare Wissen des Autors — bewusst wie unbewusst — entscheidet darüber, welche Botschaft der Autor überhaupt erstellen kann.
Seine Wahrheitsfähigkeit entscheidet darüber, ob und in welchem Umfang er unterscheiden kann, was an seiner Botschaft in der realen Welt — gegenwärtig oder vergangen — nachprüfbar ‚zutrifft‘ bzw. ‚wahr ist‘.
Seine Sprachfähigkeit bestimmt darüber, ob und wie viel er von seinem verfügbaren Wissen sprachlich kommunizieren kann.
Die Welt der Emotionen entscheidet darüber, ob er z.B. überhaupt etwas mitteilen möchte, wann, wie, wem, wie intensiv, wie auffällig, usw.
Der gesellschaftliche Kontext kann sich dahingehend auswirken, ob er eine bestimmte gesellschaftliche Rolle innehat, für die festgelegt ist, wann er wie mit wem was kommunizieren darf oder sollte.
Die realen Kommunikationsbedingungen entscheiden darüber, ob ein geeignetes ‚Kommunikationsmedium‘ verfügbar ist (Sprachschall, Schrift, Ton, Film, …) und ob und wie dieses für potentielle Ansprechpartner zugänglich ist.
Die körperliche Beschaffenheit entscheidet darüber, wie weit der Autor überhaupt und in welchem Umfang er kommunizieren kann.
Zum Ansprechpartner:
Ganz allgemein gelten die Eigenschaften für den Autor auch für den Ansprechpartner. Man kann aber für die Rolle des Ansprechpartners einige Punkte besonders hervorheben:
Das verfügbare Wissen des Ansprechpartners entscheidet darüber, welche Aspekte der Botschaft des Autors überhaupt verstanden werden können.
Die Wahrheitsfähigkeit des Ansprechpartners entscheidet darüber, ob und in welchem Umfang auch dieser unterscheiden kann, was an der übermittelten Botschaft nachprüfbar ‚zutrifft‘ bzw. ‚wahr ist‘.
Die Sprachfähigkeit des Ansprechpartners bedingt, ob und wie viel er von der Botschaft rein sprachlich aufnehmen kann.
Die Emotionen entscheiden darüber, ob der Ansprechpartner z.B. überhaupt etwas aufnehmen möchte, wann, wie, wie viel, mit welcher inneren Einstellung, usw.
Der gesellschaftliche Kontext kann sich ebenfalls dahingehend auswirken, ob der Ansprechpartner eine bestimmte gesellschaftliche Rolle innehat, für die festgelegt ist, wann er wie mit wem was kommunizieren darf oder sollte.
Ferner kann es wichtig sein, ob das Kommunikationsmedium dem Ansprechpartner so vertraut ist, dass er es hinreichend gut nutzen kann.
Auch bei dem Ansprechpartner kann die körperliche Beschaffenheit darüber entscheiden, wie weit der Ansprechpartner überhaupt und in welchem Umfang kommunizieren kann.
Schon diese kleine Auswahl an Faktoren zeigt, wie vielfältig die Situationen sein können, in denen ’normale Kommunikation‘ durch die ‚Wirkung der verschiedenen Umstände‘ einen ’speziellen Charakter‘ gewinnen kann. So kann z.B. eine eigentlich ‚harmlose Begrüßung‘ bei bestimmten Rollenvorgaben zu einem gesellschaftlichen Problem führen mit vielerlei Konsequenzen. Ein scheinbar ’normaler Bericht‘ kann zum Problem werden, weil der Ansprechpartner die Botschaft rein sprachlich missversteht. Ein an sich ’sachlicher Bericht‘ kann durch die Art und Weise des Vortrags zu emotionalen Wirkungen bei dem Ansprechpartner führen, die dazu führen, dass dieser die Botschaft geradezu begeistert aufgreift oder — ganz im Gegenteil — vehement ablehnt. usw.
Liegen handfeste Interessen beim Autor vor, aufgrund deren er den Ansprechpartner zu einer bestimmten Verhaltensweise bewegen will, dann kann dies dazu führen, dass ein bestimmter Sachverhalt nicht ‚rein sachlich‘ dargestellt wird, sondern es werden dann auch viele Aspekte mitkommuniziert, die dem Autor geeignet erscheinen, den Ansprechpartner dazu zu bewegen, den Sachverhalt in einer ganz bestimmten Weise aufzufassen und entsprechend sich zu eigen machen. Diese ‚zusätzlichen‘ Aspekte können sich über die reine Botschaft hinaus auf viele reale Gegebenheiten der Kommunikationssituation beziehen.
Typen von Kommunikation …
Angesichts dieser potentiellen ‚Vielfalt‘ stellt sich die Frage, ob es überhaupt möglich sein wird, so etwas wie eine normale Kommunikation zu definieren?
Um diese Frage sinnvoll beantworten zu können, müsste man über eine Art ‚Überblick‘ über alle möglichen Kombinationen von Eigenschaften Autor (1-7) sowie Ansprechpartner (1-8) verfügen und man müsste zusätzlich in der Lage sein, jede dieser möglichen Kombinationen mit Blick auf ‚Normalität‘ zu bewerten.
Dazu sei angemerkt, dass den beiden Listen Autor (1-7) und Ansprechpartner (1-8) ein gewisse ‚Willkür‘ anheftet: Man kann die Listen so aufbauen, wie sie hier aufgebaut wurden, man muss aber nicht.
Dies hängt mit der allgemeinen Art und Weise zusammen, wir wir Menschen denken: auf der einen Seite haben wir ‚einzelne Ereignisse, die passieren‘ — oder an die wir uns ‚erinnern‘ können –, auf der anderen Seite können wir zwischen ‚beliebigen einzelnen Ereignissen‘ ‚beliebige Beziehungen‘ in unserem Denken ’setzen‘. In der Wissenschaft nennt man dies ‚Hypothesenbildung‘. Ob man solche Bildung von Hypothesen vornimmt oder nicht und welche, dies ist nirgends normiert. Ereignisse als solche erzwingen keine bestimmte Hypothesenbildungen. Ob sie ’sinnvoll‘ sind oder nicht erweist sich ausschließlich im späteren Verlauf bei ihrer ‚praktischen Verwendung‘. Man könnte sogar sagen, dass eine solche Hypothesenbildung eine rudimentäre Form von ‚Ethik‘ ist: in dem Moment, wo man eine Hypothese bzgl. einer bestimmten Beziehung zwischen Ereignissen annimmt, hält man sie minimal für ‚wichtig‘, ansonsten würde man diese Hypothesenbildung nicht vornehmen.
Insofern kann man sagen, dass der ‚Alltag‘ der primäre Ort ist für mögliche Arbeitshypothesen und mögliche ‚minimale Werte‘.
Das folgende Schaubild demonstriert eine mögliche Anordnung der Eigenschaften vom Autor und seinem Ansprechpartner:
BILD : Mögliche Verschränkung von Eigenschaft 1 des Autors — hier: Au1 — und Eigenschaft 2 des Ansprechpartners — hier: An2 –.
Was man unschwer erkennen kann, ist die Tatsache, dass ein Autor natürlich über eine Konstellation von Wissen verfügen kann, die aus einer schier ‚unendlichen Menge von Möglichkeiten‘ schöpft. Das gleiche gilt für den Ansprechpartner. Rein abstrakt ist die Anzahl der möglichen Kombinationen aufgrund der Annahmen Au1 und An2 vom Ansatz her ‚quasi unendlich groß‘, was die Frage nach der ‚Normalität‘ auf der abstrakten Ebene letztlich unentscheidbar macht.
Da aber sowohl Autoren wie Ansprechpartner keine sphärische Wesen aus irgendeinem abstrakten Winkel der Möglichkeiten sind, sondern in der Regel ‚konkrete Menschen‘ mit einer ‚konkreten Geschichte‘ in einer ‚konkreten Lebenswelt‘ zu einer ‚bestimmten historischen Zeit‘ schränkt sich der quasi unendliche abstrakte Möglichkeitsraum ein auf eine endliche überschaubare Menge von Konkretheiten. Doch auch diese können bezogen auf zwei konkrete Menschen immer noch beträchtlich groß sein. Welcher Mensch mit seiner Lebenserfahrung aus welcher Gegend soll jetzt als ‚Norm‘ genommen werden für eine ’normale Kommunikation‘?
Eher scheint es nahe zu liegen, dass man einzelne Menschen irgendwie ‚typisiert‘ z.B. nach Alter und Lerngeschichte, wobei eine ‚Lerngeschichte‘ auch kein klares Bild ergeben muss. Absolventen der gleichen Schule können im Anschluss — wie wir wissen — über ein sehr unterschiedliches Wissen verfügen, wenngleich Gemeinsamkeiten möglicherweise ‚minimal typisch‘ sein können.
Generell erscheint also der Ansatz über die Eigenschaften des Autors und des Ansprechpartners keine wirklich klaren Kriterien für eine Norm zu liefern, auch wenn eine Angabe wie ‚das humanistische Gymnasium in Hadamar 1960 – 1968‘ rudimentäre Gemeinsamkeiten nahelegen würde.
Man könnte jetzt versuchen, die weiteren Eigenschaften Au2-7 sowie An3-8 in die Überlegungen einzubeziehen, aber die ‚Konstruktion einer normalen Kommunikation‘ scheint aufgrund der Annahmen Au1 und An2 eher in immer weitere Ferne zu rücken.
Was bedeutet dies für die Typisierung einer Kommunikation als ‚Propaganda‘. Ist nicht letztlich jede Kommunikation auch ein Stück Propaganda oder gibt es doch die Möglichkeit, die Form der ‚Propaganda‘ hinreichend genau zu kennzeichnen obwohl es nicht möglich erscheint, einen Standard für ’normale Kommunikation‘ zu finden. … oder wird eine bessere Charakterisierung von ‚Propaganda‘ indirekt Hinweise für eine ‚Nicht-Propaganda‘ liefern?
Wahrheit und Bedeutung – Schlüssel ‚Sprache‘
Der spontane Versuch, die Bedeutung des Begriffs ‚Propaganda‘ soweit zu klären, dass man ein paar konstruktive Kriterien an die Hand bekommt, um bestimmte Formen von Kommunikation entweder als ‚Propaganda‘ charakterisieren zu können oder eben nicht, gerät in immer ‚tieferes Fahrwasser‘. Gibt es nun ‚objektive überprüfbare Kriterien‘, mit denen man arbeiten kann, oder nicht? Und: Wer legt sie fest?
Halten wir vorläufig an der Arbeitshypothese1 fest, dass wir es mit einem Autor zu tun haben, der eine Botschaft artikuliert, für einen Ansprechpartner, und erweitern wir diese Arbeitshypothese um folgenden Zusatz1: solche eine Kommunikation spielt sich immer in einem gesellschaftlichen Kontext ab. Dies bedeutet, dass die Wahrnehmung und das Wissen der einzelnen Akteure (Autor, Ansprechpartner) kontinuierlich mit diesem gesellschaftlichen Kontext interagieren kann bzw. ‚automatisch interagiert‘. Letzteres liegt daran, dass wir Menschen so gebaut sind, dass unser Körper mit seinem Gehirn dies einfach tut, ohne dass dafür von ‚uns‘ ‚bewusste Entscheidungen‘ getroffen werden müssen.[*1]
Für diesen Abschnitt möchte ich die bisherige Arbeitshypothese 1 samt Zusatz 1 um eine weitere Arbeitshypothese 2 erweitern (Lokalisierung von Sprache) [*4]:
Jedes Medium (Sprache, Ton, Bild, …) kann eine ‚potentielle Bedeutung‘ beinhalten.
Beim Erstellen des medialen Ereignisses kann der ‚Autor‘ versuchen, mögliche ‚Inhalte‘, die von ihm ‚mitgeteilt werden sollen‘, mit dem Medium ‚zu verbinden‘ (‚ins Wort/ in den Klang/ in das Bild bringen‘, ‚Enkodieren‘, ….). Diese ‚Zuordnung‘ von Bedeutung geschieht sowohl ‚unbewusst/ automatisiert‘ als auch ‚(teilweise) bewusst‘.
Bei der Wahrnehmung des medialen Ereignisses kann der ‚Ansprechpartner‘ versuchen, diesem wahrgenommenen Ereignis eine ‚mögliche Bedeutung‘ zuzuordnen. Auch diese ‚Zuordnung‘ von Bedeutung geschieht sowohl ‚unbewusst/ automatisiert‘ als auch ‚(teilweise) bewusst‘.
Die Zuordnung von Bedeutung setzt sowohl beim Autor wie auch beim Ansprechpartner voraus, dass der jeweilige Akteur ‚Lernprozesse‘ (meist Jahre, viele Jahre) ‚durchlaufen‘ hat, die es möglich gemacht haben, bestimmte ‚Ereignisse der Außenwelt‘ wie auch ‚innere Zustände‘ mit bestimmten medialen Ereignissenzu verknüpfen.
Das ‚Erlernen von Bedeutungsbeziehungen‘ geschieht immer in gesellschaftlichen Kontexten, da eine mediale Struktur, die zwischen Menschen ‚Bedeutung transportieren‘ soll, immer allen gehört, die an dem Kommunikationsprozess beteiligt sind.[*2]
Diejenigen medialen Elemente, die für den ‚Austausch von Bedeutungen‘ tatsächlich benutzt werden, bilden alle zusammen das, was man eine ‚Sprache‘ nennt: die ‚medialen Elemente selbst‘ bilden die ‚Oberflächenstruktur‘ der Sprache, ihre ‚Zeichendimension‘, und die ‚inneren Zustände‘ in jedem beteiligten ‚Akteur‘, bilden den ‚individuell-subjektiven Raum möglicher Bedeutungen‘. Dieser innere subjektive Raum umfasst zwei Komponenten: (i) die innerlich verfügbaren Elemente als potentielle Bedeutungsinhalte und (ii) eine dynamische ‚Bedeutungsbeziehung‘, die wahrgenommene Elemente der Oberflächenstruktur und der potentiellen Bedeutungsinhalte ‚miteinander verknüpft‘.[*3]
Will man die Leitfrage, ob man „bestimmte Formen von Kommunikation entweder als ‚Propaganda‘ charakterisieren oder nicht“ beantworten, benötigt man ‚objektive überprüfbare Kriterien‘, anhand deren man eine Aussage formulieren kann. Diese Frage kann man benutzen, um zurück zu fragen, ob es im ’normalen Alltagsdialog‘ ‚objektive Kriterien‘ gibt, anhand deren wir im Alltag gemeinsam entscheiden können, ob ein ‚behaupteter Sachverhalt‘ ‚zutrifft‘ oder eben nicht; in diesem Kontext wird auch das Wort ‚wahr‘ benutzt. Kann man dies ein wenig genauer fassen?
Hier eine weitere Arbeitshypothese 3:
Mindestens zwei Akteure können sich darüber einigen, dass eine bestimmte Bedeutung, verbunden mit dem medialen Konstrukt, als sinnlich wahrnehmbarer Sachverhalt so vorliegt, dass sie zustimmen können, dass der ‚behauptete Sachverhalt‘ tatsächlich vorliegt. Ein solches punktuelles Zutreffen soll ‚wahr 1‘ bzw. ‚Wahrheit 1‘ genannt werden. Ein ‚punktuelles Zutreffen‘ kann sich aufgrund der Dynamik der realen Welt (einschließlich der Akteure selbst) jederzeit und schnell ändern (z.B.: der Regen hört auf, die Kaffeetasse ist leer, das Autor von eben ist weg, der leere Gehweg wir von einer Gruppe von Menschen belegt, ….)
Mindestens zwei Akteure können sich darüber einigen, dass eine bestimmte Bedeutung, verbunden mit dem medialen Konstrukt, aktuell nicht als realer Sachverhalt vorliegt. Bezogen auf die aktuelle Situation des ‚Nicht-Zutreffens‘ würde man davon sprechen, dass die Aussage ‚falsch 1‘ ist; der behauptete Sachverhalt liegt entgegen der Behauptung real nicht vor.
Mindestens zwei Akteure können sich darüber einigen, dass eine bestimmte Bedeutung, verbunden mit dem medialen Konstrukt aktuell nicht vorliegt, aber aufgrund des bisherigen Erfahrungswissens ‚ziemlich sicher‘ in einer ‚möglichen zukünftigen Situation‘ eintreten könnte. Dieser Aspekt soll hier ‚potentiell wahr‘ genannt werden oder ‚wahr 2‘ bzw. ‚Wahrheit 2‘. Sollte der Sachverhalt dann irgendwann ‚tatsächlich vorliegen‘ würde sich Wahrheit 2 in Wahrheit 1 verwandeln.
Mindestens zwei Akteure können sich darüber einigen, dass eine bestimmte Bedeutung, verbunden mit dem medialen Konstrukt aktuell nicht vorliegt, und aufgrund des bisherigen Erfahrungswissens ‚ziemlich sicher unklar ist‘, ob der gemeinte Sachverhalt in einer ‚möglichen zukünftigen Situation‘ tatsächlich eintreten könnte. Dieser Aspekt soll hier ’spekulativ wahr‘ genannt werden oder ‚wahr 3‘ bzw. ‚Wahrheit 3‘. Sollte der Sachverhalt dann irgendwann ‚tatsächlich vorliegen‘ würde sich Wahrheit 3 in Wahrheit 1 verwandeln.
Mindestens zwei Akteure können sich darüber einigen, dass eine bestimmte Bedeutung, verbunden mit dem medialen Konstrukt aktuell nicht vorliegt, und aufgrund des bisherigen Erfahrungswissens ‚es ziemlich sicher ist‘, dass der gemeinte Sachverhalt in einer ‚möglichen zukünftigen Situation‘ nie eintreten könnte. Dieser Aspekt soll hier ’spekulativ falsch‘ genannt werden oder ‚falsch 2‚.
Bei näherer Betrachtung dieser 4 Annahmen der Arbeitshypothese 3 wird man feststellen können, dass es in all diesen Unterscheidungen zwei ‚Pole‘ gibt, die zueinander in bestimmten Beziehungen stehen: einerseits gibt es als Pole reale Sachverhalte, die ‚aktuell von allen Beteiligten wahrgenommen bzw. nicht wahrgenommen werden‘ und andererseits gibt es eine ‚gewusste Bedeutung‘ in den Köpfen der Beteiligten, die mit einem aktuellen Sachverhalt in Beziehung gesetzt werden kann oder nicht. Dies ergibt folgende Verteilung von Werten:
Realer Sachverhalt
Beziehung zu Gedacht
Gegeben
1
Passt (wahr 1)
Gegeben
2
Passt nicht (falsch 1)
Nicht gegeben
3
Könnte in der Zukunft passen (wahr 2)
Nicht gegeben
4
Passen in der Zukunft unklar (wahr 3)
Nicht gegeben
5
Kann in der Zukunft nicht passen (falsch 2)
In diesem — noch etwas grobem — Schema kann ‚Gedachtes‘ qualifiziert werden zu einem aktuell Gegebenem als ‚passend‘ oder ’nicht passend‘, oder in Abwesenheit von etwas real Gegebenem als ‚könnte passen‘ oder ‚unklar, ob es passen kann‘ oder ’sicher, dass es nicht passen könnte‘.
Hierbei ist aber zu beachten, dass diese Qualifizierungen ‚Einschätzungen‘ sind, welche die Akteure aufgrund ihres ‚eigenen Wissens‘ vornehmen. Wie wir wissen, ist solch eine Einschätzung immer fehleranfällig! Neben Fehlern in der Wahrnehmung [*5] kann es Fehlern im eigenen Wissen geben. [*6] Also entgegen den Überzeugungen der Akteure kann ‚wahr 1‘ tatsächlich ‚falsch 1‘ sein oder umgekehrt, ‚wahr 2‘ könnte ‚falsch 2‘ sein und umgekehrt.
Aus all diesem folgt, dass eine ‚klare Qualifizierung‘ von Wahrheit und Falschheit letztlich immer fehlerbehaftet ist. Für eine Gemeinschaft von Menschen, die ‚positiv‘ denken ist dies kein Problem: sie wissen um diese Sachlage und sie bemühen sich, ihre ’natürliche Fehleranfälligkeit‘ durch bewusstes methodisches Vorgehen ‚möglichst klein‘ zu halten.[*7] Menschen, die — aus vielerlei Gründen — eher negativ denken, die fühlen sich in dieser Situation dazu motiviert, überall und immer nur Fehler oder gar Bosheit zu sehen. Sie tun sich schwer damit, mit ihrer ’natürlichen Fehlerbehaftetheit‘ positiv-konstruktiv umzugehen.
WAHRHEIT UND BEDEUTUNG – Im Prozess
In dem vorausgehenden Abschnitt sind die verschiedenen Begriffe (‚wahr1,2‘, ‚falsch 1,2‘, ‚wahr 3‘) noch eher unverbunden, sind noch nicht wirklich in einem fassbaren Zusammenhang verortet. Dies soll hier mit Hilfe der Arbeitshypothese 4 (Skizze eines Prozessraums) versucht werden.
BILD : Der Prozessraum in der realen Welt und im Denken samt möglicher Wechselwirkungen
Die Grundelemente der Arbeitshypothese 4 lassen sich wie folgt charakterisieren:
Es gibt die reale Welt mit ihren kontinuierlichen Veränderungen und innerhalb eines Akteurs einen virtuellen Raum für Prozesse mit Elementen wie Wahrnehmungen, Erinnerungen und gedachte Vorstellungen.
Das Bindeglied zwischen realem Raum und virtuellem Raum läuft über Wahrnehmungsleistungen, die spezielle Eigenschaften der realen Welt für den virtuellen Raum repräsentieren, und zwar so, dass ‚wahrgenommene Inhalte‘ und ‚gedachte Inhalte‘ unterscheidbar sind. Auf diese Weise ist ein ‚gedanklicher Abgleich‘ von Wahrgenommenem und Gedachtem möglich.
Veränderungenin der realen Welt zeigen sich nicht explizit sondern manifestieren sich nur indirekt durch die wahrnehmbaren Veränderungen, die durch sie hervorgerufen werden.
Es ist Aufgabe der ‚denkerischen Rekonstruktion‘ Veränderungen zu ‚identifizieren‘ und die sprachlich so zu beschreiben, dass nachvollziehbar ist, aufgrund welcher Eigenschaften eines gegebenen Zustands daraus ein möglicher Nachfolgezustand entstehen kann.
Zusätzlich zur Unterscheidung von ‚Zuständen‘ und ‚Veränderungen‘ zwischen Zuständen muss auch geklärt werden, wie man eine gegebene Veränderungsbeschreibung auf einen gegebenen Zustand so ‚anwendet‘, dass daraus ein ‚Nachfolgezustand‘ entsteht. Dies wird hier ‚Nachfolger-Generierungs-Vorschrift‘ (symbolisch: ⊢) genannt. Ein Ausdruck wie Z ⊢V Z‘ würde dann bedeuten, dass man mit der Nachfolger-Generierungs-Vorschrift ⊢V unter Benutzung der Veränderungsregel V den nachfolgenden Zustand Z‘ aus dem Zustand Z generieren kann. Dabei kann allerdings auch mehr als eine Veränderungsregel V zum Einsatz kommen, also z.B. ⊢{V1, V2, …, Vn}mit den Veränderungsregeln V1, …, Vn.
Bei der Formulierung von Veränderungsregeln können immer Fehler unterlaufen. Sofern sich bestimmte Veränderungsregeln in der Vergangenheit schon in Ableitungen ‚bewährt‘ haben, würde man für den ‚gedachten Folgezustand‘ tendenziell annehmen, dass er vermutlich auch real eintreten wird. Wir hätten es also mit dem Fall ‚wahr 2‚ zu tun. Ist eine Veränderungsregel neu und es liegen noch keine Erfahrungen mit ihr vor, hätten wir es für den gedachten Folgezustand mit dem Fall ‚wahr 3‘ zu tun. Währe eine bestimmte Veränderungsregel in der Vergangenheit schon mehrfach gescheitert, dann könnte Fall ‚falsch 2‘ vorliegen.
Das skizzierte Prozessmodell lässt aber auch erkennen, dass die bisherigen Fälle (1-5 in der Tabelle) immer nur Teilaspekte beschreiben. Angenommen, eine Gruppe von Akteuren schafft es, mit vielen Zuständen und mit vielen Veränderungsregeln samt einer Nachfolger-Generierungs-Anweisung eine rudimentäre Prozess-Theorie zu formulieren, dann interessiert es natürlich, wie sich die ‚Theorie als Ganze‘ ‚bewährt‘. Dies bedeutet, dass jede ‚gedankliche Konstruktion‘ einer Abfolge möglicher Zustände entsprechend den angewendeten Veränderungsregeln unter Voraussetzung der Prozess-Theorie sich in allen Anwendungsfällen ‚bewähren muss‘, damit von der Theorie gesagt werden kann, dass sie ‚generisch wahr‘ ist. Während z.B. der Fall ‚wahr 1‘ sich nur auf einen einzigen Zustand bezieht, bezieht sich der Fall ‚generisch wahr‘ auf ‚ganz viele‘ Zustände, so viele, bis ein ‚Endzustand‘ erreicht wird, der als ‚Zielzustand‘ gelten soll. Der Fall ‚generisch widersprochen‘ soll vorliegen, wenn es wenigstens eine Folge von generierten Zuständen gibt, die immer wieder einen Endzustand generiert, der falsch 1 ist. Solange eine Prozess-Theorie noch nicht in allen möglichen Fällen mit wahr 1 für einen Endzustand bestätigt worden ist, bleibt ein ‚Rest an Fällen‘, die unklar sind. Dann würde eine Prozess-Theorie als ‚generisch unklar‘ bezeichnet werden, obgleich sie für die Menge der bislang erfolgreich getesteter Fälle als ‚generisch wahr‘ gelten darf.
BILD : Der individuelle erweiterte Prozessraum mit Andeutung der Dimension Weitere Meta-Ebenen‘ sowie ‚Bewertungen‘.
Wem das vorausgehende erste Bild mit dem Prozessraum schon arg ’schwierig‘ vorkommt, der wird bei diesem zweiten Bild zum ‚erweiterten Prozessraum‘ natürlich ‚ins Schwitzen‘ kommen. Aber der individuelle Denkraum ist nun mal ein Spitzenprodukt der Evolution, das einiges zu bieten hat.
So kann jeder bei sich selbst überprüfen, dass wir Menschen über die Fähigkeit verfügen, egal, was wir Denken, dieses Denken jederzeit selbst wieder zum ‚Gegenstand des Denkens‘ zu machen, und zwar eben ‚innerhalb des Denkens selbst‘. Mit diesem ‚Denken über das Denken‘ eröffnen sich eine ‚zusätzliche Ebene des Denkens‘ — hier ‚Meta-Ebene‘ genannt –, auf der wir Denkenden all das ‚thematisieren‘, was uns am vorausgehenden Denken auffällt und wichtig ist. [*8] Neben dem ‚Denken über das Denken‘ verfügen wir auch über die Fähigkeit, das, was wir Wahrnehmen und Denken zu ‚bewerten‘. Diese ‚Bewertungen‘ werden gespeist aus dem Raum unserer ‚Emotionen‘ [*9] und ‚gelernten Bevorzugungen‘. Dies ermöglicht uns, mit Hilfe unserer Emotionen und gelernten Bevorzugungen zu ‚lernen‘: Wenn wir also bestimmte Handlungen vornehmen und dabei ‚Schmerzen‘ erleiden, dann werden wir diese Handlungen beim nächsten Mal eher vermeiden. Wenn wir im Restaurant X Essen gehen, weil jemand uns dies ‚empfohlen‘ hat, und das Essen und/ oder der Service waren richtig schlecht, dann werden wir diesen Vorschlag künftig eher nicht mehr berücksichtigen. Von daher kann unser Denken (und unser Wissen) zwar ‚Möglichkeiten sichtbar machen‘, aber es sind die Emotionen, die das kommentieren, was bei Umsetzung des Wissens ‚gut‘ oder ’schlecht‘ passiert. Doch, Achtung, auch Emotionen können irren, und zwar massiv. [*10]
WAHRHEIT UND BEDEUTUNG – Als eine kollektive Leistung
Die bisherigen Überlegungen zum Thema ‚Wahrheit und Bedeutung‘ im Kontext individueller Prozesse haben umrisshaft angedeutet, dass und wie ‚Sprache‘ eine zentrale Rolle spielt, um Bedeutung und darauf aufbauend Wahrheit zu ermöglichen. Ferner wurde ebenfalls skizzenhaft umrissen, dass und wie man Wahrheit und Bedeutung in einem dynamischen Kontext einordnen muss, in ein ‚Prozessmodell‘, wie es in einem Individuum in enger Interaktion mit der Umgebung stattfindet. Dieses Prozessmodell umfasst die Dimension des ‚Denkens‘ (auch ‚Wissen‘) wie auch die Dimension der ‚Bewertungen‘ (Emotionen, Präferenzen); innerhalb des Denkens gibt es potentiell viele ‚Betrachtungsebenen‘, die aufeinander Bezug nehmen können (natürlich können sie auch ‚parallel‘ stattfinden ohne direkten Kontakt zueinander (die unverbundene Parallelität ist aber der weniger interessante Fall).
So faszinierend die dynamische emotional-kognitive Struktur im Innern eines einzelnen Akteurs sein kann, die ‚wahr Kraft‘ des expliziten Denkens zeigt sich erst dort, wo verschiedene Menschen beginnen, sich mittels Kommunikation in ihrem Handeln zu koordinieren. Wenn auf diese Weise das individuelle Handeln sich in ein kollektives Handeln transformiert, wird eine Dimension von ‚Gesellschaft‘ sichtbar, welche die ‚einzelnen Akteure‘ in gewisser Weise ‚vergessen‘ lässt, weil die ‚Gesamtleistung‘ der ‚kollektiv miteinander verbundenen einzelnen‘ um Dimensionen komplexer und nachhaltiger sein kann als dies jemals ein einzelner realisieren könnte. Während ein einzelner Mensch maximal in seiner individuellen Lebenszeit einen Beitrag leisten kann, können kollektiv verbundene Menschen Leistungen vollbringen, die viele Generationen umfassen.
Andererseits wissen wir aus der Geschichte, dass kollektive Leistungen nicht automatisch ’nur Gutes‘ bewirken müssen; die bekannte Geschichte von Unterdrückung, blutigen Kriegen und Zerstörung ist umfangreich und findet sich in allen zeitlichen Abschnitten der menschlichen Geschichte.
Dies verweist darauf, dass die Frage von ‚Wahrheit‘ und ‚Gut sein‘ nicht nur eine Frage für den jeweils individuellen Prozess ist, sondern sehr wohl auch eine Frage für den kollektiven Prozess, und hier, im kollektiven Fall, ist diese Frage eher noch wichtiger, da ja im Fehlerfall nicht nur einzelne unter negativen Wirkungen leiden müssen, sondern eher sehr viele; schlimmstenfalls alle.
Anmerkungen
[*1] In einer systemtheoretischen Betrachtung des Systems ‚menschlicher Körper‘ kann man die Arbeitshypothese formulieren, dass weit mehr als 99% der Ereignisse in einem menschlichen Körper Nicht bewusst sind. Dies kann man erschreckend finden oder beruhigend. Ich tendiere zum Letzteren, zur ‚Beruhigung‘. Denn wenn man sieht, was ein menschlicher Körper als ‚System‘ aus sich heraus zu tun in der Lage ist, in jeder Sekunde, viele Jahre, sogar Jahrzehnte lang, dann erscheint dies äußerst beruhigend angesichts der vielen, auch groben Fehler, die wir mit unserem kleinen ‚Bewusstsein‘ vollbringen können. In Kooperation mit anderen Menschen können wir unsre bewussten menschlichen Leistungen zwar dramatisch verbessern, aber immer nur unter Voraussetzung der Systemleistung eines menschlichen Körpers. In ihm stecken immerhin 3.5 Milliarden Jahre Entwicklungsarbeit des BIOMs auf diesem Planeten; die Bausteine dieses BIOMs, die Zellen, funktionieren wie ein gigantischer Parallelcomputer, verglichen mit dem die heutigen technischen Supercomputer (einschließlich der viel gepriesenen ‚Quantencomputer‘) so klein und schwach aussehen, dass man diese Relation praktisch nicht ausdrücken kann.
[*2] Eine ‚Alltagssprache‘ setzt immer ‚die Vielen‘ voraus, die miteinander kommunizieren wollen. Einer alleine kann keine Sprache haben, die andere verstehen können sollen.
[*3] Eine Bedeutungsbeziehung tut real das, was mathematisch ‚Abbildung‘ genannt wird: Elemente der einen Sorte (Elemente der Oberflächenstruktur der Sprache) werden Elementen einer anderen Sorte (die potentiellen Bedeutungselemente) zugeordnet. Während eine mathematische Abbildung normalerweise fest definiert ist, kann sich die ‚reale Bedeutungsbeziehung‘ beständig ändern; sie ist ‚flexibel‘, Teil eines übergeordneten ‚Lernprozesses‘, der in Abhängigkeit von der Wahrnehmung und inneren Zuständen die Bedeutungsbeziehung beständig ’neu anpasst‘.
[*4] Die Inhalte von Arbeitshypothese 2 stammen aus den Erkenntnissen der modernen Kognitionswissenschaften (Neurowissenschaften, Psychologie, Biologie, Linguistik, Semiotik, …) und der Philosophie; sie verweisen auf viele tausend Artikel und Bücher. Die Arbeitshypothese 2 stellt daher eine hochverdichtete Zusammenfassung von all diesem dar. Ein direktes Zitieren ist dazu rein praktisch nicht möglich.
[*5] Wie aus Forschungen zu Zeugenaussagen und aus der allgemeinen Wahrnehmungsforschung bekannt ist, gibt es neben allerlei direkten Wahrnehmungsfehlern sehr viele Fehler in der ‚Interpretation der Wahrnehmung‘, die weitgehend unbewusst/ automatisiert ablaufen. Gegen solche Fehler sind die Akteure normalerweise machtlos; sie merken es einfach nicht. Nur methodisch bewusste Kontrollen der Wahrnehmung können partiell auf diese Fehler aufmerksam machen.
[*6] Menschliches Wissen ist ’notorisch Fehlerbehaftet‘. Dafür gibt es viele Gründe. Einer liegt in der Arbeitsweise des Gehirns selbst. Ein ‚korrektes‘ Wissen ist nur möglich, wenn die aktuellen Wissensprozesse immer wieder ‚abgeglichen‘, ‚kontrolliert‘ werden, um sie korrigieren zu können. Wer dies nicht tut, hat notgedrungen ein unvollständiges und vielfach falsches Wissen. Wie bekannt hindert dies Menschen nicht daran, zu glauben, alles ist ‚wahr‘, was sie im Kopf mit sich herum tragen. Wenn es ein großes Problem in dieser Welt gibt, dann gehört dieses dazu: die Unwissenheit über die eigene Unwissenheit.
[*7] In der bisherigen Kulturgeschichte der Menschheit gab es erst sehr spät (seit ca. 500 Jahren?) die Entdeckung eines Erkenntnisformats, das es beliebig vielen Menschen ermöglicht, sich ein Tatsachenbasiertes Wissen aufzubauen, das, verglichen mit allen anderen bekannten Wissensformaten, die ‚besten Ergebnisse‘ ermöglicht (was Fehler natürlich nicht vollständig ausschließt, aber extrem minimiert). Dieses bis heute revolutionäre Wissensformat hat den Namen ‚empirische Theorie‘, von mir mittlerweile erweitert zu ’nachhaltiger empirischer Theorie‘. Wir Menschen sind einerseits die Hauptquelle für ‚wahres Wissen‘, zugleich sind wir selbst aber auch die Hauptquelle für ‚falsches Wissen‘. Dies erscheint auf den ersten Blick wie ein ‚Paradox‘, hat aber eine ‚einfache‘ Erklärung, die in ihrer Wurzel aber ’sehr tief blicken lässt‘ (vergleichbar mit der kosmischen Hintergrundstrahlung, die gegenwärtig einfach ist, aber aus den Anfängen des Universums stammt).(Anmerkung: eine kurze Beschreibung der Begriffe ‚empirische Theorie‘ und ’nachhaltige empirische Theorie‘ finde sich ab Abschnitt 6 in folgendem Blog-Eintrag: https://www.cognitiveagent.org/2023/11/06/kollektive-mensch-maschine-intelligenz-im-kontext-nachhaltiger-entwicklung-brauchen-wir-ein-neues-menschenbild-vorlesung-fuer-ag-enigma-im-rahmen-von-u3l-der-goethe-universitaet/ )
[*8] Von seiner Architektur her kann unser Gehirn beliebig viele solcher Meta-Ebenen eröffnen, aber aufgrund seiner konkreten Endlichkeit bietet es für verschiedene Aufgaben nur eine begrenzte Zahl von Neuronen an. So ist bekannt (und mehrfach experimentell nachgewiesen), dass z.B. unser ‚Arbeitsgedächtnis‘ (auch ‚Kurzzeitgedächtnis genannt oder ‚Short Term Memory‘) nur auf ca. 6-9 ‚Einheiten‘ limitiert ist (wobei der Begriff ‚Einheit‘ kontextabhängig zu definieren ist). Wollen wir also umfangreiche Aufgaben durch unser Denken lösen, brauchen wir ‚externe Hilfsmittel‘ (Blatt Papier und Schreibstift oder einen Computer, …), um die vielen Aspekten festzuhalten und entsprechend zu notieren. Obwohl die bekannten Computer heutzutage nicht einmal ansatzweise in der Lage sind, die komplexen Denkprozesse von Menschen zu ersetzen, können sie begrenzt für die Durchführung komplexer Denkprozesse ein fast unersätzliches Hilfsmittel sein. Allerdings nur dann, wenn WIR tatsächlich WISSEN, was wir da tun!
[*9] Das Wort ‚Emotionen‘ ist ein ‚Sammelbegriff‘ für sehr viele verschiedene Phänomene und Sachverhalte. Trotz umfangreicher Forschungen seit über hundert Jahren können die verschiedenen Disziplinen der Psychologie noch kein einheitliches Bild, geschweige denn eine einheitliche’Theorie‘ zum Thema anbieten. Dies verwundert auch nicht, da vieles davon weitgehend ‚unbewusst‘ abläuft bzw. ausschließlich als ‚internes Ereignis‘ im Individuum direkt verfügbar ist. Klar scheint nur zu sein, dass wir als Menschen niemals ‚emotionsfrei‘ sind (dies gilt auch für sogenannte ‚coole‘ Typen, denn das scheinbare ‚verdrängen‘ oder ‚unterdrücken‘ von Emotionen ist selbst wieder Teil unserer angeborenen Emotionalität.
[*10] Natürlich können Emotionen uns auch gewaltig in die Irre oder gar in den Untergang führen (sich in anderen Menschen irren, sich in sich selbst irren, …). Es ist also nicht nur wichtig, die sachlichen Dinge in der Welt durch ‚Lernen‘ in nützlicher Weise zu ’sortieren‘, sondern man muss auch tatsächlich die ‚eigenen Emotionen im Blick haben‘ und überprüfen, wann und wie diese auftreten und ob sie uns tatsächlich helfen. Primäre Emotionen (wie z.B. Hunger, Sexualtrieb, Wut, Sucht, ‚Verknallt sein‘, …) sind punktuell, Situationsbezogen , können eine große ‚psychische Kraft‘ entwickeln, und verstellen damit den Blick auf die möglichen oder sehr wahrscheinlichen ‚Folgen‘, die für uns erheblich schädigend sein können.
[*11] Der Begriff ‚Narrativ‘ wird heutzutage immer mehr benutzt, um zu beschreiben, dass eine Gruppe von Menschen in ihrem Denken für ihre Wahrnehmung der Welt ein bestimmtes ‚Bild‘, eine bestimmte ‚Erzählung‘ benutzt, um ihr gemeinsames Handeln koordinieren zu können. Letztlich gilt dies für jedes gemeinsame Handeln, selbst für Ingenieure, die eine technische Lösung erarbeiten wollen. Insofern ist die Darstellung in der deutschen Wikipedia ein bisschen ‚eng‘: https://de.wikipedia.org/wiki/Narrativ_(Sozialwissenschaften)
QUELLEN
Die folgenden Quellen bilden nur eine winzige Auswahl aus vielen hunderten, eher tausenden von Artikeln, Büchern, Tondokumenten und Filmen, die zum Thema gehören. Vielleicht können sie dennoch für einen ersten Einstieg hilfreich sein. Die Liste wird gelegentlich erweitert.
[1a] Propaganda, siehe z.B. hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Propaganda oder [1b] die Englische Version : https://en.wikipedia.org/wiki/Propaganda /* Die Englische Version wirkt systematischer, überdeckt grössere Zeiträume und mehr unterschiedliche Anwendungsgebiete */
[2] Florian Schaurer, Hans-Joachim Ruff-Stahl, (21.10.2016), Hybride Bedrohungen Sicherheitspolitik in der Grauzone, Bundeszentrale für politische Bildung, Adenauerallee 86, 53113 Bonn, https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/235530/hybride-bedrohungen/
[8] Pomerantsev, Peter, (2019), This Is Not Propaganda: Adventures in the War Against Reality, Faber & Faber. Kindle-Version.
[9] Propaganda in China, hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Propaganda_in_der_Volksrepublik_China /* Nur fragmentarisch; müsste deutlich ergänzt werden */
[10] Lena Bäunker, 25.12.2023, Reden ist Gold. Über die Kehrseiten von Flugreisen, Kreuzfahrten oder Fleischkonsum zu sprechen, ist nicht einfach. Wissenschaftler:innen haben untersucht, wie sich effektivere Klimagespräche führen lassen. https://www.klimareporter.de/gesellschaft/reden-ist-gold
DER AUTOR
Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.
Im vorausgehenden Blogbeitrag „Kollektive Mensch-Maschine Intelligenz im Kontext nachhaltiger Entwicklung. Brauchen wir ein neues Menschenbild?“ hatte ich unter anderem im Abschnitt (4) GESELLSCHAFT – SPRACHE – LITERATUR darauf aufmerksam gemacht, in welch gefährlicher Situation sich heutiges literarisches Schaffen befindet: Texte verknüpft mit realen, echten menschlichen Bedeutungskorrelaten, mit echtem Leben, mit echten Gefühlen, mit echtem Ringen um ein Menschsein in dieser realen Welt, drohen zunehmend ‚unsichtbar‘ zu werden, weil neuartige Technologien der Text-Generierung nicht nur in der Lage sind, massenweise und sehr schnell, Texte zu generieren, die den Texten mit authentischen menschlichen Autoren auf der ‚Oberfläche der Zeichen‘ täuschend ähnlich sehen. In dem Maße, wie dieser Prozess voranschreitet — und er ist in vollem Gange — verschwindet ‚das Menschliche‘ aus den Textereignissen dieser Welt. Zwischen all dem ‚Rauschen‘ des Sinnlosen wird es dann Zufall, bis man auf einen Text trifft, in dem sich ein realer Mensch real ‚offenbart‘. Können wir ’selbst‘ überhaupt noch Mensch sein, wenn es ‚die Anderen‘ nicht mehr gibt? Werden wir noch sprechen können, wenn ‚unsere‘ Sprache sich in einem ’sinnlosen Meer von Zeichen‘ schlicht verliert? Ereignet sich die Vernichtung der Menschheit nicht schon lange bevor es überhaupt Maschinen gibt, die auch nur ansatzweise ‚rational‘ oder ‚bewusst‘ sind, weil wir Menschen selbst unsere Intelligenz, Rationalität und Emotionalität dazu benutzen, uns selbst stumm zu machen, bevor irgendeine dieser aktuell noch extrem dummen Maschinen überhaupt solch einen ‚Gedanken‘ fassen könnte?
In diesen Menschen-bedrohenden Zeiten (dabei bleiben hier viele andere große Bedrohungen hier außen vor, nicht dass es sie nicht gäbe) ist es daher wichtiger denn je die Dimension des Literarischen wahrzunehmen, zu unterstützen, sie selbst nach Möglichkeit zu praktizieren. Ohne Austausch unter uns Menschen über das, was wir sind, was uns bewegt, sterben wir ab in dem, was uns Menschlich macht.
In diesem Kontext habe ich zu einem Roman gegriffen „Zeiten der Langeweile“ von der jungen Autorin Jenifer Becker, die ich bei einer Konferenz an der TU-Darmstadt mit dem Titel Diskurse disruptiver digitaler Technologien am Beispiel von KI-Textgeneratoren (KI:Text) als eine der Referenten:innen kennengelernt habe. Ihr intellektuelles Ringen um die Thematik aus Sicht der Kulturwissenschaften lies mich mindestens aufhorchen. Ihre Tipps für interessante Artikel und Bücher halfen weiter. Mir wurde schnell klar, dass ich hier auf eine Erfahrungs- und Denkwelt stoße, die auf mich ‚planetenhaft fern‘ wirkt. Ich kann mich nicht entsinnen, wann ich das letzte Mal selbst bewusst nach einem Roman gegriffen habe, da ich als Wissenschaftler und Philosoph schon immer Schwierigkeiten mit literarischen Formen hatte. Nachdem nun aber meine eigene Theorie klipp und klar sagte, dass Literatur nicht einfach nur ein ’schönes Spiel‘ ist, sondern hinter allem Spielerischen existentiell ernst ist, habe ich mir diesen Roman von Jenifer Becker bestellt. Ja, und ich habe auch angefangen darin zu lesen.
Von dieser Leseerfahrung berichtet der folgenden Text, reflexhaft, fragmentarisch, ohne Versuch, diese Erfahrung sofort schon wieder zu ’systematisieren‘, wie das Wissenschaftler und besonders Wissenschaftsphilosophen so gerne tun. Irgendwann wird das Systematisieren ‚von selbst‘ einsetzen. Dann wird es spannend, was da aufscheinen wird ….
BEGINN DER LESE-NOTIZEN
12.Nov. 23
Mein neues Verständnis von Literatur vor, während und nach dem Vortrag hat sich weiter radikalisiert.
Es ist interessant, dass ich 75 Jahre gebraucht habe, um den fundamentalen Charakter von Literatur zu verstehen.
Ein spannendes Detail ist die zusätzliche Rolle, die wissenschaftliche Texte spielen als Teilaspekt von Literatur. Sie können weniger als Literatur, dafür können sie manches detaillierter, was Literatur im Prinzip auch kann, aber Literatur ist mehr.
In dem was Literatur ‚mehr‘ ist, ist sie aber auch sehr verwundbar, und beständig bedroht.
Text-Generatoren sind absolut tödlich für Literatur, sie werden sie durch eine Flut von Texten unsichtbar machen und dabei alle wichtige Bedeutung vernichten.
Dieser Roman müsste sofort geschrieben werden …
21.Nov 23
Ich lese immer noch in dem Roman. Dies ist nicht selbstverständlich. Der natürliche Lebens-Abstand zwischen Planet 0-35 (Autorin des Romans) und Planet 40-75 (ich) ist eigentlich immens. …
Ohne den Kontext der Konferenz an der TUD im August, die vielen Eindrücke und Gespräche, der persönliche Auftritt der Autorin, die vielen interessanten Hinweise, meine weitere Denkarbeit bis zum Vortrag an der Goethe im Rahmen von ENIGMA-U3L, das neue erste Begreifen vom fundamentalen Charakter von Literatur für unser aller Menschsein, gleichzeitig die weiter voran schreitende Einsicht in die fundamentale Bedeutung von nachhaltiger empirischer Theorie … all dies, ja auch schwer greifbare Emotionen die die Autorin Planet 0-35 mit ihren Worten, ihrer Art und Weise auslöste … all dies erzeugt ein atmosphärisches Feld von Zusammenhängen, Kontexten, die stark genug sind, um die natürliche Fremdheit von unbekannten Lebens-Planeten ansatzweise zu überwinden.
In der Lektüre herrscht primär Verwunderung, Fremdheit, unglaubliche Andersheit vor. Dem Planet 40-75 wird deutlich, wie große die Unterschiede im gleichen Deutschen Universum zu einem anderen Planeten 0-35 herrschen können, nur weil er in einer anderen Zeitphase, an anderen Orten, mit anderen Menschen ins Leben gewachsen ist, mit seiner Umgebung vibrierend in Wechselwirkung getreten ist, sein eigenes Inneres vielfältig, überraschend, bedrückend, lähmend, anregend … erfahren hat und immer noch erfährt: das Neue wird zugleich eingehüllt in das schon Bekannte, und doch bleibt ein ‚Überschuss‘ an Neuem, an schwer Vorstellbaren, an schwer Kalkulierbaren. Das ‚Bekannte‘ erklärt nicht viel … was überhaupt? –, aber es ist da, wirkt nach im Rauschen der Erinnerungen, vielfältig unbewusst, und doch wispert das Neue, oder inszeniert ein Getöse, ein spezifischer ‚Alltagssound‘, dessen Melodien und Harmonien noch schwer greifbar erscheinen.
Wenn ich sehe, mit welcher — ja — Brutalität die Autorin ihr privates Inneres, was man selbst Freundinnen oder Freunden so kaum erzählt, nach außen transportiert, mit Worten einer gemeinsamen Sprache, dahin fliegenden Buchstaben, schön geordnet nach den Regeln der Sprache, dann irritiert mich dies. Ich schreibe auch viel, viele tausend Seiten öffentlich, letztlich auch ‚ehrlich‘, aber die Details meines Inneren … na ja, irgendwie habe ich auch schon viel geschrieben. … dennoch verspüre ich eine gewisse ‚Hemmung‘, meine Gedanken ganz öffentlich kundzutun. Möglicherweise muss dies geschehen, weil Planet 0-35 den Bann gebrochen hat, weil er in den Zeiten der beginnenden Maschinen-Texte sich als Menschin aufbäumt und in einer Radikalität die eigene Menschlichkeit ins Wort und damit zu Bewusstheit in anderen Planeten bringen, die die einzig mögliche Antwort in diesen maschinellen Zeiten sein kann. Wenn nicht jetzt, wann dann wollen wir als Menschen ‚aufwachen‘ und begreifen, dass es auf diesem Planeten wirklich in eminenter Weise ‚um uns‘ geht, um uns ‚menschliche Planeten‘, die nicht ‚einfach nur so‘ da sind, sondern als ‚Teil eines unfassbaren Lebens-Universums‘, verglichen mit dem das ganze bekannte physikalische Universum fast lächerlich einfach wirkt … aber offensichtlich ist es für uns Menschen-Planeten nicht einfach, unseren Kurs zu finden. Der Augenblick, der Moment, der ‚Lärm des Äußeren im Inneren‘ verhindert viel ….
Also, ich lese erst mal weiter.
Es ist wahnsinning: ich lese weil ich lese. Es gibt keinen zusätzlich wichtigen Grund.
Das Leben hat seinen Sinn ‚in sich selbst‘, nicht ‚für sich‘, sondern ‚für sich im an sich‘ ….
Ich weiß nicht, ob Kant oder Hegel oder … das auch so gesehen haben.
…
Für mich ist Planet 0-35 schon jetzt eine ‚Heldin‘, obgleich noch gar nicht klar ist, wie dieser Planet weiter fliegen wird …
27.Nov 23
der Strom der Worte von Planet 0-35 bricht auf der letzten Seite des Buches ab.
Wie im Alltag: wenn man einen Zeitschnitt macht, egal wann, … alles wirkt unvollendet. …
Geht es weiter? Wie? Was? Warum? Wohin? ….
Der Schnitt offenbart im Stillstand ein schwer fassbares ‚Mehr‘, das in seinem Schweigen die vielen kleinen Ereignisse mit ihrer sinnlichen Schrillheit dennoch ‚übertönt‘, … wenn man gelernt hat, ‚im Schweigen zu hören’…
Das Schweigen wird dann immer lauter und die sinnliche Oberflächenschrillheit verstummt ….
Die reale Autorin Plant 0-35, die ich für Momente real erleben konnte, die reale Autorin Plant 0-35 nach Veröffentlichung ihres Romans, erweckt ganz andere Eindrücke als der ‚Planet 0-35‘, der sich in eine Wolke von Worten kodiert hat. Das ‚Mehr im Wortabbruch des Romans‘, dessen ‚Mehr-Sound‘ die Details deutlich übertönt, wird durch die Differenz zwischen der ‚realen Autorin Plant 0-35‘ und der ‚Wortwolke von Planet 0-35‘ noch verstärkt.
Die ‚Wortwolke von Planet 0-35‘ ist kein maschineller Text. Die reale Autorin Planet 0-35 ist kein ‚maschineller Text-Generator‘. Die reale Autorin Plant 0-35 manifestiert ein ‚Mehr‘ das weit über endliche Wortwolken hinaus geht!
Der Versuch, von Planet 0-35, sich von aller Digitalität, von digitalen Ereignissen, von digitalen möglichen Lebenszeichen möglicher Menschen ‚hinter dem Digitalen‘ abzukoppeln, endete so, wie eine reale Autorin Plant 0-35 enden musste, wenn sie kein maschineller Textgenerator ist: in der Offenlegung eines ‚Mehr‘, das im Moment des Offenlegens noch keinen Namen hat, noch keine wirklich angemessene Botschaft, aber in seinem Versuch des Abkoppelns von digitalen Repräsentanten erleben kann (und scheinbar hat es funktioniert, siehe die reale Autorin Plant 0-35 nach dem Roman), dass es da ein Mehr gibt, welches ein unfassbares Potential andeutet, anklingen lässt, das bis zum letzten Wort des Romans nur ‚anwesend‘ ist als Ermöglichung von allem, aber in dem bisherigen Konkreten noch so hilflos, so lautlos, so schwach wirkt … aber all das nicht ist…
Die Worte die man in einem Roman lesen kann sind nicht unbedingt die Botschaft, die die Gesamtheit der Worte andeuten kann. Und die reale Autorin Plant 0-35 vor, während, und nach dem Roman verkörpert ein ‚Mehr‘, das eigentlich in allen Menschen anwesend ist, … die ‚Sprache des Mehr‘ verlangt nach Texten, nach Romanen, aber auch — und das ist der zentrale Punkt angesichts von dummen Maschinen, die von Menschen vergöttlicht werden — nach der Quelle der Wort, nach den realen Substraten des Menschlichen, nach dem realen Ort des Mehr, das im individuellen Menschen zwar aufscheint, aber in der Gesamtheit des Lebens zu Haus ist, und selbst dieses, dieses unfassbare Ereignis des Lebens im realen Universum, ist — sehr wahrscheinlich — nicht die ganze Manifestation eines ‚Mehr‘, das so nah sein kann, und doch zugleich so fern. Maschinen sind immer nur ’nah‘, ‚endlich‘, in ihrer Struktur trotz Abermillionen von Zeilen Code sehr simpel…
Es gibt viele Milliarden Menschen auf diesem Planeten.
Nicht viele haben mit eigenen Worten beschrieben, was passiert, wenn sie versuchen, sich von allem zu trennen, was ihren digitalisierten Alltag ausmacht.
Bleibt offen, wie die reale Autorin Plant 0-35 nach der ‚Entdeckung ihres wahren Selbst‘ in der ’scheinbaren Unhörbarkeit des Mehrs in ihr‘ dieses Mehr weiter lebt. Ich kenne keine Handlungsanweisung für solche Fälle. Dieses Mehr ist die Schnittstelle zum ‚radikal Neuen‘, und das ist das Besondere.
OK.
Meine Zeilen sollten eigentlich nur eine ‚Überbrückung der Zeit‘ sein vom Ende der Lektüre zur ‚eigentlichen Antwort‘, da ich von einigen Ereignissen mit realen Dingen absorbiert werde, aber jetzt haben die Worte während des Schreibens einen Weg gebahnt, einen Blick aufgebaut, der seine eigene Kraft entwickelt.
DER AUTOR
Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.
Kollektive Mensch-Maschine Intelligenz im Kontext nachhaltiger Entwicklung – Brauchen wir ein neues Menschenbild?
Prof. Dr. Gerd Doeben-Henisch, Frankfurt University of Applied Sciences
Die Zeichen der Zeit stehen auf ‚Digitalisierung‘. Schon ist es selbstver- ständlich, alles, was ‚digital‘ ist, auch mit den Worten ‚smart‘ bzw.‚ intelligent‘ zu verknüpfen. ‚Künstliche Intelligenz‘, ja, natürlich, wer fragt da noch nach … und wir Menschen, war da nicht was? Gab es nicht solche Worte wie ‚Geist‘, ‚Rationalität‘, ‚Intelligenz‘ im Umfeld des Menschen, ‚Wille‘ und ‚Gefühle‘? Ja, es gab eine Zeit, da sahen die Menschen sich selbst als ‚Krone der Schöpfung‘ … Und jetzt? Eine Sprachlosigkeit greift um sich; der ‚Schöpfer‘ des Digitalen scheint vor seinem Werk zu erstarren …
[1] Home u3l: https://www.uni-frankfurt.de/122411224/U3L_Home?
[3] Flyer der Vorlesungsreihe WS23/24: https://www.uni-frankfurt.de/144405162.pdf
Zusammenfassung
Die Vorlesung greift zunächst den Kontext der Digitalisierung auf und macht die grundlegenden Strukturen deutlich. Das Eindringen von digitalen Technologien und deren Nutzung im Alltag ist schon jetzt sehr tiefgreifend. Gesellschaftlich spielt die sprachliche Kommunikation für alle Menschen und alle Abläufe eine zentrale Rolle. Literarischen und wissenschaftlichen Kommunikationsformaten kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Am Beispiel der neuen Algorithmen für Text-Generierung (wie z.B. chatGPT) wird mit Bezug auf wissenschaftliche Kommunikationformate gezeigt, wie deutlich begrenzt die algorithmische Text-Generierung noch ist. Für alle drängenden Zukunftsaufgaben kann sie den Menschen aufgrund prinzipieller Grenzen nicht ersetzen. Die weitere Ausgestaltung algorithmischer Technologien muss an diesen gesellschaftlichen Herausforderungen gemessen und entsprechend verbessert werden.
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
DIGITALISIERUNG 2.1 DAS INTERNET 2.2 DIE GESELLSCHAFT
DIGITALISIERUNG – SPRACHTECHNOLOGIEN
GESELLSCHAFT – SPRACHE – LITERATUR
SPRACHE UND BEDEUTUNG
ZÄHMUNG DER BEDEUTUNG – WISSENSCHAFT
EMPIRISCHE THEORIE
WAHRHEIT, PROGNOSE & TEXT-GENERATOREN
Epilog
1. EINLEITUNG
Der Titel dieser Vorlesung repräsentiert letztlich das Forschungsparadigma, innerhalb dessen sich der Autor seit ca. 5-6 Jahren bewegt hat. Das Motiv war — und ist –, die üblicherweise isolierten Themen ‚Kollektives menschliches Verhalten‘, ‚Künstliche Intelligenz‘ sowie ‚Nachhaltige Entwicklung‘ zu einer kohärenten Formel zu vereinigen. Dass dies nicht ohne Folgen für das ‚Menschenbild‘ bleiben würde, so wie wir Menschen uns selbst sehen, klang unausgesprochen immer schon zwischen den Zeilen mit.
Die Integration der beiden Themen ‚kollektives menschliches Verhalten‘ sowie ’nachhaltige Entwicklung‘ konnte der Autor schon im Jahr 2022 vollziehen. Dazu musste der Begriff ‚Nachhaltige Entwicklung‘ re-analysiert werden. Was sowohl im Umfeld des Forschungsprojektes Nachhaltige Intelligenz – intelligente Nachhaltigkeit [1] stattfand wie auch in einer sich über 7 Semester erstreckende multidisziplinären Lehrveranstaltung an der Frankfurt University of Applied Sciences mit dem Titel Citizen Science für Nachhaltige Entwicklung.[2]
Die Integration des Themas Künstliche Intelligenz mit den beiden anderen Themen erwies sich als schwieriger. Dies nicht, weil das Thema künstliche Intelligenz so schwer war, sondern weil sich eine brauchbare Charakterisierung von künstlicher Intelligenz Technologie mit Blick auf die Bedürfnisse einer Gesellschaft als schwer erwies: bezogen auf welche Anforderungen einer Gesellschaft sollte man den Beitrag einer künstlichen Intelligenz gewichten?
Hier kamen zwei Ereignisse zu Hilfe: Im November 2022 stellte die US-Firma openAI eine neue Generation von Text-Generatoren vor [3], was zu einer bis dahin nie gekannten Publikations-Explosion führte: Gefühlt jeder fühlte sich angesprochen, nutzte das Werkzeug, und es gab vielstimmige Meinungsäußerung. In folge davon konnte der Autor sich bei einer Konferenz an der TU-Darmstadt beteiligen mit dem Titel Diskurse disruptiver digitaler Technologien am Beispiel von KI-Textgeneratoren (KI:Text) [4]. Hier wurde aus Sicht von 18 Perspektiven versucht, die mögliche Einsetzbarkeit von Text-Generatoren am Beispiel konkreter Text-Arten zu untersuchen. Diese Konferenz stimulierte den Plan, das Setting Text – chatGPT zu übernehmen und es durch Spezialisierung der Text-Variablen auf Literatur und insbesondere wissenschaftliche Theorien zu konkretisieren. Erste Überlegungen in diese Richtungen finden sich hier. [5]
Im Nachklang zu diesen Überlegungen bot es sich an, diese Gedanken im Vortrag für die Arbeitsgruppe ENIGMA weiter zu präzisieren. Dies ist geschehen und resultierte in diesem Vortrag.
BILD 1: Überblick zu ‚Digitalisierung einer Gesellschaft‘
Da die ‚Digitalisierung‘ heute gefühlt schon fast alle Bereiche unserer menschlichen Gesellschaft erreicht hat, ist es nicht leicht in dieser Vielfalt einen Standpunkt zu lokalisieren, von dem aus sich sowohl über das Ganze wie auch über einzelne konkrete Themen zu sprechen. [1]
Es bot sich daher an, mit einem vereinfachten Überblick über das Ganze zu starten, so dass eine für alle gleiche Ausgangslage hergestellt werden konnte.
Im Bild 1 kann man den links gelblich-grünen Bereich sehen, der für die Gesellschaft selbst steht, und einen grauen Bereich rechts, der für jene Infrastrukturen steht, die eine Digitalisierung technisch ermöglichen. Beide Bereich sind stark schematisiert.
Die digitale Infrastruktur ist aufgeteilt in ‚Endgeräte‘ und in das eigentliche ‚Internet‘. Letzteres wird unterschieden in den ‚Adressraum‘ und jene Geräte, die über den Adressraum erreicht werden können.
2.1 DAS INTERNET
Kurz wurde auf einige wichtige Eigenschaften des Internets hingewiesen:
Alle beteiligten Geräte setzen sich aus ‚Hardware‘ und ‚Software‘ zusammen. Die Hardware wiederum besteht aus einer Konfiguration von ‚Chips‘, die selbst sehr komplex sind und auch aus Hardware und Software bestehen. Bis zu ca. 80 Firmen können bei der Produktion eines einzelnen Chips beteiligt sein (unter Berücksichtigung der diversen Lieferketten). Die Möglichkeit, dass eine beteiligte Firma ’nicht-intendierte‘ Funktionen in einen Chip einbaut, ohne dass die anderen dies merken, sind prinzipiell gegeben. Die für Chips benötigten speziellen Materialien sind partiell ’selten‘ und nur über einige wenige Staaten beziehbar.
Die ‚Software‘ auf einem Rechner (klein bis groß) zerfällt grob in zwei Typen: (i) jene Software, die die grundlegende Kommunikation mit einer Hardware ermöglicht — das ‚Betriebssystem‘ –, und jene Software, die bestimmte Anwendungen ermöglicht, die mit dem Betriebssystem kommunizieren muss — die Anwendungssoftware, heute auch einfach App genannt –. Betriebssysteme haben heute eine Größe, die vielen Millionen Zeilen Code umfassen. Eine solche Software angemessen auf Dauer zu managen, stellt extreme Anforderungen. Nicht weniger im Fall von Anwendungssoftware.
Sobald Software aktiviert wird, d.h. ein Rechner ändert seine inneren Zustände unter dem Einfluss der Software, wird Energie verbraucht. Der Umfang dieses Energieverbrauchs ist heute noch vielfach extrem hoch.[2]
Ein ‚realer Rechner‘ braucht irgendwo auf diesem Planeten einen ‚realen Ort‘ und gehört eine ‚realen Besitzer‘. Dieser Eigentümer hat prinzipiell den vollen Zugriff auf den Rechner, auf seine Software, auf seine Inhalte. Durch die ‚Gesetze‘ eines Landes, durch ‚Vereinbarungen‘ zwischen Geschäftspartnern kann man den Umgang mit dem Rechner versuchen zu regeln, aber Garantien dafür, dass dann tatsächlich die Prozesse und die Daten ‚geschützt‘ sind, gibt es nicht. Eine von vielen Untersuchungen zur Nutzung von Benutzerdaten konnte am Beispiel von Facebook aufzeigen, dass die Einführung der europäischen Datenschutzverordnung 2021 nahezu keine Wirkung im Bereich der Nutzerdaten von Facebook zeigte. [3,4,5]
[1] Phänomen: Den Wald vor lauter Bäume nicht sehen.
[2] Maximilian Sachse, Das Internet steht unter Strom. KI kann helfen, Emissionen einzusparen — verbraucht aber selbst Unmengen an Energie.FAZ, 31.Okt 2023, S.B3
[3] José González Cabañas, Ángel Cuevas, Aritz Arrate, and Rubén Cuevas. 2020. Does Facebook use sensitive data for advertising purposes? Commun. ACM 64, 1 (January 2021), 62–69. https://doi.org/10.1145/3426361
[4] Eine ausführlichere Analyse der Informationsbeschaffung von Nutzern ohne deren Wissen: Ingo Dachwitz, 08.06.2023, Wie deutsche Firmen am Geschäft mit unseren Daten verdienen. Wenn es um Firmen geht, die pausenlos Daten für Werbezwecke sammeln, denken viele an die USA. Unsere Recherche zeigt, wie tief deutsche Unternehmen inzwischen in das Netzwerk der Datenhändler verwoben sind und dass sie auch heikle Datenkategorien anboten. Beteiligt sind Konzerne wie die Deutsche Telekom und ProSieben Sat1, URL: https://netzpolitik.org/2023/adsquare_theadex_emetriq_werbetracking-wie-deutsche-firmen-am-geschaeft-mit-unseren-daten-verdienen/
[5] Ein aktuelles Beispiel mit Microsoft: Dirk Knop, Ronald Eikenberg, Stefan Wischner, 09.11.2023, Microsoft krallt sich Zugangsdaten: Achtung vor dem neuen Outlook. Das neue kostenlose Outlook ersetzt Mail in Windows, später auch das klassische Outlook. Es schickt geheime Zugangsdaten an Microsoft. c’t Magazin, Heise
2.2 DIE GESELLSCHAFT
Die Charakterisierung der Gesellschaft stellt natürlich auch eine starke Vereinfachung dar. Als wichtige Strukturmerkmale seien hier aber festgehalten:
Es gibt eine Grundverfassung jeder Gesellschaft jenseits von Anarchie die zwischen den beiden Polen ‚Demokratisch‘ und ‚Autokratisch‘ liegt.
Es gibt minimal ‚politische Entscheidungsstrukturen‘, die verantwortlich sind für geltende ‚Gesetze‘ und ‚Normen‘.
Die Schlagader jeder lebendigen Gesellschaft ist aber die ‚Öffentlichkeit durch Kommunikation‘: wenn, dann verbindet Kommunikation die vielen Bürger zu handlungsfähigen Einheiten. Autokratien tendieren dazu, Kommunikation zu ‚instrumentalisieren‘, um die Bürger zu manipulieren. In Demokratien sollte dies nicht der Fall sein. Tatsächlich kann aber die Freiheit einer Demokratie von partikulären Interessen missbraucht werden.[1]
Jeder einzelne Bürger ist als ‚menschlicher Akteur‘ eingewoben in unterschiedliche Kommunikationsbeziehungen, die vielfach durch Einsatz von ‚Medien‘ ermöglicht werden.
[1] Sehr viele interessante Ideen zur Rolle de Öffentlichkeit finden sich in dem Buch Strukturwandel der Öffentlichkeit von Jürgen Habermas, veröffentlicht 1962. Siehe dazu ausführlich den Wikipedia-Eintrag: https://de.wikipedia.org/wiki/Strukturwandel_der_%C3%96ffentlichkeit
[2] Florian Grotz, Wolfgang Schroeder, Anker der Demokratie? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg der deutschen Demokratie geleistet. Derzeit steht er im Kreuzfeuer der Kritik. Wie kann er auch künftig seine Ankerfunktion im demokratischen Mediensystem erfüllen? FAZ 13.Nov 2023, S.6, Siehe auch online (beschränkt): https://www.faz.net/aktuell/politik/die-gegenwart/ard-und-zdf-noch-im-dienst-der-demokratie-19309054.html Anmerkung: Die Autoren beschreiben kenntnisreich die historische Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) in drei Phasen. Verschiedene Schwierigkeiten und Herausforderungen heute werden hervor gehoben. Der generelle Tenor in allem ist, dass von ’notwendigen Veränderungen‘ gesprochen wird. Diese werden über die Themen ‚Finanzierung, Programm und Kontrolle‘ ein wenig ausgeführt. Dies sind alles sehr pragmatische Aspekte. Wenn es dann im Schlusssatz heißt „Es geht darum, dass der ÖRR auch in Zukunft eine wichtige Rolle im Dienst der Demokratie spielen kann.“ dann kann man sich als Leser schon fragen, warum ist der ÖRR denn für die Demokratie so wichtig? Finanzen, Programme und Kontrolle sind mögliche pragmatische Teilaspekte, aber eine eigentliche Argumentation ist nicht zu erkennen. Mit Blick auf die Gegenwart, in welcher die ‚Öffentlichkeit‘ in eine Vielzahl von ‚Medienräumen‘ zerfällt, die von unterschiedlichen ‚Narrativen‘ beherrscht werden, die sich gegenseitig auszuschließen scheinen und die ein von einer echten Mehrheit getragenes politisches Handeln unmöglich erscheinen lassen, sind Finanzen, Kontrollen, formale Programmvielfalt nicht unbedingt wichtige konstruktive Kriterien. Der zusätzlich verheerende Einfluss neuer bedeutungsfreier Texte-generierende Technologien wird mit den genannten pragmatischen Kriterien nicht einmal ansatzweise erfasst.
3. DIGITALISIERUNG – SPRACHTECHNOLOGIEN
BILD 2 : Das Enstehen von Sprachtechnologien zur Unterstützung im Umgang mit Sprache
Dem ‚Weltereignis‘ Text-Generatoren im November 2022 gingen viele andere Sprachtechnologien voraus. So unterscheidet man grob:
TTS, T2S , Text-to-Speech, Speechsynthesis: Erste Systeme, die geschriebenen Text in gesprochene Sprache umsetzen konnten. Ab 1968 [1]
S2T, STT , Speech-to-Text: Spracherkennungssysteme, die gesprochene Sprache in geschriebenen Text verwandelt konnten. Ab 1952 [2]
TRANSL , Maschineller Übersetzer: Programme, die von einer Ausgangssprache in eine Zielsprache übersetzen können. Ab 1975. [3]
DIAL , Dialogsysteme: Programme, die mit Menschen Dialoge führen können, um bestimmte Aufgaben zu unterstützen. Ab 1960iger Jahre. [4]
C2T , Command-to-Text: Programme, die anhand von Aufforderungen Texte mit bestimmten Eigenschaften generieren können. Prominent ab November 2022. [5]
Mittlerweile gibt es noch eine Vielzahl anderer Werkzeuge, die im Rahmen der Computerlinguistik zur Arbeit mit Texten angeboten werden.[6]
Diese Beispiele zeigen, dass die Digitalisierung unserer Welt sich auch immer mehr unserer sprachlichen Kommunikation bemächtigt. Vielfach werden diese Werkzeuge als Hilfe, als Unterstützung wahrgenommen, um die menschliche Sprachproduktion besser verstehen und im Vollzug besser unterstützen zu können.
Im Fall der neuen befehlsorientierten Text-Generatoren, die aufgrund interner Datenbanken komplexe Texte generieren können, die für einen Leser ‚wie normale Texte von Menschen‘ daher kommen, wird der Raum der sprachlichen Kommunikation erstmalig von ’nicht-menschlichen‘ Akteuren durchdrungen, die eine stillschweigende Voraussetzung außer Kraft setzen, die bislang immer galt: es gibt plötzlich Autoren, die keine Menschen mehr sind. Dies führt zunehmend zu ernsthaften Irritationen im sprachlichen Diskursraum. Menschliche Autoren geraten in eine ernsthafte Krise: sind wir noch wichtig? Werden wir noch gebraucht? Ist ‚Menschsein‘ mit einem Schlag ‚entwertet‘?
[1] Erste Einführung hier: https://en.wikipedia.org/wiki/Speech_synthesis
[2] Erste Einführung hier: https://en.wikipedia.org/wiki/Speech_recognition
[3] Erste Einführung hier: https://en.wikipedia.org/wiki/Machine_translation
[4] Erste Einführung hier: https://en.wikipedia.org/wiki/Dialogue_system
[5] Erste Einführung hier: https://en.wikipedia.org/wiki/ChatGPT
[6] Für eine erste Einführung siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Computerlinguistik
4. GESELLSCHAFT – SPRACHE – LITERATUR
BILD 3 : Sprachtechnologien und Literatur
Das Auftreten der neuen Werkzeuge zur Text-Generierung stiftet eine anhaltende Unruhe im Lager der Schriftsteller, der Autoren und der Literaturwissenschaftler.
Ein beeindruckendes Beispiel ist die Analyse von Hannes Bajohr (2022).[1] Er spielt die Varianten durch, was passiert, wenn … Was passiert, wenn sich die Produktion von literarischen Texten mit Text-Generatoren durchsetzt? Wenn es zum Standard wird, dass immer mehr Texte, ganze Romane mit Text-Generatoren erzeugt werden? Und dies sind keine bloßen Träume, sondern solche Texte werden schon produziert; Bajohr selbst hat einen Roman unter Zuhilfenahme eines Text-Generators verfasst.[2]
Eine andere junge Autorin und Kulturwissenschaftlerin, die sich intensiv mit dem neuen Wechselverhältnis von Literatur, digitaler Welt und Text-Generatoren auseinander setzt ist Jenifer Becker.[3] Ihr Debüt-Roman ist aber noch ein Roman ohne Einsatz von künstlichen Texterzeugern. In ihrem Roman spricht sie noch ’selbst‘ als ‚menschliche Autorin‘ und wir damit potentiell zu einer Gesprächspartnerin für ihre Leser: der Andere als potentielles Ich, wobei das ‚eigentliche Ich‘ sich Spiegel des Textes in spannungsvoller Differenz erleben kann.
Angesichts einer digitalisierten Welt, die mehr und mehr zu einer ‚Ereigniswelt‘ wird, in der das ‚Verweilen‘, das ‚Verstehen‘ sich immer mehr abschwächt, verstummt, verliert auch das Individuum seine eigene Kraft und beginnt sich ‚hohl‘ anzufühlen, wo es doch gar nicht hohl ist, nicht hohl sein muss.
Hier setzt die Rede zur Nobelpreisverleihung 2018 für Literatur der polnischen Laureatin Olga Tokarczuk ein. Sie beschreibt als das Wunderbare von Literatur gerade diese einzigartige Fähigkeit von uns Menschen, dass wir mittels Sprache von unserem Innern berichten können, von unserer individuellen Art des Erlebens von Welt, von Zusammenhängen, die wir in dem Vielerlei des Alltags entdecken können, von Prozessen, Gefühlen, von Sinn und Unsinn. [4]
In dieser Eigenschaft ist Literatur durch nichts ersetzbar, bildet Literatur den ‚inneren Herzschlag‘ des Menschlichen auf diesem Planeten.
Aber, und dies sollte uns aufhorchen lassen, dieser wunderbarer Schatz von literarischen Texten wird bedroht durch den Virus der vollständigen Nivellierung, ja geradezu eine vollständigen Auslöschung. Text-Generatoren haben zwar keinerlei Wahrheit, keinerlei realen Bindungen an eine reale Welt, an reale Menschen, keinerlei wirkliche Bedeutung, aber in der Produktion von Texten (und gesprochener Rede) ohne Wahrheit sind sie vollständig frei. Durch ihre hohe Geschwindigkeit der Produktion können sie alle ‚menschliche Literatur‘ in der Masse des Bedeutungslosen aufsaugen, unsichtbar machen, nihilieren.
[1] Hannes Bajohr, 2022, Artifizielle und postartifizielle Texte. Über Literatur und Künstliche Intelligenz. Walter-Höllerer-Vorlesung 2022, 8.Dez. 2022, Technische Universität Berlin , URL: https://hannesbajohr.de/wp-content/uploads/2022/12/Hoellerer-Vorlesung-2022.pdf, Den Hinweis auf diesen Artikel erhielt ich von Jennifer Becker.
[2] Siehe dazu Bajohr selbst: https://hannesbajohr.de/
[3] Jenifer Becker, Zeiten der Langeweile, Hanser, Berlin, 2023. Dazu Besprechung in der Frankfurter Rundschau, 30.8.23, Lisa Berins, Die große Offline-Lüge, https://www.fr.de/kultur/literatur/zeiten-der-langeweile-von-jenifer-beckerdie-grosse-offline-luege-92490183.html
[4] Olga Tokarczuk, 2018, The Tender Narrator, in: Nobel Lecture by Olga Tokarczuk, 2018, Svenska Akademien, URL: https://www.nobelprize.org/uploads/2019/12/tokarczuk-lecture-english-2.pdf
5. SPRACHE UND BEDEUTUNG
BILD 4 : Sprache und Bedeutung
Am Beispiel der ‚menschlichen Literatur‘ klang eben schon an, welch fundamentale Rolle die ‚Bedeutung von Sprache‘ spielt und dass wir Menschen über solch eine Fähigkeit verfügen. Im Schaubild 4 wird veranschaulicht, was es bedeutet, dass Menschen im Alltag scheinbar mühelos Aussagen erzeugen können, die als ‚aktuell zutreffend’/ ‚wahr‘ untereinander akzeptiert werden oder als ‚aktuell nicht zutreffend’/ ‚falsch‘ oder als ‚aktuell unbestimmt‘. Wenn ein konkreter empirischer Sachverhalt gegeben ist (der Hund von Ani, das rote Auto vom Nachbarn Müller, die Butter auf dem Frühstückstisch, …), dann ist eine Einigung zwischen Menschen mit der gleichen Sprache immer möglich.
Was man sich dabei selten bewusst macht ist, welch starke Voraussetzung ‚in einem Menschen‘ gegeben sein müssen, damit er über diese Fähigkeit so leicht verfügen kann.
Die ‚Box‘ im rechten Teil des Diagramms repräsentiert auf einem starken Abstraktionsniveau die wichtigsten Komponenten, über die ein Mensch in seinen inneren Verarbeitungsstrukturen verfügen können muss, damit er mit anderen so sprechen kann. Die Grundannahmen sind folgende:
Eine Außenwahrnehmung der umgebenden (empirischen) Welt.
Alles was wahrgenommen werden kann kann auch in ‚Elemente des Wissens‘ verwandelt werden.
Eine Sonderrolle nimmt die Repräsentation von Elementen der Sprachstruktur ein.
Zwischen den Elementen des Wissens und den Ausdruckselementen kann ein Mensch eine dynamische Abbildungsbeziehung(Bedeutungsbeziehung) aufbauen (Lernen), so dass Wissenselemente auf Ausdruckselemente verweisen und Ausdruckselemente auf Wissenselemente.
Aus Sicht der Ausdruckselemente bildet jenes Wissen, das über eine Abbildung verbunden wird, die ‚Bedeutung‘ der Ausdruckselemente.
Innerhalb des Wissens gibt es zahlreiche unterschiedliche Formen von Wissen: aktuelles Wissen, erinnerbares Wissen, Veränderungswissen, Ziele, und prognostisches Wissen.
Und vieles mehr
Neben Aussagen, die ‚aktuell wahr‘ sein können, verfügt der Mensch aber auch über die Möglichkeit, vielfache Wiederholungen als ‚wahr‘ anzusehen, wenn sie sich immer wider als ‚aktuell wahr‘ erweisen. Dies verweist auf mögliche weitere Formen von möglichen abgeleiteten Wahrheiten, die man vielleicht unter dem Oberbegriff ’strukturelle Wahrheit‘ versammeln könnte.
6. ZÄHMUNG DER BEDEUTUNG – WISSENSCHAFT
BILD 5 : Wissenschaft als Ergänzung von Literatur
Die Ur-Funktion von Literatur, das Gespräch zwischen dem Inneren der Menschen über ihre Welt- und Selbsterfahrung sprechen zu können, indem nicht nur die ‚Oberfläche der Dinge‘, sondern auch die ‚Tiefenstruktur der Phänomene‘ ins Wort kommen können, ist unersetzbar, aber sie leidet im Alltag an der strukturellen Schwäche des möglichen ‚Nicht-Verstehens‘ oder ‚Falsch-Verstehens‘. Während sich über die Dinge des alltäglichen Lebens leicht Einigkeit erzielen lässt, was jeweils gemeint ist, ist das ‚Innere‘ des Menschen eine echte ‚Terra Incognita‘, ein ‚unbekanntes Land‘. In dem Maße, wie wir Menschen im Innern ‚ähnlich‘ erleben und empfinden, kann das Verstehen von ‚Bedeutungen‘ noch ansatzweise gelingen, da wir Menschen aufgrund unserer Körperstrukturen in vielen Dingen ähnliche Erleben, Fühlen, Erinnern und Denken. Aber je spezifischer etwas in unserem Inneren ist, je ‚abstrakter‘ eine Bedeutung wird, umso schwieriger wird die Erfassung einer Rede durch andere. Dies führt dann unabwendbar zum Falsch- oder gar Nicht-Verstehen.
In dem Maße wie wir Menschen aber auf eine ‚tragfähige Erklärung von Welt‘ angewiesen sind, um ‚gemeinsam‘ das ‚Richtige‘ zu tun, in dem Maße wird unsere normale sprachliche Kommunikation, wird Literatur überfordert. Sie will vielleicht, aber sie kann aus sich heraus eine solche Eindeutigkeit nicht ohne weiteres herstellen. Ihre Stärke kann und wird in diesen Bereich zu einer Schwäche.
Vor dem Hintergrund des ‚Überlebens auf dem Planeten‘, des ‚Überlebens im Alltag‘ bildet die Notwendigkeit von ‚wahren Texten‘, die zudem ‚belastbare Prognosen‘ erlauben, eine Kernforderung, die möglicherweise nur eine Teilmenge jener Bedeutungsräume erlaubt, über die Literatur verfügen kann. Aber diese ‚wahren und belastbaren Teilräume‘ bilden jenen ‚harten Boden‘, auf denen sich Menschen quer über alle Kontinente und im Bereich aller Sprachen gründen können.
Diese Art von Texten, deren Existenz von gemeinsamen nachprüfbaren ‚wahren Sachverhalten und Prognosen‘ abhängt, entstand in der Geschichte der Menschheit unter dem Namen ‚empirische Wissenschaft‘ sehr spät.[1] Nach anfänglichen Mühen entwickelte sie sich dann rasant weiter und ist heute zum Standard für nachweisbar wahre und prognosefähige Texte geworden.
Die heutige weltweite Verbreitung von ‚Wissenschaft‘ ist ihr selbst aber mittlerweile zum Problem geworden. Der klare Kern dieser Textform erscheint in der öffentlichen Verwendung der Charakterisierung von ‚Wissenschaft‘ seltsam vage. Der Begriff einer ‚empirischen Theorie‘ ist geradezu verschwunden. Die großen Enzyklopädien dieser Welt kennen diesen Begriff nicht mehr.
Dazu kommt die ‚Altlast‘ der modernen Wissenschaft, dass sie sich schnell zu einer Veranstaltung von ‚Spezialisten‘ entwickelt hat, die ihre ‚eigene Fachsprache‘ sprechen, die zudem vielfach teilweise oder ganz mit ‚mathematischer Sprache‘ arbeiten. Diese führt zunehmend zu einer Ausgrenzung aller anderen Bürger; das ‚Verstehen von Wissenschaft‘ wird für die meisten Menschen zu einer ‚Glaubenssache‘, wo doch Wissenschaft gerade angetreten war, um die ‚Autorität des bloßen Glaubens‘ zu überwinden.
Desweiteren haben wir in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr gelernt, was es heißt, den Aspekt ‚Nachhaltiger Entwicklung‘ zu berücksichtigen. Eine Grundbotschaft besteht darin, dass alle Menschen einbezogen werden müssen, um die Entwicklung nicht von einzelnen, kleinen — meist mächtigen — Gruppen dominieren zu lassen. Und von de Entwicklung des Lebens auf diesem Planeten [3] wissen wir, dass das Leben — von dem wir als Menschen ein kleiner Teil sind — in den zurück liegenden ca. 3.5 Milliarden Jahren nur überleben konnten, weil es nicht nur das ‚Alte, Bekannte‘ einfach wiederholt hat, sondern auch immer ‚aus sich echtes Neues‘ heraus gesetzt hat, Neues, von dem man zum Zeitpunkt des Hervorbringens nicht wusste, ob es für die Zukunft brauchbar sein wird.[3,4]
Dies regt dazu an, den Begriff der ‚empirischen Theorie‘ zu aktualisieren und ihn sogar zum Begriff einer ’nachhaltigen empirischen Theorie‘ zu erweitern.
[1] Wenn man als Orientierungspunkt für den Beginn der neuzeitlichen wahrheitsfähigen und prognosefähigen Texte Galileo Galilei (1564 – 1641) und Johannes Kepler ()1571 – 1630) nimmt , dann beginnt der Auftritt dieser Textform im 17./18. Jahrhundert. Siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Galileo_Galilei und hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Kepler
Zitat aus dem Vorwort: „The fact that we all became wiser, learnt to look across cultural and historical barriers, was essential. There were moments of deep concern and potential crisis, moments of gratitude and achievement, moments of success in building a common analysis and perspective. The result is clearly more global, more realistic, more forward looking than any one of us alone could have created. We joined the Commission with different views and perspectives, different values and beliefs, and very different experiences and insights. After these three years of working together, travelling, listening, and discussing, we present a unanimous report.“ und „Unless we are able to translate our words into a language that can reach the minds and hearts of people young and old, we shall not be able to undertake the extensive social changes needed to correct the course of development.“
[3] Gerd Doeben-Henisch, 2016, Sind Visionen nutzlos?, URL: https://www.cognitiveagent.org/2016/10/22/sind-visionen-nutzlos/
[4] Zum Begriff der Evolution siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Evolution und hier: https://en.wikipedia.org/wiki/Evolution
7. EMPIRISCHE UND NACHHALTIG EMPIRISCHE THEORIE
BILD 6 : Aktualisierter Begriff von ‚Empirischer Theorie (ET)‘ und ‚Nachhaltiger Empirischer Theorie (NET)‘
Zum ‚aktualisierten Begriff‘ einer empirischen und einer nachhaltig empirischen Theorie gehören die folgenden Elemente:
Die Gruppe der ‚Theorie-Autoren‘ besteht prinzipiell aus allen Menschen, die in ihrer Alltagssprache kommunizieren. Dies ermöglicht von Anfang an maximale Diversität.
Der engere Begriff der ‚Empirischen Theorie‘ umfasst die Elemente ‚IST-Zustand‘, ‚Veränderungs-Wissen‘ sowie einen ‚Folgerungsbegriff‘ in Form eines Wissens, wie man Veränderungswissen auf einen gegebenen Zustand anwendet.
Das ‚Ergebnis einer Folgerung‘ ist ein ’neuer Folge-Zustand‘.
Lässt sich eine Folgerung mehrfach vollziehen dann ensteht eine ‚Folge von Folgezuständen‘, die man heute auch als ‚Simulation‘ bezeichnen kann.
Der IST-Zustand umfasst eine Menge von Ausdrücken einer gewählten Alltagssprache, die so beschaffen sind, dass alle beteiligten Theorie-Autoren sich darüber einigen können, dass diese Ausdrücke unter den angenommenen Bedingungen ‚zutreffen‘, d.h. ‚wahr‘ sind.
Das Veränderungs-Wissen umfasst eine Menge von Ausdrücken, die Veränderungsprozesse beschreiben, die sich ebenfalls unter angegebenen Bedingungen von jedem überprüfen lassen.
Der Folgerungsbegriff ist ein Text, der eine Handlungsbeschreibung umfasst, die beschreibt, wie man eine Veränderungsbeschreibung auf eine gegebene IST-Beschreibung so anwendet, dass daraus ein neuer Text entsteht, der die Veränderung im Text enthält.
Eine empirische Theorie ermöglicht die Erzeugung von Texten, die mögliche Zustände in einer möglichen Zukunft beschreiben. Dies kann mehr als eine Option umfassen.
Im Alltag der Menschen reicht ein bloßes Wissen um ‚Optionen‘ aber nicht aus. Im Alltag müssen wir uns beständig Entscheiden, was wir tun wollen. Für diese Entscheidungen gibt es keine zusätzliche Theorie: für einen menschlichen Entscheidungsprozess ist es bis heute mehr oder weniger ungeklärt, wie er zustande kommt. Es gibt allerdings viele ‚Teil-Theorien‘ und noch mehr ‚Vermutungen‘.
Damit diese ’nicht-rationale Komponente‘ unseres alltäglichen Lebens nicht ‚unsichtbar‘ bleibt, wird hier der Begriff einer nachhaltigen empirischen Theorie vorgeschlagen, in dem zusätzlich zur empirischen Theorie eine Liste von Zielen angenommen wird, die von allen Beteiligten aufgestellt wird. Ob diese Ziele ‚gute‘ Ziele sind, kann man erst wissen, wenn sie sich ‚im weiteren Verlauf‘ ‚bewähren‘ oder eben nicht. Explizite Ziele ermöglichen daher einen ‚gerichteten Lernprozess‘. Explitit formulierte Ziele ermöglichen darüber hinaus eine kontinuierliche Kontrolle, wie sich der aktuelle Handlungsprozess mit Blick auf ein Ziel verhält.
Für die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung sind nachhaltige empirische Theorien eine unverzichtbare Voraussetzung.
8. WAHRHEIT, PROGNOSE & TEXT-GENERATOREN
BILD 7 : Die potentielle Rolle von Text-Generatoren der Machart 2023 innerhalb eines wissenschaftlichen Diskurses
Für die Bewertung, welche Rolle Textgeneratoren aus dem Jahr 2023 innerhalb eines wissenschaftlichen Diskurses spielen können, kann man ein Gedankenexperiment (und dann natürlich auch real) durchführen, welche der Anforderungen eines wissenschaftlichen Diskurses, die zuvor erläutert worden sind, von einem Text-Generator erfüllt werden können. Das Bild Nr.7 ist eigentlich selbst-erklärend.
Das zentrale Argument besteht darin, dass Text-Generatoren des Jahrgangs 2023 über keinerlei Wissen verfügen, wie es der Mensch besitzt, nahezu keine Wahrnehmung (außer Texteingaben oder Spracheingaben) haben, und dementsprechend auch über keine Bedeutungsfunktion verfügen. Die Unfähigkeit zu ‚wahren Aussagen‘ oder auch der Fähigkeit, entscheiden zu können, ob etwas ‚wahr‘ ist oder nicht, fehlt ebenfalls vollständig.[1]
[1] Ron Brachman, Hector Levesque, Dieser KI können wir nicht trauen, Es gibt ein grundlegendes Problem in der Entwicklung der gegenwärtig angesagten KI-Systeme. Hier kommt ein Vorschlag, wie es besser geht. FAZ, Mo 13.Nov 2023, S.19 . Online (beschränkt) auch hier: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/chatgpt-co-dieser-ki-koennen-wir-nicht-trauen-19308979.html, Anmerkung 1: Die beiden Autoren nehmen den Boom um chatGPT zum Anlass, vor der gesamten Künstlichen Intelligenz (KI) zu warnen. Sie fokussieren ihre Kritik auf einen Punkt: „Der aktuellen KI-Technologie kann man nicht trauen. … Obwohl sie auf der Grundlage riesiger Datenmengen trainiert werden … machen moderne KI-Systeme bizarre, dumme Fehler. Unvorhersehbare, unmenschliche Fehler.“ Und weiter: „Wir wissen nicht, wann diese Systeme das Richtige tun und wann sie versagen.“ Sie führen im weiteren Verlauf noch aus, dass die aktuelle Architektur dieser Systeme es nicht zulässt, heraus zu finden, was genau die Gründe sind, warum sie entweder richtig oder falsch urteilen. Mit Blick auf den Alltag diagnostizieren sie bei uns Menschen einen ‚gesunden Menschenverstand‘, ein Prototyp von ‚Rationalität‘, und diesen sehen sie bei den KI-Systemen nicht. Sie beschreiben viele Eigenschaften, wie Menschen im Alltag lernen (z.B. mit ‚Überzeugungen‘, ‚Zielen‘ arbeiten, mit ‚Konzepten‘ und ‚Regeln‘, mit ‚echten Fakten‘, …), und stellen fest, dass KI-Systeme für uns erst wirklich nützlich werden, wenn sie über diese Fähigkeiten nachvollziehbar verfügen. Anmerkung 2: Die Autoren sprechen es nicht explizit aus, aber implizit ist klar, dass sie die neuen Text-Generatoren wie chatGPT & Co zu jener KI-Technologie rechnen, die sie in ihrem Beitrag charakterisieren und kritisieren. Wichtig ist, dass Sie in ihrer Kritik Kriterien benutzen, die alltäglich vage sind (‚gesunder Menschenverstand‘), allerdings angereichert mit vielen Alltagsbeispielen. Letztlich machen ihre kritischen Überlegungen aber deutlich, dass es angesichts der neuen KI-Technologien an geeigneten und erprobten Meta-Modellen (‚transdisziplinär‘, ‚wissenschaftsphilosophisch‘, …) mangelt. Man ’spürt‘ ein Ungenügen mit dieser neuen KI-Technologie, kann auch viele Alltagsbeispiele aufzählen, aber es fehlt an einem klaren theoretischen Konzept. Ein solches scheint aber momentan niemand zu haben ….
9. Epilog
Diese Kurzfassung meines Vortags vom 10.November 2023 ist gedacht als ‚Basis‘ für die Erstellung eines umfassenderen Textes, in dem alle diese Gedanken weiter ausgeführt werden, dazu auch mit viel mehr Literatur und vielen realen Beispielen.
DER AUTOR
Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.
Der Terrorakt der Hamas auf israelische Bürger am 7.Oktober 2023 erschüttert die Welt. Seit Jahren erschüttern Terrorakte unsere Welt. Unter unseren Augen versucht ein Staat seit 2022 (eigentlich schon ab 2014), das ganze ukrainische Volk auf brutalste Weise auszuradieren. In vielen anderen Regionen dieser Welt findet und fand Ähnliches statt …
… Schmerz ersetzt nicht die Wahrheit [0]…
Wahrheit ist kein Automatismus. Wahrheit verfügbar zu machen erfordert erheblich mehr Anstrengung, als im Zustand partieller Wahrheit zu verweilen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch die Wahrheit kennt bzw. sich um die Wahrheit bemüht ist kleiner als das Verharren in einem Zustand der partiellen Wahrheit oder der direkten Unwahrheit.
Ob in einer Demokratie mehrheitlich die Unwahrheit vorherrscht oder eben die Wahrheit, hängt davon ab, wie eine Demokratie den Prozess der Wahrheitsfindung und der Kommunikation von Wahrheit gestaltet. Einen Automatismus zur Wahrheit gibt es nicht.
In einer Diktatur ist die Wahrscheinlichkeit für eine Verfügbarkeit von Wahrheit extrem abhängig von jenen, die die Macht zentral ausüben. Absolute Macht hat aber schon im Kern mit der Wahrheit gebrochen (was nicht ausschließt, dass diese Macht erhebliche Wirkungen entfalten kann).
Der Gang der bisherigen Geschichte des Menschen auf dem Planet Erde zeigt, dass es offensichtlich keinen einfachen schnellen Weg gibt, der alle Menschen gleichermaßen in einen glücklichen Zustand überführt. Dies muss mit dem Menschen selbst — mit uns — zu tun haben.
Das Interesse an Wahrheitsfindung, an Kultivierung von Wahrheit, an einem gemeinsamen Prozess in Wahrheit, war bislang aber niemals stark genug, um die alltäglichen Abgrenzungen, Unwahrheiten, Verfeindungen, Greueltaten … zu überwinden.
Der eigene Schmerz ist furchtbar, aber er hilft uns nicht weiter …
Wer will überhaupt eine Zukunft für uns alle?????
[0] Es gibt einen Überblicksartikel vom Autor aus dem Jahr 2018, in dem er 15 größere Texte aus dem Blog ‚Philosophie Jetzt‘ vorstellt ( „INFORMELLE KOSMOLOGIE. Teil 3a. Evolution – Wahrheit – Gesellschaft. Synopse der bisherigen Beiträge zur Wahrheit in diesem Blog“( https://www.cognitiveagent.org/2018/03/20/informelle-kosmologie-teil-3a-evolution-wahrheit-gesellschaft-synopse-der-bisherigen-beitraege-zur-wahrheit-in-diesem-blog/ )), in denen die Sache mit der Wahrheit aus vielen Gesichtspunkten betrachtet wird. In den 5 Jahren danach hat sich der gesellschaftliche Umgang mit der Wahrheit dramatisch weiter verschlechtert.
Hass hebt Wahrheit auf …
Wahrheit hat mit Wissen zu tun. Wissen ist bei Menschen aber den Emotionen untergeordnet. Was immer wir wissen oder wissen wollen, wenn unsere Emotionen dagegen sind, werden wir das Wissen einklammern.
Eine Form von Emotion ist der Hass. Die zerstörerische Wirkung von Hass begleitet die Geschichte der Menschheit wie ein Schatten und er hinterlässt überall eine Spur der Verwüstung: im Hassenden selbst, und in seiner Umgebung.
Das Ereignis des unmenschlichen Überfalls am 7.Oktober 2023 in Israel, von der Hamas für sich in Anspruch genommen, ist ohne Hass nicht denkbar.
Verfolgt man die Geschichte der Hamas seit ihrer Gründung 1987 [1,2], dann kann man sehen, dass der Hass schon als ein wesentliches Moment in der Gründung grundgelegt ist. Zu diesem Hass gesellt sich das Moment einer religiösen Deutung, die sich islamisch nennt, die aber eine spezielle, sehr radikalisierte und zugleich fundamentalistische Form des Islams repräsentiert.
Die Geschichte des Staates Israel ist komplex, nicht minder die Geschichte des Judentums. Und dass das heutige Judentum auch starke Anteile enthält, die eindeutig fundamentalistisch sind und denen Hass nicht fremd ist, dies führt innerhalb vieler anderer Faktoren im Kern auch zu einer Konstellation von fundamentalistischen Gegensätzen auf beiden Seiten, die aus sich heraus keine Lösungsansätze erkennen lassen. Die vielen anderen Menschen in Israel und Palästina ‚drumherum‘ sind Teil dieser ‚fundamentalistischen Kraftfelder‘, die Menschlichkeit und Wahrheit in ihrer Nähe schlicht verdunsten lassen. An der Spur des Blutes kann man diese Wirklichkeit erkennen.
Sowohl das Judentum wie auch der Islam haben wunderbare Dinge hervorgebracht, aber was bedeutet all dies angesichts eines brennenden Hasses, der alles beiseite schiebt, der nur sich selbst sieht.
[1] Jeffrey Herf, Sie machen den Hass zum Weltbild, FAZ 20.Okt. 23, S.11 (Abriss der Geschichte der Hamas und ihr Weltbild, als Teil der größeren Geschichte)
[2] Joachim Krause, Die Quellen des Arabischen Antisemitismus, FAZ, 23.10.2023,S.8 (Dieser Text ergänzt die Darstellung von Jeffrey Herf. Nach Krause wurde der arabische Antisemitismus seit den 1920iger/ 30iger Jahren über die 1928 gegründete Muslimbrüderschaft weit in die arabische Welt hineingetragen.)
Zerbrechende Gesellschaft
Wenn die Wahrheit schwindet, der Hass wächst (und damit indirekt auch das Vertrauen verdunstet), dann befindet sich eine Gesellschaft im freien Fall. Dagegen gibt es kein Mittel; Waffeneinsatz kann es nicht heilen, nur verschlimmern.
Allein die Tatsache, dass wir glauben, man könnte mangelnde Wahrheit, schwindendes Vertrauen, vor allem aber manifesten Hass nur durch Gewalt ausrotten, zeigt, wie ernst wir diese Phänomene nehmen und zugleich, wie hilflos wir uns diesen Haltungen gegenüber erleben.
In einer Welt, deren Fortbestand an die Verfügbarkeit von Wahrheit und Vertrauen geknüpft ist, ist es ein schrilles Alarmzeichen zu sehen, wie schwer wir uns als Menschen im Umgang mit fehlender Wahrheit und Hass tun.
Ist Hass unheilbar?
Wenn man sieht, wie zäh sich Hass in der Menschheit hält, wir unfassbar grausam ein Handeln sein kann, was von Hass angetrieben wird, und wie hilflos wir Menschen im Angesichts von Hass wirken, dann muss man vielleicht die Frage stellen, ob Hass letztlich nicht eine Art Krankheit ist, eine, die den Hassenden selbst und — ganz besonders — den Gehassten mit schweren Schäden, letztlich mit dem Tod bedroht?
Bei normalen Krankheiten haben wir gelernt, nach Heilmitteln zu suchen , die von der Krankheit befreien können. Wie ist es aber bei einer Krankheit Hass? Was hilft hier? Hilft hier irgendetwas? Müssen wir Menschen, die von Hass befallen sind, wie zu früheren Zeit bei Menschen mit tödlichen Krankheiten (die Pest!) , hassende Menschen ausgrenzen, wegsperren, in ein Niemandsland verschicken? … aber jeder weiß, dass dies nicht geht… Was aber geht? Was hilft gegen Hass?
Nach ca. 300.000 Jahren Homo sapiens auf diesem Planeten wirken wir seltsam hilflos im Angesicht der Krankheit Hass.
Das Schlimme ist, dass es andere Menschen gibt, die in jedem hassenden Menschen ein mögliches Werkzeug sehen, diesen Hass mit geeigneter Manipulation auf Zieleumzufunktionieren, die der Manipulator gerne geschädigt oder gar zerstört sehen will. Dadurch verschwindet der Hass nicht; im Gegenteil, er fühlt sich bestätigt und neues Unrecht schürt die Entstehung von neuem Hass … die Krankheit breitet sich weiter aus.
Eines der größten Ereignisse im gesamten bekannten Universum, die Entstehung des geheimnisvollen Lebens auf diesem Planet Erde, hat einen wunden Punkt, an dem dieses Leben so seltsam schwach und hilflos wirkt. Die Menschen haben im Lauf der bisherigen Geschichte gezeigt, dass sie zu Taten fähig sind, die viele Generationen überdauern, die vielen Menschen mehr Leben ermöglichen, die …. aber angesichts von Hass seltsam hilflos wirken … und der Hassende ist sich selbst genommen, unfähig zu allem anderen … im freien Fall in sein dunkles Inneres …
Statt Hass brauchen wir (minimal, skizzenhaft):
Wasser, damit Menschen leben können. Dazu eine Infrastruktur, die Wasser bereit stellt. Dazu andere Menschen, die sich um diese Infrastruktur kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
Nahrung, damit Menschen leben können. Dazu eine Infrastruktur, die diese Nahrung herstellt, lagert, aufbereitet, transportiert, verteilt, und die Nahrung bereit stellt. Dazu andere Menschen, die sich um diese Infrastruktur kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
einen Wohnbereich, damit Menschen leben können. Dazu eine Infrastruktur, die diesen Wohnbereich herstellt, bereit stellt, erhält, und verteilt. Dazu andere Menschen, die sich um diese Bereitstellung kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
Energie, gegen Kälte, gegen Hitze, für alltägliche Abläufe, um Leben zu können. Dazu eine Infrastruktur, die diese Energie herstellt, bereit stellt, erhält, und verteilt. Dazu andere Menschen, die sich um diese Bereitstellung kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
Die Berechtigung und die Teilhabe, Wasser, Nahrung, Wohnen und Energie bekommen zu können. Dazu eine Infrastruktur an Vereinbarungen, damit dies alles möglich ist. Dazu andere Menschen, die sich um diese Vereinbarungen kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
Ausbildung, um in der Lage zu sein, Aufgaben im realen Leben übernehmen und erfolgreich ausführen zu können. Dazu braucht es andere Menschen, die genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Ausbildung anbieten und durchführen zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
Medizinische Versorgung, um bei vielen Verletzungen, Unfällen, Krankheiten helfen zu können. Dazu braucht es andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche medizinische Versorgung anbieten und durchführen zu können; dazu auch die notwendigen Einrichtungen und Ausrüstungen. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
Kommunikationseinrichtungen, damit jeder jederzeit die hilfreichen Informationen bekommen kann, die er braucht, um sich in seiner Welt sachgemäß orientieren zu können: Wann, wer, wo, wie, was …. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Informationen anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
Transporteinrichtungen, damit Menschen und Sachen an die Orte kommen können, zu denen sie hin müssen. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Infrastrukturen anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
Entscheidungsstrukturen, die die vielfältigen Bedürfnisse und notwendigen Leistungen so vermitteln, dass möglichst alle all das zur Verfügung haben, was sie für ihr alltägliches Leben benötigen. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Infrastrukturen anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
Ordnungskräfte, die dafür Sorge tragen, dass Störungen und Verletzungen jener Infrastrukturen, die für das alltägliche Leben notwendig sind, behoben werden, ohne dass neue Störungen entstehen. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Dienst anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
ausreichend Land, um für all diese Anforderungen genügend Raum zur Verfügung stellen können, dazu geeignete Böden (Wasser, Nahrung, Wohnen, Transport, Lagerung, Produktion, …)
ein geeignetes Klima …
ein funktionierendes Ökosystem …
eine leistungsfähige Wissenschaft, welche die Welt erkundet, um zu wissen, was geht, was nicht geht, was auf uns zukommt, …. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Dienst anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
eine geeignete Technologie, um alle die Aufgaben erfolgreich durchführen zu können, die im Alltag und für die Wissenschaft benötigt werden. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Dienst anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
ein Wissen in den Köpfen der Menschen, das dazu geeignet ist, das Geschehen im Alltag hinreichend gut verstehen zu können, so dass sie verantwortungsvoll mitdenken, sich selbständig orientieren und entscheiden zu können. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Dienst anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
Zielvorstellungen (Präferenzen, Werte, …) in den Köpfen der Menschen, welche dazu geeignet sind, im Geschehen des Alltags hinreichend gut Entscheidungen fällen zu können. Dazu braucht es im alltäglichen Leben eine gegenseitige Hilfestellung von Allen, damit die junge Generation sich mit diesen Zielen vertraut machen und selbständig überprüfen kann, um nach und nach aus eigener Kraft diese Ziele anwenden kann.
hinreichend viel Zeit und Frieden, damit die bisher genannten Prozesse stattfinden und ihre Wirkung erbringen können.
hinreichend gute und dauerhafte Beziehungen zu anderen Bevölkerungsgruppen, die die gleichen Ziele verfolgen.
eine hinreichende Gemeinsamkeit zwischen all den Bevölkerungsgruppen, die auf dem Planet Erde leben und mit der Realität dieses Planeten (Erdbeben, Vulkane, Klima, verfügbares Land, …) den Bedarf für ihr Leben dort gemeinsam lösen müssen, wo sie alle betroffen sind.
einen dauerhaften positiv-konstruktiven Wettbewerb um jene Zielvorstellungen, die das Leben von möglichst allen Menschen auf diesem Planeten (in diesem Sonnensystem, in dieser Galaxie, ….) auch für die Zukunft möglich erscheinen lassen.
der Freiheit, die im Innern der erfahrbaren Welt anwesend ist, so auch in jedem Lebewesen, besonders auch im Menschen, sollte so viel Raum wie möglich gegeben werden, da es nur diese Freiheit ist, die angesichts einer sich beständig verändernden Welt falsche Vorstellungen von gestern so überwinden kann, damit wir in der Welt der Zukunft vielleicht bestehen können.
DER AUTOR
Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.